[Trans Tiberim] Eine kleine Taverne

  • "Gut, natürlich", sagte Avianus knapp, öffnete die Tür und hielt sie auf, damit Sarah wieder in den Schankraum treten konnte. Hinter ihr verließ auch er die Küche, und stellte fest, dass man dort nicht untätig herumgesessen hatte. Der Germanicus hatte sich inzwischen der Wirtin angenommen und machte den Eindruck, die Sache ganz gut im Griff zu haben, weshalb er deren Unterhaltung vorerst nur beobachtete. Weshalb sollte er auch dazwischenfunken? Er konnte sich gut vorstellen, dass Mirjam sich sehr viel lieber mit einem kleinenTiro unterhielt, als mit einem Optio, von dem sie anscheinend noch dazu dachte, dass er mit einer Hure unter einer Decke steckte, die alles Unglück, das hinter ihr und ihrem Mann lag, erst über sie gebracht haben soll.
    "Am besten machst du dich sofort auf den Weg", schlug er der jungen Christianerin noch vor, denn wie was auch immer Mirjam seinem Tiro verriet, Sarah sollte davon besser nichts erfahren.
    So nahm er sich ansonsten vor, die beiden ihr Gespräch zu Ende führen zu lassen, und hatte ganz nebenbei noch einmal die Möglichkeit, das Geschehene Revue passieren zu lassen. Heute war ein verdammt verrückter Tag, soviel stand schonmal fest. Aber damit, dass ihr Einsatz in Trans Tiberim... naja... interessant werden würde hatte er ja bereits gerechnet. Schlussendlich war er aber noch sehr viel interessanter geworden, als er zunächst hätte ahnen können, und ohne es zu wollen, landete er in Gedanken wieder bei Sibel.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/5c9hed8l.gif] | Mirjam


    Die besänftigenden Worte des jungen Soldaten verfehlten ihre Wirkung nicht. Mirjam fühlte sich tatsächlich etwas besser, als er ihr versicherte, dass ihr, ihrem Mann und der Taberna keine Gefahr mehr drohte. Wie man in ihrem Viertel aber im Nachhinein zu ihr stehen würde, blieb noch abzuwarten. Wenn herauskam, dass sie Nachbarn und andere teils angesehene Bewohner Trans Tiberims an die Urbaner verraten hatte, würde sie hier keinen‚ Fuß mehr auf den Boden bekommen.
    „Ich danke dir, du bist ein guter Mensch. Meine Rachel war auch in deinem Alter, als sie starb.“ Sie nahm seine Hand und drückte sie. Doch ihren Gram um das Verlorene konnte man nicht übersehen. Vielleicht war es sogar ganz gut, wenn sie von hier fort zogen. Irgendwohin in eine andere Stadt.
    „Soviel ich weiß, treffen sie sich immer im Verborgenen und auch immer wieder an anderen Orten, weil sie sich davor fürchten, entdeckt zu werden. Man kommt also nur zu ihren Treffen, wenn man zuvor einen von ihnen kennengelernt hat und man dazu mitgenommen wird. Am besten fragt Sarah! Sie…“


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Mirjam verstummte, als sich plötzlich die Küchentür öffnete und gleich darauf Sarah, gefolgt von dem Optio, erschien. Auch ihr erster Blick fiel auf die Wirtin. Man hätte meinen können, sie errötete bei dem Anblick. Doch schnell wandte sie sich wieder dem Optio zu, der sie soeben entlassen hatte. Nun konnte sie sich wohl ganz offiziell zu den geheimen Informanten der Urbaner zählen. Welch zweifelhafte Leistung! Deshalb hatte sie es vielleicht auch plötzlich so eilig.
    „Ich danke dir, Optio! Vale.“ Damit verabschiedete sie sich und lief zum Ausgang.

  • Die traurige Wirtin war ruhiger geworden, sanfter, vielleicht sogar milder. Antias registrierte ohne große Genugtuung, dass er sich nicht in ihr getäuscht hatte. Mirjam war keine von Bitterkeit und Missgunst zerfressene Denunziantin. Sie versuchte nur verzweifelt, das Richtige zu tun, und wusste dennoch, dass es das einzig Richtige nicht geben konnte. Nicht in ihrer Situation. Die starren Vorbehalte, die er anfangs gegen alle Anwesenden gehegt hatte, waren zu vielen kleinen Einzelteilen zerbröckelt. So klar getrennt in richtig oder falsch, wie es manchmal den Anschein hatte, war das Leben leider nicht.


    Als er plötzlich Mirjam’s kühlen Händedruck spürte, wurde ihm die Kehle eng. Schluckend sah er auf ihre Hand hinunter. Sie fühlte sich seltsam fest an, rau, trocken und doch weich. Die Hand einer Mutter, die sich für harte Arbeit nie zu schade gewesen war. Ein verlegenes Lächeln schlich um seine Mundwinkel. Was sagte sie da? Er ein guter Mensch? Nein, das war er nicht. Gewiss nicht. Er hatte schon hart genug zu ringen, kein schlechter zu sein. Mit einem kurzen Räuspern bezwang er seine Rührung und lauschte weiter schweigend ihren Worten. Was sie sagte, klang plausibel. Ein fester Versammlungsort würde die Christianergemeinde nur angreifbar machen, ebenso wie öffentlich zugängliche Rituale. Um mehr zu erfahren, mussten die Urbaner entweder eigene Leute einschleusen oder das eine oder andere Sektenmitglied auf ihre Seite ziehen. Vielleicht diese Sarah?


    Das Knarren der Küchentür ließ Mirjam jäh verstummen. Alarmiert fuhr Antias herum und stellte erleichtert fest, dass lediglich der Optio in den Schankraum zurückkehrte, begleitet von ebenjener Sarah. Wie es schien war die Befragung für Avianus nicht unbefriedigend verlaufen. Um so besser. Die eben noch dösenden Milites sprangen schuldbewusst auf und nahmen Haltung an. Selber schuld. Kopfschüttelnd wandte sich Antias wieder zur Wirtin um. Sie wusste wohl wirklich nicht mehr und er würde auch nicht weiter auf die leidende Frau eindringen, hielt sich ihn doch für einen guten Menschen. Möglicherweise sogar deshalb weil sie im Grunde selber einer war. Wie beiläufig legte er seine andere Hand auf die ihre und drückte sie verstohlen. „Wer im Leben noch keinen wahren Verlust erlitten hat, kann leicht den guten Menschen spielen, Mirjam. Das mit deiner Tochter tut mir sehr leid. Du allein kannst wissen, was sie sich von dir gewünscht hätte. Eine Mutter die vor ihrem ungerechten Schicksal kapituliert oder eine Mutter, die weiter kämpft, um ihrer Tochter ein würdiges Andenken zu bewahren? Was auch immer es sei, du würdest ihren Wunsch sicher erfüllen. Nicht wahr?“ Mit einem letzten warmen Lächeln löste er langsam seine Hände und erhob sich.


    „Optio Iunius Avianus! Tiro Germancius meldet: Zeugenbefragung abgeschlossen!“

  • Natürlich musste er nur wenig später alles, was ihn vom Hier und Jetzt und seiner Aufgabe ablenken wollte, wieder verdrängen. Dennoch musste er zugeben, es hätte ihn schlimmer treffen können. Aus ihrem heutigen Einsatz war alles andere alls ein Reinfall geworden. Schließlich hatten sie nicht nur einen Christianer festgenommen, der ihnen gar keine andere Wahl gelassen hatte, sie hatten dazu noch eine Spionin und zu guter Letzt auch noch was auch immer Antias aus der Wirtin herausbekommen hatte.
    Bei dem Germanicus hatte er wirklich einen verdammten Glücksgriff getätigt. Oder besser der Tribunus - der hatte ihm schließlich vorgeschrieben, den Kerl mitzunehmen. Avianus jedenfalls hätte vermutlich sagen können, was er wollte, Händchen haltend hätte man Mirjam und ihn im Leben nicht gesehen. Dem Tiro hingegen schien sie zu vertrauen. Dessen Worte trieften zudem auch nur so vor Mitgefühl und Verständnis. Nun, solange diesess Mitgefühl am Ende nicht das Urteilsvermögen des Tiro trübte und er zudem noch nützliche Informationen erhielt, sollte es dem Iunier recht sein.
    "Ausgezeichnet, Tiro, sagte er mit einem Nicken, "Packt eure Sachen, wir ziehen ab." Dass der Christianer, den sie im Innenhof festgenommen hatten, mitzuführen war, durfte inzwischen ohnehin jedem klar sein, deshalb marschierte er lediglich Richtung Tür, und ging davon aus, dass seine Leute ihm mehr oder weniger geordnet folgten. Sauberes Marschieren war wohl kaum vonnöten, wenn man in zivil unterwegs war.
    Ohne große Umwege würde man wieder die Castra aufsuchen, um dem festgenommenen Christianer ein hübsches Plätzchen im Carcer zu suchen.

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