Atrium | Flavius Aquilius et Flavius Callistus

  • "Non facit nobilem atrium plenum fumosis imaginibus" *) heißt es zwar bei Seneca dem Jüngeren, trotzdem ließ Acanthus den Neuankömmling zur Sitzgruppe beim weitgeöffneten Schrank mit den Ahnenbildnissen der Flavier führen. Derweil machte sich ein anderer Sklave auf die Suche nach Flavius Aquilius.





    *) "Nicht ein mit russgeschwaerzten Ahnenbildern volles Atrium macht den Adligen aus"

  • "Animus facit nobilem" *) behauptete Seneca. Callistus wusste nicht warum ihm dieser dumme Satz wieder ins Gedächtniss kam, als er von dem affektierten Sklaven demonstrativ zur Sitzgruppe mit den Bildern seiner Ahnen geführt wurde. Leise pfiff er und während er es sich auf einer gepolsterten Sitzbank bequem machte, betrachtete er seine, mehr oder weniger, geliebten Vorfahren.
    Keine Bibliothek konnte einem einfachen Besucher so deutlich aufzeigen das er sich im Domizil einer altehrwürdigen Familie befand, wie es diese Gallerie vermochte. Mit der Zeit wünschte sich Callistus jedoch, das sich der Schrank mit den Ahnenbildern in ein Regal voll Schriftrollen verwandelte. Er began sich zu langweilen


    *) "Der Geist machte den Adeligen aus"

  • Ohne irgendwelche Gedanken an irgendwelche weisen Männer oder deren Aussprüche hatte ich mich ins atrium der villa begeben, denn die Nachricht, welche mir der Sklave gebracht hatte, war dann doch zu überraschend gewesen - Callistus hier? In Roma? Ich hatte meinem Jugendfreund in letzter Zeit nur sehr wenige Gedanken entgegen gebracht, auch hatten wir uns eine halbe Ewigkeit lang nicht gesehen, sodass dieses Wiedersehen für mich jedenfalls überraschend war, und zudem in Rom selbst sehr außergewöhnlich. Wenn ich an ihn dachte, dann war stets Hispania die Kulisse, nichts sonst, und unsere jugenhaften Streiche, die schon ein ganzes Leben lang zurück zu liegen schienen. Aber gleichzeitig war ich natürlich auch gespannt darauf, wie er aussehen würde, ob immernoch der Schalk aus seinen Augen blitzte, der so viele Streiche und die daraufhin folgenden Bestrafungen möglich gemacht hatte. Selbst erst vor wenigen Augenblicken vom Tempel zurückgekehrt, trug ich noch die weiße tunica, die ich stets unter der toga praetexta anhatte, und fühlte mich ein bisschen müde, aber nun gut, man musste sich solchen Dingen eben immer dann stellen, wenn sie passierten. Zufälle hatten den gewissen Nachteil, sich leider keinen passenden Termin auszusuchen.


    So betrat ich das atrium mit schnellem Schritt und blickte mich um, Callistus schließlich bei den Ahnenmasken entdeckend, die unsere eindrucksvolle Familiengeschichte normalerweise unbedeutenden Besuchern einhämmern sollte, damit sie weniger aufsässig und nervtötend waren. "Callistus! Bist Du das wirklich?" Er war inzwischen eindeutig zum Mann geworden, und zum Modegockel noch dazu, aber das täuschte nicht über die Freude hinweg, die mich bei diesem Wiedersehen bewegte. Ein Stück Heimat war nach Rom gekommen, und, was es mich anging, ein willkommenes Stück noch dazu.

  • Während ich die Anzahl der Ahnenbilder zählte um mir die Zeit ein wenig zu vertreiben (es waren verdammt viele) machte ich mir so meine Gedanken was aus meinem Jugedfreund geworden war. Ich konnte ihn mir nicht als eitlen, belesenen Mars Priester oder sich in Pose werfenden Senator vorstellen. Ob er sich wohl inzwischen einen präsentablen Bauch zugelegt hatte? Doch allein die Vorstellung fiel mir schwer. Wenn ich an ihn dachte, dann an die Momente, in denen wir heimlich eine Amphore Wein aus den Haus schmuggelten um einfache, aber bezaubernde Plebejerinnen davon zu überzeugen ihre Erziehung zu vergessen. Ich benötigte einen Moment um in dem kräftigen, aber offensichtlich abgespannten Mann seinen Aquilius zu erkennen.


    "Natürlich bin ich es" Lachte ich "Und ich musste den Drachen nichtmals erlegen um zu dir zu kommen" Augenzwinkernd begab ich mich in eine heldenhafte Pose und fragte mich ob sich Aquilius noch an den Spottnamen meiner geschätzten Mutter erinnerte. Es freute mich das er seine Figur und die Erinnerung an unsere Jungendzeit behalten hatte. "Ich habe es sogar geschafft eueren Sklaven davon zu überzeugen mich für wert genug zu befinden in diese Villa eingelassen zu werden. Selbst Odysses musste weniger Abenteuer überstehen, doch jetzt bin ich hier." Lächelnd breitete ich die Arme aus und reichte ihm meinen Rechten zum freundschaftlichen Gruß.
    "Es ist schön dich zu sehen"

  • Bei seiner Bemerkung über den Drachen - die ehrenwerte Aurelia Agrippina, seine Mutter und Hüterin der flavisch-aurelischen Tugenden, seit ich sie kannte - musste ich grinsen. Hätte auch noch irgendein Zweifel bestanden, dass ich hier meinen Freund aus Kindertagen vor mir hatte, so waren diese inzwischen längst weggewischt. "Ach, vergiss Acanthus, der würde sicherlich selbst den Kaiser erst einmal vor der Türe warten lassen, bis er sich sicher ist, dass ihn einer von uns empfängt," meinte ich schmunzelnd und ergriff seine Unterarme, wie es unter Männern üblich war, um diese mit den Händen zu drücken. "Welcher Wind hat Dich denn hierher nach Rom geweht? War es Dir in Hispania dann doch zu langweilig irgendwann? Aber Du kommst zu einer günstigen Zeit hierher, nach dem Tod des Kaisers steht die Amtseinführung des Caesars noch bevor, wenn Du also ausschweifende Feste erleben willst, so bist Du hier genau richtig." Ich blickte an seiner Erscheinung herab und musste grinsen, dann den Kopf schütteln.


    Er sah aus, als hätte er vor dem ersten Weg hierher einige Tage auf dem Markt verbracht und sich von allebn möglichen Händlern irgendwelches Zeug aufschwatzen lassen, das nach ihrer Meinung gerade modern war - und in einem halben Jahr war es dann indiskutabel veraltet und man durfte wieder einen guten Haufen Sesterzen ausgeben, um das neue moderne zu erstehen. Im Grunde waren die Händler sehr geschickt, sich so auf lange Zeit ihre Kundschaft zu sichern, aber ich hatte schon vor längerer Zeit beschlossen, niemals zu diesen Leuten zu zählen. "Wenn Du hier bleiben willst und nicht nur auf der Durchreise in sonnigere Gefilde bist, dann lass es mich gleich wissen, dann kann ich Dir auch ein cubiculum herrichten lassen, und Du fühlst Dich hier gleich ein bisschen mehr zuhause. Hispanier sind hier nicht ganz so willkommen wegen der alten Sache von Messalina ... die hängt uns immernoch mehr nach, als es sein müsste." Der Verrat dieser Unaussprechlichen würde wohl noch jahrelang auf den Schultern derer lasten, die daran nicht schuld waren, aber wann war das Leben jemals gerecht gewesen?

  • Herzlich erwiederte ich Aquilius Griff. Ich war mir unsicher gewesen ob und wie weit er sich darüber freuen würde das ich hier in Rom erschien. Obwohl Unsicherheit nicht unbedingt zu meinen Schwächen gehörte. Nicht das ich nicht genug Schwächen hätte, aber diese eben nicht. Und er erriet meine Gedanken. Zumindest Teilweise.
    "Nun, habe ich mir jemals ein großes Fest entgehen lassen?" Fragte ich ihn um im konspirativen Ton hinzuzufügen. "Vorallem habe ich mir niemals eine Gelegenheit entgehen lassen und ein neuer Kaiser bringt immer neue Möglichkeiten."


    Ich entliess den Unterarm meines Freundes aus dem herzlich gemeinten Griff und trat einen Schritt zurück. Diesmal war meine ernste Mine nicht gespielt. "Es hat mich eine Menge an Überzeugungsarbeit gekostet Tarraco verlassen zu können. Der Drache wollte mich nicht gehen lassen. Erst als ich ihr glaubhaft versichern konnte das ich nach Rom gehe um Karriere zu machen, liess sie mich gehen. Glaub mir, wenn das nichts wird, kappt sie mir die finanzielle Unterstützung schneller als ich Roma auch nur aussprechen kann." Ich setzte mich ungefragt, mir war bewusst das uns die alte Affäre nachhing, aus diesem Grund hatte ich auch das Erscheinen eines neuen Kaisers abgewartet bevor ich die Provinz verliess um nach Rom zu reisen. Trotzdem, das Aquilius dies ansprach, noch bevor er von seinen Erfolgen berichtete, deutete darauf hin das der die Lage immer noch ernster war, als ich vermutet hätte. "Messalina? Wann lässt uns das endlich los? Nun, dir zumindest scheint es nicht geschadet zu haben wie mir zu Ohren kam. Du bist Priester? Und warst sogar Magistrat?" Ich vertrieb meine trüben Gedanken und lachte. "Du ein Priester und Magistrat!"
    Ich erhob mich wieder und deutete wahllos in einer Richtung. "Wo immer dieses Cubliculum sich in diesem Palast verbirgt, wenn du eine Amphore Wein mitbringst, folge ich dir überall hin, dann musst du mir erzählen wie du so tief sinken konntest" Ich zwinkerte ihm zu.

  • Als er sich löste, machte ich eine einladende Geste zu einer der gepolsterten Sitzbänke und ging ihm voraus, um mich dann darauf niederzulassen. Tagsüber war ich genug auf den Beinen unterwegs, um mich wenigstens abends nach ein wenig Entspannung (vor allem im sitzen) zu sehnen - als Junge hätte ich mir selbst nie geglaubt, hätte ich damals schon gewusst, wieviele Stunden am Tag ein Priester teilweise stehend verbringen muss. "Wenn der neue Kaiser aus der alten Familie ist und die alte Familie ihren noch älteren Groll immernoch pflegt, werden wir wenig gewinnen und noch vorsichtiger vorgehen müssen, um nicht zu schnell zu weit nach oben zu streben," gab ich zu bedenken. Allein die schwelende Fehede zwischen den Aeliern und den Flaviern war nicht gerade hilfreich für unser aller Zukunftspläne, gerade deswegen, weil sich die Aelier sich so gekonnt an die Macht klammerten. Indes, wir konnten noch eine Menge von dieser Familie lernen - und ich war mir ziemlich sicher, dass die Flavier darin nicht zu erfolglos sein würden.


    "Du willst also Karriere machen?" grinste ich und schüttelte dann den Kopf. Genauso, wie es ihm anscheinend schwer fiel, in mir einen Priester und Magistraten zu entdecken, war es für mich nicht einfach, in meinem streichespielenden und frechen Jugendfreund einen gesetzten Politiker entdecken zu wollen. "Nun, dann solltest Du aber sehen, dass Du Dir schnell einen Posten verschaffst, der einigermaßen gut klingt und sie ein paar Jahre von Rom fernhält, denn ich glaube kaum, dass es ein allzu großes Vergnügen wäre, würde Deine Mutter beschließen, hier vorbei zu kommen, um einmal nachzusehen, was ihr Lieblingssohn so treibt." Genüsslich weidete ich mich an dem Gedanken, wie Aurelia Agrippina mit ihrem Besen die Haussklaven herumscheuchen würde, aber der nächste Gedanke - dass sie das dann auch bei uns anderen tun würde - ließ mich von dieser Vorstellung schnell abkommen. Ich klatschte in die Hände und nickte dem erscheinenden Sklaven, einem blassen Jungen, zu. "Bring uns von dem Falerner und rufe Straton, ich brauche ihn hier." Der Junge verschwand und ich sah Callistus an, einen kurzen Gedanken daran verschwendet, wie er wohl auf seine Namensvetterin, die verführerische Claudia Callista, reagiert hätte.

  • "Beim Willen der Götter, von wollen kann gar keine Rede sein" Ich schmunzelte und überlegte wie meine werte Mutter mich mit Flüchen überhäufen würde, wenn sie je erfahren würde, das ich nicht aus eigenem Antrieb Karriere machen wollte. Natürlich nur, wenn niemand anderes zugegen war, sonst würde sie mich mit einer gehobenen Augenbraue und eisigem Blick abstrafen. Was schlimmer war, konnte ich bis heute nicht mit Sicherheit sagen. "Die schiere Sorge um meine geistige Gesundheit treibt mich nach Rom" schmunzelnd fügte ich hinzu "und es ist mir bewusst das dies ein Wiederspruch in sich selbst ist." Dann schaute ich mich um und verfiel wieder in einen gedämpften Ton. Eigentlich war es traurig, das eine solch alte Geschichte das Wiedersehen zweier Freunde derart überschatten konnte. "Tragen uns die Aelier ihren unfreiwilligen Urlaub wirklich immer noch derart nach?"


    Mit leichter Verwunderung beobachtete ich Aquilius. Seit unserer Kinderzeit war er wirklich ein anderer geworden und inzwischen bezweifelte ich nicht mehr das er der Aufgabe eines Magistrats und Priesters gewachsen war. Ich fragte mich ob es an der Messalina Sache lag, das er sich einfach hatte doppelt anstrengen müssen und mehr zu leisten hatte als andere Söhne hoher Familien. Das auch mir dieses Schicksal bervorstand verdrängte ich und vergass es sofort als Aquilius das Zauberwort in den Mund nahm.


    "Falerner? Hättest du mir vorher gesagt was ihr für gute Tropfen in eurer Villa beheimatet, hätte ich nicht gewartet bis der Drache mich ziehen lässt!"

  • Ich lachte auf, das vor meinem inneren Auge aufsteigende Bild einer keifenden und schimpfenden Aurelia Agrippina war deutlich amüsanter, wenn man sie in einer anderen Provinz wusste - hätte sie sich in Rom aufgehalten, wäre ich sicherlich bedeutend öfter abends aus dem Haus gewesen. "Hätte ich Deine Mutter, wäre ich wahrscheinlich mit der legio nach Parthia geflüchtet, nicht nur nach Rom. Manchmal glaube ich, die Entscheidung, dass nur Männer Mitglieder der legio werden dürfen, ist gerade bei solchen Frauen absolut fehl am Platz. Man müsste sie nur den Parthern entgegenschicken und hätte sicherlich niemals wieder irgendein Problem mit Grenzstreitigkeiten, die Parther würden akut die Lust daran verlieren, uns zu überfallen, würde Deine Mutter ihnen erst einmal wieder einen ihrer berüchtigten Vorträge über den Sinn des Lebens halten ..."
    Nun, sie mochte auch ihre guten Seiten haben, aber ich hatte sie schon als Junge stets nur als dauernd nörgelnden Hausdrachen erlebt und wollte gar nicht wissen, wieviel an dieser Grundhaltung das Alter noch verschlimmert haben mochte. "Was die Aelier angeht - zumindest ist diese alte Sache noch nicht offen besprochen worden, aber es ist dennoch kein Grund, sie nicht im Hinterkopf zu behalten, wenn es um Politik geht. In Rom hat jeder Mensch zwei Gesichter, und man sollte niemals vergessen, dass jene, die Dich heute anlächeln, Dir morgen mit Vergnügen einen Tritt geben, wenn es ihnen nützt. Echte Freundschaft ist rar geworden."


    Die Beine gemütlich ausstreckend, lehnte ich mich zurück und betrachtete meinen Freund aus Kindertagen mit einem halb amüsierten, halb sinnierenden Lächeln. "Sagen wir, Felix hat eine gute Vorsorge für einen angemessen gefüllten Weinkeller getroffen und wir nutzen das alle im Zweifelsfall aus. Was nutzt der beste Wein, wenn man ihn nicht trinkt? Dass er keine eindeutigen Anweisungen hinterlassen hat, was die Verwendung des Weins angeht, ist ein weiterer Punkt, der nur zum Vorteil gereichen kann. Ausserdem, ein solcher Anlass gehört gefälligst auch gefeiert. Wann trifft man schon unverhofft jemanden wieder, mit dem man allen möglichen Blödsinn in der Jugend gemeinsam gemacht hat? Allerdings fürchte ich fast, Du wirst Dich hier ein wenig langweilen - den Sklaven Streiche zu spielen ist inzwischen weit weniger lustig als früher, und Meeresfrüchte hier zu klauen, hieße mit der eigenen Gesundheit zu spielen, man weiss nie, ob sie auch wirklich frisch sind." Hispanias Zeit lief anders, und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie öde und leer meine Jugend wohl hier in Rom verlaufen wäre, hätte ich hier aufwachsen müssen.

  • Ich setzte mich auf und versuchte ein konspiratives Gesicht zu machen. "Wusstest du nicht das der Kaiser meine Mutter in Hispanien hält, damit er dort weniger Legionen stationieren muss? Kein Volk dieser Welt wird es wagen die Provinz anzugreifen, solange Agrippina dort verweilt." Ich lachte aus vollem Herzen. Es tat gut nach so langer Zeit wieder das Gesicht Caius zu sehen und wie in der alten Zeit über den Drachen, den ich Mutter nannte zu lästern. "Mein Vater sollte auch bald aus Parthien heim kehren. Auch wenn er sich vermutlich noch so sehr bemüht hat, gelang es auch den Parthern nicht ihn umzubringen. Wie ich hörte, muss er wieder heldenhaft gekämpft haben. Aber niemand wäre so dumm, einen derart Suizidgefährdeten Mann auf den Posten eines Generals zu beförden. Schade eigentlich, das wäre mir für meine Karriere vieleicht dienlich."
    Ich lächelte verschmilzt und zog ein Dokument aus einer kleinen Tasche.
    "Ich habe nicht mehr vor Sklaven Streiche zu spielen, oder die Küche zu plündern" Mit einer gewichtigen Bewegung reichte ich Aquilius das Schriftstück. "Wie du siehst, bin ich seit neustem Besitzer einer Imkerei. Mein erstes eigenes Geschäft. Sie liegt nur einen halben Tag von Rom entfernt und scheint im guten Zustand zu sein. Ich hab den Laden umbenannt, in Apis Aurum, hieß bis dahin Hortalus Honig. Ich fand das nicht sehr prestigeträchtig. Der Vorherige Besitzter ist erkrankt und so konnte ich es günstig erwerben." Ich hustete und griff mir theatralisch an die Kehle. "Wo bleibt der Falerner? Ich verdurste und außerdem hast du recht, solch ein wiedersehen müssen wir begießen!"

  • .Ehrlich gesagt, konnte ich diesem Gesöff absolut nichts abgewinnen! warum es hierzulande doch in Strömen floss, war mir schleierhaft. Allerdings hatte ich, seitdem ich nun schwanger war, so mache eigentümliche Wandlung erfahren, wenn es ums essen oder trinken ging. Dinge, die ich vorher wie die Pest gehasst hatte, konnte ich nun kaum noch widerstehen und anderes wiederum, was ich vorher mochte, konnte ich nicht mal mehr riechen, ohne dass es mir dabei schlecht wurde. Wirklich eigenartig, das alles!
    Mit dem Wein konnte ich mich trotzdem nicht anfreunden. Nicht nur, weil Cungah mir davon abgeraten hatte, Wein über alle Maßen zu trinken. Nein, weil dieses Gesetz bei Wein einfach nicht zu greifen schien.
    Gleich ob ich Wein nun mochte oder nicht, hatte man mir eine Karaffe und zwei Becher in die Hand gedrückt, mit dem Hinweis, dies ins Atrium zu bringen, wo es gebraucht würde. Ich hatte nicht wirklich mitbekommen, wer im Atrium auf den Wein wartete. In letzter Zeit waren ja so einige neue Familienmitglieder angekommen oder aus dem Krieg zurückgekehrt, die ich bis dato gar nicht kannte. Dabei war es nicht immer so angenehm, deren Bekanntschaft zu machen. So war ich auch in diesem Fall lieber etwas vorsichtiger.
    Im Atrium fand ich dann schließlich Aquilius vor, der einen Besucher (oder war es schon wieder ein neues Familienmitglied, das dann auch noch länger blieb) empfing. Der Stimmung nach zu urteilen, die hier vorherrschte, war dieser Fremde eher ein Freund von Aquilius.
    Die Karaffe stellte ich auf einem Tischchen ab und reichte beiden jeweils einen gefüllten Becher mit dem gewünschten Wein.


    Der Wein, dominus!


    Eigentlich wollte ich mich gleich wieder zurückziehen, denn es nicht meine Absicht, jemanden zu stören oder zu belauschen. doch verharrte ich noch einen Moment, falls einer von beiden doch noch einen Wunsch hatte

  • Lachend, je mehr der irritierenden Bilder über die keifende Aurelia Agrippina zu mir fluteten, hob ich schließlich abwehrend die Hand - das Schlimme an der Erzählung meines Vetters war, dass ich mir sehr gut vorstellen konnte, dass sein Vater vor dem Unmut seiner Mutter gen Parthia das Weite gesucht hatte, fast jeder Mann, der noch bei klarem Verstand war, hätte das wohl mehr als freiwillig getan. Wir hatten eben beide keine allzu bequeme Jugend gehabt - Callistus bei seiner überbehütenden, stetig nörgelnden Mutter nicht und ich nicht bei meinen im Dauerstreit liegenden Eltern. Damals war mir das alles unerträglich erschienen, und heute war es leichter, die unangenehmen Erinnerungen mit einem Lachen zu garnieren, um ihnen den Stachel der Bitterkeit zu nehmen. "Der Sohn eines Mannes zu sein, der vor seinem grausamen Eheweib in die Waffen des Feindes flüchtete, und als General eine Legion mit in den Tod nahm - nein, ich glaube nicht, dass Du damit in Rom auf viele Freunde treffen wirst. Wahrscheinlich ist es besser so, wie es ist - Du kannst hier alles neu kennenlernen, Freunde wie Feinde, und der Name unserer gens öffnet Dir einige Türen, durch die Du dann selbst hindurch treten musst. Ich habe es schließlich auch nicht anders gemacht, als ich hier ankam ..." Meine Gedanken verloren sich für einige Momente in Richtung jener Türen, die vor allem zum cubiculum williger und leidenschaftlicher Damen geführt hatten, aber das war eine ganz andere Geschichte.


    Gerade, als ich ihn zu seinem neuen Geschäft beglückwünschen wollte, kam Bridhe herein, der die Schwangerschaft nicht nur ein kleines, nicht zu übersehendes Bäuchlein beschert hatte, sondern auch einen reineren Teint und vor allem eine durch die vage deutlicher gewordene Rundung ihrer Gestalt ein zumindest für meine Augen reizvolleres Aussehen. "Danke, Bridhe," sagte ich freundlich und nahm meinen Weinbecher entgegen, bevor ich eine leichte Geste in ihre Richtung machte. "Callistus, das ist meine Leibsklavin Bridhe - bald eine meiner Freigelassenen, sie ist jene, die mir meinen Tag erhellt und leichter macht. Bridhe, das ist mein Vetter Flavius Callistus, der ab sofort hier in der villa wohnen wird - Du wirst ihm in den nächsten Tagen helfen, wenn er der Hilfe bedarf, damit er sich hier auch zurechtfindet, und Du wirst seine Fragen beantworten, wenn er welche hat. Wir sind zusammen aufgewachsen und ich möchte, dass er sich hier wohl fühlt, auch wenn sich nicht eine jede Tür für einen hispanischen Flavier bereitwillig öffnen wird." Mit diesen Worten machte ich indirekt deutlich, dass sie in diesen Dingen mein Vertrauen besaß - dann klopfte ich leicht auf die Kline neben mich und bedeutete ihr, sich zu mir zu setzen. "Singe uns doch ein Lied aus Deiner Heimat, Bridhe ..."
    Zu Callistus gewandt, fügte ich an: "Sie hat eine hervorragende Singstimme, es ist kaum zu glauben, dass dies ohne eine lange Ausbildung erwachsen kann ... wie süßer Honig." Dann schmunzelte ich, den Gedanken fortführend: "Was Deine Imkerei angeht, besser hätte es sich nicht treffen können, denn ich suche einen neuen Lieferanten für meine Obstplantage - die eingelegten Früchte, die ich verkaufe sind sehr beliebt, und sie verlangen nach einem sehr guten Honig. Wenn Du also die ersten Erträge eingebracht hast, lass mich den Honig einmal kosten, dann sehen wir weiter, einverstanden?" Es war das mindeste, was ich hier tun konnte - seinem Geschäft einen guten Start zu verschaffen. Und mit einem schönen Lied würde dieser Abend auch ein wenig runder werden - so blickte ich Bridhe erwartungsvoll an und hoffte, sie würde sich nicht unter Hinweis auf irgendein dubioses Halsleiden davonmogeln.

  • Innerlich zuckte ich bei Caius Gedankenspiel zusammen. Natürlich wusste mein Gegenüber nicht das einen Wunden Punkt getroffen hatte als er Scherzeshalber meinen Vater als General bezeichnete, welcher eine Legion heldenhaft in den Tod führt. Er kam, wenn auch auf kleinerer Ebene, den Fakten sehr nahe. Aber darüber wurde außerhalb des allerengsten Familienkreises nicht geredet.


    Umsomehr begrüßte ich das Erscheinen einer gutgenährten Sklavin, vorallem da sie ein Tablett mit mehreren Bechern und einem großen Krug vor sich her trug. Auf den zweiten Blick wurde mir klar das sie nicht so gut genährt war wie ich anfangs vermutete, sie war sogar eher schlank. Ihr Körper wies Anzeichen einer Schwangerschaft auf.
    Aufmerksam verfolgte ich Aquilius Gebaren, der Sklavin gegenüber und in mir wuchs der Verdacht das mein alter Jugendfreund schon bald Vater werden würde. Seinen weiteren Worten konnte ich kaum folgen. Sicher war es nicht unnormal, das ein Herr seine Sklavin schwängerte, ich hielt jedoch nich viel davon, gelinde gesprochen.
    In meinem inneren Kalender nahm ich mir vor, in naher Zukunft ein ernstes Wörtchen mit ihm zu reden. Wenn es mir sofort auffiel, konnten es auch all die Türwächter bemerken, welche laut Aquilius nur darauf warten uns die Pforten zu verschließen. Schein ist alles, rief ich mir in Erinnerung und setzte mein strahlenstes Lächeln auf.


    "Nun Bridhe, ich freue mich schon auf deine Darbietung" Log ich schamlos und ohne Rot zu werden. Lieber hätte ich noch ein wenig mehr Zeit allein mit Caius verbracht, wir hatten zu lange nicht miteinander Reden können. Auch wenn mein Verdacht sich bestätigen würde und sie die Mutter des Kindes meines Jugendfreundes wär, hatte ich ihr damit genug Aufmerksamkeit geschenkt. "Ich danke dir lieber Caius, das du mir soviel Hilfe zuteilkommen lässt, vorallen das du mir deine..." Ich gab ihm Gelegenheit von selbst auf das Thema zu kommen. "...ich meine Bridhes Dienste anbietest." Ich hoffte das sich dieses Angebot nur auf meine Wäsche und die Sauberkeit meines Zimmers bezog. Auch wenn wir in unserer Kindheit gern geteilt hatte, dies würde dann doch eine Spur zu weit gehen. "Was dein großzügiges Angebot für meine Imkerei angeht, lass uns ein anderes Mal darüber reden, dies ist ein zu glückliches Ereigniss um es mit Geschäften zu belasten."

  • So freudig hatte ich ihn in letzter Zeit selten erlebt. Dieser Fremde, den er mir als seinen Vetter vorstellte, musste für ihn etwas ganz besonderes sein. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Es ehrte mich ja, als er mich als diejenige bezeichnete, die seinen Tag erhellte und leichter machte. Allerdings wenn ich an die letzten Wochen dachte, war ich wohl alles andere für ihn gewesen. Doch all dies schien in jenem Moment vergessen.
    Wie immer, wenn ich einem völlig Fremden gegenüberstand, war ich erst einmal furchtbar schüchtern. So nickte ich Callistus nur wortlos zu und lächelte nur ganz wage dabei.
    Ich hatte ja schon gehofft, bald wieder den Rückzug antreten zu können, doch daraus wurde nichts. Ich nahm schließlich auf der Kline platz und wunderte mich erst noch, was ich denn hier sollte. Doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Singen ? Ich? Hier? Blankes Entsetzen stand in meinem Gesicht. Aquilius wusste doch genau, wie ungern ich vor Fremden sang. Zum Gluck musste ich nicht das nötige Geld für meine Freilassung durch Singen verdienen, so wie ich es anfänglich ja vorgehabt hatte. So hätte ich sicher bis zum jüngsten Tag auf die Freiheit warten müssen.
    Noch irritierter musste ich dann wohl ausgesehen haben, als der Fremde dann auch noch meinte, er würde sich sehr über meine Darbietung freuen. Worauf Aquilius , um das Faß zum überlaufen zu bringen, auch noch meine Singstimme lobte. Jetzt saß ich in der Falle und nichts, aber auch rein gar nichts konnte mich jetzt noch retten. Ich konnte mich nicht aus dem Staub machen! Damit hätte ich Aquilius sicher auf ganzer Linie plamiert.
    Ich dachte kurz nach, welches Lied ich den vortragen sollte, aber mir wollte einfach nichts einfallen. Irgendein Lied, gleich welches, das musstemir doch einfallen. Mir fiel dann auch etwas ein.
    Ich räusperte mich kurz und wollte schon anfangen, doch es kam nichts! KeinTon, keine Silbe, nichts! Mir wurde heiß und kalt und das zur gleichen Zeit.
    Ich versuchte es noch mal und dann...ganz leise und zaghaft....so schüchtern wie es nur kleine Mädchen waren, kamen die ersten Silben und Töne aus meinem Mund.


    Tá gealach na gconnlach ag éirí sa spéir

  • Glücklicherweise war es heute wohl keine Frau, mit der Straton es zu tun bekommen würde, sondern ein Mann. Die letzten Eskapaden seines Herrn hatten den Achaier fast in den Wahnsinn getrieben, und er war nicht unglücklich darüber gewesen, sich eine Weile nur mit den Finanzen und sonstigen verwalterischen Tätigkeiten im Haushalt seines Herrn beschäftigen zu müssen. Wenn man allein an jene unmöglichen Weiber dachte, die sich bei den Compitalia wie Hennen auf das Korn gestürzt hatten, als er ihnen in Aquilius' Auftrag Süßigkeiten und Naschwerk hatte bringen müssen. Das nächste Mal würde er sich um so einen Auftrag drücken, soviel war sicher. Nahezu lautlos schritt der vilicus in Richtung des atriums der villa Flavia, um dort an einem der Zugänge stehen zu bleiben, abwartend, dass man ihn bemerken würde - aber da Bridhe gerade zu singen begonnen hatte, würde es wohl noch eine Weile dauern, so blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Gesang zu lauschen. Sie hatte eine gute Stimme, und es war neben der Tatsache, wie hervorragend sie sich doch zumeist selbst bemitleiden konnte, eines ihrer herausragenden Talente - der naturgegebene Zynismus des Achaiers war gerade in den letzten Wochen wieder hervorgebrochen und trieb einem Unkraut gleich neue Blüten.

  • Zur Überwindung von Schüchternheit gab es nur einen einzigen wirklich passenden und plausiblen Weg - man musste sich daran gewöhnen, vor Fremden zu sprechen, zu singen, überhaupt ein bisschen aus dem persönlichen Schneckenhaus herauskommen, und genau dazu hatte ich Bridhe nun gezwungen. Nett war das sicher nicht gewesen, aber mit nett kam man bei den meisten Menschen nur sehr bedingt weiter - und würde sie weiterhin damit fortfahren können, sich zu verkriechen, würde aus einer sehr hübschen und netten Frau irgendwann eine sauertöpfische alte Jungfer werden, was ich nicht unbedingt erreichen wollte.


    So lehnte ich mich lächelnd zurück, spielte den wohlwollenden, vom Gesang seiner Sklavin begeisterten Herrn weiter und nickte zufrieden, als sie mit ihrem Vortrag begann - ein bisschen aufmunternd, ein bisschen antreibend, wie dies Eltern mit ihren Kindern auch zu tun pflegten, wenn diese ihr erstes selbstgeschriebenes Gedicht deklamierten. Genau so hatte es meine Mutter mit mir auch gemacht, und es hatte mich immerhin bis auf die rostra des forum romanum geführt. Zudem, ich war nicht einmal ausgebuht worden. Als ich Straton bemerkte, bedeutete ich ihm, näher zu kommen, und sah dann wieder zu Bridhe, abwartend, im gewissen Sinne auch hoffnungsvoll, dass sie ihre anfängliche Nervosität überwinden würde und sich ganz der Musik überließe. Spätestens dann sollte es alles klappen. Sie konnte schließlich singen, sie musste nur den inneren Schweinehund zu überwinden lernen - und spätestens, wenn sie für einen gelungenen Vortrag Beifall erhalten würde, würde es ihr ein wenig leichter fallen, bis sie sich irgendwann gar keine Sorgen mehr machen würde, was ihren Gesang betraf. Soviel zur Idealvorstellung. Callistus jedenfalls schien ihrem Vortrag ebenso freudig entgegen zu sehen, der erste Schritt war also getan.

  • Mühsam hatte ich mich über die erste Liedzeile hinweg gequält und mühsam würde ich mich auch zur zweiten hinquälen. Die beiden Männer schienen kein Mitleid mit mir haben zu wollen, denn keiner von beiden unterbrach mich. Stattdessen munterte mich Aquilius auch noch auf. So sang ich weiter und versuchte, alles was um mich herum war, zu vergessen.


    'S grian bhuí an Fhómhair ag tomadh sa weir
    Tá na beachógaí 'dranndián sa tsean duilliúr donn
    Tá Gaoth Barra na g'Coillte, Gaoth Barra na d'Tonn


    Nach der ersten Strophe, war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich fast schon geglaubt hatte, sicherer zu sein. An dem es mir fast schon leicht fiel. Ich mußte einfach nur meine Umgebung ignorieren und mich mit Hilfe meiner Vorstellungskraft an einen anderen Ort denken. Ich war wieder zu Hause und ich sang für meinen Vater und meine Geschwister. An so manchen langen Winterabenden hatte man sich damit die Zeit vertrieben.
    Doch all meine Vorstellungskraft ließ nach, als plötzlich Straton, aus dem Nichts kommend, neben Aquilius trat. Womit hatte ich das nur wieder verdient? Warum auch noch Straton? Eigentlich hatte ich ja nichts gegen ihn aber dass ich eine seiner großen Bewunderer war, traf auch nicht zu. Mich schreckte stets seine gefühlskalte Art ab und sein Zynismus kannte an manchen Tagen keine Grenzen. Zum Glück war er nicht einer jener Sklaven, die nichts besseres zu tun hatten, als die neuesten Neuigkeiten unters Volk zu bringen.
    Mein letztes Mittel, um dieses Lied auf eine einigermaßen anständige Art zu Ende zu bringen war, die Augen zu schließen und weiter zu singen.


    Tá na ba óga geimní 'nuas mhallí chró lí?
    Sna caoirigh ag meidhlí le druidim na hoich'
    Tá geal gháir na sruthan fán screagach anonn
    Tá Gaoth Barra na g'Coillte, Gaoth Barra na d'Tonn

    Ina sruth uisce cheolmhar tá na bradáin a'sceith
    'S thart fa na himill tá an fhuiseog a breith
    Tig na héanlaith na scaoth ann an druideog san lon
    Mar tá dideán gan doicheall fá Gaoth Barra na d'Tonn


    Nur so brachte ich es fertig, das Lied zu Ende zu singen. Dann war es, als wollte ein kleines Gebirge von mir abfallen.



    Sim-Off:

    Gaoth Barra Na dTonn ist ein traditionelles Lied und wurde von Clannad interpretiert. Zu hören auf An Díolaim

  • Warum jetzt auch noch die Gesangsdarbietung? Ich war müde von der Reise, hatte 1000 Dinge im Kopf und einen Besuch bei der Familie meiner Mutter vor mir. Ich tröstete mich mit dem Gedanken das Caius es nur gut meinte und beschloss nicht zu kritisch zu urteilen. Immerhin hatte die Sklavin wirklich eine schöne Stimme, auch wenn die Töne nur zaghaft und scheu über ihre Lippen kamen. So scheu kann sie garnicht sein, wenn sie unverheiratet ein Kind unter ihrem Herzen trägt, schoss es mir durch den Kopf. Doch als ein weiterer Sklave das Atrium betrat schien Bridhe gefühlvoller zu singen. War das Kind vieleicht doch von ihm? Sie schien es kaum zu wagen ihn anzusehen. Die Sklavin schloss die Augen und kurze Zeit später tat ich es ihr gleich. Ich verstand die Sprache nicht, aber die fremdartige Melodie zog mich in ihren Bann, entsprach die Tonfolge zwar nicht dem gewohnten, entführte sie mich jedoch in ein Land das ich selbst niemals gesehen hatte und mir doch zu sehen wünschte. Das Lied verklang, einen Augenblick hallten die Töne im Atrium nach dann öffnete ich die Augen.


    "Du hast mir nicht zuviel versprochen Caius, sie hat wirklich eine sehr schöne Stimme, auch wenn ich kein Wort verstanden habe, worum geht es in diesem Lied?" Ich schenkte Bridhe ein Lächeln und mir noch etwas Wein nach. Wobei ich beim letzteren peinlichst genau darauf achtete ihn nicht mit Wasser zu verdünnen.

  • Kurz glitt mein Blick zu Straton, denn als er eintritt, schien mir Bridhe ein wenig steifer zu sitzen als zuvor. Wahrscheinlich hatten sie gestritten, das kam in einem Haushalt wie dem unseren schließlich dauernd einmal vor, wenn man bedachte, dass er als mein vilicus letztendlich dafür zuständig war, sie zur Arbeit anzutreiben. Wem gefiel das schon? Aber es war für mich in diesem Augenblick nicht bedeutsam, denn ich ließ mich im Klang von Bridhes Stimme etwas treiben. Sie hatte wirklich Talent, und wenn ich sie erst freigelassen hatte, würde ich versuchen, ihr diesen Weg zu öffnen, damit sie selbständig ihren Unterhalt verdienen konnte. Nichts ließ einen Menschen schneller trübsinnig werden als zuviel Muße, selbst wenn diese Muße bedeutete, Hausarbeit abzuleisten, denn es hatte für einen kreativen Geist und ein künstlerisches Herz nichts mit der Erschaffung von Schönem zu tun. Selbst Callistus schien von ihrem Gesang gefangen zu sein und tat ihr das auch gleich mit eigenen Worten kund - besser hätte es nicht laufen können, und so wartete ich ab, bis sie seine Frage beantwortet hatte, sodass ich meine Anweisungen treffen konnte.


    "Danke für Dein Lied, Bridhe ... es war wirklich schön, wie stets, wenn Du von Deiner Heimat singst. Du kannst nun gehen ... Straton? Richte für meinen Vetter ein cubiculum her, er wird eine Weile in der Stadt bleiben, und lass mir dann Bescheid geben, wenn es fertig ist." Ein bisschen abgespannt sah Callistus aus und wahrscheinlich war er den ganzen Tag unterwegs gewesen - Zeit, dass er sich einmal entspannen können sollte. Es würden uns schließlich noch genug Tage in der Zukunft bleiben, in denen wir unsere alte Freundschaft würden erneuern können.

  • Endlich war diese Tortur vorrüber. Ich hoffte es zumindest. Nicht dass Aquilius noch auf den Gedanken kam, mir ein weiteres Lied aufs Auge zu drücken.
    Wider Erwarten, hatte es dem Fremden gefallen, was ich gesungen hatte, obwohl, wie er dann auch gleich treffend bemerkte, kein Wort verstanden hatte. Wie hätte er auch sollen? So war es dann auch verständlich, als er sich nach dem Inhalt des Liedes erkundigte.
    Ich überlegte, wie man kurz und bündig umschreiben konnte, worum es ging. Eigenlich hatte das Lied nur eine einzige Botschaft, nämlich das Leben in all seinem Facettenreichtum. Das Lied schilderte in bunten Bildern, wie die Natur sich im Laufe des Jahres veränderte um dann wieder von vorne zu beginnen.


    Es ist ein Lied über den Wind, der über die Wälder und die Wellen des Meeres bläßt. Es geht darum, wie die Bienen im Herbst an den letzten sonnigen Tagen die braungewordenen Bältter umschwirren, wie im Winter die die ersten Kälber geboren werden und wie alles, selbst der Lachs in den Flüssen und die Vögel des Waldes einen neuen Sommer erwarten.
    Eigentlich ist es ein Lied über den ewigen Kreislauf des Lebens, in dem nichts endet, ohne wieder neu zu entstehen.


    Wie zu erwarten, konnte ich mich meiner Schüchternheit nicht sofort entledigen. Aber die Tatsache, das der Mann gefallen an meinem Lied gefunden hatte, bachte mich sogar dazu, zu lächeln.
    Trotzallem war ich aber dann doch erleichtert, als ich schließlich gehen durfte, was ich dann auch unverzüglich tat.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!