Herberge "Zum fröhlichen Flottensoldaten"

  • Menecrates schaukelte den Wein in seinem Becher hin und her, so als wolle er schauen, ob sich Satz gebildet hatte. Gleichzeitig nahm er die Duftnote auf.


    "Im Groben bin ich mit dem Besuch heute zufrieden. Mir war vorher klar, dass ich nicht direkt zum Kaiser gelangen würde, denn es ist allgemein bekannt, dass er sehr erkrankt ist. Von der Unterhaltung selbst habe ich dir ja bereits auf dem Herweg berichtet. Man muss bestimmt auftreten und gleichzeitig angemessen höflich sein. Ein Claudier sollte immer im Kopf behalten, dass seine Vorfahren selbst einmal Kaiser waren, ohne dass ihm dieses Wissen jedoch zu sehr zu Kopf steigt. Und ich persönlich habe den Vorteil, einmal engster Berater des jetzigen Kaisers gewesen zu sein - ich war in der Legion, als er Legatus Legionis war, sein Adjutant."


    Er setzte den Becher an die Lippen und kostete vorsichtig.


    "Nun ja, besser als ich dachte." Allerdings weit entfernt von dem, was der Claudier sonst trank.


    "Wir sollten überlegen, was wir morgen unternehmen wollen. Ich habe zwar ein bisschen Arbeit mitgenommen, aber gleichzeitig können wir die Wartezeit für die Erholung oder anderweitig nutzen."

  • Flavus lauschte den Worten seines Vaters. Dies waren jedoch Worte, die jeder Claudier von kindesbeinen an zu hören bekommt. Daher nimmt er diese Worte ernst, er ist ein Claudier und dadurch geprägt.


    Er kostet kurz den Wein... und dann fällt ihm etwas ein...


    "Vater ich soll dir das von Romana geben!"


    ...er holt eine Wachstafel hervor und reicht sie weiter...



    Lieber Vater,
    ich habe von Marcus gehört, dass du nach Misenum zum Kaiser gehst. Ich wünsche dir viel Glück, habe aber eine große Bitte an dich! Der Mann meiner guten Freundin, Germanica Calvena, er heißt L Quintilius Valerian, ein Centurio, wurde von Vescularius von den Prätorianern zur Legio in Mogontiacum versetzt. Ich bin mir sicher, dies war so, weil Quintilius Vescularius zurechtgewiesen hatte, als der Praefectus Urbi versucht hatte, die Zeremonie seiner Hochzeit zu stören, und sich Vescularius dann beleidigt gefühlt hat. Als ich mich bei Vescularius darüber beschwert habe, hat er mich verhöhnt und schließlich rausgeworfen. Ich hoffe, du siehst den Ernst der Lage – heute versetzt Vescularius vielleicht noch willkürlich Plebejer, morgen aber vielleicht schon patrizische Senatoren wie dich, weil er denkt, er kann sich alles erlauben! Bitte, Vater, sprich mit dem Kaiser darüber, und versuche, Quintilius und seine Frau zurückzuholen! Ich habe dem Kaiser schon einen langen Brief über diese Angelegenheit geschrieben, aber dieser blieb unbeantwortet.
    Alles Liebe,
    Romana

  • Mit einer Nachricht von Romana hätte Menecrates im Augenblick zuletzt gerechnet. Er hob die Brauen und nahm mit gewisser Neugier die Wachstafel entgegen. Zunächst überflog er die Zeilen, um auszuschließen, dass es sich um eine bestürzende Nachricht handelte. Dann las er erneut und diesmal langsamer.


    "Hmmm", brummte er, bevor er die Tafel sinken ließ. Er blickte Marcus an, schließlich fragte er: "Kennst du den Inhalt ihres Anliegens? Hat sie mit dir darüber gesprochen?"

  • "Ja, sie hat mit mir gesprochen. Ich kenne allerdings weder die Personen noch den genauen Ablauf. Vielleicht tat ich es verfrüht als bedeutungslos an, ich sagte ihr, dass du wohl wegen einer solchen Angelegenheit nicht mit dem Kaiser reden würdest. Aber es klingt doch ziemlich dramatisch. Ich versprach Romana dir zumindest die Tafel zu geben. Was gedenkst du zu tun?"


    Er verfiel auch in Gedanken und überlegte hin und her, shließlich setze er gedankenverloren den Wein an die Lippen und trank...

  • Menecrates nickte zufrieden. Er hatte testen wollen, wie sein Sohn die Situation bewertete, um ihm anschließend seine Auffassung mitzuteilen und zu begründen. Ziel war es gewesen, Flavus selbstständige Entscheidungsfindungen trainieren zu lassen, ihn aktiv und nicht nur passiv dazulernen zu lassen und die eigene sowie die Meinung anderer zu hinterfragen.


    "Du siehst das vollkommen richtig. Keiner der Genannten ist mein Klient, Romana ist nur mittelbar betroffen und darüber hinaus gibt es etwas, was ich wirklich verabscheue: Das sind Familiengeschichten von Nachbarn, Kameraden oder gar noch weiter entfernt Bekannten. Ein Soldat hat zudem kein Anrecht auf einen bestimmten Standort, er weiß bei Dienstantritt, dass er willkürlich versetzt werden kann. Die Gründe für eine Versetzung spielen dabei keine Rolle, die Disziplin erfordert uneingeschränkte Akzeptanz. Romana spekuliert im Übrigen über die Gründe…" Menecrates holte Luft. "So wenig Umsicht hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Sie ist offensichtlich emotional betroffen. Ich halte ihre Einmischung für falsch, gleichzeitig missfällt mir, wie sie behandelt wurde."


    Nach einigen Atemzügen fügte er noch an: "Dass freilich der Praefectus Urbi generell agiert wie ein Elefant im Porzellanladen, ist mir nicht entgangen. Ich muss dennoch abwarten, in welcher Weise dieser Besuch in Misenum seine Fortsetzung nimmt, und dann schauen, ob etwas geht."


    Er legte die Wachstafel auf eine Kommode, trat zum Fenster und blickte hinaus.

  • Flavus hatte das also richtig eingeschätzt und zermaterte seinen Kopf, dann sagte er zu seinem Vater...


    "Ich verstehe dich und würde das auch nicht dem Kaiser sagen, nicht jetzt. Das ist eine persönliche Angelegenheit. Natürlich ist es eine ungerechte Behandlung, er ist Soldat und hat zu tun was man von ihm verlangt. Auf der anderen Seite ist der Praefectus Urbi durch diese Sache angreifbar."


    Es war bestimmt nicht leicht für seinen Vater eine Entscheidung zu treffen.


    "Wie wirst du weiter vorgehen? Kann ich irgendetwas tun?"

  • Menecrates schüttelte den Kopf, während er sich wieder zu Flavus drehte.


    "Marcus, dadurch ist der Praefectus Urbi nicht angreifbar. Es liegt in seinem Ermessensspielraum, Versetzungen vorzunehmen. Und er kann auch so ziemlich jeden aus seinem Officium schmeißen. Die Frage ist nur, ob das alles klug ist, was er macht."


    Menecrates ließ sich auf eine Kline fallen und machte es sich bequem.


    "Zu tun gibt es momentan nichts, und ob später, wird erst der neue Termin in der Villa zeigen. Lass uns etwas essen und dann zu Bett gehen. Der Tag war doch recht anstrengend gewesen."

  • Wieder überlegte Flavus kurz und stellte fest, dass sein Vater natürlich recht hatte, dennoch wäre der Praefectus Urbi angreifbar, wenn sich eine Verbindung zwischen diesem Vorfall auf der Hochzeit und der Versetzung aufzeigen würde.


    "Ich lasse uns was zu essen bringen, du hast recht, langsam neigt sich der Tag zu Ende und was morgen kommt, wir wissen es nicht!"


    Flavus verlies das Zimmer, kehrte alsbald mit dem Wirt zurück der einige Speisen auftrug.

  • Menecrates ließ sich vom Wirt einen Teller reichen und aß, ohne jedoch zu realisieren, was er kaute. Stattdessen grübelte er. Endlich atmete er hörbar durch und wandte sich Flavus zu.


    "Warst du nicht kurz vor unserer Abreise zu Besuch bei Tiberius? Ich meine, du hättest bei der Übergabe der Hengste seine Einladung angenommen."


    Er schaute interessiert zu seinem Sohn.

  • Flavus kaute und schluckte dann...


    "Ja, ich war bei dem Dolabella und habe mich entschlossen der Purpurea beizutreten. Ich denke ich kann dort Kontakte knüpfen. Außerdem hat mich dieses Treffen dazu bewegt mehr über Pferde zu lernen. Es sind edle Tiere und der Ruhm der wartet ist verführerisch. Arbeitest du nur mit der Purpurea zusammen?"


    Wider nahm er sich etwas zu essen und schaute aus dem Fenster...

  • "Ja, Pferde sind edle Tiere", bestätigte Menecrates. "Aber von welchem Ruhm sprichst du? Von dem des Pferdezüchters, des Gespannbesitzers oder dem, der die Quadriga lenkt?"
    Er kostete vom Geflügelschenkel, bevor er weitersprach. "Du irrst, wenn du annimmst, ich arbeite mit der Purpurea zusammen. Ich verkaufe an jede Factio, an Privatpersonen und sogar an den Kaiser. Und wenn ich dir einen Tipp geben darf: Kontakte kannst du vor allem bei den Pferderennen knüpfen. Da du aber schon einmal der Factio beigetreten bist, dann schaffe dir dort Verbündete, die dich späterhin mit ihren Wahlstimmen unterstützen."

  • "Jeder Ruhm schmeckt süß und zur Factio zu gehören, die diesen Ruhm erlangen kann ist etwas schönes. Außerdem ist es mein Ziel Wählerstimmen, die den Claudiern dienen hinter ir zu vereinigen, keine Frage. Würde ich das nicht wollen, dann würde ich dies nicht tun müssen."


    Er nahm sich etwas von dem köstlichen Nachwerk und kaute, schluckte...

  • Nach einigen Tagen Aufenthalt in Misenum reiste Menecrates kurzzeitig nach Rom, um dort liegengebliebene Dinge zu erledigen und nach dem Rechten zu sehen. Am nächsten Tag war er wieder zurück. Seine Nachfragen und -forschungen ergaben keinerlei Hinweis auf eine Nachricht aus der kaiserlichen Villa, und so stellte sich der Claudier auf eine weitere Zeit des Wartens ein.

  • "Das liegt daran, dass der Kaiser hier zur Genesung weilt", antwortete Menecrates. "Wäre er gesund, würde er im Palast in Rom leben und dementsprechend ansprechbar sein. Er würde regieren im wahrsten Sinne des Wortes und sich nicht durch den Praefectus Urbi vertreten lassen. Ich denke, wären wir nicht Claudier, würden wir längst nicht mehr warten dürfen. Dann hätte man uns sofort abgewiesen."


    Menecrates grübelte. "Es ist sehr schade, dass der Kaiser kaum noch Audienzen zulässt. Aber gut, wir können das nicht ändern.
    Vielleicht sollten wir den nächsten Tag planen. Wie wäre es mit einem Besuch auf dem angekündigten Stadtfest?"


  • Flavus hörte die Worte und verstand.


    "Aber gerne doch, wir könnten uns dort etwas die Beine vertreten und würden mal etwas anderes sehen, als nur diese Herberge."


    Eine Frage lag ihm denoch auf dem Herzen...


    "Ist der Kaiser schwer erkrankt?"

  • "Schwer muss es wohl sein", antwortete Menecrates. "Aber ich weiß nicht genau, was er hat. Als ich ihm das letzte Mal auf dem Conventus in Rom begegnet bin, wirkte er matt, geistesabwesend und blass. Er schien mir zudem in der Erinnerung gelitten zu haben."


    Er blickte aus dem Fenster und erinnerte sich an früher. "Damals, in der Legion, war Valerianus auch schon leicht beeinflussbar. Ich gebe zu, ich habe das auch für mich nutzen können. Mein Herzblut hing an der Prima und Valerianus wollte ebenfalls das Beste für die Legion. Wir sind aneinander gewachsen, jeder hatte Vorteile. Jetzt allerdings scheint es mir, als würde seine Schwäche mitunter ausgenutzt werden."


    Er blickte zu Flavus.
    "Junge, mach dir von allem selbst ein Bild. Menschen schwätzen viel, wenn der Tag lang ist, von dem man nie weiß, was wirklich stimmt." Er blickte wieder zum Fenster. Seine Miene verriet, dass er nicht mehr preisgeben würde.

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