• Ich hatte gesehen, wie Axilla das Atrium betrat und verfolgte sie mit meinem Blick, ohne etwas zu sagen oder mich bemerkbar zu machen. Als sie sich dann setzte und bei meinem Anblick erschrak, hätte ich beinahe lachen müssen, unterdrückte das jedoch.
    Ja, ich sitze schon eine ganze Weile hier.

  • Oh, tut mir wirklich leid, ich war wohl ganz in Gedanken.
    Das war jetzt schon ein klein wenig peinlich. Verlegen kratzte sich Axilla am Arm. Das konnte doch nicht angehen, dass sie hier gar nichts mehr mitbekam!
    Und als wäre das nicht genug, fiel ihr auch noch etwas anderes siedend heiß wieder ein.
    Oh, das hab ich ja ganz vergessen! Oh, Urgulania, ich bin in letzter Zeit wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen.
    Marcus Achilleos war vor zwei Tagen hier. Ich hab ihn zufällig beim Fest des Alexanders vor einer Woche oder so kennen gelernt. Auf jeden Fall meinte er, du kennst ihn wohl auch, und vor zwei Tagen also war er hier und hat mich besucht – naja, eigentlich nicht besucht, er wollte sich entschuldigen, wegen so einer kleinen dummen Sache am Tor, aber ist ja auch egal. Und auf jeden Fall hat er mir gesagt, ich soll dir auch noch Grüße ausrichten und sagen, dass es ihm leid täte, dass er dich nicht auch besuchen gekommen ist, aber er fährt nach Athen zu seinem Großvater und dann weiter nach Rom und kommt wohl nicht dazu. Aber er hat versprochen zu schreiben. Also mir. Und dir wollte er glaube ich einen Reisebericht schenken. Von Han.

    Hatte sie etwas vergessen? Nein, Axilla meinte, dass sie alles ausgerichtet hatte. Also lächelte sie, ehe sie noch mal über ihre ähnlich einem Wasserfall dahingesprudelten Worte nachdachte.
    Das war jetzt etwas durcheinander, oder?

  • Ich versuchte den wirren Ausführungen meiner jungen Verwandten zu folgen, was mir jedoch sehr schwer fiel. Manchmal schien die Jugend zu vergessen, dass Menschen meines Alters unter Umständen nicht mehr ganz so konzentriert zuhören konnten, wenn man sie mit Informationen bombardierte.
    Doch im Endeffekt verstand ich in etwa, was sie mir mitteilen wollte und nickte.

    Ja, das war etwas durcheinander. Aber ich denke ich konnte dir folgen.
    sagte ich, sparte mir aber jetzt alles nochmal zu wiederholen.
    Geht es dir nicht gut, Kleines?
    Vielleicht sollte ich die junge Axilla mal zum Museion bringen, damit die Medici dort sie untersuchen konnten.

  • Nein, ihr ging es nicht gut. Aber sie konnte Urgulania ja wohl kaum alles Erzählen. Wie würde sich das anhören? Mir geht es nicht gut, weil ich mit Silanus geschlafen habe und er mich aber nicht liebt, ich ihn aber schon und ich mich sogar soweit erniedrigt habe, ihn anzubetteln? Und weil ich deshalb mich auch nicht traue, noch mal zu ihm zu gehen und ihn zu fragen, ob er mittlerweile eine Beschäftigung für mich gefunden hat? Wohl kaum.
    Sie kaute wieder auf ihrer Unterlippe herum, während sie überlegte, was sie Urgulania sagen konnte, und was nicht. Sie wollte ja darüber reden, sich irgendjemandem anvertrauen, aber das war so verdammt schwer.
    Ich hatte einen schlimmen Streit mit Silanus.“ Soweit war das ja auch richtig. „Und mir geht es deshalb nicht so gut. Und er wollte sich mal umhören, ob er für mich vielleicht ein bisschen Arbeit findet, also vor dem Streit. Und jetzt trau ich mich nicht mehr, ihn danach zu fragen. Aber mir ist so furchtbar langweilig. Mir fällt hier noch die Decke auf den Kopf, es gibt absolut nichts zu tun hier.
    Das war zwar nicht die volle Wahrheit, aber an dieser so nahe dran, wie es der Anstand erlaubte.

  • Das klingt nicht gut.
    kommentierte ich ihren Streit mit Silanus. Es wäre durchaus interessant gewesen, warum genau sie sich denn wohl gestritten hatten, doch da sie es nicht direkt erwähnte, wollte sie vermutlich nicht, dass ich den Grund erfuhr. Daher fragte ich auch erstmal nicht nach.
    Dass sie sich hier langweilte konnte ich tatsächlich verstehen, war sie doch mehr oder weniger darauf beschränkt hier im Haus zu sein oder draussen in der Stadt irgendwelchen Vergnügungen nachzugehen. Wobei ja nichts dagegen sprach, dass sie sich selbst Arbeit suchte.

    Über welche Art von Arbeit hattet ihr beiden denn nachgedacht?

  • Ach, ich hatte ihn gefragt, ob er vielleicht jemanden kennt, der eine Frau als Scriba einstellen würde. So etwas in der Art, Briefe schreiben, Rechnungen ordnen, unterstützen, was ein Scriba halt so macht. Nichts weltbewegendes.
    Axilla zuckte leicht mit den Schultern. Die meisten Männer, die sich einen Scriba leisten konnten, bevorzugten eben auch Männer als Scriba. Axilla machte sich da gar nichts vor, aber nur zuhause rumzusitzen war einfach nichts für sie. Wenigstens ein paar Stunden am Tag wollte sie sich auch mal richtig nützlich machen.

  • Hmm...
    machte ich. Spontan fiel mir niemand ein, der einen Scriba brauchte, und auch nach einem zweiten Nachdenken änderte sich das nicht.
    Ich würde dich ja selbst beschäftigen, aber ich habe erst einen Scriba eingestellt, daher wärst du dann immernoch etwas beschäftigunslos.
    Ich hätte sie natürlich auch anderweitig einstellen können, aber ich hätte sicherlich Silanus Zorn auf mich gezogen, wenn ich sie in meinem porneion hätte arbeiten lassen.
    Aber wenn du möchtest, kann ich mich ja auch mal umhören.

  • Das würdest du machen? Wirklich?
    Der Rest ging in einem freudigen Quietschen unter, als Axilla aufsprang und Urgulania erstmal umarmte. Nachdem der Anfall von jugendlichem Übermut vorbei war, ließ Axilla ihre Cousine wieder los und lächelte entschuldigend.
    Oh, das wäre wirklich herrlich, wenn das klappen würde. Du bist wirklich die Beste!

  • Ich war schon etwas überrascht, als Axilla plötzlich aufsprang und mich umarmte. Fast hätte ich vor Schreck leicht aufgeschrien, was allerdings vor allem durch die Furcht bestärkt wurde, dass der Sessel auf dem ich sass umkippen könnte.
    Als ich mich wieder ein wenig gefasst hatte, sagte ich lächelnd.

    Ich kann dir allerdings nichts versprechen, weil ich nicht genau weiss, wie momentan die Arbeitsmarktsituation dort draussen in der Stadt ist.

  • Ach, das macht nichts. Allein, dass du dich für mich umhören willst, ist schon so wahnsinnig lieb von dir. Und wenn es dann wirklich klappen sollte, wäre das wirklich, wirklich wundervoll.
    Mit einem Mal war der ganze Liebeskummer und die ganze Traurigkeit vergessen. Axilla war aufgedreht und voller Vorfreude. Bestimmt würde Urgulania etwas finden, ganz sicher. Sie hatte da großes Vertrauen zu ihrer Cousine.

  • Und wenn du dich einfach nur langweilst und irgendwas tun möchtest, könntest du dich zum Beispiel ja auch am Museion in Studien vertiefen. Du bist hier in Alexandria immerhin in der einmaligen Situation, dass du an einer der besten Academien der hellenischen Welt studieren könntest.
    schlug ich ihr dann noch vor.

  • Die Idee mit dem Museion war sicherlich nicht schlecht, versetzte Axillas guter Laune aber doch einen kleinen Dämpfer. Wenn sie auch sonst bestimmt nicht faul war, auswendig lernen lag ihr einfach nicht.
    Ich hatte ja schon überlegt, ob Achilleos mir diese Philosophie aus Han beibringen könnte, aber er muss ja leider weg. Im Museion bin ich eigentlich recht oft, aber ich habe noch nicht so wirklich etwas gefunden, was mich fasziniert. Aber bevor ich nur zuhause rumsitze, könnte ich das sicher machen, da hast du recht.

  • Das macht es nur noch trauriger, dass er weg muss. Aber vielleicht solltest du zum Einstieg dann doch erstmal die heimischen Philosophen weiter studieren. Ich bin sicher, dass es am Museion jemanden gibt, der dir da auf recht anschauliche und auch unterhaltsame Art und Weise etwas beibringen kann.

  • So ganz überzeugt war Axilla noch nicht, aber sie vertraute Urgulania da. Besser als zuhause rumzusitzen war es auf jeden Fall.
    Ich kann ja mal schauen, was es so alles gibt. Aber wenn du mir eine richtige Arbeit finden würdest, wo ich auch ein bisschen Geld verdienen würde, fände ich das trotzdem besser. Ich kann ja nicht immer Silanus’ Geld ausgeben.

  • Axilla lächelte Urgulania dankbar an. Das war weit mehr, als sie erwartet hatte. Sie hatte sich schon beinahe damit abgefunden, ihr Leben hier in Langeweile zu verbringen, bis sie schließlich an irgendwen verheiratet wurde, den sie nicht liebte. Aber so gab es wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer in Axillas Leben, und das hellte ihr Gemüt erheblich auf.
    Was ich dich schon eine Weile fragen wollte, Urgulania. Was machst du eigentlich? Also, ich meine als Arbeit, du bist ja jetzt gewählt worden. Was muss man da machen, als Eutheniarchos?
    Vielleicht war sowas ja auch was für Axilla? Abgesehen davon wollte sie gerne wissen, womit Urgulania ihr Geld verdiente. Sie war da ja fast sowas wie ein Vorbild für sie, eine unverheiratete Frau mit eigenem Geld, die trotzdem so hoch im Ansehen stand, dass sie sogar gewählt wurde.

  • Der Eutheniarchos kümmert sich zum einen um die Getreideversorgung der Stadt. Also im Prinzip habe ich dafür zu sorgen, dass es immer genug Getreide in den Speichern gibt, damit alle Bürger Alexandrias etwas zu essen bekommen.
    begann ich und wurde direkt an etwas erinnert, was ich noch im Prytaneion zu erledigen hatte.
    Darüber hinaus gilt es noch dafür zu sorgen, dass jenes Getreide, dass der Cura Annonae in Rom zukommen soll, unangetastet bleibt und sein Ziel erreicht. Also zumindest, dass es auf die Schiffe der Getreideflotte gelangt, was danach auf dem Meer damit passiert liegt natürlich ein klein Wenig ausserhalb meines Einflusses.
    Meine sonstigen Arbeitsfelder, fern meines gewählten Amtes, liess ich, wie immer, unerwähnt. Schliesslich wollte ich ja nicht, dass meine junge Verwandte auf irgendwelche dummen Ideen kam.

  • Also passt du auf, dass alle bei den Getreidespeichern ihre Arbeit richtig machen und nichts klauen?
    Besonders abenteuerlich klang das ja nicht. Wobei, die Ägypter waren schon ein verschlagenes Volk, vielleicht gab es da ja geheime Bündnisse, die das Korn heimlich selbst verkaufen wollten. Dann würde Rom hungern müssen! Na, vielleicht war das ja doch ganz spannend.
    Und was machst du, wenn doch mal was fehlt?“ Axilla konnte sich Urgulania auf der Jagd nach einem Dieb gar nicht so wirklich vorstellen.

  • Ich musste ein wenig grinsen, denn auch wenn es natürlich der Kern meiner Aufgaben war, war es doch auch eine starke Vereinfachung.
    Im Grunde genommen kommt das so hin, ja.
    sagte ich und nickte langsam.
    Wenn doch mal etwas fehlt, versuche ich rauszufinden wo es abgeblieben ist und informiere die entsprechenden Stellen, die für die Fahndung nach Dieben zuständig sind.

  • Ah.
    Das war vielleicht nicht der scharfsinnigste Kommentar, aber das erste, was Axilla durch den Kopf schoss. Sie stützte sich mit ihren Armen an der Bank ein bisschen ab und wackelte kindlich mit den Füßen, während sie überlegte, wie sie Urgulania fragen könnte. Sie traute sich noch nicht so ganz und sicher würde sie nur stören. Aber dann platzte es doch ganz unumwunden aus ihr heraus.
    Vielleicht könnte ich dich ja mal ein bisschen begleiten und mir anschauen? Ich meine, dir ein bisschen über die Schulter schauen und lernen, wie das alles so funktioniert? Ich weiß noch so wenig über diese Stadt und ihren Aufbau, und da wäre es ja vielleicht ganz lehrreich. Also, wenn ich dich da nicht irgendwie störe…
    Ein bisschen schüchtern senkte sich ihr Kopf gen Boden, aber ihre Augen spitzelten verstohlen doch nach Urgulanias Reaktion auf ihre Worte.

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