Gegen die borkige und aufgeworfene Rinde einer Platane lehnte sich Hannibal. Die mehr gedeckte Farbe seiner Tunika schien gut mit den Grün- und Brauntönen des Stammes zu harmonieren. Im Laufe seines Lebens war er so einigen Sklaven begegnet, die ein ähnliches Schicksal wie Fiona zu verzeichnen hatten. Die sich auch nach ihrer Heimat verzehrten. In Baiae war da ein junger Mann gewesen, kaum Bart auf dem Gesicht, der sich jede Nacht in den Schlaf geweint hatte. Die Meisten fanden sich damit irgendwann ab. Oder resignierten einfach. Wenige rebellierten, wie der Germane in der Villa der Flavier. "Es ist nicht abwegig, dass Dein Traum noch in Erfüllung geht, Fiona. So manch ein Sklave erhält nach einigen Jahren noch die Freiheit." Wenn ein doch gerechter Sklavenhalter ihr Herr war. Da Hannibal jedoch glaubte, dass Epicharis die Herrin der beiden Sklavinnen war, schätzte er die Wahrscheinlichkeit als nicht zu gering ein. Die Möglichkeit, dass Fiona wieder frei gelassen wurde und in ihre Heimat zurück kehren könnte. Doch paradoxerweise hatte Hannibal auch oft erlebt, dass solche Sklaven dann doch nicht diesen Weg gingen. Manche, weil sie nicht wussten, was sie in ihrer Heimat tun sollten, Andere, weil sie sich zu sehr an das römische Leben gewöhnt hatten oder gar Familie in Rom hatten.
Wenn man Fragen stellte, musst man wohl auch damit rechnen, selber auf den Zahn gefühlt zu bekommen. Fiona sprach durchaus etwas an, womit Hannibal schon länger zu kämpfen hatte. Den Wunsch, endlich das Versprechen zu erhalten, was sein Herr ihm vor langer Zeit einmal gegeben hatte. Die Freiheit. Doch noch viel schlimmer war die letzte Frage...die Frau, die er liebte. Hannibals eben noch gelöstes Gesicht veränderte sich schlagartig. Die Mundwinkel sanken herunter. Seine Gesichtsmuskeln wurden starr und seine Augen bekamen einen düsteren und gleichzeitig abweisenden Glanz. Er sah von den leuchtenden Blüten des Oleanders hinfort. Auch von der keltischen Sklavin und liess seinen Blick durch die Bäume des Parkes schweifen. Die Frau, die er liebte? Hannibal schwieg. Während es in ihm wieder hoch brodelte. Die Verzweiflung des letzten Jahres, die Sorge und die Angst. Jedoch auch der Schatten des Ungeheuers in ihm, das er nicht immer im Griff hatte. Es schien als ob es nicht seine Stimme war, die schliesslich antwortete. Sie klang heiser und trocken. "Doch, das tue ich. Manchmal ist es mir bestimmt genauso zuwider, ein Sklave zu sein. Aber ich habe noch Glück. Im Gegensatz zu den meisten Sklaven kann ich immer noch viel selbst entscheiden. Ausserdem bin ich mit meinen Herrn zusammen aufgewachsen. Es ist etwas anderes, als bei den anderen Sklaven. Auch als Sklave kann man im Übrigen heiraten."
In der Hitze des Tages schienen die Dächer von Rom vor Hannibals Augen zu flimmern. "Die Frau, die ich liebe?" Nachdenklich und immer noch seltsam verändert hallte es in den Worten von Hannibal nach. "Sie...ist tot." Das ist sie nicht!, rief laut eine Stimme in seinem Kopf. Du musst sie nur finden. Hannibal schüttelte den Kopf. Als ob er jene Stimme in seinem Inneren vertreiben wollte. "Gibt es jemanden, den Du heiraten möchtest?" Hannibal wandte seinen Kopf der Sklavin zu und sah sie fragend an.