atrium | Aurelius Ursus et Flavius Lucanus

  • Eine L-förmige Sitzgruppe, geöffnet zum Atrium hin und den Blick freigebend auf das erquickende und erfrischende Wasserspiel in dessen Mitte, aber auch auf den kultischen Herd und jenen Schrank, in dem der Stolz und die Glorie des Hauses Flavia - die Masken der Ahnen - dokumentiert ist, verweisend, war schon vorbereitet worden.


    Die Kissen liegen aufgeschüttelt, mit dem digitus-Maßstab genau ausgerichtet und doch wie kontingent verteilt auf den beiden Kirschholz-Sofas, die mit gold-und-rot-gestreifter Seide bespannt sind.


    In der Mitte, auf einem etwa kniehohen Tisch steht ein Stilleben mit Obst, verschiedenen Saft-, Rot- und Weißweinkaraffen, sowie zwei Quellwasserkannen. Ein Assortiment verschiedener Kanapees mit Meeresfrüchten - gekochte Eier mit Tunke hatte sich der Gastgeber aus nicht näher bekannten Gründen verbeten - und gekochtem und geschmortem Rindfleisch in hauchdünnen Scheiben war zur leiblichen Erbauung einen Augenschlag, nachdem der Türgott Acanthus die Kordel gelöst hatte, ebenfalls dort plaziert worden, das Räderwerk hatte ohne knirschen und Reibungsverluste gegriffen.


    Dorthin nun wurde gemessenen Schrittes der honorable Gast, der vigintivir Titus Aurelius Ursus, geführt.

  • Es war ja noch gar nicht so sehr lange her, daß Ursus sich im Atrium der Villa Flavia aufgehalten hatte. Dennoch sah er Raum natürlich jetzt völlig anders aus, als zur Saturnalienfeier und so blickte sich der Aurelier doch aufmerksam um, während er auf Lucanus wartete. Ganz abgesehen davon, daß hier alles wirklich gemütlich und angenehm - anscheinend für seinen Besuch - hergerichtet worden war, hatte das Atrium doch noch einige sehenswerte Dekorationen und Einrichtungen zu bieten, auf die Ursus bei seinem letzten Besuch gar nicht so hatte achten können.


    Das Essen war wirklich sehr appetitlich angerichtet. Und schon das zeitlich genau abgestimmte anrichten derselben ließ darauf schließen, daß Lucanus sich bald blicken lassen würde.

  • Ausnahmsweise, denke ich, hatte das interne Hausnachrichtensystem funktioniert, keiner der staffellaufenden Sklaven, die die Botschaft mir überbringen sollten, war durch andere, ephemere Nachrichten oder Begebenheiten, Gelüste oder Bedürfnisse der Natur aufgehalten worden, sondern in wenigen Minuten hatte ich die NAchricht von der Ankunft meines Gastes in der Bibliothek erreicht. Selbst an Mago, dem praefectus der Heiligen Hallen des Wissens war der nuntius ohne Verzögerung vorbeigekommen.


    Ich packe meine Sachen zusammen und verstaue ein, zwei Rollen, die ich mir zum Studium zurücklegen hatte lassen, im Regal. Meine Toga hängt über dem Stuhl, der Botenjunge hilft mir beim Anlegen, eine über die Maßen langwierige Prozedur, die aber schon nach dem dritten Ein- und Auswickeln gelingt.


    Kurz vor dem atrium biegt meine Begleitung ab, so daß ich ohne Herold oder anderes Beiwerk das atrium betreten kann. Von einer anderen Seite taucht der nuntius, nun zum Mundschenk und Tischdiener mutiert, wieder an einer Portiere auf


    "Aurelius Ursus! Eheu! Phänomenal, daß Du so kurzfristig Zeit finden konntest! Welche Ehre und welcher Glanz im Hause Flavia und vor allem für mich, den jüngsten und unerfahrensten Schößling!", gemessen, aber grinsend und mit ausgetreiteten Händen komme ich der Gestalt, die die - wunderbar, sie haben's kapiert! - Vorbereitungen begutachtet, entgegen. :)

  • Schritte näherten sich dem Atrium und Ursus wandte sich um. Lucanus trat gerade ein, gekleidet in einer makellos angelegten Toga und mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. Unwillkürlich fragte sich Ursus, ob seine Toga ebenso makellos saß, konnte dies aber ohne einen prüfenden Blick nicht beurteilen. Und einen solchen erlaubte er sich natürlich nicht, wie würde das denn aussehen!


    Natürlich ging er Lucanus entgegen, die Hände ebenfalls ausgebreitet, um ihn in die übliche kurze Umarmung zu ziehen. "Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, verehrtester Flavius Lucanus. Denn in das Haus der Flavier geladen zu werden, betrachte ich als höchste Auszeichnung. Und was die Jugend und Unerfahrenheit angeht: Zum einen sind sie höchst vergänglich und zum anderen bin ich Dir dabei gar nicht so weit voraus." Er lachte und klopfte dem jungen Flavier leicht auf die Schulter.


    "Ich habe mich wirklich außerordentlich über Deine Einladung gefreut." Sein strahlendes Lächeln war echt. Er mochte Lucanus sehr gern, zumindest, soweit er ihn bisher kannte. Das war zugegebenerweise noch nicht sehr gut, aber dieser Abend würde diesem Mangel sicherlich schon in erheblichem Maße abhelfen.

  • Die Umarmungen und Berührungen gleichen nicht denen meines Onkels Gracchus, nicht wie den nackten Körper umschmeidelnde hauchdünne Seide, sondern gute, solide und wasserfest gewebte Wolle. Meine Mutter hatte mir mal eine Joppe aus junger Wolle gestrickt - als ich sie im Beisein meines Freundes Pedro das erste Mal anprobierte, meinte der nur "Ah, domina, die brauch'ma nich' aufzuhäng', die steht vo' alleine". Meine Mutter war keine große Strickerin, die Joppe war in der Tat völlig wasserfest gestrickt und ich fühlte mich darin immer wie in einem Eisenpanzer geschützt.


    "Ach, I wo - wir kochen hier auch mit Wasser aus der Aqua Claudia, mein' ich jedenfalls, 'ne Aqua Flavia gibt's ja wohl nicht, oder?" :D`Oje, hoffentlich gibt es nicht wirklich eine extra Wasserleitung hierher, wie unser Vorfahr Flavius Domitianus zu seinem Haus aus den Palatin den Arcus Neroniani verlängert hatte. Aber das Wasser ist wenigstens das gleiche.


    "Womit kann ich Dich nach dem Gang hierher erfrischen? Was darf ich Dir anbieten? Wein?`Weißen: Caecuber? Oder Roten: Albaner? Oder einen ziemlich heftigen Surretiner? Wir haben aber auch einige Obstsäfte. Und natürlich Queli- und Heillwasser aus verschiedenen Gegenden."

  • Die ausgesprochen bildhaften Vergleiche, die Lucanus zwischen einer Umarmung seines Onkels Gracchus und Ursus' Umarmung zog, hätten Ursus mit Sicherheit amüsiert, wenn er von ihnen auch nur eine Ahnung gehabt hätte. So war es für Ursus einfach eine ganz normale Umarmung, nichts ungewöhnliches.


    "Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob ihr eine eigene Wasserzuleitung habt", lachte Ursus, "aber so sehr wird sich euer Wasser von unserem schon nicht unterscheiden. Und falls doch, werde ich es bestimmt gleich merken." Es war schön, daß die förmlichen Lobreden damit beendet waren und sie sich nun geben konnten, wie sie waren. Zwar war dieses Lobspiel manchmal einfach amüsant, aber es war eben auch schön, sich natürlich geben zu können. Und Ursus hatte das Gefühl, Lucanus gegenüber offen sein zu können.


    "Wenn Du schon so fragst, hätte ich gerne mit Wasser gemischten Albaner. Für den Anfang zumindest. Auch wenn der Weg wirklich nicht weit war, kann ich doch einen guten Schluck vertragen. Der Tag war bisher ziemlich staubtrocken."

  • "Die Natur ist zu ihren Kindern gleich gerecht, macht keinen Unteschied zwischen oben und unten, klug und dumm, Mann und Frau, arm und reich: wer ins Wasser springt, wird naß - das ist für alle gleich", philosophiere ich ein wenig, während ich ihm einen g'spritzen Albaner zubereite. Und mir zur Feier des Tages einen Caecuber 1:10 mit Quellwasser.


    "Hier, bitte, reiche ich ihm seinen Becher, der zu einen Service gehört, das ich kürzlich bei Tiffanius erstanden habe. Glas ist doch nicht so meine Sache, die Ausfallquote ist schon unerquicklich hoch, wenn Laas mal nicht ein Gefäß hinunterfegt.


    "Nun, feilst Du schon an Deinem Rechenschaftsbericht? Oder ist die Frage unpassend?" lächele ich wissend, manchmal sitze ich Stunden vor einen leeren Blatt und am Ende des Tages ist noch viel Papyrus übrig.

  • Ursus nahm den Becher dankend entgegen und trank einen Schluck. "Die Natur mag gerecht sein, aber mancher Mensch hat nur wenig Kontakt zu ihr und die Menschen sind selten gerecht", nahm er das Bild von Lucanus auf und grinste dabei. Er meinte es nicht ganz ernst, auch wenn dies durchaus der Wahrheit entsprach.


    Dem Becher selbst schenkte er keine Aufmerksamkeit. Vielleicht wenn er ein ganz außergewöhnliches Kunstwerk gewesen wäre. Ansonsten hatte Ursus für solche Dinge einfach nicht so den Blick. Ein Defizit, daß vielleicht eines Tages durch eine Ehefrau gefüllt würde.


    "Noch habe ich damit nicht angefangen. Also mit aufschreiben noch nicht. Aber ich denke bereits über Formulierungen nach. Ich brauche noch die abschließenden Zahlen, die ich aber erst in wenigen Tagen endgültig habe. Von meiner letzten Liste habe ich nur sehr wenige Rückmeldungen bekommen. Der Termin zur Rückmeldung war gestern. Da kommen bestimmt noch Nachzügler, deswegen möchte ich noch etwas warten. Bis die neuen Amtsinhaber ernannt werden, dauert es ja noch etwas."


    Er musterte Lucanus neugierig. "Wie sieht es aus? Kandidierst Du? Achja, Glückwunsch übrigens zur Auszeichnung für Deinen cursus res vulgares. Ich habe damals einfach nur bestanden. Für eine Auszeichnung hat es leider nicht gereicht."

  • "'Mutter Natur ist ein böses Weib', wie der Ingenieur Murphios sagt. Sie ist blind und darum nur soweit gerecht, als sie tut, was sie tut, sie behandelt Schuldige wie Unschuldige gleich, was uns Menschen - vielleicht zu Recht - versagt ist" Nun, gut, lassen wir das. Wir sind hier nicht im Museion von Alexandreia.


    Ach ja - Aurelius Ursus ist ja für die Testamente zuständig. Mehr als eine endlose und in ihrer Endlosigkeit langwelige Liste wird er nicht vorlegen müssen. Ein Buro-Bär ...


    "Die Prüfung habe ich mir auch mit Blut, Schweiß & Tränen erarbeitet. Danke, man tut was man kann, aber nicht alles, was man tut, kann man auch wirklich." :D


    Womit wir ja - in den Zeiten vor den Wahlen kaum unverständlich - bei dem Thema wären ...


    "Ich glaube, mein Onkel Gracchus wäre entsetzt, würde er erfahren, ich wolle mich um ein politisches Amt bewerben. Und wahrscheinlich hat er recht: ich war nie auf Bildungsreise, mein einziger Lehrer war meine Mutter und die Schirften, die wir in unserer Hausbibliothek in Flaviobriga hatten."


    Ich trinke einen kräftigen Schluck und dirigiere meinen Gast langsam zu den Polstern.


    "Es ist zwar in der römischen Geschichte vorgekommen, daß man einen Mann vom Pflug weg, einen Bauern, in Krisenzeiten in das höchste Amt berief,*) aber ich glaube kaum, daß die Senatoren begeistert wären, wenn sich selbst in diesen Zeiten einen ehemaligen Fischer zum vigintivir bewirbt, dessen Vater nicht einmal Senator war."




    Sim-Off:

    *) Luca meint Lucius Quinctius Cincinnatus (dictator 458)

  • Ursus lächelte. Einen ungebildeten Eindruck machte Lucanus jedenfalls nicht, auch wenn er seine Fähigkeiten und Kenntnisse selbst eher schlecht beurteilte. Schon der hervorragende Abschluß des CRV zeigte dies sehr deutlich. Auch Ursus hatte eine Menge Zeit und Arbeit in die Vorbereitung des Cursus investiert, doch schien es so, als hätte er nicht ganz die richtigen Quellen gehabt. Zumindest nicht, um eine Auszeichnung zu erhalten. Naja, vielleicht war Lucanus auch einfach nur begabter als er selbst.


    "Du wirst die Auszeichnung schon verdient haben. Und ich gebe zu: ich beneide Dich darum." Ein leichtes Grinsen begleitete diese Worte, um Lucanus zu zeigen, daß es kein bösartiger Neid war, der ihn erfüllte.


    "Du bist noch ein paar Jahre jünger als ich. Bestimmt wirst Du es schaffen, Dich zu bewähren und in den ordo senatorius erhoben zu werden. Wie willst Du Dich denn in Zukunft betätigen? Willst Du bei einem der Amtsinhaber als scriba tätig werden? Oder vielleicht ein religiöses Amt übernehmen?" Auf die Aussage mit dem Fischer ging Ursus gar nicht ein, sondern schmunzelte nur darüber. Ein Flavier war sicherlich nicht nur ein Fischer gewesen. Das konnte nichts anderes als eine Übertreibung sein.


    "Falls Du Dich für den Dienst für die Götter interessieren solltest, wäre es vielleicht günstig, mal mit meinem Onkel Aurelius Corvinus zu sprechen. Er ist Septemvir und kann sicherlich etwas für Dich tun", schlug Ursus vor, unwissend, daß Lucanus dies längst getan hatte.

  • Aurelius Ursus erstaunt mich - aus bester Familie, mit allem gesegnet, vor allem einer guten Ausbildung, was interessiert ihn da eine Diploma eines Landeis, ob nun Flavier oder Fulvier, ist doch egal.


    "Ach Aurelius Ursus. Sowas ist doch nur Dekor, natürlich freue ich mich, meine Aufgabe gut gemacht zu haben, meine Mutter ist sicherlich stolz, daß ich gelernt habe - aber Neid? Ich habe weit mehr Anlaß, Dich um Deinen Aufenthalt in Athen - von dem ich hörte - zu beneiden, als Du mich um eine Diploma in einem Grundkurs!"


    Erstaunlich, wie bald man doch des Eigenen überdrüssig wird, wenn man erfährt, was einem im Leben doch noch alles widerfahren hätte können! Athen! Alexandreia! Und ich verplempere mein Leben in Flaviobriga, so sehr ich es auch vermisse und mich danach verzehre, aber ... Alles hat ein "aber".


    Wir setzen uns und stehen nicht wie Kleiderständer mehr oder minder dekorativ in der Gegend herum. Während ich meine Falten ordne, fahre ich fort: "Du hast in der Tat recht, ich habe mich für den Priesterdienst am Tempel der Iuno beworben. Und stell' Dir vor - dabei bin ich unweigerlich bei Aurelius Corvinus gelandet, der die Bewerbungen aufnimmt. Hätte ich nicht gedacht, eigentlich, naja, ich bin einfach hin und habe mich vorgestellt. Patenter Mann." Mit einem interessanten Sekretär. Ich muß leicht schmunzeln, wenn ich dan den Tag denke.


    "Naja, so geht's dahin ... und bei Dir? Hat Dich Dein bisheriges Amt in Deinen Interessen bestätigt, oder willst Du eine andere Laufbahn einschlagen? Schon etwas in Aussicht? Ich muß zugeben, daß ich mir Deine bisherige Tätigkeit, hm, etwas trocken vorstelle - zu viele Tote, wenig Leben, oder irre ich mich?"


    Ich trinke ein wenig, um den Staub, den mir der Gedanke an Aurelius Ursus' Tätigkeit in den Hals setzt, hinwegzuspülen. "Da fällt mir ein: Dein scriba, Iulius Cincinnatus ist ein Freund von mir. Haben uns zufällig kennengelernt und dann die Bekanntschaft vertieft. Netter Kerl, hat, wie man so sagt, momentan in der casa Iulia "sturmfreie Bude", lebt da ganz allein." Apropos: Neid. Dem lugen nicht irgendwelche Onkel über die Schulter.

  • Ursus legte den Kopf schief und lächelte. "Du unterschätzt den Wert solcher Auszeichnungen. Dein Name wird den Menschen mehr ins Gedächtnis gebracht. Und nichts ist wertvoller, als in positivem Sinne bekannt zu sein. Mach nur weiter so, Lucanus. Du wirst Deinen Weg schon machen." Daran gab es im Grunde keinen Zweifel.


    "Athen ist sehr schön. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, daß ich meinen Aufenthalt dort nicht sehr genossen habe. Aber Rom hat mir trotzdem sehr gefehlt. Und als ich wiederkam, war ich praktisch ein Fremder. Das fand ich nicht so günstig, muß ich sagen." Er zuckte mit den Schultern. "Auf jeden Fall ist Athen eine Reise wert. Wenn Du mal die Gelegenheit hast, dann nutze sie auf jeden Fall!" Warum Lucanus das als so unwahrscheinlich ansah, war Ursus unverständlich. Was sprach dagegen, ein Studienjahr in Athen zu verbringen, wenn er sich das wünschte? Die Flavier konnten sich so etwas doch ohne weiteres leisten.


    "Ah, dann kommt mein guter Rat ja zu spät", lachte Ursus amüsiert und nahm sich ein paar Weintrauben. Priester der Iuno, das war ja mal ausgesprochen ungewöhnlich. Und alles andere als dumm. Der Tempel der Iuno war mit Abstand der günstigste Ort, um Frauen kennenzulernen. Schlauer Bursche, dieser Lucanus!


    "Mein Amt hat mir einige Erfahrungen eingebracht, die mir mit Sicherheit noch sehr nützlich sein können. Die Tätigkeit an sich war trocken und teilweise nervenaufreibend, aber ich kenne die Stammbäume sehr vieler Familien jetzt halb auswendig und naja, einige Erbschaften waren auch von der Materie her recht interessant." Immerhin waren zum Teil erhebliche Vermögenswerte verteilt worden.


    "Die Toten sind übrigens völlig unproblematisch. Die höchst lebendigen Erben oder Nichterben dagegen können schon mal ein wenig lästig werden. Glaub mir, das ist manchmal mehr Leben, als man sich bei der Ausübung eines solchen Amtes wünscht." Er lachte allerdings. Immerhin wäre die Arbeit höchst langweilig, wenn so etwas nicht dabei wäre.


    "Du bist mit Cincinnatus befreundet? Ja, er ist sehr nett und auch auch fleißig und zuverlässig. Seine Hilfe war mir höchst willkommen, das kannst Du mir glauben. Er ist ganz allein in der Casa? Viele Iulier sind bei der Legion, oder habe ich das falsch in Erinnerung?" Es war nicht leicht, in Rom Fuß zu fassen, wenn keine Familie da war, die einen unterstützte. Ursus fand Cincinnatus nicht beneidenswert.

  • "eine gesunde und vernünftige Arbeitshaltung: Erfahrungen sammeln, Kenntnisse erwerben, den Spaß nicht verlieren. Ich habe bislang für die schola Atheniensis Kopien der dissertationes korrigiert: eine stumpfsinnig-fade Arbeit im Grunde, aber die Texte selber waren, wenn auch von unterschiedlichem Niveau, doch sehr lehrreich."


    Auch wenn einiger überflüssiger Ballast darunterwar, der jetzt meine Schubladen im Kopf verstopft.


    "Ich bn ein lausiger Gastgeber: bitte, greif' doch zu, ich hoffe, Du magst Fisch und Meeresfrüchte. Wir haben Brötchen mit Austern, Fischeier, Muschelfleisch, aber auch gedünsteten Meerbarbe, Thunfisch gekocht, Goldbrasse gebraten, rohen Hecht in Pomeranzensaft, natürlich Lachs sautiert ..." Und noch so einiges andere. Eine nette Vorspeise, zu der ich meinen Gast ermuntern möchte, ich bekomme selbst Appetit und kann ja nicht als erster zuschlagen.


    "Ja, ein Iulius Labeo hat in Misenum angeheuert, so weit ich weiß. Andere Iulier kenne ich nicht. In der at, in Rom sind die Iulier so gut wie unsichtbar, eine traurige Sache bei einer so berühmten Familie." Aber das Militär hat heute auch einen großen Stellenwert, gerade, wenn der Kaiser gerne Krieg führt und die Grenzen stets gesichert sein müssen.


    "Und Du? Was willst Du jetzt tun? Oder erstmal eine Periode in Ruhe verbringen, otium statt negotium?" Schließlich kann Aurelius Ursus ja nich von einem Amt ins nächste gehen, obwohl, wenn er erqickende Langeweile für schädlich und verwerflich hält ...

  • Ursus nickte ernst. "Ja. Wenn man es nicht schafft, aus allem einen Nutzen und möglichst auch noch Spaß zu ziehen, dann hat man ein echt bitteres Brot zu kauen. Aber wenn man wirklich guckt, findet man eigentlich bei allem etwas, was interessant ist. Die Iulier jedenfalls sind eine große Familie und verteilen sich über das ganze Imperium. Wie Du siehst, Erbschaftsbearbeitung ist durchaus nützlich." Er lachte und ließ sich nun auch nicht mehr lange bitten.


    "Ich liebe Fisch. Und seit wir einen ehemaligen Fischer im Haus haben, bekommen wir immer häufiger besten und frischesten Fisch zu essen. – Hm, das hier sieht ja wirklich gut aus." Er nahm sich eines der ofenfrischen Brötchen, brach etwas davon ab und löffelte einige Fischeier drauf. Das schmeckte auch so gut, wie es aussah! Dann folgte noch ein Stück gebratener Goldbrasse. "Sehr gut…"


    "Ich habe mich für ein Tribunat beworben. Doch das wurde ja bisher immer durch den Kaiser zugewiesen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob jetzt im Moment irgendjemand von den Zuständigen den Kopf frei hat, um sich mit solch doch eher nebensächlichen Dingen zu befassen. Sollte es also mit dem Tribunat nicht klappen, werde ich mich nach etwas anderem umsehen müssen. Gar nichts zu tun, kommt gar nicht in Frage, ich habe keine Zeit mehr zu verschenken. Aber ein religiöses Amt würde mich noch reizen, wenn es schon mit dem Militär nicht klappen sollte."

  • Erleichterung breitet sich wie Licht aus. Endlich kann auch ich meinen Hunger stillen. Erziehung ist manchmal ziemlich lästig. Vergnügt vor uns hinmampfend und trinkend können wir die letzten Strahlen des Tages genießen. Einie Sklaven tragen Kohlebecken und Luster herbei und werkeln daran herum, denn Erleichterung kann sich zwar wie Licht ausbreiten, aber ist nicht annähernd zu Beleuchtung geeignet.


    "Frischer Fisch ist in Rom nicht so selbstverständlich, habe ich gemerkt. Und, wenn man nicht an einen Großhändler gerät, auch ziemlich teuer. Wir haben einige Süßwasserteiche und auch Salzwasserbecken, was es sehr erleichtet. Auch wenn ich selbst gerne wie früher hinausfahren würde, um fürs Abendessen zu sorgen."


    Ach, die Zeiten der Kindheit und Jugend. Vorbei - Vorbei. Die Zeit rast und wir rasen unaufhörlich mit, bis wir nicht mehr wissen, wo und der Kopf steht.


    "In der Tat, die Verwandschaftsverhältnisse zu kennen, ist sicherlich nützlich - gerade im Umgang mit den Lebenden. So, ein Tribunat, warst Du schon in der Armee oder willst Du da einen Stuben-Posten hier in Rom? Oder herumreisen in den äußersten Provinzen?" Wie jemand sich freiwillig dem Militär aussetzen kann ... naja, ein wenig ernst wirkt Aurelius Ursus manchmal ja schon. Ob es ihm da schwerfallen würde, nur auf Befehl lachen zu dürfen?

  • Bedienstete sorgten für Beleuchtung und auch Wärme und Ursus spürte, wie sich langsam Entspannung in ihm breitmachte. Das Essen war wirklich hervorragend und er nahm sich noch etwas von dem Muschelfleisch. Den Ausführungen von Lucanus, was den Fisch betraf, konnte er nur zustimmen. "Seit wir Sertorio haben, gibt es auch bei uns Bottiche mit lebendem Fisch. Ihm war selbst das frischeste, was auf dem Markt zu bekommen war, nicht frisch genug. Ich bin ihm da ziemlich dankbar. Wie gesagt, esse ich sehr gerne Fisch. Und Sertorio versteht nicht nur etwas davon, sie zu halten, sondern auch davon, wie man sie zubereitet. Er ist ein sehr begabter Koch, bei der Speisenauswahl allerdings noch ein wenig eingeschränkt."


    Er blickte Lucanus prüfend an. "Du bist also tatsächlich selbst aufs Meer gefahren, um zu fischen? Wie kommt das? Du bist ein Flavier, ein Patrizier. Nicht, daß ich es Dir nicht zutrauen würde", er lachte, "aber was haben Deine Eltern dazu gesagt?" Fischen war ja nun nicht gerade eine der üblichen Beschäftigungen für einen jungen Adligen.


    Auf die Frage nach dem Tribunat mußte Ursus den Kopf schütteln. "Nein, bisher war ich noch nicht bei der Armee. Und es wird wohl eher ein Verwaltungsposten sein, zumindest ist das so üblich beim senatorischen Tribunat. Und wo ich eingesetzt werde, entscheidet normalerweise der Kaiser. Ob der neue Kaiser das schon macht, irgendein höherer Beamter oder ob das überhaupt ganz in Vergessenheit gerät angesichts der aktuellen Situation, keine Ahnung." Er zuckte mit den Schultern. "Als Patrizier bin ich ja nicht zum Militärdienst verpflichtet. Aber wie soll ich später mal als Senator fähig sein, Entscheidungen zu treffen, wenn ich solch einen wichtigen Bereich wie das Militär nicht kenne? Außerdem hat es bei den Aureliern Tradition. - Dir liegt das Militär wohl nicht sonderlich?" Zumindest glaubte er das der Mimik und der Betonung des Flaviers entnehmen zu können.

  • Schöne, sonnige Erinnerungen tauchen wie ein Segler am Horizont auf, ich schaue aber nicht genau hin, sonder sondern tue so, als wäre da überhaupt nichts.


    "Das klingt nach einem Fischer. Für die ist Fisch nur frisch, solange er lebt, viele kochen, braten und essen darum auf ihren Boten und zuhause nur Gemüse und Puls. Und Fleisch ist teuer, da ist der Speisezettel und die Phantasie natürlich sehr eingeschränkt."


    Auch wenn das, was man aus Fisch so alles machen kann, kaum phantasielos nennen kann, nur eben nur Fisch, das liegt nicht jedem. Und in Rom schon garnicht.


    "Der Unterschied zwischen dem Haushalt hier in Rom und meinem daheim in Flaviobriga könnte größer nicht sein. Nach dem Tod meines Vaters, der es nur zum Legionarius gebracht hatte, war - und ist - kein Geld da. Ich habe mir bei Nachbarn als Hütejunge Geld verdient und das Fischen hat unseren Tisch gedeckt. Puls mit Puls und verschrumepltes Gemüse macht nicht froh, wenn man das Meer vor der Nase hat. Im Grunde wäre ich Fischer geworden, wie mein Freund Pedro und wie eigentlich alle Männer im Dorf, wenn meine Mutter nicht vor ihrem Tod nach Rom geschickt hätte."


    Erstens kommt es anders - und zweitens als man denkt. Ob die Schicksalsgöttinnen wenigstens wissen, was sie als nächstes von ihrer Spindel lassen werden?


    "Ich denke, ich werde mir ein Boot kaufen und hie und da aufs Meer fahren, ich bin so viele Menschen nicht wirklich gewöhnt und man kommt bei der Unruhe auch nicht richtig zum nachdenken, nicht? Ich habe bald ein ganzes Jahr das Meer nicht gesehen, ein Fischer ohne Meer ist wie ein Fisch ohne Wasser. Land tötet beide."


    Ich schaue Aurelius Ursus vorsichtig und ein weng belustigt von der Seite an. "Nein, in der Tat, Militärisches ist meine Sache nicht. Dieses Gebrülle, diese Phantasielosigkeit und Roheit, nicht, daß ich das Abenteuer und Schwierigkeiten scheue oder mir über die Notwendigkeit unserer Legionen im Klaren bin, aber jeder nach seinen Interessen und Fähigkeiten, nicht wahr?"" Verbindlichkeit wechselt mit Vorsicht. Soldaten halten sich immer für das Beste, was Rom hervorzubringen in der Lage ist. Naja, wer's glauben möchte - bitte.

  • Das hatte Ursus wahrhaftig nicht gewußt, daß Lucanus aus derart einfachen Verhältnissen stammte. Doch eine Schande war das sicherlich nicht. Eher im Gegenteil. Denn um so bewundernswerter war es, trotzdem ein so gebildeter junger Mann zu sein, der alle Voraussetzungen dafür hatte, sich in Rom einen Namen zu machen.


    "Sertorios Vater hat ein Gasthaus, von daher ist er schon gar nicht so sehr phantasielos. Und er lernt schnell. Auch wenn seine Sprache wirklich entsetzlich ist, hat Corvinus mit ihm einen guten Kauf getan." Das mußte er tatsächlich anerkennen. Und er hoffte ja, daß Sertorio mit der Zeit ein besseres Latein lernen würde.


    "Bereust Du es, hergekommen zu sein? Trotz der großartigen Möglichkeiten, die sich Dir hier eröffnen? Hättest Du lieber als einfacher Fischer gelebt?" Da war keine Verachtung in der Frage, nur Neugierde und Erstaunen. Ein Leben als Fischer war doch ausgesprochen schwer und sorgenvoll. Wenn man die Möglichkeit hatte, in Luxus zu leben und eine einflußreiche Position zu erreichen, wählte man doch nicht ein derart entbehrungsreiches Leben? "Nimmst Du mich mal mit auf Deinem Boot, wenn Du Dir eins kaufst? Ich bin zwar nicht gerade der geborene Seemann oder Fischer, aber schlecht wird mir normalerweise auch nicht." Interessiert musterte Ursus den Flavier. Wie würde er wohl auf solch eine Bitte reagieren?


    Doch er grinste, als Lucanus sich mit ausgesprochen wenig Begeisterung über das Militär ausließ. "Ja, jeder nach seinen Interessen und Fähigkeiten. So sehr versessen bin ich gar nicht auf das Militär. Aber ich halte es trotzdem für notwendig, es kennenzulernen. Und wer weiß, am Ende gefällt es mir doch? Irgendwas muß doch dran sein, wenn meine Ahnen alle so gern bei dem Verein waren. - Und selbst wenn Du in die Politik willst, bist Du als Patrizier ja nicht verpflichtet, Militärdienst zu leisten."

  • Wirklich amüsant, Aurelius Ursus, der Stadtrömer: "Dem Namen nach ist der Mann aus Hispania, das Latein, das da auf dem Land und an den Küsten gesprochen wird, ist im Vergleich zu dem Hochlatein hier in Rom tatsächlich ziemlich, naja, gewöhnungsbedürftig. Tarraco hält sich für 'was besonderes, da ist die Aussprache schon wieder städtisch, habe ich gehört."


    Irgendetwas irritiert mich gerade. Eine verdorbene Muschel? Kommt Wind auf? Schlägt das Wetter um? Etwas seltsames, was ich nicht ganz einordnen kann, wie ein Angelhaken in meiner Stirn. Hm. Egal, vergiß' es. Kommt schon, klärt sich.


    Ich schüttele den Kopf. "Sunt lacrymae rerum, alle Dinge haben ihre Tränen, ich wäre lieber daheim geblieben, da hatte ich meine Freunde, da kannte ich mich aus und mich kannte auch jeder. Meine Onkels hier finde ich schon schwer in Ordnung und ich fresse mich durch die Regale in den Bibliotheken. Das ist wirklich großartig! Endlich mal nicht langsam lesen müssen, weil man sonst keine Lektüre mehr hat." :)


    Bücher. Bücher. Bücher. Ich sei der einzige Mensch, der so bescheuert ist und ein Buch mit an den Strand nimmt, hat Pedro gesagt. Es sei schon peinlich, ob ich es nicht einfach im Sand verstecken könne. Klar. Und Du findest es dann wieder, Du, der Du nicht einmal Deine dunkle Matte auf dem Strand siehst, wenn man Dich nicht draufschmeißt. Worauf ich seine Faust in meinem Gesicht hatte und er mein Knie in seinem Verdauungstrakt. "Liebesspiel" hat ein Mädchen mal die Prügeleien unter uns genannt. Natürlich, waren sie ein Spiel, meistens jedenfalls.


    "Bitte? Verzeih' ich habe gerade ein bißchen vor mich hingeträumt. Hm, äh, kannst Du denn schwimmen?" Mit einen Korkschwimmgürtel um die Hüften dürfte Aurelius Ursus durch etwas an seiner angeborenen Würde verlieren ...

  • Ursus nickte. "Ja, er ist wohl aus Hispanien, da hast Du recht. Anscheinend kannst Du Dir gut vorstellen, was er für eine schlimm verschliffene Sprache hat. Aber abgesehen davon ist er ganz in Ordnung. Fleißig und zuverlässig. Ob er sich auch so nach dem Meer sehnt wie Du?" Die Freundschaft mit Cadhla trieb wirklich die eigenartigsten Blüten. Früher hätte es ihn nicht interessiert, ob ein Sklave irgendwelche Sehnsüchte hatte.


    "Du hast doch Deine Heimat sicher nicht für immer verlassen. Es wird sich bestimmt mal die Gelegenheit geben, wenigstens für einige Zeit zurückzukehren. So kannst Du mit einer solchen Aussicht hier die Ausbildung und die Förderung durch Deine Onkel genießen. Und irgendwann wirst Du Deine Freunde wiedersehen." Aber dann würde er sich verändert haben. Vielleicht zu sehr, um von seinen Freunden noch als der alte Kumpel gesehen zu werden? Achwas, bestimmt waren die Freunde von Lucanus anders als die Jungs hier in der Stadt.


    Als Lucanus von seiner Leseleidenschaft berichtete, sah er auf einmal entrückt aus. Grinsend beobachtete Ursus den vor sich hinträumenden Lucanus. Ein echter Bücherwurm, keine Frage. Ursus las ja auch gerne, doch daß er deswegen gleich ins Träumen verfiel, war ihm bisher noch nicht passiert.


    Um so mehr erstaunte ihn der plötzliche Themenwechsel. Schwimmen? Er nickte überzeugt. "Natürlich kann ich schwimmen", sagte er fest und sicher. Er ging schließlich fast täglich in die Thermen! Selbstverständlich konnte er schwimmen! Im Meer war er natürlich noch nicht geschwommen. Aber so viel anders als im Becken konnte das ja schließlich auch nicht sein. Glaubte er.

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