[Trans Tiberim] Eine kleine Taverne

  • Die Tränen beeinträchtigten ihre Sicht. Aber es war ihr auch egal, ob sie die Leute, die an ihr vorbei liefen sich nach ihr umdrehten. Sollten sie doch glotzen. Es war ihr alles egal. Ein Leben wie dieses, ohne Liebe und ohne einen echten Halt, war wohl die schlimmste Strafe, die sie hatte treffen können. Wie sollte sie so nur weiterleben? Nie wieder würde ein Tag vergehen, an dem sie sich nicht Vorwürfe machen würde. Sie hatte alles falsch gemacht im Leben. Wäre sie nur in Misenum an der Seite ihrer toten Domina geblieben!


    Plötzlich jedoch ergriff jemand ihren Arm, sie erschrak fast zu Tode, sie versuchte sich noch mit der freien Hand zu wehren und schrie dabei auf – aber ohne Erfolg. Sie konnte nicht einmal ihren Angreifer erkennen. Als sie in die nächste Seitengasse gezerrt wurde, glaubte sie bereits, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Doch dann wurde der Griff um ihren Arm gelöst. Blitzschnell wandte sie sich um und erschrak noch mehr. Nein, es war kein Trugbild. Er war aus Fleisch und Blut und schaute ihr lange, ohne auch nur ein Wort zu sagen an. Für Beroe schien auf einmal die Zeit stehen zu bleiben. Sie traute sich nicht einmal mehr zu atmen, geschweigen denn etwas zu sagen. Er war es wirklich und er stand vor ihr. Doch würde er ihr wohlgesinnt sein oder sie am liebsten verfluchen.
    Schließlich sagte er ihren Namen und wischte ihre Tränen fort. Wie sehr hatte sie sich nach seiner Berührung gesehnt! Nächtelang hatte sie wachgelegen und darauf gehofft, ihn noch einmal wiedersehen zu können. Seine Stimme hatte belegt geklungen, als habe er dieses Wort S i e b e l schon eine Ewigkeit nicht mehr ausgesprochen. Dann, allmählich füllten sich seine Augen mit Tränen und noch einmal sprach er ihren Namen aus, doch diesmal war all sein Krummer darin hörbar, den er in all der Zeit hatte erdulden müssen.
    „Aulus!“, flüsterte sie ihm endlich zu. „Es tut mir so leid!“ Schuldbewusst senkte sie ihren Blick. Sie wagte es nicht, ihn zu umarmen geschweige denn zu küssen, auch wenn dies ihr größter Wunsch war. Doch sie fürchtete, von ihm zurückgewiesen zu werden. Das hätte sie nicht ertragen können.


    Derweil in der Taberna


    Einige der Fremden zeigten sich gegenüber Elias´ Großzügigkeit gar nicht abgeneigt und nahmen gerne die Becher entgegen. Er nickte auch den anderen aufmunternd zu, sich nicht zu scheuen. „Schon gut! Ihr seid unsere Gäste.“ Er war davon überzeugt, auf diese Weise alle eventuellen Probleme aus dem Weg räumen zu können, falls es die überhaupt gab. Denn eigentlich wusste bisher noch niemand so genau, was die Fremden eigentlich wirklich hier wollten.
    „Nun, was zieht euch hierher? Können wir euch bei etwas behilflich sein?“, fragte er schließlich, als sich alle bei dem Wein bedient hatten. Nicht allen gefiel diese übertriebene Freundlichkeit. Anscheinend wuchs sogar der Argwohn bei den übrigen Christen, die den Fremden nicht das Geringste abgewinnen konnten. So war es dann auch Narseh, der an Elias herantrat und ihn zur Vorsicht mahnte. „Mein Freund, wir haben nichts zu befürchten,“ entgegnete er ihm freundlich. Im Grund hatte er ja recht. Sie taten hier nichts Gesetzwidriges. Sie waren nur eine Handvoll Männer, die die Taberna renovierten…



    Zur gleichen Zeit vor der Taberna


    [Blockierte Grafik: http://s1.directupload.net/images/140914/o5ayno8p.gif] | Ashraf


    Nachdem er seine Arbeit in der Backstube beendet hatte, trat Ashraf hinaus auf die Straße. Seine Frau und die beiden Töchter verkauften indes das Brot in ihrem Ladengeschäft. Ihr kleiner Laden ging gut, über mangelnde Kundschaft konnten sie sich nicht beklagen. Seitdem er sich hatte taufen lassen, kauften alle Familien der Gemeinde ihr Brot bei ihm. Zufrieden schritt er die Straße hinunter, ein Liedchen auf den Lippen. Er war auf dem Weg zur Taberna. Auch er hatte Simon, dem Wirt seine Hilfe angeboten. Lieber spät, als nie, dachte er sich. Aber sein eigenes Geschäft ging natürlich vor.
    Sein Lied verstummte, als er seinen Blick zum Laden des Kunstschmiedes wandte. Offenbar gab es dort Ärger. Ashraf verlangsamte seinen Schritt, um den Disput zwischen dem Schmied und seinem seltsam wirkenden Kunden zu beobachten und um einige Wortfetzen auffangen zu können. Seltsam, warum trug der Kerl einen langen Mantel und das mitten im Sommer? Spätestens bei dem Wort Urbaner wurde er hellhörig. Ashrafs Schritte wurden wieder größer. Er ließ den Kunstschmied hinter sich, überquerte die Straße und eilte in die Taberna. Ohne darauf achtend, was dort gerade vor sich ging, rief er seine warnenden Worte in den Raum hinein: „Urbaner! Es sind Urbaner im Viertel! Einer von ihnen ist gerade drüben, bei dem Kunstschmied!“

  • Es hatte sich bereits ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreiten wollen, sie seinen Namen aussprach, doch sie erwiderte seine Umarmung nicht und sah ihm nicht einmal in die Augen. Mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Ein wenig ratlos schob er die Augenbrauen zusammen. Er war es doch, der sich entschuldigen wollte, weil er ihr vorgemacht hatte, er könne sie vor jedem Übel beschützen, und so getan hatte, als wäre es die leichteste Sache der Welt, sie nach seiner Rückkehr wiederzufinden, oder auch weil er sie grob in die Gasse gezerrt hatte. Leicht den Kopf schüttelnd suchte er nach Worten.
    "Nein, mir tut es Leid… Sibel, wir werden über alles reden… wenn du das auch willst. Aber nicht jetzt, mir bleibt nicht viel Zeit", entgegnete Avianus und hatte sich endlich wieder ein wenig gefasst. "Du glaubst nicht, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe…", sagte er dann leise, hob dabei sanft ihr Kinn und hoffe damit ihre Zweifel, welche auch immer sie hatte, aus dem Weg zu schaffen. Ein kleiner Teil von ihm befürchtete bereits, dass er eigentlich das Problem war, und dass sie wieder gehen und ihn zurücklassen würde. Wäre es so, würde er sie ziehen lassen, doch er wünschte sich zumindest zu erfahren, was ihr zugestoßen war, und eine Chance, sich zu erklären. Die Möglichkeit dazu bot sich hier allerdings nicht, denn hinter der nächsten Straßenecke warteten eine Aufgabe und seine Männer auf ihn.
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    Auch Maso und Carbo hatten sich inzwischen zu ihren Kameraden gesellt, wobei die beiden doch ein wenig Skepsis zeigten. Geschenkten Wein? Von irgendwelchen Fremden? Wo gab's denn sowas…
    "Wie unser Kollege bereits erklärt hat, will er nur mit der Wirtin reden… und wir wollten uns solange einen Becher Wein gönnen", antwortete Pennus gelassen, der inzwischen scheinbar das Ruder übernommen hatte. "Wo der Kerl hin ist… da weiß ich aber genauso viel wie ihr", setzte er mit einem ehrlich gemeinten Schulterzucken fort. "Bestimmt ist er gleich wieder da, und ihr könnt nachher in Ruhe weitermachen." Der Miles hatte inzwischen bemerkt, dass im Schankraum der Taberna eigentlich gearbeitet und repariert wurde, und seine Truppe die Männer unterbrochen hatte. Aber mit seiner freundlich gehaltenen Antwort war die Sache hoffentlich geklärt.
    Doch als plötzlich ein weiterer Fremder in die Taberna stürmte, zuckte er allerdings zusammen. Wie? Urbaner im Viertel? So schnell konnte sich das unmöglich herumsprechen. Außer irgendeiner von ihrer Truppe hatte draußen Mist gebaut. Hier drinnen jedenfalls schien noch nichts schief gegangen zu sein. Maso schenkte ihm und den anderen beiden warnende Blicke, und die vier blieben vorerst stumm sitzen und versuchten so unwissend wie möglich auszusehen.



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    Narseh


    Noch immer hatte er die vier Fremden mit schmalen Augen gemustert. Mit Elias' Bemühen, Freundlichkeit und Gastfreundschaft zu zeigen, war Narseh durchaus einverstanden, aber er schien sich der Gefahr nicht bewusst zu sein, die nach der Meinung des kräftigen Persers von fremden Römern ausging. Und das unerwartete Auftauchen des Bäckers, der blindlings seine Warnung in die Runde rief, steigerte sein Misstrauen. Während er sich allerdings bemühte, eine ungerührte Miene zu bewahren, war ein paar anderen die Angst anzusehen. Der Perser knirschte mit den Zähnen.
    "Beruhige dich, Bruder, du hast wohl zu lange in der Sonne gestanden", sagte er mit einem aufgezwungenen Lächeln zu Ashraf, während er auf den Mann zuging, und schob ihn zu einem der Stühle im Schankraum. "Elias, reiche doch auch ihm einen Becher."
    Sie mussten handeln. Doch er befürchtete, bei Elias nur erneut auf taube Ohren zu stoßen, sodass er zu Evander trat.
    "Ich habe ein schlechtes Gefühl, wir müssen die anderen warnen", meinte er und deutete mit einem Nicken zur Tür.

  • Sanft hob er ihr Kinn an. Ihre traurigen Augen, die in den letzten Wochen so viel Leid gesehen hatten, sie schauten ihn an. Hatte sie eben richtig gehört? Sie konnte es gar nicht so recht glauben. Ihm tat es leid? Und sie konnten über alles reden? Bedeutete das etwa, er hatte ihr verziehen? Sie schien sichtlich verwirrt darüber. Aber offensichtlich war heute alles möglich, da das Schicksal scheinbar mit freudigen Überraschungen nur so um sich warf.


    Endlich kehrte auch ihr Lächeln wieder zurück und sie war so dankbar dafür, dass die Götter es zugelassen hatten, sie wieder zusammenzuführen. „Ich bin auch so unglaublich froh, dich wiederzusehen. Du hast mir so gefehlt. Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren.“ Nun konnte sie sich wirklich nicht mehr zurückhalten, sie umschloss ihn mit ihren Armen und drückte sich fest an ihn. Die Tränen wollten wieder rollen, aber diesmal vor Glück. Am liebsten hätte sie ihn nie wieder losgelassen. Nie wieder! Doch auch sie wusste, dass er Verpflichtungen hatte. Er hatte ja auch bereits schon erwähnt, dass ihnen nicht viel Zeit blieb.
    Langsam lockerte sie wieder ihre Umarmung. „Wir können uns wiedersehen. Du kannst mich besuchen, wenn du willst. Ich bin bei einer sehr netten Frau untergekommen, die mir geholfen hat, als ich es am nötigsten brauchte. Sie führt ein Lupanar in der Subura, das „Aedes iste Laetitia“. Ich arbeite dort und verdiene jetzt mein eigenes Geld. Iich auch ein einiges Zimmer, nur für mich allein. Frag einfach nach Sibel.“


    Zur gleichen Zeit in der Taberna


    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/140909/jwwkw45z.gif] | Elias


    Elias nickte nachdenklich. Es war wohl am besten, wenn man auf den „Kollegen“ wartete, der aus unerfindlichen Gründen, wie von der Tarantel gestochen, nach draußen geeilt war. Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, öffnete sich wieder die Tür. Doch es war nicht wie erwartet der Fremde. Nein, Ashraf der Bäcker kam hereingestürzt, ganz aufgelöst, als sei ihm ein Unglück widerfahren.
    Natürlich hatte sein Aufschrei für Unruhe bei den Männern gesorgt. Besonders die, deren Freunde oder Familienmitglieder Opfer der Razzia geworden waren. Selbst Elias blickte erschrocken drein, doch er sammelte sich recht schnell wieder. „Beruhigt euch, Brüder!“
    Seltsamerweise erhielt er Unterstützung von Narseh. Ausgerechnet Narseh, der gelegentlich doch sehr hitzköpfig sein konnte.
    „Narseh hat recht,“ entgegnete Elias. „Wir sollten nicht jedes Mal in Panik verfallen, sobald ein Urbaner in Trans Tiberim auftaucht.“ Doch dann meldete sich ein älterer Mann zu Wort, der bisher geschwiegen hatte. Wegen der drohenden Gefahr aber konnte er nicht mehr länger seinen Mund halten. „Du hast gut reden, Bruder! Aus deiner Familie wurde niemand verhaftet!“ Das Getuschel unter den Männern wurde nun noch lauter. Von den meisten erhielt er ein zustimmendes Kopfnicken. Elias aber versuchte seine Brüder zu besänftigen. „Ich weiß, es ist schwer, wenn die Liebsten verschleppt wurden und man in der Ungewissheit leben muss, ob sie noch leben oder tot sind. Wir werden sie in unsere Gebete miteinschließen. Aber es nützt nichts, wenn wir bei jeder Kleinigkeit in Panik verfallen. Damit machen wir sie nur auf uns aufmerksam!“ Schließlich reichte er auch dem Bäcker einen Bächer Wein. „Hier nimm einen Schluck, Bruder.“


    [Blockierte Grafik: http://s1.directupload.net/images/140914/o5ayno8p.gif] | Ashraf


    Ashraf, noch ganz außer Atem, nahm den Becher gerne und trank. Dann bemerkte er endlich die Fremden, die ebenso wie er mit Wein versorgt worden waren. Erst dachte er sich nichts dabei, glaubte, es handele sich um Helfer für die Taberna. Doch dann fiel ihm auf, dass auch sie noch immer ihre Mäntel trugen… genauso wie jener Urbaner draußen.
    „Aber wisst ihr was komisch ist?“, begann er, als er sich sicher war, dass diese Männer zu dem Urbaner gehörten. „Der Kerl da draußen trug gar keine Uniform… nur einen Mantel!“ So wie diese vier Fremden!


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Evander hatte sich ruhig verhalten, nachdem Elias, diese Fremden mit Wein versorg hatte. Ihm gefiel die ganze Sache überhaupt nicht. Sie stank zum Himmel! Am meisten aber ärgerte ihn, dass sein Freund Elias so fahrlässig war. Doch wenigstens gab es andere, die nicht so blind waren, wie er. Es freute ihn umso mehr, dass sich Narseh auf seine Seite geschlagen hatte. Der Perser war nicht so verweichlicht, wie manch anderer Bruder. Er konnte, wenn es hart auf hart kam, sich auch wehren.
    Spätestens nach Ashrafs letzter Bemerkung aber, wusste Evander, dass es nun keine Zeit mehr zu vertrödeln gab. „Ja, komm! Lass uns die Frauen in Sicherheit bringen. In der Küche wird sich sicher auch ein Messer finden,“ flüsterte er und schob sich unbemerkt nach hinten, zur Küche zu. Von dort aus konnten sie sich später auch unbemerkt aus der Taberna hinausschleichen.

  • Gerade als Antias sich mit dem tröstenden Gedanken an einen kühlen Becher Posca aus der Gruppe der Schaulustigen lösen wollte, die der Schmied durch sein Gekeife angelockt hatte, ließ ihn ein bohrender Blick aus der Menge innehalten. Für ein paar kurze Momente war er erschrocken angestarrt worden, von einem dunklen bärtigen Mann, der nun zielstrebig über die Gasse auf die Taberna zu hastete. Antias ging ihm ein paar Schritte nach. Sollte er ihn aufhalten? Und dann? Wäre seine zweifelhafte Tarnung nur vollends aufgeflogen. Zudem bestand keine Order einzugreifen, der Befehl lautete Umsehen, nicht Umbringen. Nachdenklich sah er den aufgeregten Burschen in der Taberna verschwinden. Hatten sie's versaut? Nein, hatten sie nicht. Wer sich unter Beobachtung wähnt, entwickelt zwangsläufig einen scharfen Blick für vermeintliche Beobachter, von daher war er ohnehin davon ausgegangen, dass sie früher oder später Verdacht erregen würden, später wäre ihm allerdings lieber gewesen. Wenn es jemand versaut hatte, dann der Schmied, dessen scheinbare Hellsichtigkeit Antias noch immer Rätsel aufgab. Hatte er sich zu auffällig verhalten? Wohl kaum. Sein Interesse an den Schmuckstücken war echt gewesen und die Fragen die Taberna betreffend völlig harmlos. Der Mantel? Vielleicht. Andererseits war er trotz der Spätsommerwärme beileibe nicht der einzige, der hier in einem Mantel herum lief. Und warum war sich der Schmied so sicher gewesen? Während er grübelnd die Gasse hinauf ging, stieg allmählich eine Vermutung in ihm hoch, die sich langsam zu einem recht stimmigen Bild verdichtete. Der Schmied oder noch wahrscheinlicher dessen Frau mussten einen der Urbaner schon einmal gesehen haben. In Uniform. Antias selbst war nur ein einziges mal in Trans Tiberim gewesen, nachts, in Zivil, und Hispo war das erste mal in seinem Leben hier. Mit den vier Milites in der Taberna konnte ihn niemand in Verbindung bringen, also blieben nur noch Cluvius und Avianus, mit denen er sich jeweils kurz unterhalten hatte. Jedoch waren all diese Gedankengänge im Grunde müßig. Der Bärtige schien nun mal Verdacht geschöpft zu haben und wenn dem so war, würde er diesen Verdacht seinen Bekannten in der Taberna auch umgehend mitteilen, daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Die Situation mochte sich gewandelt haben, der Auftrag nicht.
    Am Stand des Weinhändlers empfing ihn Hispo mit angespanntem Gesicht. „Der Kerl hat's ganz schön eilig gehabt. Ob der was gemerkt hat?“
    „Hat er.“
    Hispo stieß einen pittoresken Fluch aus. „Und jetzt?“ Gute Frage. Das kam ganz darauf an, was sich nun in der Taberna entwickeln würde. Dass er verdächtigt wurde ein Urbaner zu sein, hieß ja noch lange nicht, dass die Milites dort drin ebenfalls in Verdacht geraten mussten. Trotzdem sollten sie auf alle Eventualitäten gefasst sein. „Hör zu, ich versuch's mal mit dem Durchgang neben der Taberna. Du gehst den Optio suchen und kommst dann nach, in Ordnung?“
    Hispo leerte hastig den Becher und rülpste infernalisch.
    „In Ordnung.“

  • Zuerst sah der Iunius nur Schmerz und Kummer in ihren Augen, doch dann schien sie nach und nach zu begreifen. Endlich sagte sie ihm, was er sich zu hören so sehr gewünscht hatte, und als sie ihre Umarmung wieder löste, zeichnete sich auf seinen Lippen ebenfalls ein Lächeln ab. Auch er hatte bis vor kurzem nicht damit gerechnet, sie jemals wieder zu sehen. "Dasselbe habe ich von dir geglaubt."
    Gleich darauf erzählte sie ihm schließlich von ihrer neuen Unterkunft, und gab ihm damit einen weiteren Grund, sich zu freuen. Und ob er sie besuchen wollte, nichts wollte er mehr, nachdem er sie zuvor Monate nicht gesehen hatte, und noch immer schwirrten ihm die Fragen im Kopf, für die er sich von ihr eine Antwort erhoffte. Ihr ging es gut, und das war wichtiger als alle Fragen, die er ihr stellen wollte, darüber, was auch immer sich damals im Carcer abgespielt hatte.
    "Ich werde zu dir kommen… vielleicht schon heute… ich weiß es nicht, aber sobald ich kann", versicherte Avianus ihr. Selbst wenn er dafür seinen perfektionierten und über Wochen im Voraus geschriebenen Dienstplan über den Haufen werfen müsste.
    Doch dann kam ihm noch etwas anderes in den Sinn: "Und halte dich in nächster Zeit besser von dieser Gegend fern, hörst du? Es ist hier nicht sicher." In letzter Zeit trieben sich hier zu viele Christianer und Soldaten herum, sodass es ihm lieber war, wenn sie sich wieder auf den Weg über den Tiber machte. Nachdem er sie endlich wiedergefunden hatte, würde er es kaum ertragen, wenn ihr erneut etwas zustieß, und er hoffte, Sibel würde auf seinen Rat hören.


    Schlussendlich kam wieder der Teil auf sie zu, der sich bei ihren Treffen schon immer als der schwierigste herausgestellt hatte, und heute fiel ihm der Abschied noch schwerer als sonst, aber wie jedes mal war er unvermeidbar.
    "Ich liebe dich", sprach er die drei Worte aus, die ihm schon so unfassbar lange nicht mehr über die Lippen gekommen waren. Dann küsste er sie sanft, verweilte mit seinem Gesicht noch einen kurzen Moment nah bei ihrem und löste sich schließlich spürbar widerwillig von ihr. Schrecklich lange hatten sie bereits auf einander warten müssen, was wären da ein paar Stunden oder Tage mehr? Und dennoch, als er wieder auf die Straße trat und seinen Blick auf die Taberna richtete, wusste er, wie langsam die Zeit verrinnen würde, für sie und für ihn gleichermaßen.
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    Die in der Taberna sitzenden Milites spürten, wie ihre Aktion langsam aus dem Ruder zu laufen drohte… und verdammt nochmal, wo war der Optio abgeblieben? Wie sie dann von dem Neuankömmling gemustert wurden, der die Mäntel erwähnt hatte, machte die Situation keinen Deut besser. Alle vier schienen sich die Frage zu stellen, ob sie weiterhin versuchen sollten, die unscheinbaren Gäste zu spielen, oder es inzwischen die bessere Idee war, das ohnehin offensichtliche zuzugeben.
    Unschlüssig stellte Pennus seinen Becher ab. "Gibt es ein Problem?", fragte er dann seinen Gastgeber, während die drei Kameraden des Miles sich vorerst noch immer still verhielten.



    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Der Perser nickte und folgte Evander und schloss die Tür zur Küche hinter sich wieder. Der Wirtin bedeutete er dort sogleich, still zu bleiben. Dann ging Narseh bereits auf den Hinterausgang zu, öffnete vorsichtig die Tür und spähte durch den Spalt hinaus, während er es Evander überließ, nach einem Messer zu suchen. Kurz warf er allerdings einen Blick zu diesem zurück.
    "Aber, Evander, was hast du mit einem Messer vor? Ich hoffe du weißt, was du tust, Bruder", ermahnte er seinen Begleiter hinter sich, nicht dem Leichtsinn zu verfallen, sollte er wirklich vorhaben, sich damit zu verteidigen. Immerhin hatten sie es nicht mit irgendwelchen dahergelaufenen Störenfrieden zu tun, sondern mit ausgebildeten Soldaten, und die kamen noch dazu mit richtigen Waffen daher.
    Als er noch immer keine Gefahr entdecken konnte, trat er schließlich nach draußen und hielt Evander die Tür auf. "Hier sieht alles sauber aus."

  • Mit einem Mal schien es wieder so, wie früher zu sein. Sie waren sich wieder nah und mussten sich doch bald wieder trennen. Doch ihre Liebe verband sie, nur das zählte. Beroe spürte endlich wieder dieses Glücksgefühl in sich und wie es schien, ging es Avianus auch nicht anders. „Heute Abend,“ echote sie und strahlte vor Freude. „Ich werde mich extra für dich schon machen,“ versprach sie und wünschte, die Stunden bis dahin würden im Flug vergehen.
    Doch dann wich sein Lächeln für einen kurzen Moment und er beschwor sie regelrecht, sich aus Trans Tiberim fernzuhalten. Es sei hier nicht sicher, meinte er, wurde aber nicht konkreter. Wahrscheinlich spielte er auf die Razzia an, die hier vor vielen Wochen stattgefunden hatte, und deren Opfer sie geworden war. Ansonsten war es hier nicht schlimmer, als anderswo in dieser Stadt. Doch das behielt sie für sich.
    „Ja, das werde ich,“ antwortete sie nickend. „Eigentlich war ich nur hier, um Mirjam von Rachels Tod zu berichten.“ Wieder senkte sie ihr Blick betrübt. Rachel war doch ihre Freundin gewesen und sie trug die Schuld an ihrem Tod. „Stell dir vor, Rachel ist tot, weil ich…“ Sie verstummte, weil er das ausgesprochen hatte, was sie so lange vermisst hatte. Dann kam er noch näher auf sie zu und küsste sie sanft, so wie es nur Liebende taten und verweilte noch einem Moment bei ihr. „Ich liebe dich auch, Aulus und ich werde niemals damit aufhören, solange ich lebe.“ Dann löste er sich von ihr und sie sah ihm noch verloren nach. Doch innerlich überwog ihre Freude der Trauer. Sie wartete noch einen Moment und genoss ihr Glück, dann lief sie gemächlich mit einem Lächeln auf den Lippen zur Hauptstraße zurück.



    In der Taberna


    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/140909/jwwkw45z.gif] | Elias


    Ein stetiges Raunen ging durch die Taberna, was ganz und gar nicht davon gelöst wurde, als einer der Fremden das Wort ergriff. Ganz im Gegenteil, Probleme gab es jede Menge. Erst recht, seitdem einige wichtige Mitglieder ihrer Gemeinde verhaftet und zusammen mit dem Prediger Ioannis hingerichtet worden waren. Elias, dem man danach ein Stück Verantwortung für die Gemeinde aufgebürdet hatte, fühlte sich gerade in solch einer Situation überfordert. Eigentlich war er nicht zum Führen geboren. Er war ein friedliebender Mensch, der am liebsten nur mit dem Wort seine Gefechte austrug.
    „Ach nein. Eigentlich nicht,“ antwortete er dem Fremden schließlich. Er hielt das alles immer noch für Panikmache.
    „Es ist nur so, vor einiger Zeit hatten einige Freunde von uns Schwierigkeiten mit den Urbanern. Seitdem sind wir etwas vorsichtiger geworden.“ Mit einem Mal trat eine gespenstige Ruhe ein. Nur Simons Schnarchen war zu vernehmen. Der Wirt war auf seiner Kline eingeschlafen. Seit seiner Rückkehr aus dem Carcer war so gut wie nicht mehr belastbar.


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Narseh und Evander hatten sich unbemerkt in die Küche begeben können. Dort waren die beiden Frauen wieder beim Kochen, doch allerdings war ihre ausgelassene Stimmung in tiefe Trauer umgeschlagen. Mirjam gab sich die größte Mühe, die Fassung nicht zu verlieren.
    „Sarah, Mirjam, ihr müsst hier schnell verschwinden. Kommt. lasst alles stehen und liegen. Ihr müsst hier raus und die anderen warnen. Naeseh geht mit euch,“ flüsterte Evander angestrengt und sah immer wieder zur Tür hinüber, die in den Schankraum führte. Wahrend der Perser bereits Anstalten machte, die beiden Frauen aus der Küche hinauszubringen, suchte Evander in einer Schublade mit Kuchenutensilien nach einer geeigneten Waffe. Aber was er fand, war nur ein kleines Schälmesser. Er warf es achtlos weg und suchte weiter. Dann drang Narsehs Stimme zu ihm. Er nickte ihm zu. „Ja, wir brauchen kein Messer!“ Allerdings hatte er im gleichen Atemzug endlich das gesuchte Schlachtermesser gefunden, mit dem Simon früher immer die Hammel geschächtet hatte. Schnell verbarg er es unter seiner Tunika und folgte dem Perser und den beiden Frauen nach draußen.

  • Antias ließ sich im Strom der Passanten ein Stück die Gasse hinuntertreiben und verschwand dann flink zwischen den Häusern. Was er von weitem für einen schmalen Durchgang gehalten hatte, war aus der Nähe betrachtet nur eine enge düstere Kluft zwischen den Hausmauern, kaum breiter als er selbst, vollgestellt mit leeren Körben und gesprungenen Amphoren. Lorica und Scutum hätten ihn hier vor ein echtes Problem gestellt. An seinem hinteren Ende schien der Spalt in eine Art Hinterhof zu münden, auch dort war allerlei Krempel zu sehen, Balken, Latten, Pfähle, weitere Körbe. Irgendwo dort hintern hatte sich also Cluvius auf die Lauer gelegt, zumindest ging Antias davon aus. Auf halber Tiefe der Hauswand hing ein kleines Fenster mit verschlossenen Läden etwas schief in der feuchten Mauer. Gedämpfte Männerstimmen waren aus der Taberna zu hören. Das war immerhin beruhigend, so lange die sich noch in normalem Ton unterhielten, bestand wohl kein Grund zur Besorgnis. Sorgen bereitete Antias eher die Wirtshaustür. Aus diesem dunklen Loch heraus hatte er zwar die Gasse vor der Taberna im Blick, aber wenn er die Tür sehen wollte, musste er sich aus seiner Deckung nach vorn lehnen. Ansonsten schien ihm sein Versteck zumindest zweckmäßig. Bis Hispo mit dem Optio zurückkehren würde, musste es jedenfalls genügen.


    ***


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    Spurius Cluvius Sulca


    Im spärlichen Schatten eines kümmerlichen Lorbeerbaumes hockte Cluvius Sulca mit dem Rücken an einen Stapel morscher Bretter gelehnt und schnitzte missmutig an einem Stück Holz. Er hasste diesen Hinterhof; so wie er jeden der engen dreckigen Hinterhöfe in jedem dieser verkommenen Viertel Roms hasste. Er hasste den Lärm auf den Gassen, den Gestank nach Ziegen, Schafen und Hühnerscheiße, den schweren sauren Schweißgeruch eines Lebens in Mühsal. All das erinnerte ihn schmerzhaft an das elende Drecksloch in der Subura, in das ihn seine Mutter dereinst hineingeboren hatte. Zwei Drittel seiner Dienstzeit lagen mittlerweile hinter ihm, und er war den Hinterhöfen noch immer nicht entronnen. Noch immer scharrte er nach Ratten, kroch durch die Gosse auf der Suche nach widerspenstigem Geziefer, gegen das er Rom einst zu verteidigen geschworen hatte, und noch immer führte er kein Kommando, im Gegenteil. Nicht nur, dass ihn die Kommandeure immer wieder bei der Beförderung übergangen hatten, obwohl er seine Einheit besser und länger kannte als jeder andere, nein. Als Dank für seine jahrelangen treuen Dienste als Miles war ihm ein junger Optio von den Praetorianern vor die Nase gesetzt worden und als wenn das noch nicht genug Demütigung gewesen wäre, schickten sie ihn neuerdings sogar mit Rekruten in den Einsatz. Tirones wie Optio – alles nur nasse Grünschnäbel, die kaum dem Tunikazipfel ihrer Mutter entwöhnt waren als er zu sich zu den CU gemeldet hatte. Hatte er all die Jahre seine Knochen hingehalten, um von jungen Stenzen herumkommandiert zu werden? Knurrend erhob sich Sulca, um einen Blick auf die Rückseite der Taberna zu werfen. Die verwitterte Hintertür schien fest verschlossen, ebenso wie die Fensterläden im Obergeschoss. Alles ruhig soweit. Seufzend setzte er sich wieder hinter den Bretterstapel und griff nach seinem Pugio. Und dann der Unfug mit diesen verdeckten Aktionen. Aufklärung, Observation. Reine Zeitverschwendung. Er hatte den ganzen Bürgerkrieg hindurch treu seinen Dienst geleistet und wusste genau, wie mit Staatsfeinden – aus welcher Ecke sie auch immer kamen – umzuspringen war. Unter seinem Kommando wäre der ganze Laden hochgenommen und die Verhafteten so lange verhört worden, bis er mehr erfahren hätte als alle verdeckten Aktionen je ans Licht bringen konnten. Die Praetorianer wussten schon, wie man so was macht, aber ihn hatten sie trotzdem nicht gewollt. Ein leises Knarren riss ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Die Hintertür? Vorsichtig steckte er den Pugio in die Scheide, erhob sich und spähte über die Bretter. Tatsächlich, die Tür stand offen und eine kleine Gruppe drängte verstohlen auf den Hinterhof, zwei Weiber und zwei junge Kerle in ärmlichen Tunicae. Gäste waren das nicht, so viel war klar. Wer nichts zu verbergen hat, nimmt die Vordertür. Verschlagenes Christianerpack. Zwar war kein Befehl zum Zugriff ergangen, aber einfach ziehen lassen konnte er die offensichtlich flüchtenden Christianer auch nicht. Langsam trat er hinter dem Stapel hervor, schlug den Mantel zurück und legte die Hand an den Schwertgriff. „He! Ihr da! Geht besser zurück ins Haus.“

  • Seine Gedanken hingen noch immer an Sibel und ihren Abschiedsworten fest, als er die Gasse hinunter auf die Taberna zuschritt, und wehrte sich gegen den Drang, einen Blick zurückzuwerfen. Sie würde ihn für immer lieben, hatte sie gesagt, etwas das ihm einerseits ein Lächeln in seinen Zügen hinterließ, und ihm andererseits mindestens so große Sorgen bereitete. Denn noch immer gab es dieses für immer für sie beide nicht. Doch er musste sich wieder konzentrieren, so schwer es ihm nun auch fallen würde. Während er weiterging fuhr er sich, wie so oft wenn er zerstreut oder nervös war, durch die kurz geschnittenen Haare und gönnte sich einen tiefen Atemzug. Gerade noch rechtzeitig erkannte er dabei den Peducaeus, ansonsten wäre er wohl an dem Tiro vorbeigelaufen.
    "Tiro, ist soweit alles in Ordnung?", erkundigte Avianus sich bei Hispo nach der Lage. Im Moment sah um die Taberna herum alles ruhig aus, doch oft trog der Schein, und er musste zugeben, so genau wusste er gar nicht, wie lange er mit Sibel in der Gasse gestanden hatte. Abgesehen davon konnte er den Germanicus nirgends entdecken, und den Cluvius hatte er das letzte mal gesehen, bevor er die Taberna betreten hatte. Er gestand es sich nur ungern ein, aber irgendwie hatte er den Überblick verloren. Ausgerechnet der Optio hatte absolut keinen Plan, wie die Lage gerade aussah. Na toll. Und das nur, weil ihm das Schicksal scheinbar nur zu gerne Streiche spielte.
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    Erst saßen die vier Milites auf Elias' Erklärung hin lediglich stumm um ihren Tisch. Maso starrte in seinen Weinbecher, Carbo blickte wortlos Cocles an, und Cocles blickte mit nachdenklich zusammengepressten Lippen zur gegenüberliegenden Wand. Und Pennus seufzte. Wieso blieb das Reden eigentlich immer an ihm hängen.
    "Ja…", entgegnete er schließlich zögerlich und unterbrach damit die Stille, "… das hat sich 'rumgesprochen."
    "Macht euch keine Sorgen … sieht mir nicht danach aus, als würdet ihr hier was Verbotenes machen", erhob Carbo endlich wieder einmal das Wort.
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    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Der Perser riss unwillkürlich die Augen auf, als sich ihnen völlig unvermittelt der Mann in den Weg stellte, kaum hatte er die Tür hinter sich wieder geschlossen. Urbaner! Ashraf hatte sich nicht geirrt! Instinktiv stellte er sich zwischen den Fremden, der kurz davor stand, sein Schwert zu ziehen, und die beiden verängstigten Frauen. Ein flüchtiger, entschlossener Blick ging noch zurück zu Evander, obwohl Narseh noch nicht wirklich wusste, was er nun eigentlich vorhatte. Besonders viele Optionen standen ihnen jedoch nicht offen, und dass Evander doch ein Messer bei sich trug, war ihm entgangen.
    "Wir wollen keine Probleme, Urbanicianus. Lass uns vorbei und keinem wird ein Haar gekrümmt", wandte er sich dann wieder mit seiner tiefen Stimme an den Soldaten und sah sich bereits nach einem Ausweg um. "Wir wollen nur diese Frauen sicher nach Hause bringen, Soldat, nichts weiter."

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    Spurius Cluvius Sulca


    Die Frauen nachhause bringen. Blödsinn. Er hatte sich den Hinterhof genau angesehen, um hier raus zu kommen musste man sich entweder durch den engen Gang nach vorn auf die Gasse quetschen oder über geflochtene Rutenzäune und halbhohe Ziegelmauern in die benachbarten Hinterhöfe klettern. Natürlich. Sicher brachten die Christianer ihre Weiber immer auf diesem Weg nachhause. Das Pack hatte einfach kalte Füße bekommen, vermutlich waren sie gewarnt worden. Wenn er sie jetzt gehen ließ, würden sie sich schon an der nächsten Ecke in alle Windrichtungen zerstreuen um sämtliche Christianer in ganz Trans Tiberim zu alarmieren. Sulca ging einen Schritt auf den Wortführer zu und fixierte ihn mit eisigem Blick. Ein heißblütiger Sohn der südöstlichen Einöden wie es schien, stolz, jähzornig und widerspenstig. Gut, wenn er einen Anlass suchte, sein Mütchen zu kühlen, war er beim Cluvius genau an den richtigen geraten.
    „Das war keine Bitte, mein Junge. GEHT! ZURÜCK! IN'S! HAUS!“


    ***


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    Sextus Peducaeus Hispo


    Hispo musste sich verdammt zusammenreißen, um dem Optio nicht voraus zu eilen. Ihm war bei der ganzen Sache immer mulmiger zumute. Zum einen gefiel ihm der Gedanke ganz und gar nicht, Antias alleine an der Taberna zurückgelassen zu haben, jetzt wo die Christianer offenbar gewarnt waren, zum anderen hatten die vier Becher verdünnten Weines seine Blase beängstigend geweitet. Wenn sich nicht schnellstens eine entsprechende Gelegenheit fand, würde sich die Anspannung ihre eigenen Wege suchen müssen. Nervös hastete er neben dem Optio her und klärte ihn knapp über die aktuelle Lage auf.
    „Ein Passant hat Verdacht geschöpft. Er ist reingegangen. Tiro Germanicus hat die Position gewechselt.“ Ging das nicht schneller, grundgütiger Aesculap!

  • In der Taberna


    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/140909/jwwkw45z.gif] | Elias


    Elias nickte bedächtig. Das freundliche Lächeln seiner Miene war einem ernstdreinblickenden Ausdruck gewichen. Diese letzten Worte des Fremden hatten ihn etwas stutzig gemacht. Langsam schien auch er nun zu realisieren, dass die Warnungen Ashrafs und das Misstrauen seiner Mitbrüder doch nicht ganz unangebracht gewesen waren. Was, wenn die Fremden denn auch zu der Urbanern gehörten?
    „Ihr werdet uns also unbehelligt lassen, nachdem ihr mit Mirjam gesprochen habt, nicht wahr?“, fragte er einen Moment später, als ihm endlich klar wurde, dass es so sein musste. Doch er versuchte, die Fremden nicht als seine Feinde zu sehen. Vielleicht war es ihm ja sogar möglich, sie davon zu überzeugen, dass sie und auch ihr Glaube nichts Böses im Sinn hatten.


    Im Hinterhof


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Evander hatte als letzter die Küche verlassen und blieb nun vor den Frauen stehen, während Narseh die Tür schloss. Mirjam und auch Sarah machten einen gefassten Eindruck, obwohl die Wirtin gerade eben erst vom Tod ihrer Tochter erfahren hatte. Er lächelte Sarah aufmunternd zu. Schon seit geraumer Zeit verband die beiden mehr als nur ein freundschaftliches Verhältnis. Sobald sich die Wogen wieder geglättet hatten, wollten sie heiraten. Evander wollte daher alles in seiner Macht stehende tun, um Sarah zu schützen.
    Als nun ganz unerwartet hinter ihm dieser Mann erschien und sie aufforderte, zurück ins Haus zu gehen, wandte er sich blitzschnell um und blieb wie angewurzelt stehen. Er musterte den Mann von Kopf bis Fuß. Dieser Kerl gehörte ganz sicher zu den Fremden, die schon die ganze Zeit über in der Taberna gesessen hatten und die Elias so fürsorglich bewirtet hatte. Außerdem, so vermutete Evander, trug er unter seinem Mantel eine Waffe. Er überließ dem Perser das Reden, während seine Hand unwillkürlich zu dem Messer unter seiner Tunika langte.
    Die beiden Frauen waren indes durch diese unerwartete Bedrohung ganz verschreckt. Die pure Angst stand in ihren Augen. Es musste einen Weg geben, die Frauen in Sicherheit zu bringen und gleichzeitig den Urbaner aufzuhalten.
    „Bring die Frauen hier weg, ich kümmere mich um den Urbaner,“ raunte er dem Perser zu. Wenn es ihnen gelang, durch den Hintereingang der benachbarten Garküche zu erreichen, dann konnten sie es schaffen und den Urbanern entkommen. Evander hielt nun das Messer unter seiner Tunika fest in der Hand umschlossen und war dazu bereit, bis zum Äußersten zu gehen. „Sonst was?!“

  • Antias fuhr hoch. Wo war der Schrei hergekommen? Vom Fenster oder vom Hinterhof? So lautlos wie möglich tastete er sich durch das Gerümpel zum geschlossenen Fensterladen. Aus der Taberna klangen nur ein paar ruhig gesprochene Sätze, da war wohl noch alles in Ordnung. Also hatte er die Stimme doch richtig zugeordnet: Der Cluvius. Über Tonscherben, Flechtwerk und Brennnesselsträucher schob er sich leise an der Mauer entlang auf den schmalen Lichtstreifen am Ende des engen Ganges zu. Bretterstapel kamen ins Blickfeld, geflochtene Gatter, die dünnen Äste eines Lorbeerbaumes. Behutsam setzte er Schritt für Schritt ins Halbdunkel immer weiter bis zur rückwärtigen Hausecke der Taberna. Sein Herzschlag raste. Einige gepresste Atemstöße lang drückte er sich flach an die feuchte Wand und riskierte dann einen vorsichtigen Blick in den Hof. Cluvius Sulca hielt eine kleine Gruppe von Zivilisten in Schach, zwei Männer und zwei Frauen, aller Wahrscheinlichkeit nach Christianer, die das Haus eben verlassen hatten. Die Hand des Miles lag lauernd am Schwertgriff, der Blick bohrte sich in die Züge eines jungen Südländers, der sich trotzig vor ihm aufgebaut hatte. Was treibt der alte Eisenfresser da? schoss es Antias durch den Kopf, während er versuchte, die Situation zu erfassen. Cluvius schien drauf und dran zu sein, das Schwert zu ziehen, der Südländer rührte sich nicht von der Stelle, der zweite Mann, ein braunhaariger hagerer Kerl, der eher nach Römer aussah, drängte die beiden Frauen hinter sich und näherte sich langsam der linke Seite des Miles. Antias zog den Kopf zurück und sog tief die Luft ein. Das sah alles nicht sonderlich gut aus. Die Tarnung konnten sie endgültig vergessen, aber das war momentan wohl das kleinere Problem. Mit angehaltenem Atem streife er sich den Mantel ab und spähte wieder um die Ecke. Cluvius Finger schlossen sich um den Schwertgriff, das schneidende Knirschen einer wandernden Klinge erklang. Verdammt! Was sollte das werden? Das waren harmlose Leute! Christianer zwar, aber unbewaffnet. Antias war völlig klar, dass es Cluvius Sulca sehr übel nehmen würde, wenn er, der Tiro, versuchte, ihn zur Rede zu stellen. Aber das musste er gar nicht, es würde völlig ausreichen, sich als der unbedarfte Frischling zu geben, für den Cluvius ihn ohnehin hielt. Gerade als er einen Schritt auf den Hof tat um den Soldaten auf sich aufmerksam zu machen fiel sein Blick auf den Arm des braunhaarigen Burschen. Der Arm bewegte sich langsam nach unten, die Hand wanderte unter die Tunica durch deren dünnen Stoff sich ein länglich schmaler Gegenstand abzeichnete. Scheiße! Instinktiv riss Antias den Gladius aus der Scheide, sprang auf den Mann zu und drückte ihm die Schwertspitze gegen die Rippen.
    „Ruhig Civis.“ keuchte er gepresst, mit einer Stimme die alles andere war als ruhig. „Was auch immer das ist, hol es raus. Langsam.“

  • Avianus' Gesichtsausdruck verfinsterte sich merklich. Was Hispo ihm da auf dem Rückweg zur Taberna erzählte hörte sich alles andere als gut an, und wenn diese Aktion sich zu einem Reinfall entwickelte, würde er Mitschuld daran tragen. Aber darüber konnte er sich auch nachher noch Sorgen machen, nachdem er sich ein Bild von der Lage im Wirtshaus gemacht hatte. Und zumindest hier draußen sah es so aus, als wäre alles im Griff. Blieb nur noch zu hoffen, dass es im Inneren der Taberna genauso aussah.
    "Gut. Weitermachen wie gehabt, Tiro Peducaeus… sollte es Ärger geben, werdet ihr es mich sofort wissen lassen", sagte er zu Hispo und ließ den Tiro wieder alleine vor der Taberna zurück, als er auf die Tür zuging und schließlich den Schankraum betrat.
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    Pennus dachte erst einen Moment lang nach, nicht weil er die Antwort nicht kannte, sondern weil sie preiszugeben bedeutete, auch ihre Identität endgültig zu verraten. Aber letzteres wäre wohl kein besonders großer Nachteil mehr, denn jeder mit einem Minimum an Verstand wäre inzwischen darauf gekommen, dass sie nicht irgendwelche normalen Gäste waren. Deshalb nickte er schließlich.
    "So ist es."
    Für heute würde es jedenfalls so sein, aber da brauchte er ja nicht genauer drauf einzugehen. Heute waren sie lediglich für Informationen hier, und nicht um irgendwen festzunehmen.
    Nur einen Augenblick später öffnete sich die Tür und der Optio trat wieder in den Schankraum. Pennus atmete merklich erleichtert aus, denn er war damit endlich erlöst von seiner unfreiwilligen Rolle als Wortführer seiner Truppe. Unterdessen gab sich Avianus so entspannt, wie nur möglich. Aber die Lage machte einen weitaus weniger dramatischen Eindruck, als er es sich kurz zuvor draußen vorgestellt hatte. Die vier Milites, die er in der Taberna stehen gelassen hatte, saßen um einen Tisch und ließen sich den Wein schmecken, den sie von einem der Christianer ausgeschenkt bekamen, und die meisten der fremden Männer standen noch immer im Hintergrund herum, wie sie es schon zu Beginn getan hatten.
    "Ihr habt also doch noch was bekommen?", stellte er erst eine mehr rhetorisch gemeinte Frage an seine Leute, woraufhin Pennus lediglich mit einem leichten Lächeln den Becher hob. "Also, wo ist die Wirtin?" ... damit hier mal wieder etwas vorwärts ging.
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    Narseh


    Je mehr sie von dem Urbaner dazu gedrängt wurden umzukehren, desto mehr wuchs in Narseh die Entschlossenheit, genau das nicht zu tun. Wie ein Esel, der umso mehr die Beine in den Dreck stemmte, wenn jemand mit aller Kraft am Strick zog. Und warum sollten sie wohl zurück? Damit sie den hübschen Haufen Christianer, der sich inzwischen in der Taberna angesammelt hatte, nachher ohne großen Aufwand in den Carcer verfrachten konnten? Elias konnte da gerne mitspielen, aber er ganz bestimmt nicht. Deshalb ließ er sich von Evander auch nicht zweimal sagen, dass er die Frauen nehmen und verschwinden sollte. Zwar wusste er nicht im geringsten, was Evander nun vorhatte, aber irgendeinen Plan hatte er bestimmt – entweder das, oder er war verrückt.
    Narseh jedenfalls schob die beiden Frauen zu der Mauer zwischen der Taberna und einem der Nachbarshäuser, half erst Sarah über die Mauer und wollte gerade die Wirtin auf die andere Seite der Mauer verfrachten, als noch einer dieser Soldaten aus dem Nichts auftauchte und Evander sein Schwert an die Rippen hielt. Von der anderen Seite aus versuchte nun auch Sarah, Mirjam zu helfen. Hin und her gerissen verzog Narseh das Gesicht, denn mit zwei Soldaten wurde wohl auch Evander nicht fertig.

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    Spurius Cluvius Sulca


    In Sulca loderte ein wilder Zorn auf. Das würde dieser dreckige Tiro noch bitter bereuen! Er hatte hier alles im Griff gehabt. Ein Cluvius Sulca brauchte keinen nassen Rekruten als Flankendeckung! Hatte er den beiden Ärschen nicht ausdrücklich gesagt, sie sollten bleiben wo sie waren? Schließlich war er nicht ohne Grund alleine hinter die Taberna verschwunden. Er hätte das hier so geregelt, wie ein wahrer Anführer solche Dinge gemeinhin regelt: Endgültig. Dieses Pack war seinen Anweisungen nicht gefolgt und wollte fliehen. Kein Urbaner, der auch nur einen Funken Pflichtgefühl besaß, hätte ihnen das durchgehen lassen, warum also er? Gerade er? Am Ende steckte noch dieser neue Optio dahinter. Sollten diese unbedarften Welpen ihm etwa auf die Finger sehen? Er war Miles! Ihm brauchte man nicht zu sagen, welche Maßnahmen die Situation erforderte, Tagesbefehl hin oder her! Fast wünschte er sich, der braunhaarige Christianerhund würde die Waffe ziehen, die ihm selbst zwar entgangen war, mit der er aber sicher kein Problem gehabt hätte. Am liebsten hätte er dem übereifrigen Germanicus selbst eins mit dem Schwertknauf übergezogen..


    Sulca trat ein paar Schritte von dem tonfarbenen Hitzkopf zurück und fixierte den Germanicus. „Na los!“ rief er ihm heißer zu. „Worauf wartest du, mach ihn fertig!“ Der Rekrut rührte keinen Muskel. Wie zu erwarten. Feiges Gesocks. Die beiden Weiber lösten sich langsam von der Hauswand und gingen hinter dem störrischen dunklen Burschen vorbei. Sollten sie ruhig, er war hier jemand ein paar Nachhilfestunden schuldig. Mit kehligem Lachen ließ Sulca den Gladius sinken und betrachtete voller Verachtung den lauernden Tiro. Hinter sich hörte er, wie die Weiber sich an der Mauer zu schaffen machten. Die würde er wiederfinden, wo immer sie sich auch verkriechen mochten, es gab kaum einen Winkel in Trans Tiberim, den er mittlerweile nicht kannte. „Was ist, Tiro? Nicht den Mumm dazu, was?“ Aus den Augenwinkeln sah er den zweiten Mann den Frauen hinterher eilen. Lauft nur, dachte er amüsiert, ich werde mich drum kümmern, gleich. Erst will ich sehen, wer von den beiden dort drüben als erster die Nerven verliert. „Na? Nicht so einfach wie auf dem Übungsplatz, oder?“



    ***



    Antias nahm Sulca's hasserfüllte Sätze kaum wahr. Mit gespannten Muskeln verharrte er neben dem dunkelhaarigen Christianer, presste ihm den Gladius in die Seite und suchte in seinen Augen nach den Anzeichen irgendeiner Reaktion. Er spürte, wie ihm dicke Schweißperlen aus den Poren drangen, seine Haarwurzeln emporstiegen, sich zwischen seinen Schulterblättern vereinten und ihm in eisigen Rinnsalen den Rücken hinab sickerten, seine Handflächen wurden feucht, durch seine Knie ging ein leichtes aber schwer kontrollierbares Zucken, sein hämmernder Herzschlag übertönte das sanfte Rauschen des einsetzenden Regens, seine gepressten Atemzüge mischten sich mit dem Keuchen des unentschlossenen Christianers. Was er da vor sich hatte, war keiner der Holzpfähle, an denen er unzählige Male mit dem Schwert geübt hatte, das war ein atmender, schwitzender, von Angst gelähmter Mensch. Wenn er jetzt zustieß, das war ihm entsetzlich klar, würde die Klinge des Gladius mahlend zwischen den Rippen des jungen Mannes hindurch in dessen Brustkorb dringen und ihm die Lunge zerfetzen. Wenn er es nicht tat, würde ihn der Gegner in seiner Verzweiflung mit der Waffe angreifen, die er zweifellos unter der Tunica umklammert hielt. Alles sprach dafür, zuzustoßen, und wenn er selbst es nicht tat, würde es sehr wahrscheinlich der Cluvius tun. Mitleid war es nicht, was ihn abhielt, im Gegenteil. Er war wütend auf den Kerl. Fast hätte er sich bei Sulca für die Christianer eingesetzt, fast hätte er geglaubt, dass sie harmlos und unbewaffnet waren. Dennoch widerstrebte es ihm, das Leben dieses Mannes mit einer gurgelnden Blutfontäne in einem schäbigen Hinterhof enden zu lassen. Das war nicht das, wozu er hergeschickt worden war und es war nicht das, was er wollte. Es sei denn, es bliebe ihm keine andere Möglichkeit. Sulcas Hohn drang wie aus einem dicken Nebel auf ihn ein, er versuchte, seiner Stimme einen ruhigen festen Klang zu verleihen. „Sei kein Idiot, Christianer. Noch ist nichts passiert.“ Aber es würde etwas passieren, bald – sehr bald. Das hier konnte nicht nicht ewig so weitergehen. Der Kerl trug eine Waffe und wenn er die nicht schleunigst herausholte und fallen ließ, würde er sterben.

  • Sim-Off:

    Sorry für´s lange Warten. ;)


    Im Hinterhof


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Verdammt, wo war denn dieser Kerl so schnell hergekommen? Blitzschnell hatte sich die ganze Situation verändert. Dass dieser Kerl, der scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war, ihm plötzlich seine Gladiusspitze bedrohlich nah vor die Rippen hielt, machte alles nur noch vertrackter. Dann redete er auch noch auf ihn ein. Evander sah ihm in die Augen. Er atmete schwer. Inzwischen hatten sich Schweißperlen auf seiner Stirn und dem Nasenrücken gebildet. Evander kämpfte mit sich. Jetzt nur nicht in Panik verfallen und etwas Falsches machen. Denn damit riskierte er nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Freunde und Glaubensgenossen, die sich im Innern der Taberna befanden. Doch dann irritierte ihn der andere, der seinen auch noch dazu anstachelte, ihn fertig zu machen.
    Eins wusste Evander, er würde sich nicht wie ein Lamm auf die Schlachtbank führen lassen. Auch würde er sich nicht wie seine Brüder einsperren lassen. Lieber würde er sterben.
    Ein schneller Blick noch zu Narseh. Der Perser war bereits damit beschäftigt, den Frauen über die Mauer zu helfen. Also war er ganz auf sich alleine gestellt. Noch immer hielt seine Hand den Griff des Messers unter der Tunika fest. „Verschwindet hier einfach, dann passiert auch nichts. Wir haben nichts verbrochen und wenn ihr jetzt abhaut, dann wird es auch so bleiben!“ Evanders Stimme klang irgendwie zittrig und aufgeregt. Voller Nervosität leckte er sich mehrmals über die Lippen, dann zog er schließlich langsam das große Küchenmesser unter der Tunika hervor. Seine rechte Hand, die das Messer umschlang, zitterte. Nur nicht die Nerven verlieren. Sollte sein Gegner doch zustechen! Mit seinem letzten Atemzug würde er ihm dafür sein Messer in den Rumpf rammen.


    In der Taberna


    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/140909/jwwkw45z.gif] | Elias


    Die bestürzenden Blicke der anderen Männer seiner Gemeinde lasteten auf ihm, als Elias zu einem der Fremden gesprochen hatte. Ihnen wurde nun endlich klar, wer ihre ungebetenen Gäste waren. So war es nur allzu verständlich, als sich auf seinem Gesicht eine Erleichterung breitmachte, als er dessen Antwort vernahm. Er brauchte einen Moment. Dann wandte er sich an einen jungen Mann, der kaum älter als siebzehn Lenze sein konnte. Jedoch bevor er ihn nach der Wirtin schicken lassen konnte, wurde Elias Aufmerksamkeit erneut auf die sich öffnende Tür gelenkt. Es war der Anführer der Fremden, der eintrat und auf ihn nun einen wesentlich entspannteren Eindruck machte, als zuvor.
    „Äh ja, die Wirtin,“ meinte Elias und wandte sich noch einmal dem jungen Mann zu. „Priscus, bitte geh und hole Mirjam. Hier ist jemand, der sie sprechen will.“ Der junge Priscus eilte sofort zu Küche kam aber kurz darauf wieder zurück. Sein Gesicht hatte eine fast schon bleiche Farbe angenommen „Mirjam… sie ist nicht in der Küche. Sie ist weg! Und da draußen… im Hof ist Evander…mit einem Messer in der Hand,“ stammelte der Junge voller Angst.

  • [Blockierte Grafik: http://oi61.tinypic.com/11tyjd5.jpg]
    Spurius Cluvius Sulca


    Cluvius Sulca beobachtete gespannt wie der Christianer ein langes Küchenmesser aus der Tunica zog. Einen kurzen Augenblick befürchtete er, der Bursche würde das Messer tatsächlich fallen lassen, aber wie erwartet hatten sie es hier mit einem besonders dummen und lächerlich stolzen Peregrinus zu tun, der einen Ausweg nicht einmal erkannte, wenn man ihn hineinstieß. Verschwinden sollten sie? Aber natürlich, gern. So machten das die Urbaner doch immer, wenn man sie höflich darum bat, nicht wahr? „Sieh da, ein Lanius.“ lachte Sulca herablassend, steckte den Gladius rasselnd in die Scheide zurück und machte einen weiteren Schritt auf die angespannten jungen Kerle zu. „Wolltest mich damit schlachten wie eine Sau, ja?“ Das Küchenmesser schimmerte fahl und bedrohlich im regnerischen Zwielicht. Und was tat der Tiro? Nichts! Spätestens jetzt hätte er den Christianer guten Gewissens niederstechen können. Aber nein, der Rekrut starrte nur verkniffen auf sein Opfer und vergaß bei aller Konzentration zu handeln. „Schon gut, Tiro .. ich bin ja da.“ höhnte der Miles mit scheinheiligem Tonfall. „Mach ihn einfach kalt. Zeit, sich ein bisschen Respekt zu verdienen.“ Enttäuscht musste Sulca feststellen, dass seine Aufforderung scheinbar ungehört verhallte. Missmutig stemmte er die Arme in die Seite und funkelte den Schlappschwanz wütend an. Soso, der Germanicus ließ sich also nicht so leicht provozieren wie angenommen, oder war er einfach nur völlig starr vor Angst? Wohl eher letzteres. In dem Fall würde der Tiro bei den CU ohnehin nicht lange überleben. Unfassbar, welch menschlicher Müll mittlerweile bei den Urbanern unterkriechen durfte. Aber gut, wenn der eine zu keiner Regung mehr fähig war, konnte das dem anderen ja nur recht sein. „Tja, Christianer .. das war’s dann wohl für dich.“ wandte er sich grinsend an den braunhaarigen Burschen. „Das Jüngelchen wird dich gleich abstechen, weil er gar nicht anders kann. Es sei denn, du bist schneller. Unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. Er ist nur ein Tiro, was bist du?“ Aus dem Hinterhof des Nebengebäudes hallten sich entfernende Schritte herüber. Die Pflicht rief. Brummend zog Sulca den Mantel enger und machte sich gelassen auf den Weg zum Durchgang. „Du bringst das besser schnell hinter dich, Rekrut ..“ raunte er dem Tiro im Vorbeigehen zu. „.. oder du hast bei den Urbanern nichts verloren.“



    ***



    Antias registrierte Sulcas’ hämische Kommentare, wie er den Regen registrierte, beiläufig und reglos. Der Cluvier hatte mit alldem nichts mehr zu tun. Er war nicht mehr der Kamerad, den es vor einem unerwarteten Angriff zu schützen galt, er war gar nichts mehr. Miles Cluvius Sulca hatte aufgehört zu existieren lange bevor er im Durchgang verschwand. Von dem Moment an, als Antias den Gladius gezogen hatte, war er alleine gewesen mit diesem erregten Kerl und seinem Küchenmesser. Sein Blick war starr auf die unruhigen Augen des Christianers gerichtet. Nur ein einziger beherzter Stoß, eine knappe flüssige Bewegung aus der Hüfte über die Schulter in den Arm, und die Anspannung würde von ihm abfallen wie Herbstlaub. Oder doch nicht? Der Regen schwemmte ihm den Schweiß in die Augen, wie lange stand er nun schon hier? Stunden? Tage? Vielleicht hatte er wirklich nichts bei den Urbanern verloren, vielleicht fehlte ihm einfach diese Essenz von Wahnsinn, die in altgedienten Milites wie Sulca gärte. Natürlich hätte er den Christianer töten können. Er hätte auch Sulca töten können, oder Hispo oder den Kaiser oder sich selbst. Es zu können war nicht der Punkt. Völlig unerwartet überkam ihn eine unbeschreibliche Sehnsucht nach Apolonia. Ausgerechnet jetzt. Hätte er auch sie töten können? Das Küchenmesser zitterte, der Gladius nicht. Das also ist die wirkliche Macht, dachte er ernüchtert, zu entscheiden, wen man tötet und wen nicht. Ohne das Schwert zu senken trat Antias langsam und vorsichtig einen Schritt zurück. „Wenn du sterben willst, ist das deine Sache.“ seufzte er müde. „Wenn nicht, lass endlich dieses Scheißding fallen. Ich bin nicht gekommen, um dich zu töten.“ Der Regen wurde immer stärker, ein kalter Wind wehte durch den Hinterhof und zerrte eisig an seiner völlig durchweichten Tunica. „Grundgütiger! Jetzt mach schon!" zischte er den starren Christianer ungehalten an. „Wir sind nicht mal hier, um irgend jemanden zu verhaften, verdammt nochmal! Komm endlich zu dir!

  • Avianus wagte beinahe schon zu hoffen, ihr Auftrag wäre von nun an ein Kinderspiel. Gerade eben sah es noch so aus, als würden alle mitspielen. Die Fremden in der Taberna machten keinen Ärger, und einer von ihnen wollte die Wirtin zu ihnen bringen. "Danke, wir warten."
    Als der junge Kerl dann vollkommen blass wieder in den Schankraum zurückkehrte, läuteten bei ihm bereits die Alarmglocken. Nicht unbedingt, weil die Wirtin weg war, sondern vor allem, weil kein Mensch einfach nur so mit einem Messer herumstand, und wäre es so, hätte sein Kollege keinen Grund, einen derart panischen Eindruck zu machen.
    Der Optio winkte skeptisch seine Leute zu sich und drängte sich an dem Jungen vorbei in die Küche. Dort hörte er bereits Stimmen, die durch die Hintertür in den Raum drangen, unter anderem den Germanicus, wenn er sich nicht irrte. Irgendetwas war da auf jeden Fall nicht in Ordnung, deshalb verlor er auch keine Zeit mehr, sondern trat sogleich mit den vier Soldaten im Rücken durch die Tür nach draußen, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen: Antias mit gezogenem Gladius, einer der Fremden mit einem Küchenmesser bewaffnet und noch ein Fremder wollte über die Mauer zum benachbarten Innenhof klettern. Abgesehen davon hatte er noch ein paar Wortfetzen seines Tiros mitbekommen. Zumindest ein Stück weit beruhigt stellte er fest, dass Antias nicht zu dicht an dem bewaffneten Fremden stand. Seine Hand zog dennoch bereits den Gladius aus der Scheide, falls der der Tiro im Ernstfall nicht schnell genug reagierte.
    "Mach' besser was er sagt", kommentierte er die Situation und trat von hinten nah genug an den nervösen Mann heran, um eingreifen zu können, sollte es nötig werden. Von seinen Leuten würde er heute ganz bestimmt keinen tot zur Castra zurücktragen. Dass bedeutete allerdings auch, dass er die ganze Sache auf wohl unschöne Weise beenden müsste, würde der fremde Mann auch nur eine andere Bewegung machen, als seine Finger am Griff des Messers zu öffnen. Hinter ihm überließ er es den restlichen Soldaten, sich um den zweiten Mann zu kümmern.
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    Narseh


    Alle zusammen irgnorierten sie ihn, er schien vollkommen nebensächlich. Evander hatte für das perfekte Ablenkungsmanöver gesorgt, und nachdem der erste Soldat wieder in dem Durchgang verschwunden war und aus der Taberna Stimmen hörbar wurden, wollte sich Narseh die Mauer hochziehen, und ebenfalls auf die andere Seite verschwinden. Er musste hier weg. Doch da flog bereits die Tür auf, und er brauchte nicht lange um zu realisieren, dass jetzt auch noch der Rest der Truppe ihm Hinterhof stand.
    "Du bleibst genau wo du bist", drohte ihm einer der Soldaten, dessen Hand bereits auf dem Griff seines Schwertes lag. Narseh wich einen Schritt zurück.
    "Ich habe nichts getan. Und Waffen trage ich auch nicht", entgegnete er.
    "Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen", zischte der Soldat zurück.
    Der Perser rührte sich kein Stück mehr. Er war schließlich alles andere als blöd und bildete sich nicht ein, gegen eine Truppe bewaffneter Soldaten auch nur den Hauch einer Chance zu haben. Vor allem machte er sich aber Sorgen, was Evander nun vorhatte. Die Frauen waren jedenfalls weg, wofür wollte er also noch sein Leben aufs Spiel setzen?

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    Sextus Peducaeus Hispo



    Welch Verschwendung! dachte Hispo, während er sich wohlig grunzend an die ohnehin schon feuchte Mauer der Taberna erleichterte, jeder Fullone hätte an diesem Sturzbach seine wahre Freude gehabt, aber leider leider waren weit und breit keine Vase Curtae in Sicht gewesen als er dringend eine gebraucht hatte, selber schuld. Allerdings waren fehlende Pisspötte und verschwendete Flüssigkeiten seine zwar vordringlichste aber dennoch geringste Sorge. Antias war nicht am vereinbarten Platz, der Optio hatte sich ohne neue Befehle in die Taberna begeben und zu allem Übel regnete es auch noch in Strömen. Solche Situationen behagten Hispo nicht sonderlich. Grübelnd stand er im leeren Durchgang und plätscherte scheinbar endlos vor sich hin. Der Befehl lautete nach wie vor, die Schenke der Christianer zu beobachten, also würde er das einfach tun, wenn er hier fertig war. Andererseits musste es einen Grund dafür geben, dass Antias hier nicht wie ausgemacht auf ihn gewartet hatte. Ob er auch hinein gegangen war? Ohne Anweisung des Optio? Auf keinen Fall. Vielleicht hinten beim Cluvier? Unsinn, wer gab sich schon freiwillig mit diesem knurrigen Mistsack ab.


    Gerade als es Zeit wurde abzuschütteln, ließ ihn ein Geräusch vom hinteren Ende des Ganges aufschrecken und der Rest ging über die Caligae. Fluchend drehte Hispo sich zu Seite und sah besagten Mistsack über Gerümpel und Sträucher auf sich zu stampfen. Der Miles konnte doch wohl keine Gedanken lesen, oder? „Auch das noch!“ blaffte Sulca schon von Weitem. „Geh’ mir aus dem Weg, verdammt!“ Hispo fingerte sich hektisch die Kleidung zurecht. „Sofort, Miles. Hast du vielleicht Tiro Germanicus gesehen’?“ Der Cluvius wartete nicht ab, bis Hispo sich vollends geordnet hatte, unsanft schob er den Tiro vor sich her auf die Gasse hinaus. „Seh ich aus wie eine Milchamme? Irgendwo wird er schon stecken.“ Ohne den Rekruten oder das Wirtshaus auch nur eines Blickes zu würdigen marschierte Sulca ein Stück die Gasse hinunter auf den Laden eines Schuhmachers zu. Hispo gefiel das alles nicht, stur blieb er dem Cluvier auf den Fersen. „Wir haben Befehl, die Taberna zu beobachten, Miles.“ gab er zu bedenken. Sulca lachte bitter auf. „Der Schuppen leert sich gerade, du kannst dich verziehen.“ Hispo verstand nicht. „Aber der Optio hat ..“ Sulca fuhr zornig herum. „Der Optio hat WAS? Seine Beute seelenruhig durch die Hintertür entkommen lassen! DAS hat der Optio! Und jetzt sammle deinen Freund ein oder tu was du willst, aber lass mich meine Arbeit machen!“ Hispo blieb stehen. Beute? Entkommen? Seinen Freund einsammeln? Nein, das gefiel ihm alles ganz und gar nicht! Verwirrt sah er den Cluvier im Geschäft des Schuhmachers verschwinden, schickte ein halblautes „Arschloch“ hinterher und rannte dann beunruhigt die Gasse wieder hinauf durch die offene Wirtshaustür direkt in den Schankraum.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140909/92ffy7yt.gif] | Evander


    Evanders Hand begann nur noch mehr zu zittern. Sein Puls raste. Seine Aufregung stieg ins Unermessliche. Natürlich waren die beiden auf seine Forderung, einfach zu verschwinden, nicht eingegangen. Ganz im Gegenteil, sein verzweifelter Versuch, hier lebend und unbehelligt herauszukommen erntete dazu auch noch Gelächter und Hohn. Zumindest von dem einen der Männer, der wohl schon ein ganzes Stück älter war, als der, der ihn mit seinem Gladius bedrohte. Und als ob dies nicht schon genug gewesen wäre, stachelte der Ältere den Jüngeren auf seine boshafte Art an, ihn einfach umzubringen. Doch der schien zu zögern. Dieses Zögern versetzte den Anderen nur noch in größere Rage.


    Die Sekunden wurden zu Minuten und die Zeit schien zu einer zähflüssigen Masse zu werden. Lediglich die Schweißperlen rannen in der gewohnten Geschwindigkeit an Evanders Wangen herab. Wieder leckte er nervös über seine Lippen. Seine Mundhöhle war wie ausgetrocknet. Evander rechnete jeden Moment damit, dass ihm der junge Mann seine Waffe zwischen die Rippen rammte, denn sein älterer Kamerad forderte es regelrecht heraus, dass er zustechen würde. Aber auch dazu kam es nicht.
    Zu Evanders Verwunderung verließ nun der Ältere seinen Platz und ging zum Durchgang zurück. Allerdings änderte dies nichts an der Tatsache, gleich seinem Schöpfer gegenüberstehen zu müssen.
    Statt einfach zuzustechen, begann der Kerl nun auch noch auf ihn einzureden. Im Gegensatz aber zu seinem älteren Kameraden, lag in seiner Stimme kein Spott und auch kein Hass. Eindringlich bat er ihn, sein Messer sinken zu lassen.
    „Natürlich will ich nicht sterben! Was denkst du denn?!“, brüllte ihm Evander aufgeregt entgegen. Mit seiner freien Hand wischte er sich den Schweiß vom Gesicht. Die andere Hand hielt noch immer das Messer. „Weshalb seid ihr denn sonst da?! Wie viel habt ihr der Hure diesmal gegeben, damit sie uns verrät? Als ihr das letzte Mal hier wart, habt ihr einige meiner besten Freunde mitgenommen, die ich danach nicht wieder gesehen habe. Also frage ich dich, wieso seid ihr hier, wenn ihr niemanden verhaften wollt?“


    Plötzlich vernahm Evander hinter sich eine weitere Stimme, die ihm zum einlenken aufforderte. Erschrocken fuhr er um und erkannte den Anführer der Fremden, der offenbar durch die Küche nach draußen gekommen war. Hinter ihm erkannte er seinen Freund Elias, der mit weit aufgerissenen Augen zu seinem Freund blickte und von einigen weiteren Urbanern umstellt war. Evander, der dies vollkommen falsch interpretierte, war sich nun sicher, dass der Junge nur geflunkert hatte, mit dem ganzen Schmu, mit dem er ihn zugetextet hatte. Von wegen, sie waren nicht gekommen, um jemand zu verhaften!

  • Antias nahm das Geschrei des Christianers zunächst als gutes Zeichen. Die gebrüllten Vorwürfe waren immerhin ein Indiz dafür, dass er nachdachte, und so lange er das tat, würde er kaum angreifen. Aber was sollte Antias ihm entgegnen? Dass er nichts von verhafteten Freunden wusste? Dass der Kerl mit seiner selbstgefälligen Widerborstigkeit auf dem besten Wege war, seine noch verbliebenen Freunde ebenfalls in den Carcer zu bringen, wenn nicht gar Schlimmeres? Reglos starrte er seinen selbsternannten Gegner an. Die Stimme des Christianers zitterte vor Verbitterung, und doch sah Antias für einen kurzen Moment einen Schimmer der Hoffnung in seinen geweiteten Augen aufflackern. Dann flog krachend die Hintertür der Taberna auf. Optio Avianus drängte mit den Milites auf den Hof. Der Moment verging, die Hoffnung wich dem Schrecken und Antias hatte eine vielleicht einmalig günstige Gelegenheit zum Angriff verpasst. Eigentlich hätte er erleichtert sein sollen über das Eintreffen der Kameraden, aber er war es nicht. Ihre Anwesenheit änderte nicht das geringste an der Situation, verschärfte sie höchstens. Noch immer war er allein mit dem verzweifelten jungen Burschen. Wenn das Messer irgend ein Ziel finden würde, dann nicht den Optio, nicht einen der Milites, sondern ihn. Und dazu würde er es nicht kommen lassen. So langsam und behutsam es die angespannten Nerven zuließen verlagerte Antias sein Gewicht auf das rechte Bein, winkelte den Schwertarm leicht an und machte sich bereit.


    Plötzlich begann er es zu wollen. Aus seinen Eingeweiden stieg unaufhaltsam ein altbekanntes Gefühl auf. Der überwunden geglaubte Jähzorn flutete ihm gallig in den Rachen und breitete sich scharf und bitter in ihm aus. Die verängstigten Züge des Christianers schienen sich zu einer hämischen Grimasse zu verziehen, hinter der sich immer neue Gesichter abzeichneten, Gesichter von blasierten Patriziern, die ihn von ihren Sklaven verprügeln ließen, Gesichter von derben Legionären, die seine Mutter misshandelten, Gesichter von Schweinen wie Sulca. Der Christianer wollte ihm an’s Leben? Dieser dreckige wertlose Peregrinus hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen und sich dazu entschlossen, ihn zu töten? Tatsächlich? Antias würgte keuchend an seiner Wut. Die boshaften Mienen wechselten sich immer schneller ab, verschmolzen allmählich zu einer einzigen unmenschlichen Fratze, die stetig klarer und bedrohlicher wurde, bis er schließlich mit atemlosem Grauen in sein eigenes Antlitz starrte. „VERDAMMTER NARR!“ brüllte Antias außer sich, spannte sich an, schnellte nach vorn und schlug dem entsetzten Christianer den Schwertknauf über die Stirn. Seine linke Hand fasste in’s Messer, der Griff löste sich aus der Hand des stöhnenden Pereginus. Antias schlug noch einmal zu. Das Messer fiel klappernd zu Boden. „DU STURES ..“ Noch ein Hieb mit dem Knauf. „ .. SELBSTSÜCHTIGES ..“ Ein Schlag mit der blutenden linken Faust. „.. ARSCHLOCH!“ Mit rasselndem Atem packte der den zusammen gesunkenen jungen Kerl an den Haaren, zog seinen Kopf in die Höhe. Nein, es war nicht mehr sein eigenes Gesicht. Erschöpft ließ er los, trat das Messer beiseite und versuchte zitternd, seinen Gladius wieder in die Scheide zu bekommen, vergeblich. Seine Tunica klebte am Körper, die Haare hingen ihm in nassen Strähnen in die Augenwinkel. Es regnet ja, stellte er abwesend fest. Wo hatte er nur seinen Mantel gelassen?

  • Kaum hatte er die Szene betreten und versucht, die Situation einzuschätzen, stürmte der Tiro bereits auf den bewaffneten Christianer zu, der unter mehreren Schlägen zu Boden ging. Avianus knirschte merklich mit den Zähnen, als er den Gladius sinken ließ und sich fragte, wie lange hier hinten im Hof wohl schon nichts mehr nach Plan lief, dass der Tiro plötzlich derart ausrastete. Er hatte nicht nur aus irgendeiner Laune heraus drei Soldaten vor der Taberna gelassen, trotzdem stand Antias hier alleine herum, und selbst wenn einer der anderen etwas davon mitbekommen hatte, hatte es niemand für nötig gehalten, ihn zu benachrichtigen. Und er musste den Mist, den alle zusammen produzierten, natürlich wieder mehr oder weniger alleine aufräumen.
    "Milites Proculeius et Gallonius, schafft mir den Kerl aus den Augen", befahl er, als er auf Antias und den im Dreck liegenden Mann zutrat. Um den würde er sich später noch kümmern.
    Maso und Cocles starrten noch einen Augenblick lang perplex den Tiro an, ehe sie sich daran machten den Fremden beiseite zu schleifen. Wohin?, stand es Cocles deutlich ins Gesicht geschrieben, doch der Optio widmete sich bereits anderen Angelegenheiten.
    "Such dir etwas, um die Hand zu verbinden. Über das hier reden wir nachher", sagte er ernst, als er den Tiro an der Schulter packte und ihn erst einmal ein Stück zur Seite schob. Der schien ihm nämlich völlig neben der Spur und erstmal nicht zu gebrauchen.
    Nichts anderes als ein vollkommenes Chaos, dachte er. Da lagt einer herum, der gerade noch einen seiner Leute abstechen wollte, der hingegen stand jetzt zitternd und mit aufgeschnittener Hand im Hof herum, der Cluvius war noch immer verschollen, während der Peducaus vermutlich nach wie vor nichts ahnend vor der Taberna die Zeit totschlug, an der Mauer kauerte seltsam klein weiterhin mit entsetztem Blick der zweite kräfitgere Kerl, dann stand da auch noch der Typ im Weg herum, der mit ihnen gemeinsam aus der Taberna gekommen war... und er war nun drauf und dran, dieses Chaos aufzulösen.
    "Miles Villius, such den Rest der Truppe zusammen", sagte er, als er über den Hof auf den zweiten Fremden zuging.
    Carbo nickte. "Verstanden, Optio." Der Miles schob sich den Mantel zurecht, ließ den fernöstlich aussehenden Fremden mit Pennus und dem Optio alleine und verschwand in dem engen Durchgang zwischen den Häusern.
    "Und du weißt ganz bestimmt, wohin Mirjam verschwunden ist, oder?", sprach Avianus den Mann schließlich ohne den kleinsten Hauch von Freundlichkeit an. Verdammt nochmal, er hatte diese Christianer satt.
    "Keine Ahnung, Römer, ich weiß gar nichts", antwortete ihm der Perser und die nervösen dunklen Augen wanderten erst einen Augenblick lang zu dem Tiro hinüber, und schließlich mit entschuldigendem Blick zu Elias.
    "Wirklich? Vielleicht sollte ich mal meine Leute fragen, was die dazu meinen", entgegnete der Optio ungerührt. "Tiro Germanicus Antias?" Hoffentlich hatte der sich wieder ein wenig gefasst.
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    Carbo stapfte seufzend auf die Straße zu. Woher zum Teufel sollte er denn wissen, wo die zwei anderen sich herumtrieben? Und vermutlich sollte er auch noch froh sein, dass es mal wieder regnete, dann trieben sich wenigstens nicht ganz so viele Leute in den Gassen herum. Hätte man jedenfalls meinen können, für seinen Geschmack waren es nämlich immer noch genug. Abgesehen davon könnte er sich schönere Aufgaben vorstellen, als nach einem Kerl zu suchen, den er gar nicht finden wollte. Wenn es nach ihm ging, könnten sie den aufgeblasenen Cluvius auch einfach hier lassen, vermissen würde ihn ganz bestimmt keiner. Und irgendein etwas weniger unleidlicher Ersatz würde sich bestimmt auch finden.
    Aber Befehl war schlussendlich Befehl. Missmutig starrte Carbo hinunter zu der Pfütze, in welche er gerade getreten war, und sah schließlich wieder auf, um seine Umgebung nach einem bekannten Gesicht abzusuchen. Der Cluvius tauchte besser schnell auf, denn würde er Hispo vorher finden, würde er dem Optio einfach melden, dass der blöde Sack sich schlichtweg verzogen hatte. Das nahm er sich jedenfalls vor. Ha, das würde dem Cluvius mit Sicherheit gefallen.

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