La Dolce Vita oder: Die süßen Laster eines römischen Patriziers oder: Ein schöner Tag?

  • Die grauen Wolken der vorigen beiden Tage hatte sich verzogen, bedeckten nicht mehr den Himmel und schwebten auch nicht mehr erdrückend über der ewigen Stadt, dem pulsierenden Herzen des Imperiums. An diesem Tag strahlte die Sonne vom blauen Himmel, vertrieb die letzten Wolken, die immer wieder in den letzten Tagen den Regen auf die Stadt praßeln ließen, und weckte die Lebensgeister von Mensch und Tier. An vielen Stellen erstrahlten die Blüten des Frühlings, die nur durch den kurzen Regen triste gewirkt hatten. Und auch Marcus' Kräfte und seine Lebenslust waren zurück gekehrt, nun, wo er doch einige Zeit in dem Haus seiner Familie wohnen und sich dort erholen konnte, von den Strapazen eines langen Krieges, aber auch von den Verwundungen, die er erlitten hatte.


    Es waren schon einige Tage ins Land gezogen, seitdem er aus Ravenna nach Rom gekommen war; an diesem heutigen Tage hatte es Marcus an die frische Luft gezogen, und da er es immer noch als sehr anstrengend empfand, mit den Krücken zu laufen, hatte er sich nur in den kleinen Garten gesetzt, der von dem Säulengang umgeben wurde. Eine Kline war heraus getragen worden, ein Tisch dazu und beides neben den kleinen Brunnen in der Mitte gestellt, der von einer griechischen Nymphe bewohnt wurde, aus deren steinernen Amphore munter das Wasser plätscherte. Ein Kirschbaum, klein und in Form gestutzt, blühte hell und weiß neben ihm, zahlreiche andere Blumen – deren Namen Marcus auch nicht kannte! - taten es dem Baum gleich. Und so saß Marcus auf der Kline unter sonnigem Himmel, ließ sich den warmen Schein in das Gesicht strahlen und fühlte sich bereits viel lebendiger als noch vor ein paar Tagen.


    Und dem war auch der ganze Tag gewidmet, denn Marcus hatte fest vor, nur das zu tun, was ihm Genuß und Freude brachte, alles lästige würde er von sich schieben, alles ärgerliche weit von sich weisen und rein dem Vergnügen folgen. Pflicht und Dienst, Ehre und Rum, Tod und Verderben, all das sollte für diesen Tag und auch die nächste Zeit vergeßen sein. Darum lag Marcus nun gemütlich auf der Kline mit den dicken Polstern und dem dunkelblauen Überzug, sein verletztes Bein lag oben, gestützt von seinem Gesunden. Weder Rüstung trug er, noch eine lästige toga, sondern einfach eine rostrote tunica, die am Rand einen einfachen Goldsaum aufwies. Der tonsor hatte ihn vor einer Stunde auch wieder zu einem ordentlichen Menschen gemacht, sein Kinn war nun wieder schön glatt rasiert und seine Haare höchst römisch geschnitten. Dennoch bedauerte Marcus es noch, daß er heute nicht hatte die Thermen aufsuchen können, aber mit seinem Bein würde er noch einige Zeit lang nicht solche Bäder besuchen können; mußten eben die Vergnüglichkeiten zu ihm kommen.


    Den Anfang machten kulinarische Delikatessen und hervorragende Weine aus Italien und Hispania – Marcus hatte fest vor, den ganzen lieben langen Tag lang zu schlemmen und zu trinken, und noch ein paar andere Unterhaltungsmöglichkeiten ins Haus zu holen, Hannibal – sein Leibsklave – war bereits ausgeschickt worden dafür, selbst wenn dieser wieder mal mit den Augen gerollt hatte.


    Neun Becher aus Silber waren vor Marcus nun aufgereiht und in jedem glänzte ein roter Wein, in ihren Nuancen und Schattierungen der Farbe deutlich unterscheidbar, manche waren hell, andere von einem tiefen Rubinrot, die dem Blute nicht unähnlich waren. Dahinter standen schon eine Platten, auf der ein gefüllter Euter eines Schweines lag, daß noch nicht geworfen hatte, die saftige Leber eines Ebers, der viele Tage lang mit Trüffeln gefüttert wurde und so lange mit Honig vollgestopft, bis er daran gestorben war; zudem fand sich auf einer anderen Platte ein gebratener Siebenschläfer mit einer Koriandersauce bestrichen und im Tontopf gebacken, an dem deftig mit Knoblauch gewürzten Zicklein durfte es auch nicht fehlen, dazu Oliven, Käse, Brot, sprich, der Tisch war voll mit Speisen, die warm dampften und herrlich dufteten. Für eine gute cena würden die Speisen reichen, doch es war gerade mal Mittag und es war kein Gast weit und breit zu sehen. Marcus beugte sich vor und griff nach der Leber, um das zarte Fleisch im Mund verschwinden zu laßen. Ein genußvoller Laut entfleuchte ihm als er die Delikatesse – schier unerschwinglich für einen normal verdienenden Römer – sich munden ließ.


    Noch kauend griff er nach dem ersten Pokal, roch an dem Wein und trank von ihm, dabei schloß er die Augen und ließ den Wein in seinem Mund hin und her wandern, sog die Luft durch seine Nase, um das Aroma des Weines in seiner ganzen Mundhöhle auszubreiten und jede Facette zu erkosten. Er lächelte, ließ sich einen Pokal mit Wasser reichen, nahm etwas Wasser in seinen Mund, spülte ihn über seine Zunge und spuckte ihn in eine Schüssel aus – schließlich trank Marcus kein Wasser, das war doch ganz und gar ungesund, wußte doch jeder! - dann nahm er den zweiten Pokal und vollführte dasselbe Ritual, ebenso mit all den anderen Bechern.


    „Hm! Schwierig!“
    , murmelte Marcus.
    „Der vom Fuße des Vesuvs schmeckt sehr scharf mit einer Nuance von wildem Wachholder und dem Nußholz, in dem er wohl gelagert wird. Das Nußholz dringt zu sehr durch...“
    Marcus schüttelte den Kopf, der Sklave stellte schon mal eine der Weinamphoren, die aus dem Weinkeller der Flavier stammten, zur Seite.
    „Der aus Hispania...ist der von unserer Familie? Ja?...naja, wer keltert den denn? Du weißt es nicht?...Naja, egal...der ist zu jung...zu unreif...“


    Derart kritisch musterte Marcus noch zwei weitere Weine aus, dann blieben noch fünf übrig. Marcus sah nachdenklich auf die Pokale, dann hob er den Kopf. Es würde schwierig werden, den Königswein für den Tag zu bestimmen. Er musterte den Sklaven, nein, der war zu sehr ein Banause, das sah man ihm schon an, dann traf Marcus' Blick eine junge Frau, die er zwischen den Säulen ausmachen konnte, wie lange sie schon da war, wußte er freilich nicht, aber er hob die Hand und winkte sie heran, sie dabei prüfend musternd, denn wer die Frau war, das vermochte er nicht zu sagen, nur, daß sie keine römische Dame war, auf jeden Fall keine römisch Patrizierin, die selbst in der villa auf gewiße Äußerlichkeiten was Kleidung und Schmuck niemals zu verzichten schienen. Hübsch war die junge Frau, aber reichlich blaß, wie die meisten Frauen für Marcus' Geschmack.


    „Venustas, komm' näher!“
    Marcus hoffte, jetzt nicht doch eine Römerin so dreist zu sich gewunken zu haben, aber er hatte nicht davon gehört, daß eine Solche sich in der villa aufhielt.
    „Koste mal den Wein! Alle fünf Pokale und sage mir, welchen Du am Besten findest!“
    Marcus deutete einladend auf die fünf Becher, die in seiner Nähe standen und noch nicht von dem Sklaven entsorgt worden waren.




    SimOff:
    - die junge Frau weiß Bescheid -

  • Das war einer jener Morgen, die damit begannen, dass es mir wieder einmal speiübel war. Wie so oft in letzter Zeit, bedurfte es nur der Anblick, der geringste Geruch von Essen oder der Duft bestimmter Öle und Essenzen, damit sich mit hundertprozentiger Sicherheit mein Magen umdrehte. In solchen Fällen suchte ich immer gleich Zuflucht im Sklaventrakt. Manchmal half schon ein Stückchen trockenes Brot vom Vortag. Ein anderes Erfolgsrezept, nämlich das Essen von Nüssen und Mandeln, stammte von einer der Küchensklavinnen, die schon so manches Kind auf diese Welt gebracht hatte und die es ja wissen musste. Jaja! Fünf Minuten Spaß und ein Leben lang Ärger mit den Bälgern, sagte sie dann noch, was auf mich nicht besonders ermutigend wirkte.
    Mama Cungah, die stets ein Auge auf mich warf und mir in allem, was die Schwangerschaft betraf, unter die Arme griff, munterte mich wieder auf. Mein Kindschen, hab keine Angst! Isch habe schon so vielen Kindern auf die Welt geholfen, sei es die von den Herrschaften oder auch die von den Sklaven. Es ist immer etwas Wunderbares! Auch die Übelkeit geht einmal vorbei! Und außerdem Kindschen, du bist so blass! Du solltest mal raus in den Garten gehen, damit die Sonne an dich geht und du etwas Farbe kriegst! Das ist auch gut für´s Gemüt! Mama Cungah hatte einfach immer Recht und so stahl ich mich, nachdem ich alle meine Arbeiten erledigt hatte, um die Mittagszeit hinaus in den Garten. Das Wetter schien heute auch ein Einsehen mit mir zu haben, denn die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen auf die Erde und alles erstrahlte in einem besonderen Licht. Das Beten an Brigid für den baldigen Beginn des Frühlings hatte auch in diesem Jahr wieder geholfen. Überall hatte es begonnen, zu blühen und zu sprießen. Auch mein Bauch tat es den zarten Pflanzen gleich. Die kleine Wölbung, die sich unter meiner Tunika abzeichnete und die man nun unschwer als Babybauch interpretieren konnte, war nicht mehr zu übersehen.


    Etwas Eigenartiges schien an jenem Vormittag in dem kleinen, von Säulen umgebenen Garten vorzugehen. Sklaven waren eifrig damit beschäftigt, einige Möbelstücke hinaus zu schaffen, andere Sklaven brachten mehrere Amphoren Wein hinaus und wieder andere kredenzten dann die erlesensten Speisen. Ich beobachtete eine Weile das Geschehen von weitem und wunderte mich etwas. Hatte irgendwer zum Mittag hin etwa eine Gesellschaft geladen? Stand etwa ein Fest an? Allerdings konnte ich nur einen einzigen Teilnehmer dieses ominösen Mahls erkennen. Dieser mir unbekannte Mann, hatte es sich auf der einen Kline, die dort draußen stand, bequem gemacht. Wer das wohl sein mochte? Vielleicht ein mir noch unbekanntes Familienmitglied? Vor einigen Tagen war mir schon zu Ohren gekommen, dass ein Mitglied der Familie verwundet aus dem Krieg heimgekehrt sei. Ein gewisser Arrestus, oder so ähnlich. Den Namen hatte ich mir nicht genau gemerkt. Eigenartig, wie sich die Leute hierzulande nannten! Aber das musste ja nicht meine Sorge sein.
    In all der Zeit, in der ich nun hier war, hatte ich gelernt, Vorsicht walten zu lassen, wenn es darum ging, sich einem bis dahin unbekannten Flavier zu nähern. Im Grunde hatte jeder, der dieser Familie entstammte, eine besondere Abart an sich. Bei dem einen war dieses Phänomen ausgeprägter, bei dem anderen weniger ausgeprägter. Man konnte hier jeder Zeit auf liebenswert- spleenige Typen, wie Lucanus oder auch auf größenwahnsinnige Psychopathen, wie Furianus stoßen. Die Palette, der hier vorherrschenden Charaktere war schier endlos.
    Plötzlich schien der Unbekannte meine Anwesenheit bemerkt zu haben. Er winkte mich mit einer seltsamen Bezeichnung herbei. Venustas? Zuerst sah ich mich verunsichert nach beiden Seiten um, ob er nicht doch jemand anderen damit gemeint haben könnte, doch ich war die Einzige, weit und breit. Venustas- so hatte mich wirklich noch niemand genannt!
    Ich näherte mich zaghaft dem Mann auf der Kline. Seiner Aufmachung und dem verletzten Bein nach, handelte es sich wohl wirklich um jenen heimgekehrten Flavier, dessen Name mir entfallen war.
    Ich sah fünf silberne Pokale, die auf dem Tischchen vor ihm aufgebaut waren. Alle waren mit Wein gefüllt. Hatte ich ihn richtig verstanden? Ich sollte kosten? Na, wunderbar! Ich war wohl die ungeeignetste Person, die man sich für das Weinkosten vorstellen konnte, denn ich mochte einfach keinen Wein. In meinem jetzigen Zustand hielt ich mich erst recht von solchen Getränken fern und trank den Wein nicht einmal verdünnt. Auch der Anblick der Speisen und deren Geruch, die man für ihn aufgebaut hatte, taten ihr übriges um jenes blümerante Gefühl in mir wieder hochkommen zu lassen.


    Dominus, du hast nach mir gerufen, sagte ich zaghaft und schaute verlegen zu Boden. Es bereitete mir große Mühe, dieses Gefühl der Übelkeit erfolgreich zu unterdrücken.

  • Eine Schar von Tauben hatte sich auf dem Dach über ihm nieder gelassen, sie saßen aufgereiht auf dem Dachsims und plusterten ihr Gefieder auf, streckten ihre Köpfe oder gurrten kräftig vor sich her, Marcus griff nach einer Olive und überlegte, ob er wohl die Tauben verscheuchen sollte, aber am Ende waren sie noch ein Omen und er lud damit Pech und Unglück auf sich, nein, nein, so was riskierte Marcus nicht, nicht, wo er nun wieder in der Heimat war und fern von den Gefahren des Krieges. Am Ende rutschte er noch im balneum aus und brach sich glatt das Genick, das wäre ein noch erbärmlicherer Tod als durch eine Mistgabel. Marcus warf die Olive hoch und versuchte sich mit seinem Mund aufzufangen, doch er traf nur seine Wange, die Olive kullerte an ihm herab und fiel in das Blumenbeet neben ihm. Marcus zuckte mit der Schulter und griff bereits nach der nächsten Olive, um selbiges Unterfangen noch mal zu probieren. Doch schon näherten sich die Schritte der jungen Frau, die er gerade noch zu sich gerufen hatte, Marcus betrachtete die Frau eindringlich und musternd – unverhohlen von oben bis unten schauend! - dabei entging ihm nicht, daß sie wohl den Hang zur Rundlichkeit hatte, eben kein dürres Mädchen war, Marcus mochte die kurvigen Frauen doch sehr viel mehr und magere Gerippe konnten nichts in ihm wecken. Aber ob sie von einem gesunden Appetit so rundlich war oder dann doch durch eher einen ganz anderen Umstand, das vermochte Marcus nicht im ersten Moment einzuschätzen, aber letztendlich war es ihm auch egal, die junge Frau war zwar hübsch und besaß ein ansprechendes Äußeres, aber diese Bläße und der nordische Typ, der durchaus ihr anzusehen war, der war nichts für Marcus' Geschmack.


    Aber die Frau vermochte immerhin das Wohlgefallen seiner Augen zu gewinnen, darum scheuchte er sie nicht gleich wieder weg. Außerdem war es Marcus nach ein wenig Gesellschaft und der Sklave, der ihm den Wein kredenzt hatte, war viel zu verschüchtert, um auch nur ein Wort heraus zu bringen, was nicht wie ein gequältes Mäusepiepsen sich anhörte. Leider war niemand von der Familie im Haus, zumindest hatte er Gracchus nicht gesehen, wahrscheinlich war dieser wieder in höchst pontifikischen und wichtigen Angelegenheiten unterwegs, und sein anderer Vetter wohl in Marsgebeten versunken. Aber was war schon ein Essen ohne nette Gesellschaft? Ziemlich triste und das wollte sich Marcus gewiß heute nicht antun. Täuschte er sich oder war die Frau – Marcus hatte den Impuls sie in seinen Gedanken mehr ein Mädchen zu nennen, sie hatte so etwas schüchternes an sich, das sie noch jünger machte – etwas grün um die Nase? Na, hoffentlich war sie nicht krank und veströmte die schlechten Miasmen auf ihn, denn eine Erkältung oder sonst ein Leiden konnte er im Moment wahrlich nicht gebrauchen. Herrje, dachte er sich, schüchtern ist sie wirklich! Denn sie schien mehr die Grashalme am Boden und die Blumen daneben zählen zu wollen als aus den Weinbechern zu probieren, wie er es doch gerade gesagt hatte. Wäre sie nur bemüht, dienlich zu sein und nichts falsch zu machen, dann hätte sie sicherlich gleich nach dem ersten Pokal gegriffen, doch womöglich traute sie sich nicht und glaubte, Marcus würde seine derben Scherze mit ihr treiben, um sie danach zu bestrafen für ihre Unverschämtheit aus dem selben Becher wie er getrunken zu haben.


    Nun, weit her geholt wäre eine solche Annahme nicht, denn Marcus gehörte nicht zu den Patriziern, die Unverschämtheiten hin nahm und keine Strafe aussprach, auch nicht die Peitsche im Keller vermodern ließ, wenn sie doch mehr am Rücken eines frechen Sklaven gebraucht wurde. Denn am Ende hatte man nur ein dreistes Sklavenpack, die ihrer Arbeit schludrig nachgingen. Aber dann war er auch nicht wie sein Bruder, der sogar eigenhändig das Folterinstrumentarium nutzte oder wie die liebreizende Leontia, die ähnliche Vorlieben hegte, auch sein Sohn schien mehr nach dieser Familienlinie geschlagen zu sein. Nein, Marcus war mehr pragmatisch in dieser Hinsicht- Strafe, wenn Strafe sein mußte! Marcus seufzte leise in sich hinein und betrachtete das schüchtern-verlegene Gesicht der blaßen Schönheit vor sich, na, vielleicht war sie ja noch aus der Reserve zu locken. Aber Marcus war jetzt langweilig und er wollte jetzt Gesellschaft! Er sah auf und zu dem Sklaven, der ihm eben noch den Wein eingeschenkt hatte.


    „Laße sofort eine weitere Kline hier heraus tragen, aber dalli und zwar sofort, ja?“


    Der Sklave machte hastig auf dem Absatz kehrt, Marcus grinste gutmütig, denn er wußte, daß er dem Sklaven damit eigentlich einen Schreck eingejagt hatte, obwohl Marcus es eigentlich nicht vor gehabt hatte, aber die Zeit in der Legion hatte seinen Befehlen einen noch schärferen Klang gegeben, was Marcus nicht immer merkte, erst, wenn er die Reaktionen der Empfänger sah. Marcus legte den Kopf zurück und warf die Olive wieder in die Luft, doch abermals flog sie weit vorbei und würde womöglich im nächsten Jahr im Garten als kleiner Sproß wachsen, bis gnadenlose Sklavenhände ihn aus der Erde rißen. Derweil antwortete er Bridhe nicht, sondern ließ sie direkt neben sich stehen. Es dauerte nicht sehr lange, da kam schon der Sklave zurück, mit einem anderen Sklaven, der ihm beim Tragen einer weiteren Liege half, die sie aus dem triclinium geholt hatten, sie war tief rot und mit goldenen Kordeln gesäumt, aber genauso weich und dekadent gepolstert wie die, auf der Marcus gerade gemütlich lag und es sich gut gehen ließ. Die Sklaven setzten die Kline ab, so daß sie mit der zweiten Kline eine L-Form bildete. Marcus deutete mit einer freien Hand – die Andere nutzte er gerade, um etwas von dem Zicklein zu nehmen! - auf die Kline.


    „Du leistest mir Gesellschaft, Venustas! Nimm' Platz dort!“


    Sein Tonfall machte deutlich, daß es keine Bitte war, sondern ein Befehl, denn natürlich hatte Marcus schon beim ersten Wort von Bridhe erkannt, daß es eine Sklavin war – was auch nicht sehr schwer war bei der Anrede. Marcus kaute auf dem mit Knoblauch stark gewürzten Fleisch herum und betrachtete nachdenklich die junge Frau. Sie würde ihm mindestens so lange Gesellschaft leisten müßen bis sie ihn langweilte oder die Tänzerinnen auftauchten, nach denen er hatte schicken laßen, nebst der anderen Gesellschaft, nach der es Marcus – seit Wochen das erste Mal wieder – verlangte. Marcus aß noch einen weiteren Bißen, ehe er wieder weiter sprach:


    „Mir scheint, Du weißt den alten flavischen Wein aus dem Keller nicht zu schätzen, kann das sein, Venustas? Hm?“


    Marcus grinste breit und griff nach einem der fünf übrigen Pokale und nahm nun selber einen tiefen Schluck davon. Hm, ein Hauch von Kirsche und Lavendel schien er darin zu erschmecken, es war schon immer wieder erstaunlich welche Aromen ein Wein von der Umgebung aufnahm, in der er heran wuchs, aber natürlich auch, wie er gelagert wurde und welche Behandlung er erfuhr, bis er den Mund des Weinkosters erreichte.


    „Verstehen tust Du mich aber, Venustas?“
    , vergewißerte sich Marcus. Er sah sie prüfend an und beugte sich vor, um etwas von dem Geflügelgericht zu nehmen, was in einer goldenen Soße zubereitet worden war.
    „Magst Du wenigstens davon kosten?“
    Lockend hielt Marcus ihr das weiße Stück Fleisch hin.
    „Eine Delikatesse, nur unser Koch vermag das Fleisch so zu zu bereiten und ich bin mir sicher als Sklavin bekommst Du so etwas bestimmt nicht oft zu essen, hm?“

  • Seit meiner Begegnung mit Furianus war ich äußerst vorsichtig geworden und gerade jetzt, da ich alles darum gab, dass diesem Kind, das ich in mir trug, nichts geschah, war ich besonders darauf bedacht, niemandem mit einem falschen Wort oder eine anstößigen Geste zu reizen.
    Langsam hob ich meinen Kopf an, um zu sehen, was um mich herum geschah. Dabei vermied ich es, den Flavier direkt ins Gesicht zu blicken. Sogleich gab er dem anwesenden Sklaven den Befehl, eine weitere Kline herbeizuschaffen. Im ersten Moment dachte ich nicht im Traum daran, dass die Kline für mich bestimmt sein könnte. Vielleicht erwartete er ja doch noch einen Gast und er brauchte einfach noch einen weiteren Sklaven, der ihn und seine Gesellschaft bediente.
    Während er auf die zweite Liege wartete, ließ er mich kommentarlos neben sich stehen. Aber auch ich schwieg natürlich. Nur tief in mir drinnen, war ich traurig, dass auch dieser Tag verloren schien. Ich hatte mich doch so darauf gefreut, ein wenig in der frischen Luft entspannen zu können und die Sonnenstrahlen zu genießen. Doch daraus sollte heute nichts werden.
    Meine Augen streiften ihn leicht und ich beobachtete ihn, wie er begann, mit dem Essen zu spielen. Das war eine jener Unsitten, die man mir von Haus aus schon immer untersagt hatte. Ich erinnerte mich noch an die mahnenden Worte meiner Mutter, die sie mir und meinen Geschwistern ständig predigte: Mit Essen spielt man nicht! Doch der Flavier fand an diesem Zeitvertreib gefallen und ich beobachtete ihn dabei eine Weile wie er versuchte, eine Olive hoch zu werfen und diese dann mit dem Mund zu fangen. Allerdings war er dabei nicht sehr erfolgreich. Beinahe hätte ich grinsen müssen, als dies misslang. Doch statt eines Grinsens, sah man nur ein leichtes Zucken um meine Mundwinkel herum.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen endlich zwei Sklaven, die eine der Klinen aus dem Speisezimmer heraus trugen. Sie stellten sie direkt neben der des Flaviers ab. Kaum stand die Kline an ihrem Platz, wies er mich an, auf ihr Platz zu nehmen. Es war keine Bitte, nein, dies war ein Befehl. Ich zögerte nicht lange, sondern tat, wie mir geheißen wurde, auch wenn es sehr ungewohnt für mich war. Noch nie zuvor hatte ich auf einer solchen Liege Platz genommen und während ich mich auf ihr ausbreitete, schweifte mein Blick verunsichert über den kleinen Garten hin zu den Säulen. Ich wollte sicher gehen, dass mich niemand erwischte, was ja an sich absurd war, denn man hatte es mir ja befohlen und ich führte ja in diesem Augenblick ja auch nur einen Befehl aus, wenn auch ein angenehmer Befehl.
    Die Kline war überraschend bequem und die Polsterung ungewöhnlich weich. Darauf zu liegen war äußerst angenehm und meinem derzeitigen Zustand auch sehr zuträglich.
    Kurzzeitig fiel mein Blick auf ihn und als unsere Augen uns trafen, lächelte ich nur etwas verlegen, wandte aber sogleich meinen Blick wieder ab. Erst als er mich nach dem Wein fragte, schaute ich wieder zu ihm hinüber und konnte beobachten, was er mit jenem Schluck tat, den er gerade genommen hatte. Ich fragte mich nur, warum er den Wein den wieder ausspuckte und nicht trank? Machte man das etwa so in der besseren Gesellschaft? Ich war darüber etwas verwirrt und konnte vorerst gar keine Antwort geben. Als er schließlich nachfragte, ob ich ihn eigentlich verstünde, nickte ich erst und fand endlich auch einige Worte.


    Ja, ich verstehe dich, dominus. Ich trinke nicht oft Wein und deshalb bin ich ihn nicht so gewöhnt.


    So, als ob er eine der in der Villa herum streunenden Katzen fangen wollte, hielt er mir ein Stück des Geflügelfleisches entgegen und fragte, ob ich davon kosten wolle. Um ehrlich zu sein, war dies sehr verlockend. Solche Delikatessen bekam man in der Tat nicht täglich, wenn man in diesem Haus als Sklave leben musste. Allerdings wusste ich nicht, wie mein Magen darauf reagieren würde, hätte ich es erst einmal gegessen. Vielleicht würde ich ihn aber damit auch verärgern, würde ich das Fleisch nicht nehmen. Also nahm ich es und kostete es etwas verunsichert.


    Danke, dominus! Es ist wirklich sehr schmackhaft, sagte ich, nachdem ich den letzten Rest in meinem Mund hinuntergeschluckt hatte. Dieses Variante, Geflügelfleischzu essen, bei schwangerschaftsbedingter Übelkeit, hatte ich auch noch nicht probiert. Es blieb abzuwarten, wie mein Magen darauf reagieren würde.

  • Bereits am Morgen hatte Marcus seinen Sklaven aus geschickt, kurz nachdem er erwacht war und den Beschluß gefaßt hatte, heute dem Tag lasterhafte und allerlei sinnliche Vergnügungen zu schenken, mehr noch sich selber. So sah Marcus einige Male ungeduldig in Richtung des Säulenganges, wo er den Sklaven erwartete, wenn dieser mit der – hoffentlich erfolgreichen, aber daran zweifelte Marcus nicht – Auftragserfüllung zurück kam. Gerade als er erneut einen Blick auf den Säulengang richtete, kam es blitzschnell von oben herab geflogen, ein kleiner Vogel, nicht mal so groß wie Marcus' geballte Faust, landete auf dem kleinen Tisch, den er sich hier hatte aufstellen laßen. Der Vogel beäugte mißtrauisch Marcus und Bridhe, indem er seinen kleinen Vogelkopf ruckartig mal mit der einen Seite zu Bridhe, dann mit der anderen Seite zu Marcus wandte, ehe er in einer sehr eiligen Bewegung einen Brotkrumen vom Teller ergriff, die kleinen braunweiß gemusterten Flügel ausbreitete und sich in die Luft schwang, noch ehe jemand den Vogel packen und an dem Mundraub hindern konnte. Verblüfft sah Marcus dem unverschämten, diebischen Vogel hinter her, doch nicht sonderlich verärgert, Dreistigkeit siegte nun manchmal eben. Marcus zog die Platte mit dem gefüllten Schweineeuter heran, während er sich seine Finger ableckte, die eben noch das Geflügelfleisch gehalten hatten, an dem die goldgelbe Soße herab getropft war und nicht nur seine Finger benetzt hatte, sondern auch noch das Gras, das zu den Füßen seiner Kline wuchs und jetzt von den Füßen, die wie Löwentatzen geschnitzt waren, der Kline nieder gedrückt wurde. Der Gärtner, unter dessen Regie die Sklaven stets Blumen, Gras und Bäume akkurat zurück schnitten, so wie es von je her in der villa gemacht wurde – selten hatte einer der Flavier versucht dem alten Gärtner, der noch unter Felix gedient hatte – in das Handwerk zu reden, dieser Gärtner zumindest würde wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, hätte er die grobe Behandlung seiner Pflanzen durch den Flavier gesehen.


    Marcus, unbekümmert in Hinsicht der Sorgen viele Sklaven im Haushalt, ließ es sich lieber von dem Euter, der in Scheiben geschnitten war, Mundgerecht, schmecken und kaute langsam, während er die exquisite Füllung darin genoß. Weinverächter hatten bei Marcus eher einen schweren Stand, denn Marcus liebte Wein über alles, es war für ihn auch das wichtigste Getränk überhaupt, selbst wenn er sich selten am Tage den Luxus leisten konnte, den Wein so zu trinken wie jetzt – völlig unverdünnt und in seinem ganzen Aroma so, wie die Winzer und die Natur ihn geschaffen hatte. Marcus ergriff einen zweiten Pokal und führte ihn an seine Lippen, dabei mit einer gewölbten Augenbraue Bridhe betrachtend, schon spürte er den markanten Geschmack des Weines auf seiner Zunge, ließ ihn langsam an seinem Gaumen hinweg gleiten und kostete ihn lange aus, ehe er noch einen weiteren Schluck nahm. Ein herber Wein, viele Nuancen und Schattierungen, keine wässrige Oberfläche, sondern viel Tiefe mit einer interessanten Würzung, selbst wenn kein Gewürz den Wein erst verbeßern mußte. Doch, der gefiel Marcus ausgesprochen gut, darum behielt er den Weinpokal auch in seiner Hand, um, während des weiteren Essens, noch mehr aus ihm zu trinken. Die gewölbte Augenbraue, die einen sanften Schwung auf seiner Stirn bildete und die Familienähnlichkeit zu Flavius Gracchus, Flavia Leontia und manch anderem Flavier deutlich offenbarte, denn derart wölbten nur die Flavier ihre Augenbrauen, diese Braue war immer noch oben, als er bereits nach dem nächsten Gericht griff und dann doch stockte. Irgendetwas fehlte doch auf dem Tisch, etwas, was er für den ersten Gang noch bestellt hatte. Ah ja! Marcus winkte den Sklaven heran, der eilends mit einer Karaffe kam und in den Becher nach schenkte, aus dem Marcus zuletzt getrunken hatte.


    „Gehe in die Küche. Der Koch hat die Schnecken vergeßen, aber hurtig. Ich will sie haben, wenn die anderen Speisen noch warm sind! Age!“


    Die Jahre der Legionszeit hatten sich wirklich tief in Marcus eingebrannt, jetzt fing er schon an mit dem Sklaven so zu reden, wie mit manch einem Soldaten und ganz bestimmt mit den Sklaven, die er sich im Kastell hielt, damit das Leben als centurio nicht ganz so fade war und er immer ein gutes Mahl auf dem Tisch in Mantua – oder auch während des Krieges, sofern es ging – hatte, morgens säuberlich rasiert wurde, die Unterkunft immer gemütlich und erhellt war, wenn er aus seinem Dienst dort hin kam. Sklaven, eine Notwendigkeit für Marcus' tägliches Leben, ohne sie würde er nicht bestehen können - nicht in dem Luxus, den er brauchte – selbst wenn Marcus, wohl im Gegensatz zu vielen seiner Mitflavier, sich sogar selber versorgen konnte. In der Legion hatte er gelernt, seine Kleidung auszubeßern, selber zu kochen und sogar seine Pritsche selber aufzuräumen. Der Sklave indes eilte schnell davon, nahm er doch den Befehl sehr ernst, während Marcus noch mal nach dem Geflügel griff und das unglaublich zarte Fleisch in seinem Munde zergehen ließ. Abermals musterte er Bridhe; na, immerhin mit dem Essen konnte sie etwas anfangen, ein völliger Sinnesverächter wäre Marcus zu dröge, um mit der Person überhaupt die Tafel zu teilen, egal ob Sklave oder Patrizier, nur bei der Familie würde Marcus eine Ausnahme machen, oder Ehrengästen.


    „Schmackhaft? Deliziös ist es. Exquisit und unvergleichlich, puella.“


    Marcus schüttelte resigniert den Kopf, das Mädchen hatte von Esskultur ganz sicher keine Ahnung, das merkte man immer mehr, aber als Sklavin war ihr bestimmt auch noch nie der Genuß der römischen, der wirklich hohen römischen Küche zuteil geworden. Marcus sah sie erwartungsvoll an und fragte sich, ob sie noch etwas über ihre Lippen bringen würde. Schüchtern, bei Diana, das Mädchen scheint am Liebsten ganz woanders zu sein. Wer wohl ihr Herr ist, daß sie die Flavier derart fürchtet? Vielleicht war es sogar Leontia gewesen, einst. Leontia hatte ihre Sklaven wirklich immer im Griff gehabt, das hatte sie eindeutig von ihrem Vater in Ravenna vererbt bekommen, der auch Sklaven nicht mit Samthandschuhen anging, Gnaeus Aetius, das war wirklich ein Mann nach Marcus Geschmack; Marcus seufzte leise und wünschte sich, daß sein Onkel zu Besuch wäre, denn dann würde bereits Lachen, derbe Scherze und viel Lebensfrohsinn diesen Garten im Hause füllen. Und die Vergnüglichkeiten, die Marcus später noch vor hatte, ja, diesen wäre sein Onkel mit Sicherheit nicht abgeneigt. Erneut bemaß Marcus Bridhe mit einem längeren Blick, na, eine Gesellschaftsbombe schien die junge Frau nicht zu sein, mehr einsilbig und in sich gekehrt, auf keinen Fall mehr sagen als notwendig, schien ihre Devise zu sein, was Marcus jedoch mehr langweilte. Aber sehr wahrscheinlich war sie dann doch nur eine Waschmagd oder eine Küchensklavin, die aus Neugier nach draußen gekommen war, um zu sehen, welche Gäste wohl das ganze gute Essen verspeisen würden. Marcus musterte erneut ihre Gestalt und beugte sich plötzlich nach vorne, um seine Hand auf ihren Bauch zu legen, unter seiner flachen Hand wölbte sich ihre Bauch, so fest, wie es gutes Essen nicht formen könnte, Marcus Augenbrauen wölbten sich noch mal einen Herzschlag in die Höhe, so, so, schwanger war das junge Ding also; Marcus zog seine Hand wieder zurück. Eigentlich war es ihm egal, ob sie schwanger war oder nicht, für sein Bett wäre sie sowieso nicht in Betracht gekommen, sie war einfach nicht der Typus von Frau, der ihn anregen oder erregen konnte. Und wenn es nicht seine Sklavin war, gönnte Marcus auch jedem Sklaven das Vergnügen, was zu einer solchen Schwangerschaft führen konnte. Ohne ein Wort über ihren Bauch zu verlieren, lehnte sich Marcus wieder zurück.


    „Schmackhaft ist schon immerhin besser als ein: So ein Geflügel esse ich nicht oft! Komm, greif noch zu, denn Schwanenfleisch wirst Du bestimmt wirklich nicht oft bekommen!“


    Marcus schob ihr aufmunternd die Platte mit dem weißen Geflügelfleisch zu, während er sich etwas von der gebratenen Taube nahm, der daneben lag und in einer rötlich, pfeffrigen Soße schwamm. Schon kam der Sklave zurück, eine tönerne Schüssel mit sich tragend, in denen tatsächlich große Schneckengehäuse lagen, gefüllt mit dem Fleisch dieser Tiere und pikant gewürzt, zudem war das Fleisch gemischt mit anderen Zutaten, die wohl immer ein Geheimnis des Koches bleiben würden, Marcus wußte nur, daß diese Schnecken einfach ambrosisch schmeckten, darum ließ er sie sich auch gleich reichen, um mit dem silbernen Spieß, der daneben lag, das Gefüllte aus der Schnecke zu pulen und in seinem Mund verschwinden zu laßen.


    „Greif' ruhig zu, puella, ich habe genug zu Essen hier, außerdem ist das erst der erste Gang! Auch etwas Schnecke, puella?“


    Daß er gedachte bis Sonnenuntergang mindestens zu speisen, womit erster Gang die Dimension seiner Gelüste noch mehr verdeutlichen würde, das erwähnte Marcus nicht. Er hob die Schüssel an und hielt sie ihr entgegen, falls sie sich daraus bedienen wollte. Dabei musterte er sie erneut, wäre doch zum Mäusemelken, wenn er nicht doch noch etwas Unterhaltsames aus dem verschloßenen Mädchen heraus bekam, denn langsam fing sie an, ihn zu langweilen. Marcus stellte die Schnecken auf den Tisch, immer noch in Reichweite von Bridhe und erneut zu dem vollen Weinbecher.


    „Weißt Du, puella, in Parthia gibt es die ein oder andere Geschichte, die sich die Menschen dort erzählen. Ich habe von einem jungen Mädchen, die als Sklavin bei mir gelandet ist, vor einiger Zeit eine Geschichte gehört. Es ging um einen Shah in Shah, der höchste parthische König, der einen riesigen Harem hatte. Ein Harem ist ein Ort voller Frauen, die alle seine Ehefrauen sind. Die Parthermänner dürfen nämlich über hundert Frauen haben...nun, dieser Shah war dennoch nicht zufrieden mit den Frauen, obwohl sie die Schönsten aller Länder waren, blond und blauäugig, dunkel und schwarz haarig, alles war dort vertreten. Jede Nacht holte er eine von ihnen zu sich und schon am Morgen wurde er ihrer überdrüssig; er ließ sie hinrichten. Bis eines Tages eine junge Frau zu ihm kam, die alles veränderte, denn sie lockte ihn nicht mit ihren Reizen, sie spielte nicht die schüchterne Frau, sondern sie vermochte ihn mit spannenden Geschichten um den Finger zu wickeln. Die Frau überlebte diese Nacht und noch viele weitere.“


    Marcus lächelte als er an die Geschichte dachte, die ihm das Mädchen erzählt hatte, wo hatte er sie noch gekauft? Marcus wußte es nicht mehr, aber da sie ihn an seine Tochter erinnert hatte, darum hatte er sie damals erworben. Marcus schob sich noch ein Stück Fleisch in den Mund, kaute und sah zu Bridhe, ehe er anfügte:


    „Welch Glück, daß wir Römer doch zivilisiert sind im Gegensatz zu den Parthern und so was nicht in Rom vorkommen würde.“


    Was nicht ganz stimmte, wenn man an so manch einen Kaiser zurück dachte, der sich ähnlich seinen Frauen oder sogar seiner eigenen Tochter entledigte, nur, daß diese Kaiser – im Gegensatz zum Shah – noch einen erlogenen Grund vor schoben, wie Untreue und Ehebruch. Marcus sah Bridhe an, ob sie die Andeutung verstanden hatte?


    „Nun, puella, vermagst Du auch etwas zu dieser Unterhaltung bei zusteuern oder sollte ich Dich doch besser wieder in die Küche schicken, oder dorthin, wo auch immer Du arbeitest? Kannst Du singen? Kannst Du tanzen? Geschichten erzählen? Mich erheitern? Wenn ja, fühle Dich frei, lebe es aus!“


    Gutmütig lächelnd – was im starken Kontrast zu der düsteren Geschichte stand - machte Marcus eine einladende Geste und lehnte sich erwartungsvoll in die Kissen der Kline zurück.

  • :wink:


    "HURGA! HURGA! HURGA!"
    Peitschenknall und laute, sonderbare Schreie waren zu hören. Dann raste haarscharf ein Ponyrennwagen mit zwei Ponies an den heiligen Rosen von Flavius Felix vorbei und setzte seine Fahrt über die Gartenwege fort. An Bord des Rennwagens waren Serenus Leibsklavin Dido, welche die Zügel und eine Peitsche in der Hand hatte und Serenus, der eine gepolsterte Keule und einen kleinen Schild trug, welcher an den Unterarm geschnallt war.
    Hinter dem Rennwagen folgte Nero, welcher trotz seiner Masse mühelos das Tempo des Wagens halten konnte. Serenus zeigte auf seinen Vater und Dido lenkte den Wagen in Richtung der Klinen und kürzte somit mal eben durch ein Blumenbeet ab. Unmittelbar vor Flavius Aristides riss sie den Wagen wieder herum und beschleunigte erneut, während Serenus absprang und sich professionell abrollte. Der riesige Molosserkampfhund bremste hinter Serenus ebenfalls ab.


    "Salve Papa! Das ist ein Überfall!"


    Serenus nahm sich eine Olive und warf diese in die Luft und fing sie gekonnt mit dem Mund auf. Dann warf ein eine zweite Olive in Richtung von Nero in die Luft, welche der Hund souverän auffing und schluckte. Serenus spuckte derweil seinen Kern in Richtung der Tauben und traf zu seiner Zufriedenheit. Dann packte er sich ein Stück Geflügelbrust für sich selbst und eine Keule für Dido.


    "Wir sehen uns nachher. Ich muß noch meine Tiere etwas bewegen und den kleinen Löwen abrichten."


    Serenus drehte sich um, steckte sich das Bruststück zwischen die Zähne und wartete wenige Herzschläge auf Dido, welche mit dem Ponyrennwagen mit sichtlicher Begeisterung die Peitsche schwingend sehr rasant nach einer kleinen Runde über den Rasen kam. Genauer gesagt zuerst auf einem Rad in Schräglage durch eine Hecke und dann über den Rasen.
    Serenus passte Dido ab, klemmte sie die Keule unter den Schildarm und sprang in voller Fahrt wieder auf, wobei ihn Dido unterstützte und vorne an seiner Tunika packte, während sie die Zügel mit den Zähnen festhielt. Ein sehr gewagtes, aber in diesem Fall gelungenes Manöver.


    "Dsu muscht in den Kurv*mampfen* mehr das*mapfen* Ge*mampf*wicht ver*mampf*lagern" nuschelte er mit vollem Mund, während Dido den kleinen Rennwagen wieder auf den Weg und über eine kleine Brücke lenkte, welche einen Zierfischteich überspannte. Dabei touchierte das linke Wagenrad einen Teil des Brückengeländers, daß man das Holz des Geländers bis zu den Klinen splittern hören konnte. Gelächter war zu hören. Der Wagen mit den Kindern verschwand in den unendlichen Weiten des Gartens der Villa Flavia und tauchte auch nicht wieder auf. Bellend und mit einer Schnelligkeit, welche man dem riesigen Hund nicht zugetraut hätte, verschwand dieser ebenfalls dem Wagen folgend.


    Der ganze Zauber hatte nur wenige Augenblicke gedauert und lediglich eine ramponierte Hecke, Wagenspuren auf dem Rasen, zwei verschwundene Oliven, zwei verschwundene Geflügelteile und ein ramponiertes Brückengeländer zeugten vom jüngsten und kleinsten Wirbelwind der Gens Flavia. =)

  • Etwas eingeschüchtert blickte ich immer wieder zu ihm hinüber und musste ihn zwangsläufig beobachten, wie er aß. Wie es schien, war dieser Mann völlig ausgehungert und hatte schon seit Wochen nicht mehr gegessen, warum auch immer. Es verursachte mir ein Gefühl des Ekels, wenn ich sah, wie er alles Mögliche so in sich hinein stopfte, schmatzend seine Finger ableckte und nicht darauf achtete, wenn ein Teil des Essens zu Boden ging. Doch auch meine Abscheu versuchte ich vor ihm zu verbergen, denn man konnte ja nie wissen, was geschehen würde, wäre er erst einmal verärgert. Allerdings überkam mich so langsam das Gefühl, dass es sich bei diesem Exemplar von einem Flavier um keinen der gemeingefährlichen Sorte handelte. Sein Gemüt schien doch wohl eher freundlicher Natur zu sein, so zumindest machte er bis jetzt noch den Eindruck. Von diesem Gedanken beseelt, versucht ich etwas lockerer zu werden, denn diese Verkrampftheit, in der ich mich befand, war alles andere als angenehm.
    Weiterhin wortlos beobachtete ich nur und, tat und sagte auch nichts, als er plötzlich nach Schnecken verlangte. Schnecken? Warum nicht gleich Frösche oder Würmer? Abermals streiften sich unsere Blicke und er sah mich mit einer gewissen Erwartungshaltung an, als ob er auf eine Äußerung meinerseits wartete. Etwa zu den Schnecken? Der Gedanke daran, diese schleimigen kleinen Dinger essen zu müssen, schüttelte mich.
    Mit meinem Versuch, mich zu entspannen, war es nicht weit hergeholt, denn kurze Zeit später zuckte ich ängstlich zusammen, als er seine flache Hand auf meinen Bauch legte, um zu fühlen, was es damit auf sich hatte.


    Ich erwarte ein Kind, begann ich, eher aus Verlegenheit, denn aus Gesprächigkeit zu erklären, obwohl dies mittlerweile nicht mehr zu übersehen war.


    Im Sommer wird es soweit sein, fuhr ich fort, doch ehrlich gesagt, glaubte ich nicht fest daran, dass er für diese Neuigkeit ein besonderes Interesse hegte. Allerdings war es mir wichtig, dass diese Schwangerschaft ohne Zwischenfälle verlief oder einen vorzeitigen Abbruch zur Folge hatte, denn das Kind unter meinem Herzen, würde mir die ersehnt Freiheit bringen. Außerdem half es mir, um in meiner jetzigen Situation noch ein wenig mehr loslassen zu können. Doch irgendetwas lag heute in der Luft, was mich ständig von neuem daran hinderte, ich selbst zu sein. Die Krönung des Ganzen war schließlich, als er so nebenbei bemerkte, dass es Schwanenfleisch war, das ich gegessen hatte.
    Schwanenfleisch?! Entfuhr es mir gänzlich entsetzt. Alles in mir begann sich gegen diese Tatsache zu wehren. Schwanenfleisch! Ich hatte Schwanenfleisch gegessen, zwar unwissentlich, doch ich hatte es getan! Wie schändlich! Diese Barbaren! Wie konnten sie nur einen Schwanen töten und dann auch noch essen!
    Hastig und ungefragt, griff ich zu einem der silbernen Pokale, der mit Wein gefüllt war und nahm einen großen Schluck. Ich wollte versuchen, den Geschmack des Fleisches aus meinem Mund zu bekommen. Dabei nahm ich gerne den widerlichen Geschmack des Weines in Kauf. Mit verzogenem Gesicht versuchte ich meinen Mund mit der Flüssigkeit zu spülen. Natürlich schluckte ich den Wein nicht unter, sondern tat es dem Flavier gleich, indem ich den Inhalt meines Mundes in dem bereitgestellten Spucknapf entsorgte.
    Angewidert sah ich auf die Platte, auf der sich die Reste des Schanes befanden. Der gefüllte Schweinseuter, dem er sich nun zugewendet hatte, ließ meinen Mund allerdings auch nicht sonderlich wässrig werden, geschweige denn die Schnecken. Mir kam plötzlich der Gedanke, dass diese Barbaren, die offenkundig vor nichts zurückschreckten und alles aßen, was nicht bei drei auf den Bäumen war, wohl auch vor Menschenfleisch nicht Halt machen würden. Gepökelter Sklave, gut abgehangen. Einfach nur widerlich!

    Vielleicht hatte er ja meine Abneigung bemerkt und begann deshalb, eine Geschichte zu erzählen, die er von seiner parthischen Sklavin hatte. Aufmerksam begann ich ihm zuzuhören, um all die „delikaten Köstlichkeiten“ um mich herum zu vergessen.
    Ein Mann der über hundert Frauen hatte? Der arme Kerl konnte einem wirklich leid tun, dachte ich scherzhaft bei mir. Aber was hatte er mit jenen getan, derer er überdrüssig geworden war? Hinrichten lassen? Sollte das etwa der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl sein? Langweilte ich ihn etwa auch und er wollte mir dadurch einfach sagen, was passieren konnte, würde ich ihm erst einmal überdrüssig. Vielleicht sollte ich mein Urteil über ihn noch einmal überdenken. Vielleicht war es ja doch so, dass es sich bei diesem Exemplar eines flavischen Mannsbildes doch um einen Irren handelte!
    Dann endlich sagte er es frei heraus. Ich langweilte ihn, doch welches Glück, dass es Römer waren, die mich versklavt hatten und keine Parther! Dort wäre ich jetzt sicher des Todes gewesen!
    Zugegebenermaßen war ich momentan nicht wirklich eine Stimmungskanone, doch konnte man mir diesen Zustand auch nur einen Augenblick übel nehmen, nach all den Erfahrungen, die ich machen musste?
    Als er mir die Wahl ließ, etwas zu seiner Unterhaltung beizutragen oder wieder dorthin zu verschwinden, woher ich gekommen war, brauchte ich nicht lange zu überlegen. Ich entschied mich fürs hierbleiben. Wenn ich erzählte oder sang, konnte ich nichts von diesem üblen Zeug essen und außerdem wäre ich auch an der frischen Frühlingsluft und bekäme auch etwas Sonne ab. Auch diese bequeme Kline war nicht zu verachten!


    Ich kann singen und kenne auch einige Geschichten aus meiner Heimat, die ich dir erzählen kann. Tanzen kann ich auch ein wenig, doch mit meinem Bauch werde ich sicherlich nicht so ansehnlich sein. Wenn du es wünschst, dominus, aknn ich dir die spannende Geschichte von Lír und dessen Kindern erzählen, quoll es förmlich aus meinem Mund heraus.
    Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass die junge Frau, die den parthischen König besänftigen konnte, 1001 Nächte dafür benötigte, um aus seiner Gewalt zu entfliehen, wäre ich wahrscheinlich nicht so euphorisch gewesen.
    Doch was war das? Mit einigem Getöse kam urplötzlich der junge Serenus mit seinem Wagen, auf dem auch noch Dido saß,vorbeigerast. Papa?! Nein, dieser Flavier war sicher keiner von der ungefährlichen Sorte! Bei dem Jungen! :D

  • Was sahen Marcus müde Augen dort? Spuckte die junge Frau etwa den köstlichen Wein wieder aus? Den guten Wein aus Italia, den köstlichen Tropfen, wo eine Amphore mehr Wert war als ein einfacher Plebejer in einem Monat verdienen würde? Entsetzt und empört starrte Marcus die junge Sklavin an, die er doch so großzügigerweise an seine Tafel geladen hatte, zu feinen Speisen und edlen Wein, doch schien sie es ihm zu danken? Nein, ganz gewiß nicht, wenn sie den Wein in die Schüssel spuckte, wo er bei der Verköstigung noch das Wasser hinein gespien hatte, damit nicht ein Weingeschmack von dem Anderen überlagert war und er jede Nuance bis ins Detail erkosten konnte von jedem einzelnen Rebsaft, den er bis jetzt zu sich genommen hatte. Verdattert wie Marcus war, als er diese Barbarei sah, die die Sklavin vor seinen Augen vollführte, vergaß er glatt das Essen. Marcus Lippen preßten sich fest aufeinander, er durchbohrte Bridhe förmlich mit seinem Blick, weswegen er sich auch nicht sonderlich um ihre Worte scherte, was ihre Schwangerschaft und den Zeitpunkt anging. Ein „Hm!“, grummelte er lediglich als Antwort, seine linke Augenbraue wanderte in die Höhe ehe er einen Schluck Wein zu sich nahm, auf den Schock, daß jemand den guten Wein einfach so ausspuckte. Also ne, das ging doch nicht, so etwas. Glück für Bridhe, daß augenblicklich Marcus davon abgelenkt wurde, denn schon stürmte sein Sohn in den Säulengang. Verdonnert sah Marcus auf den auf ihn zu jagenden Wagen. Einen Herzschlag lang überlegte Marcus, ob er sich noch rechtzeitig in Deckung werfen konnte, doch mit seinem verletzten Bein war das Schwierig, Marcus sah bereits sich unter den Wagen, zermalmt und mit zertrümmerten Knochen. Herrje, da überlebte man den Krieg in Parthia und wird letztendlich von der eigenen Lendenfrucht dar nieder gestreckt. Doch noch ehe sein gesamtes Leben mit allen Wendungen, Höhepunkten, Tiefen und Rückschlägen an Marcus vorbei ziehen konnte, hatte Serenus den Wagen jedoch unter Kontrolle. Mars sei Dank!


    Wie ein Haufen von Piraten fielen die beiden Kinder, Patrizier und Sklavin, über das Essen her, blinzelnd bemerkte Marcus wie spielend sein Sohn den kleinen Essenstrick hin bekam, verdammt! Marcus seufzte schwer.
    „Paß auf die Rosen Deines Onkels auf...“
    , war noch der lahme Kommentar, den er seinem Sohn hinter her werfen konnte, ehe er schon auf und davon war. Dennoch und trotz des womöglich nicht gerade koscheren Auftritts, zeigte Marcus' Gesicht ein Lächeln, ein stolzes, väterliches Lächeln, als er seinem Sohn hinter her sah. Was für ein Prachtjunge, fand Marcus immer wieder. Immerhin hatte er wenig schlechte Charaktereigenschaften von seiner Mutter geerbt, dieser kleinen Bestie, die nicht nur einmal ihm das Gesicht wie eine Furie zerkratzen wollte und es auch ein oder zwei Mal geschafft hatte. Wie anders war doch Epicharis dagegen, so liebevoll, sanft und humorvoll, ohne jeglichen Anflug von Jähzorn und Hysterie. Wobei Marcus sehr geschickt verdrängte, daß Serenus' Mutter auch vor ihrer Ehe ein durchaus einnehmende junge Frau war, immerhin hatte sie Marcus ebenso spielend damals um den Finger gewickelt. Zwei Wochen Verliebtheit wurden mit einigen Jahren Höllenehe quittiert. Marcus seufzte erneut und leerte den Becher mit Wein, den er auf den Tisch stellte und darauf wartete, daß der Sklave ihn wieder nach füllte. Erst jetzt fiel ihm auf, daß die Sklavin ja noch da war. Nachdenklich musterte er sie und überlegte einen Augenblick, ob er sie doch weg schicken sollte. Na, was soll's, mal hören, was sie noch zu erzählen hatte. Schließlich währte der erste Gang noch und Marcus mochte immer noch nicht alleine essen.
    „Nur zu!“
    , forderte er sie mit einem aufmunternden Nicken auf, ihre Geschichte zum Besten zu geben.

  • Einige Zeit später raste Serenus aus dem Nichts kommend mit dem Ponyrennwagen wie der Zorn der Götter wieder heran, während er sich mit Dido stritt in welche Richtung man abbiegen würde. Inzwischen hatten die Kinder die Räder des Wagens aber modifiziert und die Radnarben mit mehreren Küchenmessern aufgerüstet, so daß aus dem Ponyrennwagen ein "gefährlicher" Streitwagen geworden war. Die Klingen blitzten im Sonnenlicht.


    Srrrrrriiiiiiiiiiinnnnnnnnggggg!


    Gras, Zierpflanzen, Blumen, Heckenreste und auch das ein oder andere Küchenmesser spritzten durch die Gegend als der antike Rasenmäher entlang der Rennstrecke seine Arbeit tat. Ein Sklave rettete sich durch einen beherzten Sprung in einer Zierfischtiech, ein anderer entging einem angedeutetem Keulenhieb von Serenus nur indem er sich auf den Boden warf.


    "HA! Ich bin Legatus Aristides! Ich werde es euch parthischen Hunden schon zeigen."


    Der Wagen raste wieder zu den Klinen heran, wobei er diesmal sehr schwankte und in eine Schräglage geriet. Dann machte Serenus eine Vollbremsung, indem er die Zügel zurück riss und den Wagen etwas zur Seite schlittern ließ, daß Grassoden durch die Luft spritzten.


    "Ach Papa. Ich muß nachher mal was ganz Wichtiges mit Dir besprechen. Ich brauche deine Hilfe. Und die von einigen Sklaven mit dicken Armen, sowie einige hübsche und talentierte Sklavinnen. Sie müssen Tanzen, Musizieren , Gaukeln und Geschichten erzählen können. Zur Not reicht aber auch, wenn sie gut aussehen und kurze Tuniken tragen. Ich habe gehört, daß so etwas Männern gut gefällt. Aber jetzt drehe ich erst mal noch ein paar Runden. Die Ponies werden sonst so dick wie du."


    Serenus konnte sich gerade noch am Wagen festhalten, denn Dido hatte die Gelegenheit genutzt und sich die Zügel geschnappt. Sie streckte ihrem Dominus die Zunge raus und ließ den Wagen langsam anfahren, während Nero bellend um den Wagen lief und dann voraus rannte.

  • Vielleicht war es ja auch mein Glück, dass Serenus diese spannungsgeladene Unterhaltung gestört hatte, denn so war der Römer mit einem mal wieder abgelenkt und konnte seiner Wut über den ausgespukten Wein nicht freien Lauf lassen. War anfangs in seinem Gesicht ganz deutlich das Entsetzen und der damit verbundene Ärger zu sehen, war nun, nachdem Serenus samt Gefolge wieder abgerauscht waren, wieder Milde eingekehrt. Ermutigend forderte er mich abermals auf, mit meiner Geschichte zu beginnen.
    Von einem Anflug der Nervosität geplagt, nickte ich unsicher und wollte beginnen.


    Vor langer Zeit lebte einst...


    Irritiert hielt ich wieder inne, denn schon wieder, diesmal mit noch mehr Lärm, kam der Möchte-gern-Krieger auf seinem "Streitwagen" vorbeigeflitzt, legte eine haarscharfe Vollbremsung hin, entstieg seinem Wagen und begann überschwänglich auf seinen Vater einzureden. Doch so schnell, wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden.
    Einen Moment wartete ich noch ab, um sicher zu gehen, nicht gleich wieder gestört zu werden. Meine Anspannung war durch den Zwischenfall nur noch größer geworden.


    Also, vor langer Zeit lebte einst Lir. Er war der Sohn eines Rí, eines Königs. Um den Frieden mit seinen Nachbarn zu bewahren, gab man ihn Aobh zur Frau. Aobh war von bezaubernder Schönheit und sie gebar Lir vier Kinder. Drei Jungen, Aed, Conn, Fiachna und eine Tochter, Fionnuala. Lir liebte sie über alles und er war glücklich mit ihr. Doch bei der Geburt des letzen Kindes starb Aobh. Lir, der bereits selbst König geworden war, vermisste seine Frau so sehr, dass er bald darauf Aobhs Schwester Aoife ehelichte, da sie in ihrem Aussehen ihrer Schwester, der toten Königin so sehr ähnelte. Allerdings blieb diese Ehe kinderlos und das grämte Aoife. Es grämte sie so sehr, dass sie beschloss, die vier Kinder ihrer Schwester aus Neid und Eifersucht zu töten. Doch als es soweit war, brachte sie es nicht über ihr Herz . Als sie eines Tages mit den Kindern zum See von Dairbhreach ritt und die Kinder weit in den See hinein schwammen, verfluchte sie sie und verwandelte die Kinder in vier weiße Schwäne. Fortan sollten sie 900 Jahre lang umherirren. Dem König erzählte sie, die Kinder seien ertrunken. Lir eilte zu dem See und fand nichts weiter als die vier Schwäne vor. Durch den Fluch hatten sich zwar ihre Körper verwandelt, doch die Schwäne konnten noch immer sprechen. Sie erzählten ihrem Vater, was geschehen war und nun erkannte Lir Aoifes schreckliche Tat und verbannte sie aus seinem Land. Der König verbot fortan das Töten von Schwänen, denn es konnten ja auch seine Kinder sein, die getötet wurden.


    Kurz hielt ich inne um vielleicht eine Reaktion seinerseits erhaschen zu können. Während der Erzählerns war es mir immer leichter gefallen, meine Anspannung wieder loszulassen und bald war sie gänzlich von mir abgefallen.


    Lir lebte bis zu seinem Ende verbittert am See um in der Nähe seiner Kinder zu sein. Die Schwäne allerdings hatten ein langes Leben vor sich. Die ersten dreihundert Jahre verbrachten sie auf dem See von Dairbhreach. Dann flogen sie auf das Meer hinaus und lebten die nächsten 300 Jahre in Sruth na Maoile, einem Wasser, welches zwischen Éirinn und Alba liegt. Dann, die Schwäne waren bereits schon betagt und müde geworden, verbrachten sie die letzten dreihundert Jahre auf Inis Gluaire. Als die neunhundert Jahre vorüber waren, erfüllte sich ihr Schicksal und sie wurden wieder in ihre menschliche Gestalt zurück verwandelt. Der Fluch war gebrochen doch sie waren so alt geworden. So starben kurz darauf.
    Noch heute gilt Lirs Gestz in Éirinn, das verbietet, einem Schwan, ein Leid anzutun.


    Sim-Off:

    Ich verschweige jetzt mal ganz einfach den christlichen Aspekt der Geschichte, der besagt, dass die Schwäne nach 900 Jahren durch das Geläute der ersten christlichen Kirche Irlands wieder ihre menschliche Gestalt zurück erhielten. Die Motive der Geschite liegen wahscheinlich noch weiter zurück, doch wie alle irischen Mythen wurde auch sie erst durch christliche Mönche ab dem 500 Jhd. aufgeschrieben. ;)


    Noch ganz der Sehnsucht anhaftend, beendete ich meine Geschichte und blickte erwatungsvoll zu dem Römer, der erwartungsgemäß immer noch auf seiner Kline lag und seinen Delikatessen frönte.

  • Anscheinend machte sich die junge Sklavin nicht sonderlich viel aus den Speisen, selber Schuld, befand Marcus und zog einer der Essensplatten näher an sich heran; die Leber hatte es Marcus angetan, sie war saftig, würzig und hatte dieses feine Aroma, was nur durch die Mästung mit Honig hervor gerufen wurde, eine Köstlichkeit eben, die man nicht überall im Imperium bekam und die auch nicht jeder Koch zubereiten konnte, der von den Flaviern konnte es, womöglich hatte er auch das Rezept aus Baiae erhalten, auf jeden Fall schmeckte es recht ähnlich wie in der villa seiner Mutter. Während Marcus eines von den geschnittenen Stücken nahm, es sich in den Mund schob und genießerisch kaute, dabei ebenso darauf wartete, daß die junge Sklavin etwas von sich geben würde, was ihn womöglich doch noch unterhielt, ließ Marcus seine Gedanken schweifen und dachte mit Wehmut an seine Mutter – die schönste Frau der Welt, selbst wenn Epicharis ziemlich nahe an ihr rangierte, so würde sie doch niemals seiner Mutter den Rang streitig machen können! Doch aus den Gedanken wurde Marcus schnell wieder heraus gerißen – selbst wenn er beschloßen hatte, daß er unbedingt und bald eine Reise nach Baiae machen mußte! - aber der Lärm, der erneut in den Innenhofgarten polterte, der war zu laut, um noch in Grübeleien zu versinken. Legatus Aristides? Glaubt er das also immer noch, sein Junge? Marcus Gesicht offenbarte sofort wieder ein gut gelauntes Lächeln.


    „Meine Hilfe, mein Sohn? So...das hast Du also gehört? Natürlich helfe ich Dir, Lucius...!“


    Marcus' Schultern zuckten bereits, als er das sprach und sein Junge davon sauste auf seinem Streitwagen, und das Lachen, daß sich in ihm bereit gemacht hatte, bahnte seinen Weg hoch. Dunkel war Marcus' Lachen, zudem ausgelaßen und gelöst. Seine Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen, während sein kollerndes Lachen durch den Garten schallte und ihm die Lachtränen in die fröhlich funkelnden Augen trieb. Er mußte noch ein paar Mal japsen, ehe er wieder Luft holen konnte und stolz und zufrieden über seinen Sohn lächelte. Was für ein Prachtbursche er doch war! Noch eine Weile konnte er sich über die Worte des Jungen amüsieren, denn selbst wenn dieser es haargenau getroffen hatte, was den Geschmack der Männer anging – gut, auf jeden Fall den von Marcus! - so brachte er das mit einer ausgesprochenen Naivität hervor, was dem ganzen wieder eine kindische Note verlieh. Scheinbar war der jungen Frau tatsächlich etwas eingefallen, darum wandte Marcus seinen Kopf ihr zu und fing an ihr zu lauschen, dabei die Köstlichkeiten des Tisches zu sich nehmend. Er lauschte von dem Schicksal des Königs und nickte langsam, ja, seine Kinder zu verlieren war schlimm, als Marcus darüber nachdachte, wurde sein Gesicht von einem düsteren Schatten umwölkt, seine Hand schloß sich fester um den silbernen Pokal, immer noch und beharrlich verdrängte Marcus die Geschichte um Arrecina und wähnte sie in Baiae. Ab und an, bei solchen Gelegenheiten, brach das jedoch wieder hervor, das Wissen, was er dennoch in sich trug, selbst wenn er dieses nicht an sich heran laßen wollte.


    Mit einem Zug lehrte Marcus den Becher mit Wein und ließ sich schnell nach schenken. Mit den Namen, wo die Schwäne dann überall lebten, konnte Marcus nichts anfangen. Doch als er weiter aß und sich einen Brocken von Schwanfleisch in den Mund steckte, gerade als Bridhe erzählte, daß es in diesem seltsamen Land namens Éirinn – wo auch immer das lag! - immer noch verboten war, solch ein Fleisch zu essen, da stockte Marcus und sah, langsam kauend und das Fleisch genießend, die junge Frau mit einem durchdringenden Blick an. Ob sie damit ihm etwas sagen wollte? Oder war es nur Zufall? Versteckte Botschaften hatten Marcus noch nie gelegen, er verstand sie meistens nicht und sie gingen oft an ihm vorbei. Zögernd nahm er noch etwas von dem weißen Fleisch in gelber Soße und aß davon, unbeeindruckt, ob er jetzt irgend ein Kind von dem Volk der Sklavin aß. Marcus grübelte einen Moment und zeigte sonst keine Reaktion auf die Geschichte. Erst nach einer Weile, wo er langsam weiter gegeßen hatte, sah er zu Bridhe.


    „Eine lebenslustige, kleine Maus tollte übermütig um einen Löwen herum, der in der warmen Mittagssonne vor sich hin döste.“
    , begann Marcus, leckte sich dabei noch einen Finger ab und lehnte sich auf die Kissen zurück.
    „Die waghalsige Mäusin stieg dem König der Tiere sogar auf die riesigen Pranken und beäugte sie neugierig. Da wurde der Löwe wach, packte die kleine Maus und wollte sie fressen. Das Mäuschen zappelte vor Angst und stotterte:“
    Marcus ließ seine Stimme etwas heller werden, als er die Maus imitierte.
    „"Lieber Herr König, ich wollte dich nicht aufwecken, wirklich nicht. Bitte, bitte, lass mich leben. Was hast du von so einem geringen, mageren Bissen, den deine großen Zähne nicht einmal spüren? Sonst sind Hirsch und Stier Opfer deiner ruhmreichen Jagd. Was kann dir denn ein so winziges Wesen, wie ich es bin, schon für Ehre einbringen? Ich gebe dir mein Mausewort, wenn du mich freilässt, dann werde ich dir bestimmt auch einmal aus der Not helfen."“
    Marcus verstummte einen Augenblick.
    „Der Löwe musste über diese kühnen Worte schmunzeln, und versonnen betrachtete er den kleinen Wicht in seinen großen Tatzen. Der Gedanke, daß er jetzt Herr über Leben und Tod war, erschien ihm göttlich.“
    Ob Bridhe die Andeutungen verstand? Marcus fand jedoch seinen Einfall noch ganz formidabel. Bei den folgenden Worten, als er den Löwen imitierte, wurde seine Stimme ganz tief.
    „"Lauf, kleiner Wildfang, ich schenke dir dein Leben", sagte er feierlich und öffnete langsam seine Pranken. Als die Maus behende davon flitzte, rief er ihr neckend nach: "Vergiß dein Versprechen nicht!"“
    Marcus ergriff den Becher mit Wein, um seine Kehle etwas anzufeuchten, ehe er die griechische Fabel - fast ein Jahrhundert alt - weiter erzählte.
    „Einige Monate später geriet der Löwe auf seiner Jagd in eine Falle. Ein festes Stricknetz hielt den gewaltigen König der Tiere gefangen. Der Löwe tobte und zerrte an den Maschen, aber es half nichts, das Netz war zu eng geknüpft. Der Löwe konnte sich kaum darin bewegen. Eine Maus huschte vorbei, stutzte und piepste:“
    Was Marcus auch versuchte nachzuäffen und dabei großen Spaß fand.
    „"Bist du nicht der große Freund von meiner Schwester, den du Wildfang genannt hast?" Im Nu hatte er seine Schwester herbeigeholt, und beide Mäuschen zernagten emsig und mit großer Ausdauer die festen Maschen, Stück für Stück, bis sie ein großes Loch ins Netz gebissen hatten, durch das der dankbare Löwe entkommen konnte.“


    Zufrieden legte Marcus seinen rechten Arm auf die Lehne der Kline, trank noch etwas Wein und sah Bridhe erwartungsvoll an. Doch schon gleich griff er wieder nach dem Fleisch und aß weiter. Zwischen zwei Bißen, meinte er zu Bridhe.
    „Wo liegt Éireeen, oder wie das heißt?“
    Ein taxierender Blick huschte über Bridhe.
    „Und willst Du mir vielleicht etwas mit Deiner Geschichte sagen, puella?“

  • Während ich erzählte, konnte ich vereinzelt einige Regungen in seinem Gesicht wahrnehmen. Besonders als es zu Beginn der Geschichte darum gegangen war, dass Lir seine Kinder verloren hatte, konnte man ganz deutlich sehen, wie nachdenklich und finster er dreinschaute. Hatte ich da etwa unwissend an einer Wunde genagt, die noch nicht richtig verheilt war? Doch viel Zeit zum nachgrübeln blieb mir nicht, denn ich wollte ja flüssig weitererzählen, was ich dann auch tat.
    Als ich die Geschichte zu Ende erzählt hatte, war mir nicht ganz klar, ob er verstanden hatte, was ich ihm damit sagen wollte. Jedenfalls folgte keinerlei Reaktion. Stattdessen kaute er fröhlich weiter. Wieder war es das Schwanenfleisch, an dem er sich gütlich tat. Nein, er hatte nichts begriffen, oder tat er es gerade deswegen?
    Mein Blick fiel noch einmal über das lukullische Schlachtfeld und blieb an einem Schälchen mit Oliven hängen. Ausgerechnet Oliven waren es, die mich jetzt ansprachen! Obwohl ich doch Oliven so gar nicht mochte. Doch nun sprachen sie förmlich zu mir, nimm uns, iss uns! Das konnte doch nicht wahr sein! Ich konnte einfach meinen Blick nicht mehr davon abwenden. In mir entwickelte sich eine wahre Gier danach. Doch hielt mich vorerst noch meine Furcht zurück, mich einfach ungefragt zu bedienen, griff ich, nachdem ich nicht mehr widerstehen konnte, einfach völlig überstürzt nach dem Schälchen und stopfte mir eine Handvoll Oliven in den Mund. Zufrieden kaute ich auf ihnen herum und ich konnte es selbst nicht fassen, dass ich sie nicht einfach ausgespuckt hatte, denn der widerliche Geschmack dieser Früchte war ja gleich geblieben. Nein ich kaute genussvoll auf ihnen herum und schluckte sie irgendwann hinunter. Dann dauerte es nicht allzu lange, bis ich mir noch eine Handvoll nahm.


    Widerlich gut, diese Oliven, sagte ich nachdem ich auch die zweite Ladung Oliven hinunter geschluckt hatte. Ohne nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es vielleicht unverschämt wirken könnte, griff ich auch ein drittes mal zu.
    Währenddessen ich nun genüsslich kaute, begann er eine Geschichte zu erzählen. Durch das Essen der Oliven war ich nun sichtlich gelöster und nicht mehr so verkrampft. Es machte mir sogar etwas Spaß, nun diejenige zu sein, der man eine Geschichte erzählte. So lauschte ich ihm aufmerksam.
    Bald konnte ich mich jedoch dem Gefühl nicht mehr erwehren, dass er seinerseits mit dieser Geschichte etwas bezweckte. Natürlich, die Maus war ich, auch wenn man nicht gerade behaupten konnte, dass ich derzeit vor Lebenslust sprühte. Ich, die ich in die Gewalt des allmächtigen Löwen geraten war, hoffte nun nicht nur vom Löwen verschlungen zu werden, nein ich hofftesogar darauf, freigelassen zu werden. Ich hatte zwar in meinem ganzen Leben noch nie einen echten Löwen gesehen, doch hatte man mir hier in der Villa schon mehr als einmal verdeutlicht, was Löwen waren und was sie taten, wenn man sie ließ. Ich erinnerte mich noch genau. Es war einer meiner ersten Abende in der flavischen Villa gewesen, als mir Sciurus die schlimmsten Schauermärchen erzählte und mir damit sagen wollte, dass ich zu nichts Nütze sei, außer zu Löwenfutter. Damals war ich voller Angst gewesen und Severus war es, der mir geholfen hatte und mir Sciurus vom Hals hielt. Da war er wieder, Severus! Eigentlich wollte ich versuchen, so wenig wie möglich an ihn zu denken, allerdings gelang mir das nicht immer. Wenigsten gingen wir uns erfolgreich aus dem Weg, was doch schon ein Fortschritt war. Doch plötzlich erinnerte ich an noch etwas anderes. Ich erinnerte mich, was Aquilius mir erzählt hatte, über dieses Mädchen, das Severus entführt hatte und in das er sich dann verliebt hatte. Arre… Arra… mir fiel der Name nicht mehr ein, doch es war ja auch gleich. Dieses Mädchen musste seine Tochter sein und wenn er der Vater des Mädchens war, dann war auch er derjenige, der Severus verfolgt hatte und Severus wiederum hatte dieses Mädchen nur entführt, weil er es war, der ihn zum Sklaven gemacht hatte! Endlich, es fiel mir wie Schuppen von den Augen! Jetzt wusste ich, wer dieser Mann war, auch wenn ich nicht seinen richtigen Namen kannte. Nun sah ich ihn, nun mit völlig anderen Augen an. Wieder wollte ich erstarren. Ich stellte das Schälchen mit den wenigen übriggebliebenen Oliven zur Seite und hörte auf, zu kauen. Nur seiner Geschichte folgte ich noch und jetzt noch gebannter, als ich es vorher getan hatte.
    Der Löwe hatte also wirklich die Maus frei gelassen, obwohl er nicht davon überzeugt war, die Maus könne ihm jemals behilflich sein. Doch tatsächlich, die Maus wurde unendlich wertvoll für den Löwen.
    Ja, ich war diese Maus und zwar auf ganzer Linie! Davon war ich überzeugt.
    Dem Römer schien es eine unbändige Freude zu bereitet zu haben, diese Geschichte zum Besten gegeben zu haben. Jedenfalls sah er zufrieden aus und blickte mich mit einer gewissen Erwartung an, nachdem auch er seine Geschichte zu Ende erzählt hatte.


    Die Geschichte war schön, dominus. Sie lässt darauf hoffen, dass es auch anderen Mäusen gelingen wird, dem Löwen zu entkommen.


    Ich war mir nicht sicher, ob er das hören wollte. Doch genau das war es, was mir dabei durch den Kopf ging. Erstaunlicherweise kam er nun doch noch auf meine Geschichte zu sprechen. Da wollte ich ihm keineswegs eine Antwort schuldig bleiben.


    Éirinn ist eine Insel und liegt westlich von Britannia, dominus. Dort ist meine Heimat. Ich wollte mit meiner Geschichte nur erklären, warum ich dieses Fleisch nicht essen sollte und es auch nicht essen kann.


    Ich war mir nicht sicher, wie er meine Offenheit bewerten würde. Daher sah ich eher verunsichert zu ihm hinüber.


    Soll ich dir etwas über meine Heimat erzählen?

  • Erstaunt betrachtete Marcus nun doch die junge Sklavin, aber hoppla, anscheinend hatte sie doch noch Appetit und traute sich endlich, bei den Speisen auch zu zu greifen, ja, Oliven waren schon etwas feines, Marcus liebte sie auch sehr, aber er war nur bei wenigem Essen ein Kostverächter und ließ sich das Meiste munden, selbst die exotischen Speisen im fernen Orient hatten ihm geschmeckt, sogar das Schlangenfleisch, was ihm ein guter Freund in Ägypten einst kredenzt hatte, ebenso Straußenfleisch, was genauso köstlich war und im Gegensatz zu anderem Geflügel doch deutlich sich im Geschmack unterschied, was vielleicht daran lag, daß diese Viecher viel größer als Enten und Schwäne waren und wohl nicht fliegen konnten, wie ihm sein amicus berichtet hatte, aber dafür umso schnell laufen. Aber das Bridhe nun nicht mehr das verschüchterte Sklavenmädchen spielte, das gefiel Marcus schon deutlich besser, na, vielleicht war die Hoffnung nicht ganz verloren und das Kind in den Brunnen gefallen. Andeutungsweise nickte Marcus auf ihre Worte zu den Oliven hin, ja, das sie gut waren, das wußte Marcus, aber er hatte auch heute darauf bestanden, nur das Beste vom Besten zu erhalten, auch die Oliven mußten würzig, reif und gehaltvoll sein, nicht diese kleinen mageren Dinger, die nach nichts außer so einer säuerlichen Note schmeckten, und schwarz mußten sie sein, Grüne waren bei weitem nicht so gut wie die Dunklen. Immer noch gemütlich an die Kline gelegt betrachtete er Bridhe mit einer hoch gewölbten Augenbraue und lächelte breit, ein wenig spöttisch, aber dann auch einfach gut gelaunt, schließlich hatte der Tag nicht allzu schlecht angefangen.


    „Nein, nein, Du mißverstehst, puella! Die Geschichte hat einen ganz anderen Sinn! Der Löwe läßt die Maus von sich aus laufen, sie entkommt ihm nicht, aber der Löwe erkennt, daß es sich nicht immer lohnt eine kleine Maus aufzufreßen, wenn sie ihm eventuell noch mal dienlich sein kann. Außerdem würde dem Löwen die Maus wohl sowieso nicht munden und er hätte sie schon ein hora danach wieder vergeßen, weil ihn der Hunger erneut plagen würde. Selbst wenn ein Löwe gefährlich sein kann, er weiß durchaus zu bedenken, wann sich eine Beute lohnt und wann nicht!“


    Ja, Löwen waren Marcus auch ungemein sympathisch, denn er hatte in Africa sie beobachten können, ehe sie gejagt wurden, und wie sie sich in der Sonne wohlig räkelten, das fand Marcus auch ansprechend für sich, einem solchen Leben war er nicht abgeneigt, selbst wenn er dann am Ende doch froh war, ein Mensch zu sein. Doch keiner erwartete von dem Löwen, daß er sich Pflichten und Ämtern stellte, wie die Familie es bei Marcus tat. Eine Hand von Marcus ruhte auf dem Polster, seine Finger strichen über den Stoff hinweg und spielten an einer der Kordeln, die als Verzierung diente, dabei sah er die junge Sklavin durchdringend an, war ihre Antwort wegen dem Schwanenfleisch als Unverschämtheit zu werten? Sollte er sie womöglich deswegen bestrafen laßen? Doch ein Blick auf ihren Bauch genügte Marcus, nein, eine Schwangere – egal ob serva oder nicht – stand unter besonderem Schutze und sollte bis zur Geburt nicht angerührt werden, was konnte das Kind schon dafür, daß die junge Frau sich nicht gerade geschickt gegenüber Marcus ausdrückte? So preßte Marcus einen Herzschlag lang nur die Lippen aufeinander und zuckte dann gleichgültig mit der Schulter – für sowas war ihr Herr zuständig, oder Herrin, denn Marcus wußte ja immer noch nicht, wer das war.


    „So, so, ein Sakrileg ist es also bei euch? Na, dann... wer bin ich, daß ich euren Gesetzen widersprechen will.“
    Marcus war es eh gleich, ob sie weiter von dem Fleisch aß. Er deutete mit einer Hand auf den Tisch.
    „Es ist ja noch mehr da, dort, Täubchen...oder sind die bei euch auch tabu? Oder Ente, es gibt nichts besseres als Entenfleisch!“


    Seine Augen leuchteten schon alleine bei den Worten und prompt bekam Marcus Appetit darauf, so zog er die Platte mit dem Entenfleisch näher und nahm einen Bißen davon. Marcus kaute und schluckte herunter, ehe er weiter sprach, das hatte ihm seine Mutter als Junge eingebläut und manche Dinge waren dann doch wieder hängen geblieben, eben nicht mit vollem Mund zu sprechen. Nachdenklich betrachtete Marcus die Sklavin; eine Insel westlich von Britannia? Himmel, hörte da nicht schon längst die Welt auf, fiel dort der Ozean nicht in eine unendliche Tiefe hinab – mit dem Konzept einer Kugel konnte sich Marcus nicht wirklich anfreunden, denn schließlich war die Erde seiner Meinung nach platt, abgesehen von den Bergen -!? Marcus runzelte die Stirn und dachte darüber nach, wie hießen die Länder dort noch mal? In seiner Jugend hatte er sie doch lernen müßen, aber sofort wieder vergeßen, es hatte ihn nicht interessiert und die Hausaufgaben bei dem paedagogus hatte er nicht gemacht damals, die Arbeit war an Hannibal hängen geblieben.


    „Ist das die Insel, die bei uns Metanis oder Albingis, nein, Abaladon heißt?“
    Natürlich warf Marcus die Namen völlig durcheinander, hatte vergeßen, daß es Metuonis und Abalon hieß.
    „Oder gar dieses ominöse Thule? Und gibt es bei euch wie in Britannia diese Zauberer, wie heißen sie noch mal...Drudus? Drutzden? Ist die Frau in der Geschichte auch so ein Drudus? Aber nur zu, erzähl, puella!“

  • Diese widerlichen Oliven, die ich ja eigentlich überhaupt nicht mochte, sie lachten mich so unverschämt an, jeden falls die wenigen, die ich in meiner Gier noch übrig gelassen hatte. Nein, widerstehen konnte ich nicht! Diese letzten paar musste ich jetzt auch noch haben. Das waren die besten widerlichen Oliven, die ich je gegessen hatte und natürlich holte ich mir jetzt auch noch den Rest. Ich aß nicht, nein ich schlang sie hinunter. Schade, dass es nichts anderes als Wein zu trinken gab, denn Durst hätte ich jetzt auch gehabt. Ob es auch einen Wein gab der nicht so widerlich nach Wein schmeckte? Vielleicht sollte ich ihn mit Wasser verdünnen? Wirklich schade, dass es keinen Met gab. Zu dumm, dass mein Vorrat an Imbolc komplett ausgetrunken worden war. Tja, man konnte eben nicht alles haben! Oder vielleicht doch? Wenn ich ganz lieb und nett fragen würde? Aber ich traute mich nicht so. Dieser Arristus oder wie auch immer, keine Ahnung, war mir noch immer noch nicht so ganz geheuer. Was, wenn er mich hiermit nur köderte und dann am Ende kam dann das böse Erwachen?
    Über seine Sichtweise der Löwengeschichte musste ich erst einmal nachsinnen. Schlagartig fiel mir an dieser Stelle wieder dieser Widerling Furiuanus ein, der mir im Bad so zugesetzt hatte. Er hatte mir alleine deswegen nichts angetan, weil er mich zum spionieren eingeplant hatte. Doch dummerweise wurde da nichts draus! Tja, manchmal konnte eine Maus auch über sich hinaus wachsen!
    Wenigsten nahm er mir das wegen dem Schwanenfleisch nicht krumm. Nein, er akzeptierte dies sogar! Sollte es tatsächlich auch Flavier geben, die keinen Sprung in der Schüssel hatten? Doch so ganz wollte ich mich mit diesem Gedanken noch nicht anfreunden.
    Sollte ich wirklich mal von dem Taubenfleisch oder von der Ente probieren? Irgendwie hatten mich diese blöden Oliven hungrig gemacht und nun lief mir plötzlich das Wasser im Munde zusammen. Komisch, mir war gar nicht mehr schlecht! Verstohlen griff ich nach einem Stück Ente. Die Haut triefte zwar vor Fett, doch sie war so was von knusprig! Mhhhm, lecker! Schmatzend griff ich nach noch einem Stück. Das Fett lief an meinen Fingern herunter. Eigentlich ekelte ich mich ja vor so etwas. Aber heute konnte ich einfach nicht davon lassen! Doch mit jedem weiteren Bissen, den ich tat, plagte mich immer mehr der Durst.


    Sag mal dominus, darf ich eine Frage stellen? Hast du vielleicht auch Met oder so etwas? Den mag ich nämlich am liebsten.


    Ob meine Frage nun zu vermessen gewesen war oder nicht würde sich sicher bald herausfinden lassen. Aber wer ein Feinschmecker war, konnte doch unmöglich am Met verbeikommen, ohne ihn probiert zu haben!


    Mit diesen eigenartigwen Namen, die er mir dann nannte, konnte ich so gar nichts anfangen.


    Metanis, Abaladon? Da habe ich noch nie etwas davon gehört. Hier nennt man meine Insel Hibernia, weil sie so grün ist. Nein und Thule kenne ich auch nicht. Das soll, glaube ich noch weiter im Norden sein!


    Ich mutmaßte einfach mal, denn ganz so sicher, war ich mir da auch nicht! Ich war aus meinem Dorf nie richtig raus gekommen und hatte bis zu dem Tag, als sie mich raubten, die Insel nie verlassen.


    Mein Dorf aus dem ich komme liegt ander Müdung eines Flusses, der dort ins Meer mündert und Boinne heißt. Gar nicht weit weg, vielleicht in ein bis zwei Stunden mit dem Pferd zu schaffen, liegt Tara. Dort regiert der oberste König. Der Ard Rí. Und ja, bei uns gibt es auch Druiden. Sie geben das Wissen von Generation zu Generation weiter. So zum Beispiel auch Lirs Geschichte. Aber sie sind auch so etwas wie Priester. Sie begleiten uns an unseren Festen und sind die Mittler zu den Göttern. Ich weiß nicht, ob Aoife aus der Geschichte eine dieser Druiden war. Sie lebte lange vor unserer Zeit, als die Tuatha de Dannan noch die Insel beherrschten.
    Was möchtest du wissen? Wie wir leben? An was wir glauben oder möchtest du doch etwas anderes hören?

  • Ein Sklave stellte einen Hocker zu den Klinen und auf ein kleines Beistelltischchen drei Tonschüsseln mit Lebertran, lauwarmer Hühnerbrühe und gekochtem Huhn. Dazu einen riesigen Teller mit geschnittenem Obst in mundgerechten Stücken.


    Wenig später bog Serenus um die Ecke. In der Hand hielt er eine Leine, welche in einem rubinbesetztem Lederhalsband endete, welches den Hals von seinem kleinen Löwen Leontius umfasste. Sein Hund Nero lief in zwei Schritt Abstand daneben, lief dann zu den Klinen, wedelte beim Anblick von Aristides drei Mal mit dem Schwanz und ließ sich dann vor der Kline der Sklavin hinplumpsen.


    Serenus setzte sich auf den Hocker und stellte die Tonbecher dem kleinen Löwen auf den Boden, welcher sich gierig darüber her machte, während er zwischendrin abwechselnd den Hund, die Sklavin und auch Flavius Aristides wütend anfauchte um seinen Anspruch auf das Fressen zu äußern.

  • Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, wurden ein Hocker und ein Tischchen herbeigeschafft. Ich dacht mir erst nichts dabei. Allerdings, als kurze Zeit später Serenus, gefolgt von seinem Hund und diesem gelben Etwas, das aussah wie eine zu großgeratene Katze, auftauchte, wurde ich doch etwas unruhig.
    Mit dem Jungen hatte ich noch nicht allzu viel zu tun gehabt. Doch ich hatte schon so einiges über ihn gehört. Ob es sich dabei nur um Schauermärchen handelte oder ob dies die Wahrheit war, konnte ich nicht sagen. Aber dies war Grund genug für mich, um vorsichtig zu sein. Mit dem Hund verhielt es sich ähnlich. Die anderen Sklaven hatten eine Heidenangst vor dem Tier. Eigentlich hatte ich ja gar nichts gegen Hunde, auch nicht gegen solche große, wie dieser es war. Die Hunde in meiner Heimat waren auch sehr groß, allerdings nicht so stämmig wie dieser hier. Dafür waren sie überaus flink und hatten eine große Ausdauer beim Rennen. Man benutzte sie hauptsächlich zur Jagd, doch lebten die gutmütigen Tiere auch mit der Familie zusammen.
    Was mir allerdings wirklich Sorgen machte, war dieses fauchende Tier, das ich nicht kannte. Nie zuvor hatte ich so etwas gesehen. Seitdem ich hier war, hatte ich zum ersten mal Bekanntschaft mit Katzen gemacht. Ich hatte sie als liebreizende possierliche Tierchen kennengelernt, die gelegentlich auch etwas ruppiger sein konnten, wenn man sie ärgerte. Ob dies nun einer dieser Löwen war, von denen ich ja auch schon so manche Horrorgeschichte gehört hatte?
    Als sich nun dieses Tier direkt vor meine Kline legte und mich auch noch wütend anfauchte, zog ich schnell meine Beine zu mir an und gab einen spitzen Schrei von mir.


    Fóir orm! Was soviel wie Hilfe bedeutete.

  • Serenus interpretierte den Schrei und Ausruf der Sklavin, welchen er natürlich nicht verstand, völlig falsch: hysterische Begeisterung wie er es von Rennen und Spielen her kannte, wenn der wenig gebildete Zuschauer auf eine Besonderheit traf, welche für ihn das Unbekannte oder das Exotische darstellte.


    Er lächelte huldvoll die Sklavin an und deutete auf den kleinen Löwen.
    „Sein Name ist Leontius. Wenn er groß ist, wird er größer als Nero sein und in der Arena Sklaven und Verbrecher in Stücke reissen. Meistens sind es aber Sklaven der Gens Flavia die in Ungnade gefallen sind. Es kann also sein, dass du ihn einmal ganz nah wieder sehen wirst. Nur ist er dann etwas größer und hat mehr Interesse an Dir.“


    Leontius schien ein großer Freund von Lebertran zu sein. Serenus nahm zur Kenntnis, dass der kleine Löwe den Lebertran immer zuerst schlabberte. Geduldig wartete er darauf, dass der kleine Löwe fertig wurde. Danach würde er ihm das Bäuchlein massieren und das Fell bürsten, bevor es einen Verdauungsspaziergang gab.

  • Mir saß immer noch der Schreck in den Knochen und nichts konnte mich dazu bewegen, meine Augen von diesem fauchenden Tier zu lassen. Den Jungen hingegen schien mein Verhalten auch noch zu amüsieren und mit dem was er dann vom Stapel ließ, war ich völlig bedient! In solchen Augenblicken wünschte ich mir immer, keine Sklavin zu sein. Dann hätte ich dem vorlauten Knirps mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ohrfeige verpasst. Wie konnte man als Vater nur zulassen, dass der eigene Sohn, mit einem solchen Tier spielte? Es musste also doch etwas Wahres an diesem Gerücht sein, das besagte, jeder Spross dieser Familie leide unter gewissen Anwandlungen, beim einen ausgeprägter, beim anderen weniger ausgeprägt. Bei dem Jungen jedoch war ich mir ganz sicher! Er hatte sicher auch noch hier geschrieen, als es darum ging, die Eigenarten an die Menschen zu verteilen. Hoffentlich bekäme mein armes Kind nicht soviel von diesem flavischen Leiden ab!
    Am liebsten wäre ich jetzt aufgestanden und gegangen, aber da saß ja noch immer dieses Vieh, das sinniger Weise auch noch Leontius hieß. Mit Kreativität schien der junge Mann also auch nicht gesegnet zu sein. Na wenn schon!
    Mit einem flehenden Blick schaute ich jetzt zum Vater des Jungen. Hoffentlich schickte er ihn weg. Mit so einer Töle zu speisen, machte doch auch keinen Spaß! Falls er ihn nicht wegschicken wollte, dann hätte er doch mich wenigstens gehen lassen können. Doch nichts passierte!


    Ich glaube nicht, dass er großes Interesse an mir haben wird, so dürr wie ich bin!


    Etwas auf diese Geschmacklosigkeit zu erwidern, war das einzige, was ich jetzt noch tun konnte. Unter anderen Umständen, hätte ich dem Bengel natürlich noch etwas ganz anderes gesteckt. Stattdessen verkniff ich mir das besser.

  • Nicht sonderlich interessiert und nur mit halben Ohr lauschte Marcus der Erzählung von Bridhe über ihr Dorf, denn mit den Namen konnte er nichts anfangen, sie klangen zu fremdartig, außerdem hatte er sie schon sofort wieder vergeßen, nachdem Bridhe sie nannte; er winkte jedoch den Sklaven heran, der ihm schon den Wein kredenzt hatte und schickte ihn aus, nach Met zu suchen, wenn es diesen im Haus nicht gab, dann sollte er zur nächsten taberna eilen und welchen dort erwerben. Met! Marcus schüttelte kurz beim Gedanken an das üble süße Gesöff den Kopf, aber das war typisch, Frauen vertrugen eben mal den herben Wein nicht, sie brauchten immer etwas Süßes dabei. Selbst wenn es Frauen heutzutage wenigstens in Rom gestattet war, Wein zu trinken und das nicht mehr ein Grund war – wie in alter Zeit – daß man sogar die Ehefrau dafür verstoßen konnte; Marcus sah seinem Sohn entgegen, als dieser heran kam und lächelte milde als der Löwe ihn anfauchte; daß die kleine Wildkatze ihn nicht sonderlich mochte, das hatte Marcus in den letzten Tagen mehrmals erfahren, seinen einen Arm zierte immer noch die Striemen von den Löwenkrallen.


    „Na, mein Sohn? Führst Du Deinen Löwen spazieren?“
    , fragte Marcus nach dem kleinen Hin- und Her von Bridhe und Serenus, wobei er Bridhe einen warnenden Blick zuwarf, gegenüber seinem Sohn tolerierte Marcus keine Unverschämtheiten von der Sklavenschaft, da war Marcus gnadenlos, schließlich war er sein Sproß, sein Erbe, sein ganzer Stolz und der Enkel seiner Mutter.
    „Wenn Löwen einmal ausgehungert sind, fallen sie auch über ein Kaninchen her...oder eine Maus!“
    , meinte Marcus zu Bridhe, wandte sich jedoch wieder seinem Sohn zu mit dem Anflug von Stolz und väterlicher Liebe im Gesicht.
    „Sollen wir Dir mal in nächster Zeit einen neuen Rennwagen kaufen, Lucius, mein Sohn?“
    Ein Sklave näherte sich eilig und beugte sich zu Marcus hinab, flüsterte ihm leise etwas ins Ohr; Marcus lauschte und nickte erfreut.
    „Sehr gut, Hannibal soll sie in mein cubiculum bringen! Ich komme gleich!“
    , befahl er dem Sklaven, der sich verbeugte und verschwand.

  • Für einen Moment lag die Aufmerksamkeit des Römers nicht auf mir. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, um zu entwischen, wenn ich nur nicht solche Angst vor der Raubkatze gehabt hätte. Vorsichtig rutschte ich zum Seitenende der Kline, um dann ganz plötzlich wegspringen zu können. Allerdings in dem Moment, in dem ich hätte das Weite suchen können, richtete er seinen Blick zu mir und drohte mir mit Worten. Aber ich hatte Glück! Schon kurz danach, widmete er sich wieder seinem Sohn und ich konnte weiter Vorkehrungen für meine Flucht treffen. Noch ein Stücken näher rückte ich dem Seitenende entgegen. Bald konnte ich ganz unauffällig meinen linken Fuß auf den Boden setzen. Der rechte konnte gleich darauf folgen. Mit meinen Händen versuchte ich mich leicht abzustützen, damit ich aufstehen konnte. Ich wollte keinen Gedanken daran verschwenden, was alles passieren konnte, wenn ich einfach so verschwand. Im schlimmsten Fall hetzte Serenus seinen Löwen auf mich.


    Endlich hatte ich es geschafft! Ich hatte mich aufgerichtet, ohne groß Aufmerksamkeit erregt zu haben. Jetzt sollte es eigentlich ein Leichtes sein, sich unbemerkt zurück ins Haus zu schleichen. So dachte ich jedenfalls. Just, als ich mich davon stehlen wollte, erschien ein Sklave aus dem Inneren des Hauses, der praktisch direkt vor mir stehen blieb. Als ich die Stimme des Römers in meinem Rücken vernahm, wäre ich zur Salzsäule erstarrt, hätte ich nicht so aus Furcht zittern müssen. Ich rührte mich kein bisschen und schloss die Augen. Ich konnte mir nicht vorstellen, ungestraft davon zu kommen.

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