Küstenweg nach Piräus

  • Es war noch dunkel gewesen, als ich heute morgen aufgebrochen war. Nun leckten die Finger Helios über die Hügel zu meiner Linken und das Morgenlicht lies das Meer zu meiner Rechten funkeln.
    Im Dunst sah ich die Umrisse der Insel Salamis und erahnte mein Ziel. Es war sicherlich noch einen halben Tag entfernt. Aber die Zeit war nicht wichtig für mich.
    Nicht mehr.


    Ich schritt fast wie in einem Traum. Oder wie eben aus einem Traum erwacht.
    Seltsam. Ich erinnerte mich kaum noch an die letzten Jahre. Und die Zeit vorher war fast so als würde ich das Leben eines anderen betrachten.
    Ich war Krank gewesen. Schwer Krank. Ich hatte Angst vor den mitleidigen Blicken gehabt. Angst das die anderen meinen Verfall sahen. Hatte mich wie ein weidwundes Tier in die Einsamkeit zurückgezogen.
    Und war nicht gestorben.


    Warum?
    Ich wusste es nicht. Ich erinnerte mich kaum.
    Bäume, Berge, Menschen .. ich konnte sie nicht einsortieren.
    Die letzte Person an die ich wirklich erinnerte, war Deandra. Seltsam, es war fast so als würden mir die Erinnerungen eines anderen Lebens eingepflanzt
    worden sein. Alles erschien so unwirklich.
    Alles was nach diesem Tag in Epidaurus geschehen war, war wie in einen dichten Neben gehüllt. Ein Nebel, dessen letzte Schleier noch immer um mein Haupt wirbelten.


    Die Sonne war weiter gewandert. Nun erstrahlte die Küste in morgendlichem Glanz. Ich konnte die Polis Athen auf den Hügeln erkennen. Und unterhalb dieser, an der Küste, ihren Hafen Piräus.

  • Im Hafen lag ein Schiff nach Hispania. Es würde morgen früh absegeln. Mit mir.


    Ich schaute mich in der kleinen Kammer des Gasthauses um. Alles wirkte seltsam auf mich.
    Mein Kleidung war ordentlich. Die eines wohlhabenden römischen Bürgers. Ich konnte mich nicht erinnern, woher ich sie hatte. Oder das Geld. Ich hatte es einfach.


    In dem silbernen Spiegel im Badehaus hatte ich mein Gesicht gesehen.
    Ich wusste sofort das es mein Gesicht war, doch es war anders als ich es in Erinnerung hatte.
    Das Gesicht eines Mannes Ende 30. Ernster und älterer. Wind und wettergegerbt. Das Gesicht eines Mannes der sich lange Zeit im Freien aufgehalten hatte.
    Irgendwie war mein Gesicht in meiner Vorstellung jünger und lebhafter. Die Augen des Spiegelbildes waren seltsam ruhig, beruhigend, friedlich.
    In meiner Vorstellung war das Falsch. Ich hatte die Vorstellung eines wilderen, lebenslustigeren, zornigeren, funkelnderen Blickes.
    Die Augen veränderten das ganze Bild.


    War das wirklich Ich?


    Ich wusste wer ich war. Ich erinnerte mich an alles, was vor dem Tag in Epidaurus geschehen war.
    Und doch kam es mir vor als wären das Schatten eines anderen, früheren Lebens. Es war ich, und es war doch nicht ich. Und es war auf eine seltsame Art und Weise bedeutungslos.
    Ich suchte mich.


    Hispania.
    Ich wusste nicht, ob ich dort mit meiner Suche weiterkommen würde. Eigentlich wusste ich nicht mal genau was ich suchte, aber Hispania, so fühlte ich, war ein guter Anfang.


    Es fühlte sich richtig an.

  • Ich stand an der Reling des Schiffes und sah zur Küste hinüber.
    Sie zog sich immer mehr zusammen. Die Farben und Formen vermischten sich, gingen ineinander über, bis nur noch ein schmaler schwarzbrauner Streifen für mich zu erkennen war.


    Die Wellen klatschen in beruhigendem Rythmus an die Planken und das geleichmässige auf- und abreiten des Schiffes tat sein Übriges.
    Ich setze mich an der Reling auf den Boden, die Sonne schien warm auf mein Gesicht. Wie von selbst schlossen sich meine Augen.


    Bilderfetzen, Traumschleier trieben vor meinem geistigen Auge vorbei. Ich war mir nicht kar darüber, was genau ich in Hispania wollte und was diese Reise bezweckte. Aber irgendwie fühlte es sich richtig an.


    Dies Sonne wärmte mich, das Schiff wiegte mich, die Wellen sangen ihr beruhigendes Lied ...

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