[Trans Tiberim] Eine kleine Taverne

  • Da war ja der Mantel. Antias machte einen Schritt auf den Durchgang zu. Richtig, er hatte ihn dort abgelegt, wie hatte er das vergessen können? Gleichgültig sah er an sich hinunter. Blut tropfte von seiner linken Hand auf den durchweichten Boden, die rechte hielt noch immer den Griff des Gladius umklammert. Mit ein paar tiefen Zügen sog er die feuchte Luft ein, steckte das Schwert in die Scheide und blickte den Optio nickend an. Die Hand verbinden. Ja, das war sicher nicht verkehrt. „Verstanden, Optio Iunius Avianus!“ presste er beherrscht heraus und fragte sich, womit. Müde wollte er nach seinem durchnässten Mantel greifen, als ihm jemand ein aufgewickeltes Stück Leinen vor die Nase hielt. Er drehte sich um, Vilius Carbo betrachtete ihn neugierig. Dankbar nahm Antias den Stoff entgegen, lehnte sich an einen nassen Bretterstapel und begann sich umständlich den langen blutenden Schnitt an der Innenfläche seiner linken Hand zu verbinden. Drüben an der Hauswand hievten Codes und Maso den schlaffen Peregrinus aus dem Dreck. Am liebsten wäre Antias noch einmal auf den sturen Ochsen losgegangen. Dieser von allen Göttern verfluchte Christianer! Warum hatte der Idiot nicht einfach nachgegeben? Er hätte jetzt tot sein können! Kopfschüttelnd schob er sich das ein Ende der Binde zwischen die Zähne und zog mit der rechten Hand den Knoten fest. Das musste reichen. Der Schnitt war nicht besonders tief, die Finger würden ihm schon nicht abfallen. Mit einem tiefen Seufzer stieß er sich von den Brettern ab und trat langsam zu den verbliebenen Männern hinüber. Optio Avianus und Miles Rubrius hatten sich den zweiten Christianr vorgenommen. Der allerdings schien schlagartig sein Gedächtnis verloren zu haben. Antias beneidete ihn fast um diese Eigenschaft, es gab Tage, die auch er am liebsten gleich wieder vergessen hätte, der heutige Tag beispielsweise rangierte in dieser Liste enorm weit oben. Wie und womit hatte dieses Schlamassel eigentlich angefangen? grübelte er angestrengt, wurde in seinen Überlegungen aber jäh von der Frage des Optio unterbrochen. „Der Mann lügt natürlich, Optio Iunius Avianus.“ antwortete er resigniert. „Der weiß genau, wovon du redest. Zwei Frauen waren bei ihm, denen er über diese Mauer dort in den Nebenhof geholfen hat, und er kennt mit Sicherheit auch ihr Ziel.“ Einen Moment überlegte Antias, ob er den Cluvier nicht einfach totschweigen sollte, entschloss sich dann aber, zumindest das preis zu geben, was für den Optio im Augenblick wichtig war. Alles weitere würde er mit diesem Stück Dreck persönlich regeln, irgendwann. „Miles Cluvius Sulca dürfte bereits die Verfolgung der Frauen aufgenommen haben, Optio.“

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    Spurius Cluvius Sulca



    Unwirsch schob er den jammernden Schuhmacher beiseite. „Aber Miles Cluvius .. wir hatten doch ..“ „Piss dich nicht an, Grates! Ich will hier nur durch!“ Ein erleichtertes Stöhnen drang durch die Werkstatt. Unbeeindruckt setzte Sulca seinen Weg fort. Freu dich nicht zu früh Sutor, dachte er sich amüsiert, über das Geschäftliche reden wir noch. Die schiefe Hintertür war geschlossen. Sulca trat sie splitternd auf, marschierte zielstrebig über nasse ausgelegte Lederstücke auf eine dichte Beerenhecke zu, schlüpfte hindurch und war bereits im nächsten Hinterhof. Ein Sprung über das Weidengeflecht eines Ziegengatters, wieder hinaus, auf einer glitschigen niederen Mauer bis zum benachbarten Hof und er erreichte schließlich einen schmalen Torbogen, der auf die Via Aurelia hinausführte. Zufrieden schöpfte Sulca Atem und sah sich um. Wenn die Christianerweiber nicht in Richtung Tiberis abgebogen waren, würde sie die nach Südwesten geschwungene Straße direkt in seine Arme führen. Forschend auf den Menschenstrom starrend zog er sich die triefende Kapuze über den Kopf. Gewiss, es gab in der wimmelnde Menge kaum jemanden, der es angesichts des strömenden Regens nicht eilig hatte, aber genau dieser Umstand würde alles noch leichter machen. Anstatt Gesicht für Gesicht zu prüfen, konnte Sulca sich auf diejenigen Passanten konzentrieren, die es entweder noch eiliger hatten als der Rest oder sich im Gegenteil übertrieben langsam und unauffällig bewegten. So wie die beiden Frauen, die gerade in etwa einem Actus Entfernung unter den tropfenden Markisen einer kleinen Popina entlang gingen. "Na, wer sagt's denn." Grinsend setzte sich Sulca in Bewegung.

  • Der Germanicus hatte sich in der Zwischenzeit tatsächlich wieder zusammengerissen und verlor keine Zeit, ihn über die Wahrheit aufzuklären. Wirklich verwundert war er über die Lüge des Mannes zwar nicht und er hatte bereits vermutet, dass der Kerl mehr wusste als er preisgab, aber man wollte schließlich nicht einfach nur irgendwelche Vermutungen anstellen, wenn man Zeugen zur Hand hatte.
    "Wie überraschend", kommentierte der Iunius mit Blick auf den Südländer sarkastisch. "Du verstehst sicher, dass wir deinen Freund wohl oder übel mitnehmen werden müssen, aber du kannst aus der Sache immer noch raus, wenn du zeigst, dass du bereit bist, mit uns zusammenzuarbeiten." Avianus beugte sich ein Stück zu dem Peregrinus hinunter und musterte den Mann eindringlich. Dem hingegen war kein Wort mehr über die Lippen gekommen, seit Antias seine Lüge aufgedeckt hatte, und auch jetzt blieb er weiterhin stumm.
    "Wo sind sie hin? Eine der Frauen ist sicher Mirjam, oder? Wer ist die zweite?", fragte Avianus ungerührt, bekam jedoch als Antwort weiterhin nur Schweigen.
    "Überleg's dir." Der würde schon noch reden, und falls nicht hatten sie immer noch seinen Kollegen. Er richtete sich wieder auf und wandte sich mit mäßiger Begeisterung an seinen Tiro. Nach wie vor lief nichts nach Plan, und er fühlte sich als befehlshabender Optio gewissermaßen dafür verantwortlich, doch seine Soldaten schienen ihm bei seiner Aufgabe alles andere als eine große Hilfe zu sein. Und das obwohl er eigentlich der Meinung war, eine halbwegs brauchbare Truppe zusammengestellt zu haben.
    "Was meinst du mit Miles Cluvius dürfte die Verfolgung aufgenommen haben? Hat er oder hat er nicht?" Mit einem dürfte konnte er schließlich wenig anfangen. Sollte er sich etwa einfach eines von beidem aussuchen? Kurz ermahnte er sich in Gedanken, Ruhe zu bewahren. Dennoch, wenn sie hier darauf warteten, dass der Cluvier zurückkehrte, und dieser hatte keine brauchbaren Informationen, wären die beiden Frauen bereits über alle Berge und mit ihrem einzigen wirklichen Anhaltspunkt hätte es sich erledigt... es sei denn, Sibel wusste noch etwas.
    Unterdessen kam Carbo duch den Durchgang zurückgetrottet, ohne Kameraden im Schlepptau und nicht bei bester Laune, und hinderte den Optio daran, mit seinen Gedanken abzuschweifen.
    "Optio Iunius, ich weiß nicht wo die anderen beiden sind, aber vorne auf der Straße sind sie nicht", gab er wenig hilfreich die Erkenntnis zum Besten, welche er in den letzten Minuten in der Gasse beim Anstarren der passierenden Leute erlangt hatte. Auch Carbos Meldung war ganz und gar nicht, was Avianus zu hören gehofft hatte. Jeder machte irgendetwas und niemand gab irgendwem Bescheid. Er wollte noch gar nicht daran denken, was er für den Tribunus in den Bericht für schreiben würde.

  • „Nun .. äh .. Optio Iunius Avianus ..“ begann Antias zögernd. Was sollte er dem Optio denn sagen? Dass ihn der Cluvius zum Dank für seinen Beistand verhöhnt und aufgestachelt und danach allein mit dem bewaffneten Hitzkopf zurückgelassen hatte? Dass die Frauen nicht entkommen wären, wenn Sulca sie aufgehalten hätte, anstatt sich an einem privaten Schauspiel zu ergötzen? Dass es völlig einerlei war, was Antias zu berichten hatte, weil Miles Cluvius Sulca alles so lange drehen und wenden konnte, bis die Schuld letztendlich an ihm, dem unfähigen Tiro würde hängen bleiben? Natürlich war der Mistkerl hinter den flüchtenden Frauen her, was sonst. Sulca war weder so dumm noch so pflichtvergessen, sich einfach abzusetzen, ganz im Gegenteil. Für ein tollwütiges Raubtier wie den Cluvier waren die Christianerinnern nichts als fliehendes Wild, mit dem es sich trefflich spielen ließ, bevor es schließlich gerissen wurde. Was also sollte Antias schon sagen? Sein Blick glitt unsicher über den Hof und blieb maßlos erleichtert an einem hochgewachsenen rotblonden Burschen hängen, der gerade mit gezogenem Gladius aus der Hintertür stürmte. Wenigstens Hispo war wieder da. War die ganze Aktion in Schieflage geraten, weil er seinen Kameraden weg geschickt hatte, um den Optio zu suchen? War er doch an allem schuld? „.. Miles Cluvius hat beobachtet, in welche Richtung die Frauen geflohen sind. Also ist davon auszugehen, dass ein solch .. äh ..“ Ehrgeiziger Mistbock. Egoistisches Dreckschwein. „.. erfahrener Miles sich unverzüglich an ihre Verfolgung gemacht hat, Optio.“

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    Spurius Cluvius Sulca


    Kein Zweifel, das waren die beiden Christianerschlampen. Nun aber vorsichtig. Nicht direkt vor der Popina! ermahnte sich Sulca. Es gab immer irgendwelche Narren, die meinten, bedrängten Weibern beispringen zu müssen, und einen Tumult konnte er jetzt nicht gebrauchen. Einfach abwarten, bis er auf ihrer Höhe war. Gesenkten Hauptes ging er den Frauen langsam entgegen. Bislang war alles perfekt gelaufen. Wie erwartet hatten die beiden nicht den Weg nach Osten zum Tiberis eingeschlagen, sondern bewegten sich westwärts noch tiefer nach Trans Tiberim hinein. Er selbst wäre nicht anders vorgegangen, nur hätte er sich unter keinen Umständen vom Hauptstrom der Passanten gelöst. Hier an den Hauswänden, auf dem schmalen dunklen Gehsteig gab es nur einen Fluchtweg – zurück – und der war mit Tischen, Kisten und Fässern vollgestellt. Aber für eine Flucht war es ohnehin zu spät, er würde ihnen keine Zeit mehr dazu lassen. Mit dem Blick auf seinen Stiefeln ging er schlurfend weiter, hörte ihre leisen Stimmen näher kommen, sah unter dem Saum seiner Kapuze hervor, wie vier schmutzige zerkratzte Füße in durchweichten Sandalen an ihm vorbei strebten. Der Weg durch die Hinterhöfe hatte seine Spuren hinterlassen. Noch zwei Schritte geradeaus, dann zog Sulca den Pugio, drehte sich um und schnappte sich die Jüngere der Frauen scheinbar freundschaftlich an der Schulter. „Da sind ja meine Täubchen.“ Grob presste er die junge Frau an sich und ließ die Ältere einen entsetzten Blick auf den Pugio werfen. „Wenn du wegrennst, ist sie fällig! Hast du verstanden?“ Es kam keine Antwort, musste auch nicht. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn volkommen verstanden hatte. Mit einem zufriedenen Nicken ließ er den Dolch wieder unter dem Mantel verschwinden. „Euren Freunden .. oder soll ich sagen Brüdern .. in der Taberne geht es gut. Noch. Aber wenn ich nicht schleunigst mit euch da auftauche, wird sich das ändern. Ihr habt es in der Hand. Also? Gehn’ wir?“

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Nachdem die beiden Frauen die Mauer überwunden hatten und in eines der Nachbargebäude geflüchtet waren, hatten sie dort einen Moment ausgeharrt, bis die ältere von beiden etwas verschnauft hatte. Beide hatten sie Blessuren davon getragen, Schürfwunden an Füßen und Beinen. Doch im Augenblick war es wichtiger, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Es würde nicht lange dauern, bis die Urbaner auch die Nachbarwohnungen nach ihnen absuchen würden. Gerade noch rechtzeitig waren die beiden Frauen auf die Straße entwischt. Schnell hatten sie die Hauptstraße verlassen und waren in einer der dunklen engen Gassen verschwunden, die sie noch tiefer ins Trans Tiberim hinein brachte. Sarah, die jüngere der beiden, wollte Zuflucht bei ihrer Tante finden. Dort würde sie so schnell niemand finden.
    „Komm Mirjam, es ist nicht mehr weit. Dort werden wir sicher sein,“ flüsterte Sarah der Älteren zu. Mirjam, die nicht mehr die Jüngste war, hatte Probleme, mit der Jüngeren mitzuhalten. Ihre Furcht, am Ende doch noch erwischt zu werden und die Sorge um ihren Mann, der ja noch immer in der Taberna war, tat ihr übriges. Japsend versuchte sie neben Sarah Schritt zu halten, nichtsahnend, dass sie längst schon ins Visier ihres Verfolgers geraten waren. Sie hatte noch kurz aufgesehen, als diese Gestalt, deren Gesicht unter einer tief herunter gezogenen Kapuze kaum sichtbar war, an ihnen vorbei gelaufen war.


    Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Dieser Kerl, der ihr aufgefallen war, er hatte sich Sarah gegriffen und bedrohte sie mit seiner Waffe, die er scheinbar irgendwoher gezaubert haben musste. Mirjam stieß einen spitzen Schrei aus. Ihre Augen waren vor Schreck aufgerissen. Natürlich würde sie nicht wegrennen. Ihre Beine schmerzten ja jetzt schon. Doch war sie nicht fähig,auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen.
    Ach Sarah wäre beinahe das Herz stehen geblieben. Doch nun schien sich ihr Körper in den Fängen dieses Mannes versteift zu haben. Sie spürte die scharfe Klinge an ihrer Kehle und wusste, dass ihre Flucht kläglich gescheitert war. Ein gequältes „Ja“ brachte sie schließlich heraus. Und auch Mirjam hatte längst begriffen, dass es keinen Ausweg mehr gab.
    Als der Mann endlich das Messer sinken ließ, schien das Leben wieder in Sarahs Knochen zurückzukehren. Die beiden Frauen gingen mit dem Kerl mit. Eine andere Wahl hatten sie nicht mehr.

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    Spurius Cluvius Sulca



    „Weiser Entschluss.“ Sulca bedachte die ältere der beiden Frauen mit einem schiefen Grinsen. „Du gehst voraus. Aber diesmal bleiben wir auf der Straße, klar? Na los, vorwärts.“ Ohne seine Umarmung zu lockern zog er die Jüngere mit sich fort. Schweigend gingen sie durch den strömenden Regen an grauen Hausmauern entlang die Via Aurelia hinunter. Es geht doch nichts über einen kleinen Spaziergang in anregender Gesellschaft, dachte er sich zufrieden, während sein Blick immer wieder über die Kehrseite der voraus gehenden Christianerin schweifte. Unter der völlig durchnässten langen Tunica zeichnete sich ein breites aber festes Hinterteil ab, dass ihn bei jedem ihrer müden Schritte neckisch an zu zwinkern schien. Das Weib hatte sich gut gehalten, keine Frage. Dennoch war ihr wohlgeformter Körper nur ein zarter Abglanz des wilden Juwels, das er in seinem Arm hielt. Selbst durch den nassen Mantel konnte er ihre Hitze spüren. Mit einem wohligen Stöhnen ließ er seine Hand tiefer sinken bis ihre prallen runden Backen unter seinen Fingern erbebten. Mit dieser jugendlichen Kraft konnte seine welke Geliebte nicht mithalten. Nicht mehr. Ein Jammer, dass die Zeit verrann. Ein Jammer, dass sie erwartet wurden. Sein Arm legte sich wieder um die Schultern der jungen Frau. „Da vorne links! In die Quergasse!“ rief er ihrer drallen Vorhut zu. Eine enge dunkle Gasse erwartete sie, deren Vorzüge er heute leider nicht würde nutzen können. Ein Jammer!





    Als sie die Taberna endlich erreicht hatten, war von der Hitze seiner jungen Begleiterin nicht mehr viel übrig geblieben. Sie fror offenbar. Vielleicht hätte er sie zu sich unter den Mantel nehmen sollen, aber dann – das war ihm klar – hätte er nicht mehr an sich halten können. Die Weiber waren selbst schuld, schließlich hatte sie niemand dazu gezwungen, aus der warmen trockenen Schänke zu flüchten. Vor der Taberna waren weit und breit waren keine Urbaner zu sehen, weder Milites noch einer von diesen neunmalklugen Tirones. Kein Wunder bei dem Wetter. Sicher hatte sich das ganze verzärtelte Rudel zechend in’s Wirshaus zurückgezogen, während er seine Arbeit tat. Die Tür stand offen. Unsanft stieß Sulca die beiden Frauen vor sich her in den Schankraum. Dort war entgegen seinen Erwartungen kein Gelage im gange, nur Maso und Cocles standen überrascht glotzend an der Tür zur Küche, zwischen sich auf einem Stuhl die benommene verschwollene Gestalt des braunhaarigen Christianers. Von der Hintertür klangen gedämpfte Stimmen durch die Küche. Der unfähige Germanicus hatte also tatsächlich den Kürzeren gezogen. „Was ist hier los, verdammt?“ brüllte Sulca die beiden Milites an. „Wo ist euer Optio? Ich hab’ die Weiber!“

  • Cocles und Maso hatten den schlaffen Christianer mit vereinten Kräften in die Taberna gezerrt und aus Ratlosigkeit schlichtweg auf einen der Stühle gesetzt.
    Maso hielt nun den Kerl an der Schulter fest, damit er nicht vom Stuhl kippte – darüber, dass er aufstehen könnte, machte er sich weniger Sorgen – und Cocles kratze sich gedankenverloren am Sack, als unverhofft Sulca in den Schankraum stürmte. Beide sahen sichtlich überrascht auf.
    "Wo hast du dich rumgetrieben, Sulca? Der Optio ist mit dem Rest im Innenhof", bekam Sulca eine leicht gereizte Antwort von Maso. Der Kerl hielt sich wohl für so was wie einen Vorgesetzten, so wie der sich aufführte und regelmäßig irgendwelche Aktionen auf eigene Faust durchziehen wollte. Dem Proculeius war sein Kamerad nicht ganz geheuer.
    Cocles dagegen starrte lediglich die beiden Weiber an, die Sulca mitgebracht hatte. Das konnte nicht wahr sein. Der Rest von ihnen befolgte jeden Befehl, wollten alles richtig machen, und der Kerl machte sich mir nichts dir nichts aus dem Staub, nur um am Ende mit der Beute zurückzukehren. Fehlte nur noch, dass sein eigensinniger Kollege auch noch die Belohnung kassierte.
    "Die bringst du besser gleich nach hinten...", murmelte Cocles. Klar, was sollte Sulca auch sonst machen.
    _______________________


    Avianus sah den Tiro abschätzend an. Der Germanicus hätte auch einfach sagen können, dass er nicht wusste, wo genau Sulca steckte, anstatt die Angelegenheit durch irgendwelche Vermutungen zu beschönigen. Aber ihm blieb wohl gar keine andere Wahl, als vorerst der Meinung seines Tiros zu vertrauen. Sobald sie wieder in der Castra waren würde er zweifellos ein paar Worte mit seiner Truppe wechseln. Beim nächsten Einsatz wollte er ein solches Durcheinander nicht mehr sehen.
    "Ich werde deinem Urteilsvermögen vertrauen müssen, Tiro Germanicus. Ich hoffe, du irrst dich nicht", entgegnete er leicht angesäuert. Für den Moment war die Sache gegessen. Es gab ja auch noch anderes, worum er sich kümmern musste.
    "Und hast du's dir überlegt?", fragte er nun wieder den kräftigen Kerl an der Mauer, und Pennus war sichtlich erleichtert, als er nicht mehr alleine mit dem Brocken von einem Mann dastand.
    "Ich weiß nur, wohin ich mit ihnen wollte, Urbaner, …", begann der Peregrinus, "… aber nicht wohin sie ohne mich gegangen sind."
    Der Kiefer des Iunius spannte sich deutlich an. So langsam verlor er doch noch die Geduld.
    "Dann sag mir wohin du mit ihnen wolltest", forderte er ihn zähneknirschend auf.
    Der Peregrinus sah wieder den Blick schweifen, presste die Lippen aufeinander und schien abzuwägen, was für ihn schlimmere Folgen haben würde: Verrat oder der Kerker.



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    Narseh


    "Weit weg, in die Subura", log Narseh schließlich, den Blick wieder fest auf den Urbaner gerichtet.
    Irgendetwas musste er sagen, wenn er lebend wieder aus der Sache rauskommen wollte, doch die Wahrheit konnte er nicht verraten. Er hatte sie zu einem Bekannten in der Nachbarschaft bringen wollen.
    Vielleicht, wenn er Glück hatte, würde die Urbaner seiner falschen Fährte folgen, selbst wenn er es nicht zu hoffen wagte.

  • Schön, dass der Optio vorgab, seinem Urteil zu vertrauen. Den ironischen Unterton, mit dem er dies tat, ignorierte Antias geflissentlich, nahm kurz Haltung an und beeilte sich dann, den aufgeregten Hispo zu beruhigen, der nun schon geraume Zeit nervös hinter den Männern herumtänzelte.. „Was ist passiert? Warum warst du nicht am Treffpunkt? Wer ist der ramponierte Kerl da drin? Was ist mit deiner Hand? Wieso ist Sulca..“ „Langsam Hispo!“ schnitt Antias in den Redeschwall. „Erklär ich dir alles später.“ Mit sanfter Gewalt schob er Hispo ein Stück von den Milites weg zwischen zwei Bretterstapel. „Hast du den Cluvier irgendwo gesehen?“ Nickend strich sich Hispo die tropfenden Haare aus der Stirn. „Ja, ist aber schon `ne Weile her. Er hat mich im Durchgang fast umgerannt, der dämliche Sack.“ „Wo er hin gegangen ist, weißt du aber nicht, oder?“ In einer Geste der Resignation hob Hispo die Arme und ließ sie wieder fallen. „Naja, ich bin ihm noch nach bis zu der Schuhmacherwerkstatt, da ist er dann rein.“ Was wollte der Mistkerl in einer Schuhmacherwerkstatt? Hatte sich Antias doch getäuscht? War der Cluvius den Frauen gar nicht auf den Fersen? Doch, war er. Die Gelegenheit, Ortskenntnis und Spürnase zu demonstrieren, würde sich der selbstgefällige Bock garantiert nicht entgehen lassen. „Na gut.“ seufzte Antias müde. „Dann machst du jetzt am besten Meldung.“ Nass wie die Fischotter machten sich die Tirones daran, zum Optio zurück zu schlurfen, als Hispo plötzlich ein überraschter Ausruf entfuhr: „Das kommt ja der Arsch!“ Antias blickte verwirrt um sich. Tatsächlich. An jeder Hand eine der geflüchteten Frauen grob hinter sich her zerrend marschierte Sulca mit unerträglichem Triumph im Gesicht aus der Hintertür schnurstracks auf den Optio zu. „Salve, Optio Iunius Avianus! Miles Cluvius meldet die Ergreifung der geflohenen Christianerinnen!“

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Mirjam konnte so gar nicht das Grinsesn dieses ungehobelten Kerls erwidern. Ihr stand der Schrecken noch immer ins Gesicht geschrieben. Ängstlich nickte sie nur auf seine Anweisungen und setzte sich auch sofort in Bewegung. Ihre Kleidung und das Haar waren bereits ganz durchnässt, da sie im Eifer des Gefechtes keinen Umhang mitnehmen konnte. Immer wieder sah sie zurück, um sich zu versichern das er noch da war… das Sarah noch da war, die sich noch immer in der Gewalt des Fremden befand.


    Sarah indes stand Todesängste aus. Dies waren die schlimmsten Minuten ihres bis dahin beschaulichen Lebens. Alleine schon die Tatsache, diesem fremden Mann so nah sein zu müssen, war die reinste Tortur für sie. Er hatte sie fest in seiner Umarmung und so dicht an sich gedrückt, dass sie all seine Ausdünstungen riechen konnte.
    Er nutzte diese Gelegenheit aus und ließ seine dreckige Hand über ihre Rundungen gleiten, was sie zu einem spitzen Aufschrei veranlasste. Ganz erschrocken war sie zusammengezuckt, weil sie damit rechnete, dass er jede Sekunde über sie herfallen würde. Doch das blieb ihr glücklicherweise erspart.


    Ihr Aufschrei hatte jedoch Mirjam kurzfristig stoppen lassen. Verängstig sah sie sich um und sandte ein Stoßgebet zu Jhwh, er möge sie doch aus diesem Martyrium befreien. Anscheinend hatte ihr Gott sie wenigstens diesmal erhört, denn Sarah war noch immer unversehrt. Ihr Peiniger jedoch wies Mirjam die weitere Richtung an und machte ihr unmissverständlich klar, dass sie hier keine Wurzeln schlagen sollte.


    Die dunkle Gasse, die vor ihnen lag, ließ sie Schlimmes ahnen. Aber sie tat, was er ihr sagte und bog in die Gasse ein. Inzwischen war sie schon etwas außer Atem gekommen, was allerdings auch an dem Stress lag, dem sie ausgesetzt war. Je näher sie der Taberna kamen, umso mehr drehten sich ihre Gedanken um Simon, ihren Mann. Wenn die Urbaner ihn noch einmal mitnehmen würden, dann würde er das nicht überleben.
    Schließlich lag die Taberna direkt vor ihnen. Alles sah ruhig aus. Vielleicht zu ruhig! Mirjam öffnete vorsichtig die Tür. Sollte sie sich nun Sorgen machen, dass im Schankraum keiner der Ihren mehr war? Lediglich zwei Urbaner fand sie dort vor, die ziemlich verdutzt aus der Wäsche schauten. Der Mann, der Sarah noch immer eng umschlossen in seinem Arm hielt, schob die Wirtin ins Innere der Taberna, quer durch den Schankraum, bis hin zur Küche. Von dort drangen Stimmen an ihr Ohr. Simon? wo war Simon?!

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    Simon, der von dem ganzen Getöse um sicher herum wach geworden war, erkannte erst nicht den Grund für die ganze Aufregung. Allerdings erfuhr er dann recht schnell, dass die fremden Besucher in Wirklichkeit nichts anderes als Urbaner waren, die sagen wir mal, ihre Uniform zu Hause vergessen hatten. Der alte kränkliche Wirt assoziierte mit dieser Erkenntnis sofort wieder die schrecklichen Wochen im Carcer, in denen er um Jahre gealtert war und nun nur noch ein Wrack war. Offenbar war die Stadtwache auf der Suche nach seiner Frau. Er begann wirres Zeug zu reden und wirkte sehr aufgebracht. Zum Glück schenkte ihm keiner so wirklich Beachtung. Was konnte denn auch ein alter Krüppel schon anrichten? Einer der Christianer, ein junger Mann, kümmerte sich schließlich um ihn und half ihm auf. Ohne Hilfe hätte er kaum drei Schritte machen können. Als Simon dann plötzlich den Optio sah, schienen ein paar Rädchen in seinem Kopf zu arbeiten. Den Mann kannte er von irgendwo her. Doch, er hatte ihn schon einmal gesehen. Es wollte ihm aber partout nicht einfallen, wo oder wann das gewesen war.

  • Avianus musterte den Peregrinus noch immer mit schmalen Augen und überdachte ihr weiteres Vorgehen, als er hinter sich Hispos Ausruf hörte. Dieser ließ ihn leicht irritiert herumfahren und er sah, wie Sulca mit den beiden Weibern aus der Tür trat.
    "Pass auf, was du sagst, Tiro", mahnte er den Peducaeus, beließ es aber vorerst dabei, denn mit dreien würde er heute ohnehin noch ein längeres Gespräch führen.
    Der verloren gegangene Miles war zum Glück wieder da, und obwohl er zugeben musste, dass es gut war, die beiden Frauen wieder gefasst zu haben, so hatte Sulca sich dennoch ohne seinen Befehl alleine auf den Weg gemacht und noch dazu ohne jemanden zu benachrichtigen.
    "Salve, Miles. Schön, dass du wieder zu uns gefunden hast." Der sarkastische Unterton war kaum zu überhören.
    "Du und deine beiden Kameraden, …" Er nickte in Hispos und Antias' Richtung. "… ihr werdet euch sofort bei mir melden, sobald wir in der Castra sind, ist das klar?", sagte er dann unwirsch und sah von einem Lob für den Miles bewusst ab. An den Soldaten vorbei schritt er wieder in die Taberna. Er hatte genug vom Regen, genauso wie von Soldaten, die ihre Arbeit nicht machten, und Christianern, versteht sich.
    "Bringt die beiden Frauen mit. Und den Kerl da auch." Er deutete auf den Peregrinus, der inzwischen mindestens so nass wie die Soldaten noch immer an der Mauer lehnte. Davon ausgehend, dass die Soldaten ihm folgten, marschierte er – vorbei an dem konfusen Wirt, mit dem sich sowieso nichts anfangen ließ – wieder in den Schankraum. Dort stellte er fest, dass wenigstens der verrückte Schwachkopf noch unter Kontrolle war.
    Er sich an einen der Tische und winkte die Wirtin heran, damit sie sich setzte – oder gesetzt wurde, je nachdem wie sie sich anstellte.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Nur langsam erholte sich Evander wieder von den Schlägen auf seine Stirn, die ihn überwältigt hatten und ihm für eine Weile das Bewusstsein geraubt hatten. Blinzelnd nun schlug er wieder die Augen auf und rührte sich. Jedoch war seine Bewegungsfreiheit wesentlich eingeschränkt worden, durch die Präsenz der Urbaner, sie auf ihn aufpassen sollten. Er versuchte sich zu erinnern, was gerade geschehen war. Irgendwie fehlten ihm ein paar Minuten. Er spürte etwas feuchtes Klebriges in seinem Gesicht. Hätte er mit seinen Fingern hinlangen können, dann hätte Evander sein eigenes Blut fühlen können, was nun aus einer Platzwunde an der Stirn und aus seiner Nase heraustropfte.
    Sein Schädel brummte und allmählich begann er zu begreifen, was geschehen sein musste.
    Ehe er sich aber versah, packte man ihn. Seine Füße schleiften mehr am Boden, als dass sie einen Schritt nach den anderen auf den Boden setzten konnten. Schließlich fand er sich vor dem Anführer dieser Bande wieder, den Kerl, den seine Männer mit Optio titulieren. Zu seinem Entsetzen musste Evander im gleichen Moment feststellen, dass die Urbaner auch Mirjam und Sarah habhaft geworden waren.


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Die beiden Frauen waren total eingeschüchtert und widersetzten sich nicht. Sie zitterten vor Angst. Vielleicht fragten sie sich, ob es ihnen nun ebenso erging, wie ihren Brüdern und Schwestern, die bei der Razzia verschleppt worden waren? Viele von ihnen waren danach auf nimmer wiedersehen verschwunden. Sollte es so wirklich enden? War das der Weg, der ihnen ihr gekreuzigter Gott vorbestimmt hatte? Dabei waren die Anweisungen des Nazareners so eindeutig gewesen: "Widersteht nicht dem Bösen, sondern wer irgend dich auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin." Zumindest in Sarah keimte nun die Erkenntnis, wie falsch es gewesen war, davonzulaufen. Die Konsequenz daraus, war noch abzuwarten.
    Schließlich schob man auch sie vor den Optio, der nach ihnen verlangt hatte.

  • "Alle, die nichts mit dieser Sache zu tun haben, sollen raus", wies er in einem Tonfall, der klar machte, dass er keinen Spaß mehr verstand, an, und dachte dabei unter anderem an den verbliebenen Christianer, der noch den Wirt stützte, abgesehen von dem war ohnehin praktisch niemand mehr da. Aber wer an Christianern die Befragung verfolgte, würde später mit Sicherheit durch halb Rom rennen, und den Rest der Sektenmitglieder warnen. Etwas, das der Iunier nicht auch noch gebrauchen konnte.
    Er wartete ab, bis sich die Frauen an den Tisch gesetzt hatten. Einige Atemzüge lang gönnte er sich noch eine Pause, um seinem Ärger ein wenig Zeit zu geben, sich ausreichend zu legen. Währenddessen galt sein Blick Mirjam und suchte nach irgendeiner Spur davon, ob sie sich daran erinnerte, wer er war. Gleichzeitig dachte er darüber nach, wie er wohl vorgehen sollte. Am besten nicht so als wäre er ihr Feind.
    "Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, bin ich Optio der Cohortes Urbanae... und der Rest hier sind meine Leute. Ich weiß von der Razzia vor einiger Zeit, aber wir sind nicht da, um irgendjemanden mitzunehmen. Wer es nicht darauf anlegt, hat nichts zu befürchten", begann Avianus in der Hoffnung, die Frauen etwas zu beruhigen. "Ihr habt versucht zu fliehen… wenn ihr aber von jetzt an mit uns zusammenarbeitet, werde ich darüber hinwegsehen, und ihr braucht euch keine Sorgen zu machen."
    Schließlich setzte er sich den Frauen gegenüber an den Tisch und lehnte sich zurück.
    "Ich bin im Grunde hier, um den Mist aufzuräumen, den andere produziert haben. Von der letzten Aktion der Urbaner, die hier stattgefunden hat, gibt es weder offiziellen Berichte noch hat sie auf den Befehl eines Vorgesetzten hin stattgefunden, und ich soll herausfinden, wie es hier seitdem aussieht. Also erzählt einfach… gehört ihr beide zu den Christianern? Wie viele wurden damals mitgenommen? Wie war eure Situation danach?" Die beiden waren merklich verängstigt, also entschied er sich, das Gespräch ruhig anzugehen. Zugegeben, ein wenig blöd kam er sich schon dabei vor, als Urbaner den Freund zu mimen. Aber wenn es funktionierte, würden die beiden mit Sicherheit mehr erzählen als bei gröberen Strategien… und wenn nicht, konnte er letztere noch immer anwenden. Auch wenn er hoffte, dass es nicht dazu kam.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam


    Mirjams angsterfüllte Augen starrten in die Richtung des Optio. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Aber sie wusste ihn nicht recht einzuordnen. Außerdem war ihr nicht wohl dabei, als er alle nach draußen komplimentierte. Ein Trost war wenigstens, dass man ihrem Mann Simon nicht angetan hatte. Der junge Mann, der ihn stützte, wollte ihm nun dabei behilflich sein, nach draußen zu gehen. Im Vorbeigehen wandte sich Simon aber noch einmal an den den Optio, den gerade damit begonnen hatte, sein Frau und Sarah zu befragen. „Du und deine Hure, ihr habt nur Unglück über uns gebracht.“ Seine leise Stimme klang kraftlos und verbittert. Nur einen Moment lang hatte er in das Gesicht des jungen Mannes geschaut. Dann ging er mit seinem Helfer weiter.


    Die beiden Frauen hatten sich zwischenzeitlich an einen Tisch gesetzt. Ihre Ängste ließen langsam nach, nachdem der Optio angefangen hatte, mit ihnen zu reden. Er war ganz anders, als die Schergen, die vor etlichen Wochen die Razzia durchgeführt und Mirjams Mann mitgenommen hatten. Die beiden ließen sich von seinen Versprechungen einlullen, ihnen würde nichts geschehen, wenn sie kooperierten. Ja, das war leicht! Jetzt, da er auch noch bei ihnen am Tisch saß, waren sie sich sicher, ihm konnten sie vertrauen, denn er würde nicht zulassen, dass ihnen etwas geschehen.


    Doch dann vernahm sie die Stimme ihres Mannes. Ganz plötzlich verschwand die vermeintliche Sicherheit. Mirjam dämmerte es endlich. Sie zählte eins und eins zusammen und kam auf ihr ganz eigenes Ergebnis. „Du bist es!“, rief sie, als wäre sie von Sinnen. „Du! Du warst hier und hast mich nach deinem Mädchen gefragt! Sie war heute auch hier, kurz bevor ihr... SIE hat uns verraten! Sie hat meine Tochter auf dem Gewissen!“

  • Die verbitterte Bemerkung des Wirts ließ er an sich abprallen, Avianus beschloss, den alten Mann einfach zu ignorieren, denn ohnehin war dieser gerade dabei, den Raum zu verlassen. Die Wirtin allerdings überrumpelte ihn mit ihrem plötzlichen Ausruf vollkommen, und selbst wenn er sich einen Augenblick später bereits zusammenriss, um sich möglichst wenig anmerken zu lassen: Er hatte gerade keine Ahnung was er sagen sollte. Und das obwohl außer den beiden Frauen, den zwei Christianern und seinen eigenen Soldaten niemand im Raum war, und vor deren Meinung brauchte er mit Sicherheit keine Angst zu haben. Überspielen, sagte es dennoch aus Gewohnheit in seinem Kopf, so wie immer. Selbst wenn der Ausruf der Wirtin für alle anderen nur aus wirren Worten bestehen musste.
    Er blieb sitzen und seinen Blick wandte er nicht von der Wirtin ab, denn den fragenden Ausdruck, den er wohl in den Gesichtern seiner Soldaten vorfinden würde, wollte er gar nicht erst sehen. Er wusste natürlich ganz genau was sie meinte. Sie hatte ihn erkannt, trotz allen Wahnsinns, der sie damals befallen hatte. Sein Gesicht hatte sie nicht vergessen.
    "Du willst uns also nicht helfen… ?", fragte er stirnrunzelnd zurück und wagte damit einen Versuch ihr wirres Gerede schlicht zu übergehen.
    Für den Notfall hätten sie immer noch die andere Frau, den Kerl, der noch immer mehr oder weniger bei Sinnen von Maso gehalten in seinem Stuhl hing und den zweiten, der auf der anderen Seite des Raumes von Pennus in Schach gehalten wurde, ihn mit starren Blicken durchbohrend, obwohl es ihm lieber wäre auch zu erfahren, was Mirjam wusste.
    "Was ist mit dir? Wer bist du? Was machst du hier?", fragte er die andere, jüngere Frau, um der Wirtin Zeit zu geben, ihre nächste Reaktion zu überdenken.

  • Götter, was waren diese Christianer doch für eine verstockte Bande! Voll Unverständnis verfolgte Antias die Befragung der Frauen, denen nun wirklich keiner der Soldaten irgend etwas zuleide getan hatte. Über die von Avianus erwähnte Razzia wusste Antias weiter nichts, konnte sich aber kaum vorstellen, dass Einheiten von CU oder CP ohne handfesten Grund oder offizielle Order irgendwo herum wüteten. Einige Mitglieder dieser sturen Sekte waren also im Carcer gelandet. Und? Bei Betrachtung des verbeulten Messerhelden, der da abwesend auf seinem Stuhl hing, konnte sich Antias die Gründe dafür lebhaft vorstellen. Für eigenmächtige Befehlsauslegungen war bei den Truppen kein Platz. Es sei denn – sein Blick fiel auf den Cluvier – es sei denn, einige Einheiten bestanden zum Großteil aus Mistsäcken wie Sulca oder wurden gar von derlei Subjekten befehligt. Die bloße Vorstellung, jemals in einen solchen Haufen zu geraten, ließ ihm das Ientaculum hochkommen. Besser, er konzentrierte sich wieder auf Avianus und seine Fragen, um zu lernen, wie man so was anging. Erstmal erklären, wer man war und was man wollte, nachvollziehbar. Dann versuchen, beruhigend auf die Befragten einzuwirken und die Anspannung zu lösen. Naja. Bei diesem braunhaarigen Idioten hatte das nicht gefruchtet, aber solchen Holzköpfen war verbal ohnehin nicht beizukommen. Immerhin, die Frauen schienen sich tatsächlich etwas zu entspannen. Spätestens jetzt hätte sich ein Mann wie Sulca in kalten Drohungen ergangen, Optio Avianus blieb weiter ruhig und sachlich. Bis zu dem Moment zumindest, als eine fast beiläufige Bemerkung ihres gebeugten Mannes die Wirtin zu einem plötzlichen Gefühlsausbruch drängte, der sich in wilden Vorwürfen gegen den Optio entlud. Nicht etwa, dass Antias bei Avianus irgendwelche auffälligen Reaktionen beobachten konnte, im Gegenteil, der Optio blieb gefasst. Seltsam gefasst. So demonstrativ gefasst, als hätte er insgeheim bereits mit einem derartigen Ausbruch gerechnet. Vielleicht täuschte sich Antias, vielleicht war die Frau einfach nur wirr, aber etwas an ihren Vorwürfen fügte sich nahtlos in das Bild des aufgelöst aus der Taberna hetzenden Optios. Sein Mädchen? Was war eigentlich aus der jungen Frau geworden, der Avianus nachgejagt war? Vergiss es, sagte er sich. Mochte der Optio ruhig seine Geheimnisse haben, Antias ging das nichts an. Er hatte seine eigenen.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Sarah, eine bisher unbescholtene junge Frau, die gerade erst die schlimmsten Momente in ihrem bisherigen Leben durchgemacht hatte, saß ganz in sich gekehrt mit am Tisch neben der Wirtin. Ihr schlotterten noch immer die Knochen, sobald einer der Urbaner an ihr vorbei ging oder sie sogar ansprach. Dies lag allerdings keinesfalls an ihrer klammen Kleidung, die vom Regen nass geworden war, sondern an ihrer Begegnung der „besonderen Art“. Bisher hatte ihr noch niemand zuvor ein Messer an die Kehle gehalten und gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht spurte. Nur ihre Gebete, die sie stumm an ihren Gott richtete, gaben ihr jetzt noch ein wenig Halt.
    Der Optio, der seine Befragung mit Mirjam begonnen hatte, schien ein wenig freundlich gesinnter zu sein, als jener Rüpel, der sie auf der Straße aufgegriffen hatte. Er begann über die Razzia zu sprechen, bei der auch einige ihrer Freunde verhaftet worden waren. Wie durch ein Wunder war sie damals der Stadtwache entkommen, weil sie sich verspätet hatte. Seitdem lebte sie, wie auch viele ihrer Geschwister in ständiger Angst, weiter verfolgt zu werden. Dabei waren sie doch alle nur friedliche Menschen, die niemandem etwas Böses wollten. Doch der römische Staat sah in ihnen eine große Bedrohung.


    Ihre Augen starrten auf die Tischplatte vor ihr. Sie war nur Mirjams Begleiterin gewesen, sonst nichts. Was hätte sie sagen können, wenn sie gefragt worden wäre? Eigentlich gar nichts. Sie hoffte nur, dass die Soldaten sie bald wieder gehen ließen.
    Sarah sah kurz auf, als Simon an ihr vorbeigeführt wurde. Der arme Mann war das beste Beispiel für die Gewalt, die gegen die christliche Gemeinde ausgeübt wurde. Dabei war er nicht einmal einer von ihnen. Genauso wenig wie Mirjam hatte sich Simon bisher noch nicht taufen lassen. Doch seit seiner Rückkehr aus dem Carcer sympathisierte er mit ihrer Gemeinschaft.
    Im vorbeigehen hatte der Wirt seiner Frau etwas zugeflüstert, was sie erst nicht verstanden hatte. Erst im Nachhinein wurde ihr klar, dass Simon den Optio angesprochen hatte. Mirjam wirke auf einmal wie ausgewechselt. Sie reagierte plötzlich ganz hysterisch und schrie den Optio an. Sarah erschrak und wäre am liebsten irgendwie eingeschritten. Sie konnte es doch nicht zulassen, dass sich Mirjam hier um Kopf und Kragen redete! Aber sie konnte nichts tun. Ihr angsterfülltes Gesicht prallte an der Wirtin ab. Mirjam war von Sinnen. Gleich würde man sie verhaften und Sarah auch noch dazu. Doch nichts dergleichen geschah. Mirjams Anfeindungen prallten an dem Optio einfach nur ab und brachten ihn auch nicht aus der Fassung. Das war wirklich seltsam!
    Statt Mirjam zu drohen oder seine Befragung noch zu intensivieren, wandte er sich nun an die junge Christianerin. Sarah, die eher schüchtern war, brauchte erst einen Moment, um sich zu sammeln, ehe sie auch nur irgendetwas sagen konnte.
    „Ich? Mein Name ist Sarah, Herr. Ich war nur hier, um Mirjam etwas zur Hand zu gehen.“

  • Die Wirtin war stumm geblieben, während er sich an die andere Frau gerichtet hatte und als diese ihm antwortete, ob aus demselben Schock heraus, der sie auch dazu gebracht hatte, ihn anzuschreien, weil sich dieser wieder legte oder aus purer Verwirrung über seine Reaktion, erschloss sich ihm nicht. Besonders redselig war die andere, die sich als Sarah vorstellte, allerdings nicht und erzählte ihm lediglich das nötigste.
    "Gut… ihr gehört also zu den Christianern?", fragte Avianus erneut beide. Daran hatte er inzwischen kaum noch Zweifel, denn anders konnte er die Aussage der Wirtin, Sibel hätte sie verraten, kaum interpretieren, wenngleich er nicht wusste, welche Rolle die Lykierin bei der Razzia konkret gespielt hatte, und weshalb sonst hätten die beiden versuchen sollen zu fliehen. Mirjam beobachtete er unterdessen genau, obwohl er inzwischen mit allem rechnete und sie ihn deshalb wohl kaum erneut überrumpeln würde. Dennoch konnte er eine gewisse Nervosität nicht leugnen und zweifellos wäre es ihm mehr als unangenehm, würde sie erneut die Beziehung zwischen ihm und Sibel erwähnen, oder besser, laut genug durch die Taberna schreien, dass es auch noch die Nachbarn hören würden.
    "Ich verstehe, dass Christianer sich selbst, ihre Treffen und was sie tun geheim halten wollen, aber je mehr ihr geheim haltet, desto hartnäckiger werden die Cohortes Urbanae versuchen wollen herauszufinden, was in eurer Sekte vor sich geht, und desto mehr Misstrauen werden sie euch auch entgegenbringen. Den Christianern anzugehören ist grundsätzlich kein Verbrechen, doch man wird nach Gründen suchen euch zu schaden und man wird sie finden, selbst wenn ihr nichts Falsches getan habt, aus eben diesem Misstrauen heraus. Denn wer vor den Cohortes etwas verheimlichen will, tut dies oft aus dem Grund, weil er damit gegen Gesetze verstößt", setzte er ernst fort und etwas nachdrücklicher als zuvor. "Ich frage also erneut: Was war bei der Razzia? Wie viele gibt es von euch seitdem noch? Wie ist eure Situation? Beweist, dass ihr auf unserer Seite steht und ihr braucht keine Angst zu haben." Würden die beiden Frauen es hingegen vorziehen zu schweigen, musste er ja fast annehmen, dass etwas nicht stimmte, so wie er es ihnen zuvor erklärt hatte.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Mirjam war erneut in ihrer Trauer um ihr einziges Kind versunken. Nachdem Rachel verschwunden war und nicht wieder kam, hatte sie bereits schlimme Vorahnungen. Doch als diese sich heute bei Beroes Besuch bestätigt hatten, grämte sie sich nur noch. Lediglich ihre Flucht aus der Taberna hatte etwas für „Abwechslung“ gesorgt. Aber nun, nachdem sie Avianus wieder erkannt hatte, war ihr Verlust wieder allgegenwärtig. Nach ihrem Gefühlsausbruch starrte sie nun ins Nichts und schien irgendwie abwesend zu sein. Sie hatte das Reden Elias´ kleiner Schwester Sarah überlassen. Lediglich bei der Nachfrage des Optios, ob sie beide Christianerinnen seien, streiften ihn ihre leeren Augen. Aber auch hierauf antwortete sie nicht.


    Auch bei Sarah konnte man anfangs bei dieser Frage eine gewisse Nervosität feststellen und da Mirjam schwieg, blieb es an ihr, zu antworten. Jedoch wollte sie ihren Glauben nicht verleugnen.
    „Ja, ich bin Christin. Aber Mirjam nicht. Sie hat sich noch nicht taufen lassen. Du musst sie bitte entschuldigen. Sie hat heute, kurz bevor ihr kamt, vom Tod ihrer Tochter erfahren. Auch ich bin noch ganz erschüttert. Rachel war meine Freundin.“ Die junge Frau begann ruhig zu erzählen, als wäre alles ganz selbstverständlich, was sie sagte. Ebenso ihr Gegenüber. Der Optio schien sich fast schon entschuldigen zu wollen, für die Übergriffe der Stadtwachen in den vergangenen Wochen. Er zeigte sogar Verständnis, was in Sarahs Augen sehr mutig von ihm war. Schließlich sprach er in Anwesenheit seiner Männer mit ihr.
    „Ich kann dir versichern, wir tun nichts, was gegen das Gesetz verstößt. Wer zu uns kommt, der kommt aus freien Stücken. Es stimmt, unsere Treffen finden meistens im Verborgenen statt. Doch das geschieht nur, um uns zu schützen. Denn schon oft waren wir üblen Anfeindungen ausgesetzt. Die Razzia war dabei ein trauriger Höhepunkt.“ Sarah schien bekümmert zu sein. Zwar war sie damals davongekommen, doch einige ihrer Freunde nicht. Manche von ihnen würde wohl nie wieder zurückkehren.
    „An dem Abend strömten viele unserer Geschwister zu der Versammlung. Einige Tage zuvor war ein Prediger aus Myra in Rom angekommen. Er hat übrigens hier bei Simon und Mirjam gewohnt. Er sollte an diesem Abend predigen. Weil ich aufgehalten worden war, kam ich zu spät. Ich sah nur noch, wie die Cohortes Urbanae den Keller stürmten und unsere Leute hinauftrieben. Ich bin dann wieder nach Hause gelaufen. Aber so wie ich hörte, haben sie viele von uns mitgenommen. Einige kamen in den nächsten Tagen wieder frei. Aber etliche kehrten nie wieder zurück.“ Die junge Frau hatte Tränen in den Augen. „Ich kann dir nicht genau sagen, wie viele von uns noch ünrig sind. Da kann dir vielleicht mein Bruder Elias weiterhelfen. Aber seit der Razzia sind wir noch vorsichtiger geworden, wie du dir vorstellen kannst. Manche trauen sich nicht mehr, zu unseren Versammlungen zu kommen, weil sie Angst haben. Deshalb sind wir vorhin auch weggelaufen. Auch wir hatten Angst. Aber das war falsch.“

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