Opfern für Anfänger - Eine praktische Übung für die discipuli

  • Der Tag begann früh, ich war weder schon richtig wach noch richtig begeistert von der Aussicht, heute zwei relativen Anfängern die Geheimnisse des Opferhammers nahe bringen zu müssen, aber wie es eben immer war, man machte doch meist die Dinge, auf die man keine Lust hatte, um immer weniger Zeit für die Sachen zu haben, die man gerne tat. In meinem Fall war das Weintrinken, ausruhen, lesen, das ein oder andere Gedicht schreiben und sonst das Leben zu genießen - aber da ich leider weder reich genug war, um meine Karriere bereits im jungen Alter über den Tiber zu werden, noch einflussreich genug, um mich sicher zu wähnen, stand ich unausgeschlafen und tadellos gekleidet vor dem Tempel des Mars Ultor und wartete auf meine beiden Schüler Tiberia Camilla (jene würde zweifelsohne das erste Mal blutig opfern) und Matinius Ticinius (bei ihm war ich mir nicht sicher, aber ging lieber von Unwissen aus, als zuviel zu erwarten).


    Wenigstens regnete es nicht, was mir den Tag vollends verdorben hätte, denn im strömenden Regen in glitschigen Blutströmen zu stehen war nicht gerade meine bevorzugte Freizeitbeschäftigung. Einige frühe Tempelbesucher nickten mir höflich zu, aber glücklicherweise blieb auch keiner stehen, um diese Zeit irgendwelche ausschweifenden Schilderungen persönlicher Probleme zu hören hätte meiner Laune wahrscheinlich endgültig den Todesstoß versetzt. Sinnierend blickte ich in den wolkenverhangenen Himmel und ließ die Zeit vergehen, während ein Teil meiner Selbst darüber nachsann, welche Katastrophen passieren konnten, wenn man discipuli mit lebendigen Ferkeln zusammenbrachte.

  • Am Morgen nach seinem Gespräch mit dem Flavier erschien Ticinius pünktlich beim Tempel des Mars Ultor, um das opfern zu üben. Er fragte sich, ob das Opfer blutig oder unblutig sein würde, vielleicht es auch beides. Mit diesen Gedanken überquerte er das Forum Augustum und übersah fast den Flavier, der vor dem Tempel stand, in den Himmel schaute und nicht gerade einen zufriedenen Eindruck machte - vielleicht fürchtete er, dass es anfing zu regnen. Ticinius schritt auf ihn zu und begrüßte ihn erst einmal: "Salve, Flavius Aquilius.". Nun würde er vermutlich von dem sacerdos erfahren, was für den heutigen Tag vorgesehen war.

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  • "Salve, Matinius Ticinius," erwiederte ich seinen Gruß wohlwollend - ich mochte Pünktlichkeit, vor allem enthob sie mich der Notwendigkeit, noch länger herumzustehen wie bestellt und nicht abgeholt. "Für heute habe ich uns Ferkel besorgt, damit die Übung auch realistisch wird - wahrscheinlich wird sich Tiberia Camilla verspäten, was bedeutet, wir legen gleich los. Hast Du Erfahrung im opfern von größeren Tieren?" Mit einem fast gehässig gutgelaunten Lächeln bedachte ich meinen Schüler, mich ganz genau entsinnend, wie sehr mir das Herz in die tunica gefallen war, als mein Vater mich damals zu den ersten Opferübungen gezwungen hatte. Kleines Federvieh opfern, dem man zur Not den Hals umdrehen konnte, war einfach - aber Ferkel waren nicht so leicht totzukriegen und würden vor allem elendig laut quieken, wenn man sie nicht gleich erwischte. Tausend und eine Möglichkeit, sich als discipulus zu blamieren.


    Sim-Off:

    Tiberia Camilla ist derzeit wg. Prüfungen abgemeldet - wir fangen einfach schonmal ohne sie an ;)

  • Ticinius hörte aufmerksam zu - sie würden also blutige Opfer üben. "Ich habe sehr wenig Erfahrung mit dem Opfern größerer Tiere. Ich war nur bei einigen Opfern anwesend, wie beispielsweise bei den Parentalia", beantwortete er die Frage des sacerdos und betrachtete die Ferkel genauer. Eines oder mehrere würde er also wahrscheinlich töten müssen - wie gut, dass er Blut sehen konnte.


    In Hispania, wo er aufgewachsen war, hatte er öfters Tiere in der Arena sterben sehen, wenn er diese besuchte. Dennoch war es ein Unterschied, Tieren beim Sterben zuzusehen und sie selber zu töten - doch hoffentlich war es kein großer und er würde sich nicht blamieren.

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  • "Nun, der fehlenden Erfahrung werden wir heute abhelfen - letztendlich geht es um das gesamte Opfer, nicht nur um den blutigen Teil alleine. Komm, gehen wir gleich zum Altar, er wird später sicherlich gebraucht werden, also müssen wir uns die frühen Morgenstunden für das Üben freihalten, damit wir niemanden stören." Zudem, wenn er zuhause übte, konnte ich ihn schlecht überwachen oder Anleitung geben, wenn er dessen bedurfte, und so führte ich ihn vom Treppenaufgang zum Tempel hinauf in Richtung des etwas abseits des Hauptweges liegenden Altars, der sauber geschrubbt im Licht der Morgensonne glänzte.
    "Beschreibe mir doch erst einmal allgemein den Ablauf eines blutigen Opfers, von Anfang an, damit ich sehe, was Du bereits weisst und woran wir noch arbeiten müssen." Wenn er bereits größere Opfer miterlebt hatte, sollte dieser Teil ihm keine großen Probleme bereiten und ich hatte die nicht unberechtigte Erwartung, dass er mir eine gute Antwort geben würde. Einer der jungen camilli vom Tempel zeigte sich an den Säulen und linste zu uns herunter, wohl um abzuschätzen, ob Ticinius Kundschaft oder Schüler war, trollte sich dann aber recht schnell wieder, als er merkte, dass es hier vorerst noch nichts zu tun gab. Oder aber, er floh rechtzeitig, bevor die Arbeit beginnen konnte ...so genau war das nicht zu erkennen.

  • Ticinius folgte dem Flavier schweigend zum Altar, der abseits des Hauptweges stand. Er sollte also den Ablauf des blutigen Opfers beschreiben? Hoffentlich erinnerte er sich an alle Dinge. Er antwortete:


    "Zuerst wird die Menge zum Schweigen aufgefordert." Dann tritt der sacerdos vor den Tempel. Auch das oder die Opfertiere werden von dem oder den Opferdienern dorthin geführt. Der sacerdos schaut sich an, ob die Tiere unversehrt sind, und beginnt dann zu beten, und unblutige Dinge zu opfern. Ich glaube, dies nennt man Voropfer. Ist das richtig?" Fragend blickte Ticinius den Flavier an. "Dort werden beispielsweise Getreide oder Salz geopfert. Der sacerdos legt es auf den Altar. Dann wäscht er sich die Hände und reinigt die Tiere rituell. Dann betet er wieder. Nachdem es fertig ist, fragt der Opferdiener "Agone?" und der sacerdos antwortet mit "Age!". Dann betäubt und tötet der Opferdiener das Tier. Der Opferdiener fängt das Blut auf und stellt es auf den Altar. Dann kommt ein Haruspex und untersucht die Eingeweide. Wenn er nichts ungewöhnliches findet, ruft er "Litatio!". Damit ist das Opfer erfolgreich und beendet."


    Während seiner Antwort beobachtete Ticinius einen camillus, der ihn anscheinend beobachtete. Da dieser aber kurz darauf wieder veschwand, beachtete er ihn nicht weiter. Nun fiel ihm auf, dass die Opferhandlung, die er beschrieben hatte, für ein normales Opfer wohl zu aufwenig war. Deshalb fügte er hinzu: "Ich glaube aber, diese Opferhandlung wird nur bei Feiertagen angewendet." Nun war Ticinius gespannt, ob alles richtig war.

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  • Ich lauschte seiner Erklärung, nickte bisweilen, aber nicht jedes Mal, seinen Worten gab es das ein oder andere durchaus hinzuzufügen. "Beim Voropfer - immer im Inneren des jeweiligen Tempels - betet man vor der Götterstatue, und alle Teile eines unblutigen Opfers werden auf dem Opfertisch dargeboten, nicht aber das zu opfernde Tier - Du willst Dir nicht vorstellen, wie der Tempel aussehen würde, wenn wir dort täglich Kühe, Rinder, Ferkel und ähnliches durchschleusen müssten. Erst dann verlässt man den Tempel, um sich dem Opfertier zuzuwenden .. das, wie Du richtig sagtest, begutachtet wird. Das beste ist es, schon vor der Zeremonie beim Einkauf des Tiers sehr genau auf körperliche Mängel, den richtigen Gang und dergleichen mehr zu achten, das erspart Dir später viel Ärger. Auch sollte vor allem die rituelle Reinheit der Teilnehmer sichergestellt werden - vor dem Tempel mit dem symbolischen Wasserbesprengen, wenn es außer dem Opferherrn noch Zuschauer gibt, die direkt teilnehmen. Dann wird um Schweigen gebeten, die Hände gewaschen - und das Tier wird mit der mola salsa bestrichen, das darf unter keinen Umständen vergessen werden. Der Opferherr nimmt die symbolische Entkleidung vor und dann geht es auch an die blutigen Tatsachen, die Du richtig beschrieben hast, wenngleich bei privaten Opfern der Priester die Tiere ausweidet und in den Eingeweiden liest, einen Haruspex braucht man nur bei den großen Staatsopfern ... ob nun offizieller Feiertag oder nicht, kommt auf den Anlass an." Ich hielt inne, schmunzelte dann, um fortzufahren: "Welche Zeichen sollten einen Priester dazu bringen, die litatio nicht zu verkünden? Weisst Du das auch? Und was macht man, wenn das Opfer nicht angenommen wurde?"

  • Ticinius hörte aufmerksam zu und versuchte, so viel wie möglich zu behalten: Voropfer im Inneren des Tempels, Opfer vor dem Tempel, Wasserbesprengen der Zuschauer, das Opfertier mit der mola salsa bestreichen, bei normalen Opfern kein Haruspex. Langsam bedauerte er es, keine tabula mitgenommen zu haben. Dann antwortete er auf die Frage des Flaviers: "Der Priester sollte beim Tier gucken, ob es auch innerlich gesund ist. Wenn die Eingeweide krank aussehen, sollte man die litatio nicht verkünden." Was man dann machen sollte? Verschwommen erinnerte er sich an einen Artikel in der letzten Acta Diurna, wo so etwas beschrieben wurde. "Dann sollte man das Opfer abbrechen oder so lange wiederholen, bis es angenommen wurde."

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  • Ich nickte zufrieden - entweder hatte er es einfach so gewusst oder er zählte zu den Acta-Lesern, aber egal woher, es war gut, dass er es wusste. "Das ist richtig ...die Zeichen für ein nicht angenommenes Opfer sind allerdings noch ein wenig vielfältiger. Missbildungen der inneren Organe sind nur eine Möglichkeit, woran man dies erkennen könnte. Sobald das Tier getötet wurde, muss auch dessen Blut fließen - man öffnet üblicherweise die Schlagader am Hals, weil dort am schnellsten der gewünschte Blutfluss eintritt. Fließt das Blut trotz eines Schnitts am Hals nur zögerlich oder gar nicht, ist dies auch ein kritisches Zeichen, bei dem man das Opfer besser wiederholt - es ist in jedem Fall ein sehr schlechtes Omen. Je reichlicher das Blut fließt, desto besser."
    Wir schritten langsam auf den Altar zu, und ich kam nicht umhin, die Erinnerung an das dreifache Opfer an Mars vor einigen Wochen im Gedächtnis erscheinen zu haben. Was ein seltsamer Tag es doch gewesen war!
    "Kommen wir zurück zu nicht angenommenen Opfern. Sollte ein Organ gänzlich fehlen, ist das Opfer ebenso nicht angenommen. Sage mir, welche Organe gehören zu den vitalia, den Organen, welche den Göttern geopfert werden nach der Schlachtung des Tiers?"

  • Wiederum hörte Ticinius aufmersam zu und versuchte, sich so viel wie möglich einzuprägen. Doch bei der darauffolgenden Frage des sacerdos wusste er keine Antwort, sondern konnte nur raten: Was untersuchten denn die Haruspices? Soweit er wusste, war es besonders die Leber. Doch welche anderen Organe wurden geopfert? Das Herz? Das sicherlich, schließlich hatte Ticinius erst kürzlich bei Aristoteles gelesen, dass dieses der Sitz der Seele sei. Die Lunge? Auch die vielleicht, denn schließlich war sie für die Atmung wichtig. Vielleicht auch alle lebenswichtigen Organe? Das wäre eine Idee. Deshalb sagte er: "Ich glaube, zu den vitalia gehören alle lebenswichtigen Organe. Dies sind zum Beispiel die Leber, die Lunge und das Herz." Hoffentlich war diese Antwort richtig.

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  • "Lebenswichtige Organe ist das richtige Stichwort," sagte ich zufrieden und nickte. "Du hast zwar nicht alle entscheidenden Organe genannt, aber das Prinzip war in jedem Fall richtig. Neben Leber, Lunge und Herz sollten auch Bauchfell und Galle dabei sein, gerade bei größeren Tieren erkennt man Verwachsungen und Missbildungen in der Galle sehr gut, sollten sie auftreten, in sofern solltest Du darauf nicht weniger achten als auf die Qualität der größeren Organe." Für einen Anfänger war er erfreulich gut vorbereitet, was mir meine Arbeit leichter machen würde, was ich nicht ohne eine gewisse Beruhigung feststellte. Schließlich hatten wir den Altar samt Morgensonne erreicht und einer der camilli trat auf uns zu, ein sich windendes und quiekendes Ferkel mühsam mit seinen Armen gebändigt.
    "Und was machen wir nun?" fragte ich in Richtung des Matiniers und lächelte. Ein allzu breites Grinsen wollte ich ihm nicht antun, zumal die vorgesehenen Handlungsschritte auch bei einem häuslichen Opfer nicht allzu unterschiedlich abliefen. Letztendlich lag es auch fast auf der Hand.

  • Wiederum merkte sich Ticinius gut, auf was er achtgeben musste: Leber, Lunge, Herz, Bauchfell und Galle. Während des Redens hatten sie den Altar erreicht. Nun sah er einen camillus, der ein quikendes Ferkel brachte. Dies würde er also opfern müssen? Wahrscheinlich nicht, dachte er, sondern nur töten. Obwohl dies sicher nicht so leicht war, wie es bei den großen Staatsopfern aussah. So verstand er zumindest das Grinsen des Flaviers. Diesem antwortete er: "Nun üben wir das opfern? Ich nehme an, ich soll das Ferkel töten und sehen, ob es auch innerlich unversehrt ist? Dann bräuchte ich einen Opferhammer und ein Opfermesser." Ticinius hoffte, dass die Antwort nicht vollkommen falsch war. War sie richtig, würde es nun blutig werden. Er versuchte, sich innerlich darauf vorzubereiten.

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  • "Genau das. Aber bevor Du dazu schreiten kannst, dem Ferkel das Leben zu nehmen, beginnst Du damit, es richtig anzubinden und Dich zu vergewissern, dass es sich nicht befreien kann. Denn auch das wäre im Zweifelsfall ein schlechtes Omen übelster Sorte, also muss ein jeder Priester, bevor das Tier geopfert wird, sicher sein, dass es sich nicht losreißt. Einfach festhalten ist riskant, denn viele Tiere treten im Todeskampf aus, selbst bei einem Ferkel kann das üble Verletzungen mit sich bringen. Hier hast Du einige Leinen, das Ferkel kann Dir der camillus geben, lass mich sehen, wie Du es anbindest," antwortete ich schmunzelnd (denn ich hatte diese Lektion nur mit viel Wasser und wortwörtlicher Schweinerei auf dem Boden gelernt), nickte dem camillus zu, der vortrat und offensichtlich darauf wartete, dass Matinius ihm das kleine Tier mit den zarten rosa Schlappöhrchen abnahm. Eigentlich sah es zu jung und unschuldig aus, geopfert zu werden, aber auf solche Befindlichkeiten konnte man keine Rücksicht nehmen, sonst wäre wohl nie ein Tier auf dem Altar gelandet. Vielleicht war auch das der Grund, wieso so wenige Frauen sich heutzutage noch für den cultus deorum interessierten, viele weigerten sich, Tiere zu töten, aber ohne ein solches Opfer ging es eben nie, wenn es sich um eine wichtige Angelegenheit handelte.

  • Im Moment achtete Ticinius gar nicht auf das Aussehen des schönen Tieres, denn er war innerlich sehr angespannt bei dem Versuch, alles richtig zu machen. So nahm er sich zwei Leinen, während er den camillus bat, das Ferkel noch kurz festzuhalten. Beide Leinen legte er um den Hals des Tieres und zog sie so fest zu, dass das Ferkel nicht mehr atmen könnte, wenn es sich von dem Ort, wo sich die Leine befände, wegbewege. Dies hatte er mit zwei Leinen gemacht, denn er wollte verhindern, dass sich das Ferkel im Todeskampf bewegte und herumrannte. Zwischen zwei Pfählen, wo die Leinen befestigt waren, oder zwei camilli, die die Leinen hielten, könnte es nicht noch in eine Richtung bewegen - so war zumindest seine Überlegung.


    Nun fiel ihm ein, dass er gar nicht geguckt hatte, ob es hier Pfähle in der Nähe gab. Doch erst einmal fragte er den Flavier: "Habe ich das so richtig gemacht?", während er das Ferkel auf den Boden setzte und mit der Leine wie bei einem Hund verhinderte, dass es sich aus dem Staub machte.

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  • Erfreulicherweise stellte sich der Matinier recht geschickt an und die amüsanten Szenarien, die alle mit quiekend wegrennenden Ferkel zu tun hatten, welche sich vor meinem inneren Auge entfaltet hatten, traten nicht ein. Es wäre sicherlich ziemlich lustig geworden, aber einen solchen Beginn der Opferkarriere wünschte ich ihm wahrlich nicht, so war mir das derzeitige Ergebnis lieber.
    "Ja, das ist schon sehr gut so ... schau einmal an die Seiten des Altars, dort sind eiserne Ringe angebracht, an denen Du das Tier anbinden kannst, dann musst Du die Leine nicht selbst halten." Ich zeigte ihm mit einer Geste den entsprechenden Ort - der so angelegt war, dass er den ganzen Tag im Schatten lag und nicht auf den ersten Blick auffiel, was bedeutete, dass man als Zuschauer immernoch die Illusion wahren konnte, dass die Tiere freiwillig dort standen, wenn man nicht zu genau hinsah. "Wenn Du es angebunden hast, machen wir weiter ..denke schon einmal nach, was der nächste Schritt sein könnte."

  • Jetzt erkannte auch Ticinius die eisernen Ringe, die am Altar angebracht waren. Sie waren gut versteckt und konnten leicht übersehen werden. Während er die Leinen an den Ringen anbrachte, dachte er noch einmal kurz darüber nach, was er eben von dem Flavier über die Vorbereitungen des blutigen Opfers gelernt hatte. Als er mit dem Anbinden fertig war, antwortete er dem sacerdos: "Nun müssen die Anwesenden mit Wasser besprengt werden, ich muss mir rituell die Hände waschen und das Opfertier mit der mola salsa bestreichen." Wieder hoffte Ticinius, er habe nichts vergessen. Langsam wurde er aufgeregter. Die Opferübung näherte sich ihrem blutigen Höhepunkt.

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  • Ich nickte zufrieden, als er die Leinen durch die dafür vorgesehenen Ringe gezogen und das Tier so angebunden hatte - besser hätte ich es wohl auch nicht gemacht (ich ließ das inzwischen die camilli erledigen, für irgend etwas musste es ja gut sein, dass ich der sacerdos war!).
    "Das auch. Zuerst also überzeugst Du Dich, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, das Tier richtig angebunden und geschmückt ist - gerade, wenn Du selbst diesen Teil nicht übernimmst, musst Du die Arbeit der camilli überprüfen, damit nicht irgendein Schlamper das Opfer verdirbt und die ganze Arbeit umsonst ist. Dann besprengst Du die Menge mit Wasser und gebietest ihr, zu schweigen. Das erfolgt durch den Ruf 'favete linguis!' in die Richtung der Zuschauer. Erst dann wäscht Du Dir die Hände und trocknest sie mit dem malluium latum."
    Wenn ich bedachte, wie aufgeregt ich anfangs noch gewesen war, als ich der Menge zugerufen hatte und wie wenig es mich heute noch beeindruckte - es war ein langer Weg gewesen. "Dann kannst Du dazu schreiten, das Tier mit der mola salsa zu bestreichen - sage mir doch, woraus sie besteht, und durch was man sie ersetzen kann. Und dann weisst Du sicher, wie es weitergeht?"

  • "Die mola salsa besteht aus gemahlenen Getreide und Salz und wird von den Vestalinnen hergestellt.", antwortete Ticinius auf die Frage des sacerdos. Was man stattdessen verwendete? Irgendetwas Flüssiges war es, da war es sich sicher. Doch was? Wahrscheinlich Wein, der wurde sowieso zu allen möglichen Zwecken verwendet. "Ich glaube, man kann auch Wein anstatt der mola salsa verwenden. Der weitere Ablauf - dann muss ich die symbolische Entkleidung vornehmen, also das Tier mit dem Opfermesser von Kopf bis Fuß streichen. Dann folgt das Gebet. Ich frage 'Agone?'" und der Opferherr sagt 'Age!'. Wirst Du dies machen?", fragte er den Flavier. "Dann wird es blutig - ich muss das Tier mit dem Opferhammer betäuben und dann die Halsschlagader so durchschneiden, dass das Tier stirbt. Dann muss ich die Innereien begutachten, wie wir es eben besprochen haben. Falls diese erfolgreich war, verkünde ich dies durch den Ausruf 'Litatio!'. Dies sollte eigentlich alles gewesen sein."


    Sein Blick streifte kurz das Ferkel, dass langsam unruhig wurde, beachtete es jedoch nicht weiter. Weit wichtiger waren ihm die Gegenstände, die zum Opfern nötig waren, wie Opfermesser, Opferhammer und auch die mola salsa. Diese versuchte er zu entdecken.

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  • "Dinkelspelz, um genau zu sein," ergänzte ich seine Ausführungen über die mola salsa und nickte dann zufrieden. Die Grundkenntnisse waren vorhanden, und auch den Wein hatte er gewusst, was wollte man mehr? "Der Wein ist auch richtig, besonders Mars scheint ihn zu mögen. Die symbolische Entkleidung allerdings nimmst nicht Du vor, das ist Sache des Opferherrn - Du übergibst das Opfermesser an denjenigen, der das Opfer bezahlt, und lässt ihn das Tier mit der Geste entkleiden. Dann das Gebet, die Frage .. und der Hammer." Ich hob beide Brauen an und schmunzelte dann.
    "Wir können dieses Opfer auch komplett von Anfang bis Ende durchführen, und Du opferst heute Mars, während ich Dich dabei begleite - ein richtiges Opfer ist sicher keine verkehrte Sache und das Leben des Ferkels ist dann auch nicht verschwendet. Dann werde ich den Opferherrn mimen, damit alles seine Richtigkeit hat." Dass er gleich in die Vollen gehen wollte, gefiel mir - es versprach, dass er sein künftiges Amt ernst nehmen würde, und solche Schüler hatte es in der letzten Zeit viel zu wenige gegeben. Einer der camilli baute auf einem kleinen Beistelltischchen all die Dinge auf, die wir brauchen würden, die Schale mit der mola salsa, das malluium latum, ein Wassergefäß, das Opferwerkzeug - fehlte nur noch das Opfer und alles war perfekt. Ohnehin war ich der Ansicht, dass man am Besten in der Praxis lernte.

  • Auch Ticinius gefiel die Idee, dass er direkt Mars opfern sollte - Während der Praxis lernte man ja doch am meisten. Dennoch hatte er noch einige Fragen: "Ich bin damit einverstand. Da Du der Opferherr bist, sprichst du das Gebet, ist das richtig? Und müssen wir nicht noch zuerst ein Voropfer durchführen?" Diese Fragen, die ihm im Moment einfielen, waren wahrscheinlich einfach zu beantworten, doch die Antworten musste er wissen, sollte er das Opfer richtig durchführen. Fragend schaute er den Flavier an.

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