Die grauen Wolken der vorigen beiden Tage hatte sich verzogen, bedeckten nicht mehr den Himmel und schwebten auch nicht mehr erdrückend über der ewigen Stadt, dem pulsierenden Herzen des Imperiums. An diesem Tag strahlte die Sonne vom blauen Himmel, vertrieb die letzten Wolken, die immer wieder in den letzten Tagen den Regen auf die Stadt praßeln ließen, und weckte die Lebensgeister von Mensch und Tier. An vielen Stellen erstrahlten die Blüten des Frühlings, die nur durch den kurzen Regen triste gewirkt hatten. Und auch Marcus' Kräfte und seine Lebenslust waren zurück gekehrt, nun, wo er doch einige Zeit in dem Haus seiner Familie wohnen und sich dort erholen konnte, von den Strapazen eines langen Krieges, aber auch von den Verwundungen, die er erlitten hatte.
Es waren schon einige Tage ins Land gezogen, seitdem er aus Ravenna nach Rom gekommen war; an diesem heutigen Tage hatte es Marcus an die frische Luft gezogen, und da er es immer noch als sehr anstrengend empfand, mit den Krücken zu laufen, hatte er sich nur in den kleinen Garten gesetzt, der von dem Säulengang umgeben wurde. Eine Kline war heraus getragen worden, ein Tisch dazu und beides neben den kleinen Brunnen in der Mitte gestellt, der von einer griechischen Nymphe bewohnt wurde, aus deren steinernen Amphore munter das Wasser plätscherte. Ein Kirschbaum, klein und in Form gestutzt, blühte hell und weiß neben ihm, zahlreiche andere Blumen – deren Namen Marcus auch nicht kannte! - taten es dem Baum gleich. Und so saß Marcus auf der Kline unter sonnigem Himmel, ließ sich den warmen Schein in das Gesicht strahlen und fühlte sich bereits viel lebendiger als noch vor ein paar Tagen.
Und dem war auch der ganze Tag gewidmet, denn Marcus hatte fest vor, nur das zu tun, was ihm Genuß und Freude brachte, alles lästige würde er von sich schieben, alles ärgerliche weit von sich weisen und rein dem Vergnügen folgen. Pflicht und Dienst, Ehre und Rum, Tod und Verderben, all das sollte für diesen Tag und auch die nächste Zeit vergeßen sein. Darum lag Marcus nun gemütlich auf der Kline mit den dicken Polstern und dem dunkelblauen Überzug, sein verletztes Bein lag oben, gestützt von seinem Gesunden. Weder Rüstung trug er, noch eine lästige toga, sondern einfach eine rostrote tunica, die am Rand einen einfachen Goldsaum aufwies. Der tonsor hatte ihn vor einer Stunde auch wieder zu einem ordentlichen Menschen gemacht, sein Kinn war nun wieder schön glatt rasiert und seine Haare höchst römisch geschnitten. Dennoch bedauerte Marcus es noch, daß er heute nicht hatte die Thermen aufsuchen können, aber mit seinem Bein würde er noch einige Zeit lang nicht solche Bäder besuchen können; mußten eben die Vergnüglichkeiten zu ihm kommen.
Den Anfang machten kulinarische Delikatessen und hervorragende Weine aus Italien und Hispania – Marcus hatte fest vor, den ganzen lieben langen Tag lang zu schlemmen und zu trinken, und noch ein paar andere Unterhaltungsmöglichkeiten ins Haus zu holen, Hannibal – sein Leibsklave – war bereits ausgeschickt worden dafür, selbst wenn dieser wieder mal mit den Augen gerollt hatte.
Neun Becher aus Silber waren vor Marcus nun aufgereiht und in jedem glänzte ein roter Wein, in ihren Nuancen und Schattierungen der Farbe deutlich unterscheidbar, manche waren hell, andere von einem tiefen Rubinrot, die dem Blute nicht unähnlich waren. Dahinter standen schon eine Platten, auf der ein gefüllter Euter eines Schweines lag, daß noch nicht geworfen hatte, die saftige Leber eines Ebers, der viele Tage lang mit Trüffeln gefüttert wurde und so lange mit Honig vollgestopft, bis er daran gestorben war; zudem fand sich auf einer anderen Platte ein gebratener Siebenschläfer mit einer Koriandersauce bestrichen und im Tontopf gebacken, an dem deftig mit Knoblauch gewürzten Zicklein durfte es auch nicht fehlen, dazu Oliven, Käse, Brot, sprich, der Tisch war voll mit Speisen, die warm dampften und herrlich dufteten. Für eine gute cena würden die Speisen reichen, doch es war gerade mal Mittag und es war kein Gast weit und breit zu sehen. Marcus beugte sich vor und griff nach der Leber, um das zarte Fleisch im Mund verschwinden zu laßen. Ein genußvoller Laut entfleuchte ihm als er die Delikatesse – schier unerschwinglich für einen normal verdienenden Römer – sich munden ließ.
Noch kauend griff er nach dem ersten Pokal, roch an dem Wein und trank von ihm, dabei schloß er die Augen und ließ den Wein in seinem Mund hin und her wandern, sog die Luft durch seine Nase, um das Aroma des Weines in seiner ganzen Mundhöhle auszubreiten und jede Facette zu erkosten. Er lächelte, ließ sich einen Pokal mit Wasser reichen, nahm etwas Wasser in seinen Mund, spülte ihn über seine Zunge und spuckte ihn in eine Schüssel aus – schließlich trank Marcus kein Wasser, das war doch ganz und gar ungesund, wußte doch jeder! - dann nahm er den zweiten Pokal und vollführte dasselbe Ritual, ebenso mit all den anderen Bechern.
„Hm! Schwierig!“
, murmelte Marcus.
„Der vom Fuße des Vesuvs schmeckt sehr scharf mit einer Nuance von wildem Wachholder und dem Nußholz, in dem er wohl gelagert wird. Das Nußholz dringt zu sehr durch...“
Marcus schüttelte den Kopf, der Sklave stellte schon mal eine der Weinamphoren, die aus dem Weinkeller der Flavier stammten, zur Seite.
„Der aus Hispania...ist der von unserer Familie? Ja?...naja, wer keltert den denn? Du weißt es nicht?...Naja, egal...der ist zu jung...zu unreif...“
Derart kritisch musterte Marcus noch zwei weitere Weine aus, dann blieben noch fünf übrig. Marcus sah nachdenklich auf die Pokale, dann hob er den Kopf. Es würde schwierig werden, den Königswein für den Tag zu bestimmen. Er musterte den Sklaven, nein, der war zu sehr ein Banause, das sah man ihm schon an, dann traf Marcus' Blick eine junge Frau, die er zwischen den Säulen ausmachen konnte, wie lange sie schon da war, wußte er freilich nicht, aber er hob die Hand und winkte sie heran, sie dabei prüfend musternd, denn wer die Frau war, das vermochte er nicht zu sagen, nur, daß sie keine römische Dame war, auf jeden Fall keine römisch Patrizierin, die selbst in der villa auf gewiße Äußerlichkeiten was Kleidung und Schmuck niemals zu verzichten schienen. Hübsch war die junge Frau, aber reichlich blaß, wie die meisten Frauen für Marcus' Geschmack.
„Venustas, komm' näher!“
Marcus hoffte, jetzt nicht doch eine Römerin so dreist zu sich gewunken zu haben, aber er hatte nicht davon gehört, daß eine Solche sich in der villa aufhielt.
„Koste mal den Wein! Alle fünf Pokale und sage mir, welchen Du am Besten findest!“
Marcus deutete einladend auf die fünf Becher, die in seiner Nähe standen und noch nicht von dem Sklaven entsorgt worden waren.
SimOff:
- die junge Frau weiß Bescheid -