Hortus | Die Sprache der Blumen

  • An einem solch wunderschönen Tag, hielt mich nichts mehr in meinen Räumen. Es war einer der ersten wirklich sonnigen Tage des Jahres, der es einem erlaubte, von der Temperatur her , ohne etwas überziehen zu müssen, das Haus zu verlassen. Mir war heute nicht sonderlich zum Einkaufen zu Mute. Ylva, die stets um mein Wohlsein besorgt war, fragte sich schon, ob ich krank sei. Dies war aber nicht der Fall. Im Gegenteil, ich fühlte mich großartig, was unter anderem gewissen Entwicklungen der letzten Wochen und Tage zu verdanken war. Mich zog es hinaus, in den weitläufigen flavischen Garten, mit all seinen verborgenen Winkeln und seinen verträumten Plätzen, wo man sich ungestört für einen Nachmittag zurückziehen konnte, weitab vom Lärm der Stadt und vom Puls der Zeit.
    Um diese Zeit blühte es an allen Ecken und der süße Duft der von diesem bunten Farbenmeer ausging, verzauberte meine Sinne. Die wärmenden Sonnenstrahlen taten ihr Übriges, um mir eine angenehme Zeit zu bescheren.
    Ylva hatte veranlasst, dass man mir an einem stillen Plätzchen, nahe den Rosenbüschen eine Kline und ein Tischchen bereitstellte. Da sie mich gut versorgt wissen wollte, wurde auch eine üppig gefüllte Schale mit Obst und eine Kanne gemischten Weines, sowie einem Becher bereitgestellt. Nicht von ungefähr hatte ich diesen Platz im Garten gewählt. Die Rosen, besonders die Roten, drückten genau das aus, was ich derzeit empfand.
    Ylva selbst, hatte ich mit einem Beutel Sesterzen in die Stadt geschickt und ihr erlaubt, sich neu einkleiden zu dürfen. Worauf sie natürlich freudestrahlend von dannen gezogen war. Glücklicherweise war sie mir in ihrer Überschwänglichkeit nicht noch aus Dankbarkeit um den Hals gefallen. Das hätte sicher meine Stimmung zum Wanken gebracht.
    Als Ylva endlich fort war, begab ich mich noch auf die Schnelle, in die Bibliothek, um noch einige 'Freunde' mitzunehmen. Nachdem ich dem alten, griesgrämigen Bibliothekar hoch und heilig versprochen hatte, den Schriftrollen im Garten kein Unheil zuzufügen, begab ich mich in Begleitung mit Ovid, Vergil, Catull und Co. zu meinem verborgenen Plätzchen, um mich etwas der Muse hinzugeben. Ich freute mich bereits darauf, wie ein kleines Kind auf ein neues Spielzeug und war angenehm überrascht, über die Kreativität, die meine Sklavin gelegentlich an den Tag legen konnte.
    Ich fand alles so vor, wie Ylva es mir zuvor noch geschildert hatte. Die Kline war mit einigen äußerst bequem aussehenden Kissen bestückt, die Obstschale forderte zum Zugreifen auf und die Kanne mit dem gemischten Wein war noch jungfräulich mit einem Tuch zugedeckt, damit der verführerische Duft des Getränks nicht noch unerwünschte Insekten anlockte, deren einziges Vergnügen darin bestand, sich in dem edlen Gesöff zu ertränken.
    Mit einem wohligen Seufzer ließ ich mich in dem Meer aus Kissen nieder und schenkte mir etwas Wein ein. Nachdem ich einen Schluck gekostet hatte, widmete ich mich der ersten Schriftrolle, die ich in meinem Gepäck hatte- einen der ersten vier Bände von Vergils Aeneis.


    Sim-Off:

    Reserviert! ;)

  • Freie Tage waren etwas wunderbares. Gerade meine letzte Amtszeit hatte mir dies vor Augen geführt, denn sie hatte aus einer nahezu endlosen Reihe an Tagen voller Aktenarbeit und ähnlich gelagerten Tätigkeiten bestanden, die sich alle in erschreckender Weise geglichen hatten. Jene wenigen, freien Augenblicke, die ich mich zum lesen, trinken oder reiten hatte zurückziehen können, waren mir im Nachhinein wie goldene Stunden erschienen, voll des entspannenden und weichen Lichts, in dem ich meine verbrauchten Reserven wieder hatte auffüllen können. Letztendlich waren es nur wenige gewesen und nach dem geschäftigen Jahr war ich nicht unglücklich darüber, dass unsere Vorväter es so gefügt hatten, dass nach einer Amtszeit erst einmal ein Jahr Pause sein musste, bevor man sich wieder bewarb -so mancher wäre ansonsten wohl am frühen Herzschlag elend zugrunde gegangen, aufgefressen zwischen Pflicht und Amt. Zumindest darum musste ich mir derzeit keine Gedanken machen. Als Priester waren die Tempelpflichten zwar vorhanden, aber nicht so übermäßig beanspruchend, dass ich mir nicht zwischendrin auch einmal einen Tag hätte freinehmen können - und da sich das Wetter an diesem Tag als besonders schön durch frühen Sonnenschein und wolkenlosen Himmel angekündigt hatte, hatte ich einen Sklaven zum Tempel geschickt und mich entschuldigen lassen. Akute Kopfschmerzen oder sonst ein grässliches Leiden, das mir erlauben würde, den ganzen Tag zu faulenzen. Meinen Mitpriestern, die zumeist schon älteren Lebensdatums waren, würde es nicht schaden, in Grüppchen vor dem Tempel stehen zu können, um dort nach Herzenslust über die vorbei laufenden Bürger zu klatschen.


    Allerdings hatte mir diesen Tag ein Blick in die Bibliothek verdorben - irgendwer war früher da gewesen und hatte sich genau den Catull-Text mitgenommen, den ich hatte haben wollen. Leicht brummelig nahm ich mit einem recht zerlesenen Exemplar der Metamorphosen Vorlieb und schickte mich seufzend in mein Schicksal, selbst an einem gestohlenen freien Tag nicht alles von dem zu bekommen, was ich hatte haben wollen - aber so war es eben im Leben. Man bekam selten, was man wollte, noch seltener, was man verdiente und die meiste verbliebene Zeit einen Tritt in den Hintern. Müßig schlenderte ich durch den Garten, mein refugium ansteuernd, in dem der zerschmetterte Tisch inzwischen längst ersetzt worden war, aber ich kam nicht dazu, meinen Weg zu vollenden, wurde ich doch wieder einmal von jenem abgelenkt, was einen Mann wohl zu jeder Zeit ablenken konnte - dem Anblick einer hübschen, jungen Frau, die zudem noch versunken in ihre Schriftrollen war. Dass sich darunter eventuell auch mein Catull befinden könnte, kam mir gar nicht in den Sinn, noch weniger, dass sie meine Nichte war. An solche Dinge wollte man auch nicht unbedingt dauernd denken müssen, es verdarb jeden Spaß am Geplänkel.
    "Wie ich sehe, gibst Du Dich einem höchst lästerlichen Vergnügen hin, Celerina," sagte ich mit gespielter Strenge, aber doch schmunzelnd. "Sollte eine junge Dame nicht solch unsinnigem Blödsinn nachgehen wie beispielsweise dem Sticken oder Sklavenauspeitschen?"

  • Genüßlich schob ich mir eine weitere Weintraube in den Mund, während ich angeregt weiterlas. Der süße Saft der Frucht breitete sich in meinem Mund aus und sorgte für ein Frohlocken meiner Geschmacksknospen. Gab es etwas schöneres, als den Nachmittag so in aller Stille zu verbringen? Wenn man dabei mit allem wichtigen versorgt war, was der Mensch bedurfte, so war diese Frage einzig nur mit 'ja' zu beantworten. Vergils Aeneis bezauberten mich immer wieder aufs Neue. Ob Dido es diesmal schaffen würde, das Herz des Helden zu gewinnen? Nein, leider nicht! Abermals mußte sie sich ihren Tränen hingeben. Welche Dramatik doch in diesem Stoff lag! Ich seufzte mitleidig und gönnte mir noch einen Schluck des erfrischenden Weines.
    Der Duft der Blumen und das fröhliche Gezwitscher der Vögel erinnerten mich wieder daran, wo ich war und wer ich war. Dies gab mir die Zuversicht, Didos Schicksal nicht teilen zu müssen. So vertiefte ich mich wieder in meinen Text und bemerkte gar nicht, daß ich mit einem Mal gar nicht mehr alleine war. Die mahnenden Worte meines Onkels waren es, die mich aufblicken ließen. Seine Strenge war aber nur gespielt, soviel verriet mir sein Schmunzeln. Selbstverständlich ließ ich es mir nicht nehmen, entsprechend darauf einzugehen. "Oh ja, ein äußerst lästerliches Vergnügen! Besonders der Wein ist unverschämt gut," antwortete ich mit einem unterdrücktem grinsen. Leider gelang es mir nicht lange, den gespielten Ernst und die damit verbundene strenge Miene zu halten. Stattdessen grinste ich breit. "Um die Wahrheit zu sagen, ich kann gar nicht sticken!" Handarbeiten waren mir schon immer zuwider gewesen. Ob dieses Geständnis jetzt mein ganzes zukünftiges Leben beeinflussen würde? "Und ein geeigneter Sklave ist auch nicht in Sicht. Außerdem hinterläßt das immer solche häßliche Flecke auf der Tunika." Ich hatte da so meine eigenen Methoden, die letztlich viel effektiver waren und auch viel weniger Schmutz verursachten.
    Ich legte meine Schriftrollen zu den anderen und setzte mich auf. Zu dumm, daß ich nur eine Kline hatte herstellen lassen! Meine Ylva war auch nicht griffbereit. Ich hatte sie ja in die Stadt geschickt, wo sie nun in aller Ruhe damit beschäftigt war, mein Geld auszugeben. So setzte ich mich kurzerhand auf, rutschte etwas zur Seite und bot Aquilius den Platz neben mir an. "Möchtest du dich nicht setzten?"

  • "Wenn es Dich beruhigt, ich kann es auch nicht," sagte ich mit einem leichten Grinsen. Sticken war für einen römischen Mann ohnehin keine als passend erachtete Tätigkeit, aber ich hatte auch nie verstanden, wieso man Frauen dazu zwang, sich mit dieser geisttötenden Beschäftigung die Zeit zu vertreiben, wenn man doch Sklaven für derlei hatte. Eine Römerin sollte lieber gebildet sein, Zeit dafür haben können, sich mit den Schriften der bedeutenden Dichter zu unterhalten, eigene Verse zu schreiben denn irgendwelche Kleidungsstücke mühevoll zusammenzubasteln, außer, sie fand wirklich Freude und Vergnügen daran. Aber bisher hatte ich auch noch keine Frau kennengelernt, die daran wirklich Spaß gefunden hatte.
    "Wie traurig - kein Sklave zum peitschen, keine Handarbeit, die Deine Lust erwecken könnte, sich damit zu beschäftigen, statt dessen hast Du die Bibliothek ausgeräumt und Deinen hart arbeitenden Onkel um sein einziges Vergnügen gebracht!" sagte ich im anklagenden Ton, ließ mich neben ihr nieder und streckte mit einem vernehmlichen, theatralischen Ächzen die Beine aus, ganz wie ein alter Mann. Die Imitation war zumindest für meinen Geschmack brauchbar, aber ich hatte durch meine Mitpriester auch stets gutes Anschauungsmaterial gehabt.


    Nun hatte sie nicht unbedingt viel Platz und ich auch nicht - jene Tendenz des hispanisch-flavischen Familienzweigs, wie unsere bäuerischen Vorfahren hoch aufzuschießen, hatte mir eine überdurchschnittliche Körpergröße verschafft - aber es war mir nicht unangenehm. Welchem Mann wäre die Anwesenheit einer hübschen jungen Frau schon unangenehm gewesen? Ich blickte zu ihr und schmunzelte schließlich.
    "Ein schöner Tag, um in aller Ruhe zu lesen. Womit beschäftigst Du Dich denn gerade?" Ich versuchte, von oben einen Blick auf die Schriftzeichen zu werfen, aber sie waren ein bisschen zu klein für mich, um sie auf dem Kopf stehend gut entziffern zu können, also schweifte mein Blick in ihr Gesicht zurück.
    "Es gibt Tage, da beneide ich jeden, der diese Freiheit noch besitzt, sich die Stunden mit Vergnügen anzufüllen - aber ich habe sie dann zumeist auch noch mit Wein und Frauen angefüllt, da blieb die Belesenheit dann gerne auf der Strecke." Dennoch waren meine Erinnerungen an diese wilde Zeit in Achaia voll des goldenen Lichts und mir lag ein wehmütiges Seufzen auf den Lippen, das ich gerade noch so unterdrücken konnte.

  • Dies war doch wirklich beruhigend zu hören, daß Aquilius des Stickens auch nicht mächtig war. Wäre es anders gewesen, hätte ich mir darüber Gedanken machen müssen. Doch stattdessen verleitete mich sein Geständnis zum schmunzeln.
    Ein wenig Zerstreuung fernab der Literatur war auch recht angenehm, zumal wir bisher noch nicht so oft die Gelegenheit hatten, uns ungezwungen zu unterhalten. Um ehrlich zu sein, kam mir unser Aufeinandertreffen sogar sehr gelegen. Doch das, worüber ich schon seit geraumer Zeit mit meinem Onkel sprechen wollte, hatte auch noch Zeit und so stellte ich es hinten an, um mich erst noch etwas zu amüsieren. Wie es schien, war Aquilius ein Meister in der Kunst des theatralischen Schauspiels. Er beherrschte es so gut, daß er mich dadurch fast zum Lachen brachte. Jedoch ein lautes Auflachen wäre für mich nicht in Frage gekommen, ein mädchenhaftes Gekicher fand ich auch unpassend so beließ ich es einfach bei einem dezenten Schmunzeln.
    "Oh ja, ich vergehe hier langsam vor Monotonie! So habe ich heute beschlossen, die Bibliothek zu plündern. Der Bibliothekar, Mago heißt er glaube ich, hat mir wohl insgeheim die Pest gewünscht, als ich mit all den Schriftrollen sein Heiligtum verließ. Selbstredend lag es mir fern, dir auch noch das letzte Vergnügen zu nehmen." Wobei es mein Vorstellungsvermögen überschritt, zu glauben, er könne sich an der Aeneis ergötzen. Ich legte meine Schriftrolle etwas zur Seite. Aeneas und Dido mußten noch etwas warten, bis das sie sich letztlich doch trennen mußten.
    "Nun derzeit befasse ich mich mit Vergils Aeneis. Jedoch habe ich hier noch einiges mehr, falls ich dem überdrüssig werden sollte. Du kannst gerne einen Blick auf meine Auswahl werfen." Mit einer dezenten Handbewegung deutete ich auf die Schriftrollen, die ich neben der Kline niedergelegt hatte. Wenn er mir nicht das Beste wegschnappen würde, wäre ich sogar zum Teilen bereit gewesen.
    "Nun, ich gönne mir einen solchen Nachmittag auch viel zu selten. Zu oft kommt etwas dazwischen und manchmal habe ich das Gefühl, die Zeit rinnt wie Sand zwischen meinen Fingern hindurch. Der Duft der Blumen war heute zu verführerisch, als daß ich etwas anderes hätte tun konnen." Ich atmete tief ein und der süße Duft der Rosen strömte in meine Nase. Ja, so ein Nachmittag im Garten war schon herrlich und durch (fast) nichts ersetzbar.

  • Nun, zumindest schien sie sich zu amüsieren, auch wenn sie ein bisschen zu sehr der patrizischen Unsitte fröhnte, die einer Frau lautes, offenes Herauslachen verbat. Oder aber ich war tatsächlich nicht so witzig gewesen wie erhofft, was natürlich auch der Fall sein konnte (mir aber auch recht peinlich gewesen wäre, denn es hätte bedeutet, dass ich eindeutig aus der Übung war, eine Frau zum Lachen zu bringen).
    "Monotonie? Du befindest Dich in Rom, werte Nichte, und beklagst Dich über Langeweile? Gerade eine Frau dürfte hier doch alles finden, was ihr Herz begehrt - die neuesten Sandalen, Stoffe, Tuniken, die bestaussehendsten Sklaven, genügend andere Frauen, um sich zu unterhalten, Bibliotheken, Bäder .. und Du liegst hier im Garten herum und delektierst Dich an unseren Schriftrollen? Ah, das ist doch sicher nur ein Scherz und insgeheim hast Du irgendwo den größten Einkauf der Geschichte versteckt ... glaube nicht, ich wüsste nicht, was für einen Narren man an den hiesigen Läden fressen kann." Der Einkauf mit Claudia Antonia war mir einerseits angenehm (es machte Spaß, mit ihr Zeit zu verbringen), andererseits unangenehm (die Rechnung nach dem Spaß war weit weniger amüsant gewesen als der Spaß selbst) in Erinnerung, und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es irgendwo eine Frau gab, die nicht gern einkaufte.


    Ein Blick auf ihre Lektüre verriet mir, was sie mir kurz darauf sagte - nunja, die Aeneis, es gab spannenderes und weniger schmalziges, aber es vermochte einem die Zeit zu vertreiben.
    "Du hast, wenn ich nicht irre, auch den Catull mitgenommen," fügte ich an und suchte mir die passende Schriftrolle aus dem kleinen Stapel heraus, der neben ihrer Kline lag. "Genau danach habe ich gesucht. Es gibt nichts schöneres als ein bisschen bissige Poesie an einem freien Tag." Damit klemmte ich mir die Schriftrolle so in den Gürtel, dass sie nicht zerknickt wurde, ich sie aber auch nicht in den Händen behalten musste - wie ich mich kannte, vergaß ich sie dann sowieso wieder irgendwo und ich würde dann nie zu meinem Lesevergnügen kommen.
    "Was beschäftigt Dich denn derzeit, dass Dir die Stunden so heimtückisch entschlüpfen? Bei einem Magistraten würde ich eine solche Klage verstehen, aber ich denke doch, dass Dich hier nicht allzu viele Pflichten binden? Was den Garten angeht, hast Du aber Recht - Felix' Rosenzucht ist wirklich eine ganz besonders vorteilhafte Passion, ich denke auch, dass es keinen anderen Garten in Rom gibt, der diesem hier gleicht."

  • Wie schnell ein Vergnügen der Monotonie anheim fallen konnte, hatte ich schmerzlich erfahren müssen. Wenn man ständig immer in den gleichen Läden verkehrte, sich ständig die gleichen beweihräuchernden Floskeln der Händler anhören mußte, die eigentlich nur nach meinem Geld lechzten, kurzum wenn es an Abwechslung mangelte, dann war einem selbst das lukrativste Vergnügen zuwider. Außerdem waren meine Kleidertruhe und der dazugehörige Schrank berstend voll. Leider litt ich unter der Krankheit, mich von nichts trennen zu können. Es war wahrlich ein Dilemma!
    "Ach ja!", seufzte ich, so als hätte ich die Last der Welt auf meinen Schultern zu tragen. "Wenn man alles schon kennt und alles hat, dann wird es schwierig, sich immer wieder neu daran erfreuen zu können," sagte ich nachdenklich. Das war mit den Sklaven nicht anders. Es ermüdete mich einfach, stundenlang auf dem Sklavenmarkt herum zu stehen, um zu sehen, wie diese bemitleidenswerten Kreaturen ihren Besitzer wechselten. Außer man machte die Bekanntschaft mit attraktiven Mitgliedern, der feinen Gesellschaft. Mir war zwar der Parther durch die Lappen gegangen, doch hatte ich dafür den Aurelier kennengelernt, der mit von Anfang an sympathisch war und den ich ganz oben auf meine imaginäre Liste, der in Frage kommenden Kandidaten, gesetzt hatte.
    Kaum hatte ich die Schriftrollen einen Augenblick außer Acht gelassen, warf mein werter Onkel auch schon einen Blick darauf, den man durchaus als gierig bezeichnen konnte. Er beließ es nicht nur mit einem Blick. Ganz im Gegenteil, er griff sich dann auch noch den Catull. Konsterniert verfolgte ich den Weg der Schriftrolle, von meinem kleinen Stapel neben meiner Kline hin zu seinem Gürtel, wo er sie sich hin klemmte. Dies tat mir in der Seele weh, nicht nur, da mir Catull verlustig gegangen war. Nein, darin war ich wohl mit Mago, dem Bibliothekar seelenverwandt, der es auch hasste, wenn so mit den Schriftrollen verfahren wurde. So musste ich mich weiterhin mit meinem Vergil trösten.
    "Ach, mich beschäftigt die und das. Und wenn ich ehrlich bin, beschäftigt mich am allermeisten die Frage nach meiner Zukunft. Wie du ja weißt, ist meine Trauerzeit bald zu Ende. Nun ja, ich mache mir eben so meine Gedanken!" Ich sah ihn forschend an. Ob er schon ahnte, worauf ich hinaus wollte? "Ich persönlich finde, die roten Rosen duften am intensivsten. Sie sind so wunderschön! Man sagt, sie seinen der Inbegriff der Liebe. Nun ja, ich hörte, der aurelische Garten soll auch sehr reizvoll sein!"

  • Man hätte meinen können, meine reizende Nichte wäre unter die consuln oder senatoren gegangen, stets beschwert durch unzählige Sorgen um das Wohl des Staates und der darin lebenden Bürger - ein solch tiefes Seufzen, diese nonchalante Art, nachdenklich und überdrüssig zugleich inmitten eines blühenden Gartens zu lagern und sich doch daran nicht erfreuen zu können - es erinnerte mich so schmerzlich an meine eigene Vergangenheit, als ich versucht hatte, der Monotonie meines Daseins, meiner damals unglücklichen Liebe zu einem unerreichbaren Menschen zu entfliehen, indem ich immer weitere Laster gekostet hatte, die niemals imstande gewesen waren, meine Gedanken vollständig auszufüllen oder abzulenken. War dies denn ein Fluch unseres patrizischen Daseins, so sicher zu leben, dass man sich langweilte, weil man keine Sorgen hatte? Dass der bloße Genuss schon so unendlich alltäglich war, dass man daran nichts mehr finden konnte, das einem gefiel? Für einen Moment lang hätte ich sie am liebsten geschüttelt, um sie aufzuwecken, ihr Bewusstsein für die Tatsachen aufzurütteln, aber ich wusste, es würde wenig Sinn machen, wenn sie dies nicht von sich aus erkannte.


    "Es ist denke ich nicht die Frage, wieviel man bereits kennt, wieviel man hat, sondern die Art, wie man mit dem umgeht, was man hat," gab ich zu bedenken, aber ich schob den Gedanken auch wieder beiseite, darauf achtend, wie sie reagierte - nicht mit jeder Frau konnte man eine philosophische Diskussion führen. Die meisten langweilte es sogar.
    "Deine Zukunft? Du hast denke ich recht viele Möglichkeiten - solltest Du wieder heiraten wollen, findet sich sicherlich ein passender Kandidat aus guter Familie, solltest Du alleine leben wollen, wird Dich hier niemand in eine Ehe zwingen. Warum denkst Du nicht einmal daran, Dich im cultus deorum zu versuchen? Priesterinnen aus gutem Haus sind selten, und Du hättest eine Abwechslung, die Dir im Haus selbst nicht gegeben ist ..." Der aurelische Garten? So beiläufig die Worte auch fielen, irgendwo in meinem Hinterkopf begann eine Information auf und ab zu hüpfen, um meine Aufmerksamkeit zu erringen.
    "Wie ich hörte, gibt es dort so einige seltene Pflanzen - mein Freund Marcus ist ein großer Liebhaber exotischer Gewächse, aber es ist fast unmöglich, hier in Rom jemanden zu finden, der sie angemessen betreuuen kann."

  • Genau darin lag mein Problem! Ich trennte mich nur ungern von Dingen, dich ich einmal gekauft hatte, gleich was es war. Das war so mit meinen Schuhen, mit meinen Kleidern, meinem Schmuck und mit so manchem Sklaven… Auf wunderbare Weise verschwanden gelegentlich unansehnlich gewordene Schuhe und Kleider, die bereits vom vielen tragen Löcher hatten oder ausgewaschen waren. Selbst wenn so manche Tunika seit Jahren nicht mehr en vogue war, hing sie immer noch in meinem speziell nach meinen Wünschen angefertigten Schrank.
    "Nun, es fällt mir stets sehr schwer, mich von etwas zu trennen, auch wenn ich es schon monatelang nicht mehr beachtet habe. Diese Angewohnheit wird mir eines Tages zum Verhängnis werden." Dies war zumindest Ylvas Meinung, die sie mir, gleich ob ich sie darum gebeten hatte oder nicht, unter die Nase rieb. Natürlich hätte ich in ihrer Gegenwart niemals zugegeben, daß darin schon ein größeres Stückchen Wahrheit lag.
    Natürlich wußte mein Onkel sofort, worauf ich hinaus wollte. Das war gar keine Frage. Ich wußte es durchaus auch zu schätzen, daß man mich in puncto erneuter Ehe zu nichts zwang und drängte. Man mochte mich vielleicht altmodisch nennen, doch lag es in meiner Erziehung begründet, wie der Werdegang einer Patrizierin auszusehen hatte. Immer wieder hatte es meine Ziehmutter mir eingebläut, was ihrer Meinung wichtig war. Eines Tages hatte ich all das verinnerlicht. Daß meine erste Ehe eine einzige Enttäuschung war, hatte man von Anfang an mir zur Last gelegt. Ich war es, die meinen Mann zu diversen Seitensprüngen trieb, ich war es, die jahrelang nicht schwanger wurde und ich war es, die, als ich endlich schwanger geworden war, das Kind vorzeitig verloren hatte. Wie es mir in all den Jahren ging, interessierte dabei niemanden. Keine Frage, ich wollte verheiratet sein und ich wollte auch Kinder haben. Jedoch mein Kleinmädchentraum vom großen Glück war bereits in den ersten Wochen meiner Ehe zerplatzt.
    "Nun, ich möchte nicht um den heißen Brei herum reden. Meine erste Ehe war eine einzige Katastrophe! Doch ich möchte den Kopf nicht in den Sand stecken. Noch immer habe ich die Hoffnung, das zu finden, wonach ich suche, nicht aufgegeben. Als man mich verheiratete, war ich ein junges naives Mädchen, das alles glaubte, was man ihm erzählte. Doch ich habe mich weiterentwickelt und viel dazu gelernt. Ich weiß jetzt, was ich will. Ich strebe eine erneute Ehe an. Das ist es, was ich mir wünsche. Eine Karriere im cultus deorum klingt zwar auch verlockend, doch ich fürchte, ich werde nicht standhaft sein, wenn es ums opfern geht. Leider versage ich jedesmal, wenn Blut fließt." In dieser Beziehung hatte ich keinerlei Probleme ganz offen zu sein. Ich hatte nie einen Hehl daraus gemacht, daß beim nächsten Mann alles anders werden sollte. Wer dieser nächste Mann allerdings sein sollte, darüber wollte ich mich noch nicht festlegen. Daß der Aurelier allerdings gute Chancen hatte, wenn es nach mir ging, mußte mein Onkel wahrscheinlich auch schon bemerkt haben. Von Claudia Antonia wußte ich um die Freundschaft zwischen Corvinus und meinem Onkel.
    "Ja,das habe ich auch schon davon gehört, welche Vielfalt in diesem Garten versammelt sein muß."

  • "Im Zweifelsfall hast Du den Vorteil eines großen Hauses," sagte ich trocken. "Eine Plebejerin dürfte irgendwann die Grenzen dessen erreichen, was sie anhäufen kann, um sich daran zu erfreuen, aber unsereiner kauft sich dann eben ein Landhäuschen oder eine neue villa." Der leicht sarkastische Unterton meiner Stimme wurde von einem Schmunzeln begleitet, das war nun wirklich eine Sache, die ich bei einer Frau nicht dulden würde, wäre sie die meine, zuviel unnützes Zeug anzuhäufen, das man vielleicht ein- zweimal wieder ansah, um es zu haben, aber nicht wirklich brauchte. Frauen schienen da etwas anders gelagert zu sein als Männer, mir hätten auch zwei togen und vier tunicas vollkommen gereicht.
    Natürlich ging es um die Ehe. Eine Frau in einem gewissen Alter hatte nicht mehr allzu viele Optionen in ihrer Zukunft, und wenn sie nicht den Göttern dienen wollte oder nicht schon eine ganze Rasselbande Kinder am Schürzenzipfel hängend ertragen musste, blieb im Grunde wenig anderes übrig als eine Ehe, die umständliche Suche nach einem passenden Bräutigam und die noch schwierigere Arbeit, zwei einflussreiche Familien zusammen zu bringen - eine nicht einflussreiche Familie kam ohnehin nicht in Frage.


    "Eine neue Ehe also," sagte ich und nickte. Nun, wenigstens würden wir darüber nicht streiten müssen, ich hielt es auch im Hinblick auf ihre finanzielle Sicherheit für besser, wenn sie wieder heiratete, von meinen oder ihren Eltern würde nichts zu erwarten sein, und ich selbst konnte auch nur eine begrenzte Anzahl an Verwandten durchfüttern, bevor meine eigene Zukunft auf der Kippe zu stehen begann.
    "Was erwartest Du denn von einem Ehemann? Ich denke, ich kenne genug gute Männer, um unter ihnen den ein oder anderen passenden finden zu können, wenn Du nicht selbst jemanden schon kennengelernt hast." Was sie hatte, und ich wusste auch genau, wen - aber es war auch eine perfekte Möglichkeit, ihr indirekt vor Augen zu halten, dass ihr gewählter Weg nicht unbedingt der passendste war für eine Flavierin.
    "Letztlich ist die Ehe, wenn man sie unter den falschen Prämissen beginnt, doch zumeist eine Enttäuschung, ich habe dies an meinen Eltern gesehen. Ein solches Leben sollte einem erspart bleiben, Menschen, die nur durch Hass und Besitz aneinander gekettet sind, werden selten glücklich und noch weniger wachsen ihre Kinder in geordneten Verhältnissen auf, um dann selbst glücklich zu werden. Was den aurelischen Garten angeht - warum bittest Du nicht eine der jungen Aurelierinnen, ihn Dir zu zeigen, wenn er Dich so sehr interessiert?" Auch hierin lag eine recht klare Ansage, und ich war mir sehr sicher, dass sie diese verstehen würde.

  • Das war allerdings wahr! An Platz mangelte es mir in der Tat nicht. Notfalls konnte ich Ylva immer noch ausquartieren lassen und ihre Kammer als begehbaren Schrank nutzen. Sie müsste dann zwar in der Sklavenunterkunft nächtigen, ein solches Opfer konnte man aber doch ohne weiteres von seiner Leibsklavin erwarten. An die Anschaffung eines Landhäuschens oder gar einer neuen Villa dachte ich freilich noch nicht. Ein Mann konnte natürlich nur schwerlich einen solchen Platzbedarf nachvollziehen.
    Das oblag ganz uns Frauen. Meinem Dahingeschiedenen war dies auch immer ein Rätsel geblieben. Dabei war es doch offensichtlich, daß man als Frau von Welt nicht mit nur zwei oder drei verschiedenen Gewändern und einem Paar Schuhe, einen Blumentopf gewinnen konnte.
    Doch mein Onkel wandte sich bald schon den, in meinen Augen, wichtigeren Dingen zu. Genau! Eine neue Ehe strebte ich an und eines hatte ich mir geschworen: dieses mal wollte ich ein Wörtchen mitzureden haben, wenn es darum ging, mich zu verhökern. Selbstredend mußte ein potentieller Kandidat einer standesgemäßen Familie entstammen. Doch was sprach dagegen, wenn Mann und Frau einander mochten oder sogar etwas für einander empfanden, bevor sie sich das Jawort gaben?
    Natürlich war seine Frage nur vorgeschoben. Er wusste genau, daß ich bereits jemanden kennengelernt hatte. "Nun, da ich bereits einmal die Erfahrung gemacht habe, wie es nicht sein sollte, ist es für mich ein Leichtes, auf deine Frage zu antworten. Ich verlange von meinem zukünftigen Ehemann, daß er in gewisser Hinsicht meine Interessen teilt oder zumindest toleriert, so daß ich nicht in endloser Langeweile dahinvegetieren muß. Idealerweise sollte ihm etwas an mir liegen und nicht nur an meinem Namen oder meinem Vermögen. Kurzum ich bin auf der Suche nach etwas, was mehr als nur eine Zweckgemeinschaft ist." Das waren klare Worte, die meinen Standpunkt unmissverständlich widerspiegelten und womit seine Frage beantwortet sein sollte.
    "Darin kann ich dir nur zustimmen! Meine Ehe war für mich eine einzige Enttäuschung. Es ist der göttlichen Vorsehung zu verdanken, daß daraus keine Kinder hervorgegangen sind." Diese Tatsache war für mich mehr als schmerzlich. Die Fehlgeburt, die ich vor einigen Jahren erlitten hatte, war eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich machen musste.


    Seiner Erwiderung, dem aurelischen Garten betreffend, brachte ich erst ein Lipenkräuseln entgegen mußte dann aber doch schmunzeln. "Wenn ich mich recht entsinne, strebst du eine Verbindung mit Aurelia Prisca an, nicht wahr. Nachdem ich bereits Aurelia Minervina zu meinen Freudinnen zählen darf, wäre es doch angebracht, auch jene andere Aurelia näher kennenzulernen."

  • Schweigend blickte ich meine Nichte einige Momente lang an. Natürlich, der Kandidat war klar, ebenso ihre Wünsche, wir hätten uns wohl dieses Gespräch auch sparen können, war es doch offensichtlich, wohin es früher oder später steuern sollte. Aber es gab wichtigeres, das in einer Ehe ebenso gewahrt sein musste als ausschließlich gleiche Interessen. Letztendlich war sie keine x-beliebige Plebejerin aus der subura, sondern eine Flavia, und eine Verbindung unserer Familie mit einer anderen musste auf soliden Füßen stehen.
    "Bedenke bei Deinen Wünschen aber auch, dass eine zeitweilige Übereinstimmung nicht unbedingt stets bedeuten muss, dass es immer so bleibt. Ebenso wie Verliebtheit schnell erlöschen kann und selten wirklicher Liebe weicht. Verbringt ihr zuviel Zeit miteinander, könnten auch Überdruss und gegenseitiges Langweilen der Fall sein .. man weiss es niemals vorher. Vielleicht beeindruckt Dich ein Mann heute, aber Du weisst nie, was morgen wird. Scheidungen sind kostspielig und selten der Ehre zuträglich, in sofern sollte die Wahl, die Du triffst, auch eine kluge Wahl sein. Und es wird sicher nicht einen einzigen alleine geben, der in Frage käme, oder gibt es für Dich nur den einen?" Ich blickte ihr direkt in die Augen, inständig hoffend, die Verliebtheit hätte sie noch nicht blind für ihren Vorteil gemacht.


    Ich rieb mir mit der Fingerspitze die Schläfe und führte sinnierend fort:
    "Es gibt so einige Familien in Rom, mit denen sich eine Verbindung lohnen würde, Celerina, und ich meine damit nicht nur die patrizischen - wir werden nicht auf ewig davon profitieren, wenn wir nur in dieselben Familien einheiraten und ich plane derzeit die Verbindung mit einer Aurelia. Wichtige Familien in Rom sind auch die Vinicia - inzwischen auch ins Kaiserhaus verheiratet - die Purgitia, mit einem einflussreichen Senator an der Spitze ... ich kann mich gerne nach geeigneten Kandidaten umhören, Celerina. Wir können auch gerne ein Fest machen, bei dem entsprechende Männer eingeladen werden, damit Du Dir einen Überblick verschaffen kannst, wer in Frage käme. Eine Ehe ist .. letztendlich .. nicht allein dem Spaß der Ehepartner dienlich, Du kommst aus einer kaiserlichen Familie. Das darfst Du nicht vergessen." Wahrscheinlich war es ihr nicht bewusst, in ihrem Alter war es mir schließlich auch nicht bewusst gewesen, das durfte man dabei nicht vergessen. Aber ich konnte sie daran erinnern, und wenn sie klug war, bedachte sie alle Seiten ... nicht nur die eine, verlockende.

  • Sim-Off:

    Entschuldigung für die lange Warterei! ;)


    Wieso beschlich mich nur plötzlich das Gefühl, all diese Argumente, so oder so ähnlich, bereits schon einmal gehört zu haben. Lange war es her gewesen. Damals war ich noch mehr ein Kind als eine Frau. Mein Pflegevater war es, der sie damals an mich gerichtet hatte. Der einzige Unterschied darin bestand, damals hatte ich nicht den Mut, etwas dagegen zu setzen. Ja, damals war ich eben noch das naive unerfahrene Mädchen, das alles glaubte und letzlich aucu tat, was man ihm sagte und was mein Vater sagte, war schlußendlich Gesetz.
    Mein Onkel wiederum wahrte den Schein, es gäbe tatsächlich eine Wahl, die ich treffen könnte. Nur wie sollte ich eine Wahl treffen, wenn mir die in Frage kommenden Kandidaten völlig fremd waren?
    Ohne den Blick von ihm abwendend, ließ ich meine Hand zu dem bereitstehenden Obstkorb gleiten und zupfte gekonnt einige Trauben von dem Stängel ab. Die süßen blauen Früchte, die unverkennbar vom Fuße des Vesuv stammen mußten, verschwanden eine nach der anderen in meinem Mund. Höchstwahrscheinlich waren sie sie in den Weingärten der in Baiae lebenden Flavier erwachsen. Nachdem auch die letzte Restsüße des edlen Fruchtfleisches meinen Geschmacksknospen entzogen worden war, konnte ich endlich dazu übergehen, Aquilius Fragen zu beantworten. "Nun, unglücklicherweise war es mir noch nicht vergönnt, einige weitere in Frage kommende Aspiranten in Augenschein zu nehmen," antwortete ich unschuldig lächelnd. Wie hätte ich dazu auch fähig sein sollen? So nötig hatte ich es nun schließlich auch wieder nicht. Natürlich war es immer besser eine Auswahl zu haben, ja förmlich aus dem vollen schöpfen zu können. Ich war jedoch nicht die Art von Frau, die sich an jeden Erstbesten heran machte, um ihn auf Herz und Nieren zu prüfen. Jedoch der Eine, der mir ganz zufällig über den Weg gelaufen war, hatte meine Erwartungen bestens ausgefüllt. Warum also noch lange suchen, wann das Gute doch bereits auf der Hand lag?
    Doch eines musste man Onkelchen lassen! Er wartete in der Tat gelegentlich mit ganz vorzüglichen, ja um nicht zu sagen mit brillanten Einfällen auf! Ein Fest! Ja, das war es! Ein Fest auf dem ich die potentiellen Bewerber ganz genau unter die Lupe nehmen konnte! Natürlich waren das alles klangvolle Namen. Doch was hatte ich davon, wenn sich hinter dem klangvollen Namen, der über die besten Beziehungen zum Kaiserhaus verfügte, ein dickbäuchiger, in die Jahre gekommener Langweiler verbarg? Das hatte ich doch bereits schon einmal! Nein Danke! Darauf wollte ich diesmal verzichten.
    Eins stand bereits jetzt schon fest! Jeder einzelne Bewerber würde es mit einer harten Konkurrenz zu tun bekommen. Der Aurelier hatte die Meßlatte erdenklich hoch angesetzt.
    "Ich muß schon sagen Onkel, das ist eine wahrhaft exzellente Idee! Ein rauschendes Fest, bei dem wir die erlesenste Gesellschaft Roms einladen. Selbstverständlich hätte ich nichts dagegen, wenn sich auch einige Damen unter den Geladenen befänden." Dann wäre es nicht zu offensichtlich, wer die goldene Gans des Abends war. Womöglich konnten auf diese Weise auch andere Verbindungen entstehen. Wenn ich mich recht entsann, war meine neue Freundin, Aurelia Minervina auch noch nicht versprochen. Sollte ihr Bruder nicht bald wieder in Rom sein? Diesen Aurelier hatte ich auch noch nicht kennengelernt!

  • Sim-Off:

    Jetzt muss ich mich entschuldigen ...


    Die laue Luft ließ meine Gedanken ein wenig abschweifen, und ich überlegte, wie ich mich an ihrer Stelle wohl gefühlt hätte. Ob es mir gefallen hätte, heiraten zu müssen, die Auswahl der möglichen Kandidaten beschränkt zu sehen auf jene von Stand, Ehre und angemessenem Vermögen - waren sie doch selten genug dergestalt, dass eine junge Frau an ihnen viel Vergnügen finden mochte, die wenigsten stattlichen jungen Männer waren gleichzeitig auch schon hoch angesehen und reich noch dazu - aber letzten Endes war dies ein Schicksal, das einer Römerin zukam, und einer Römerin aus einer der vornehmsten Familien Roms mit dazu. Ebenso, wie es für mich weit weniger wirkliche Auswahl gab denn man es denken mochte, wenn nicht Inzucht oder zu nahe Verwandtschaft das Blut schwach machen sollte. Das Heiraten war inzwischen keine leichtlebige Sache mehr, sondern eine sehr ernsthafte, und es waren mehr Dinge zu bedenken als flüchtige Anziehungskraft.
    Gemächlich pflückte auch ich mir einige Trauben vom Stiel, der inzwischen schon recht abgeerntet aussah, zwei Flaviern konnte das Obst wohl auf lange Sicht kaum entgegen stehen, dann zerkaute ich die süßen Früchte nicht minder geruhsam, ich hatte es nicht eilig.


    "Nun, die Hochzeit des Aristides mit Claudia Epicharis wird Dir die Gelegenheit geben, sehr unauffällig die in Frage kommende Auswahl weiter zu bedenken, und dann, wenn es für Dich eine engere Anzahl geben sollte, werden wir diese sicherlich bei einem weiteren Fest ein bisschen eingehender prüfen können. Du wirst, das kann ich Dir versprechen, angemessen versorgt in eine neue Ehe gehen können, als einer Deiner letzten lebenden Verwandten fällt es mir zu, dieser Notwendigkeit Sorge zu tragen - nichts wäre mir unangenehmer als eine Flavierin, die von ihrem Gemahl abhängig ist und nichts eigenes besitzt. Dein Stolz soll keinen Mangel erleiden müssen, nur weil Du vermählt wurdest," fügte ich nach einer Weile gedankenvoll an.
    Es würde ihr die irgendwann bevorstehende Heirat sicherlich ein wenig versüßen können, eigenes Geld zu besitzen, wir waren inzwischen auch endlich über die archaischen Bräuche hinweg, die eine Ehefrau zu nicht viel mehr als dem Besitz ihres Gatten degradierte, oder einen Sohn zum Spielball des Willens seines Vaters. Den Kopf etwas in ihre Richtung wendend, betrachtete ich ihr Profil, die keckl empor gerichtete Nase, die lebendig funkelnden Augen - für einen Moment erschien mir ihr Gesicht wie ein Echo der Lebensfreude zu sein, die so viele Frauen unserer Familie beseelte, um dann allzu früh zu verlöschen. Nein, dies durfte nicht ihr auch noch geschehen.

  • Sim-Off:

    Dann sind wir jetzt quitt! ;)


    Für Feste aller Art war ich schon immer empfänglich gewesen, gleich welcher Sinn und Zweck dahinter steckte. Wenn nun der Sinn darin lag, einen neuen Ehemann für mich zu finden, warum nicht! Ich würde meinen Spaß haben und konnte aus der bunten Vielfalt wählen. Das Heiraten an sich, hatte für mich längst seinen Schrecken verloren. Ich wußte, was auf mich zu kam und dieses Mal würde ich nicht so unwissend und ahnungslos ins Blaue tappen. Diesmal würde auch ich die Fäden in Händen halten. Und ich wußte genau, was ich wollte.
    "Die Trauben schmecken vorzüglich, nicht wahr?" Ich hatte die Früchte speziell aus Campania kommen lassen. Dort waren sie am Fuße des Vesuvs gewachsen. Diese Sorte bevorzugte ich am liebsten, denn keine andere Sorte konnte es mit ihrer Süße aufnehmen. Meinem Onkel mußten sie wohl auch schmecken, denn er schien sie wahrhaft zu genießen. Dieses Obst war nicht dazu bestimmt, einfach achtlos hinuntergeschluckt zu werden.


    Von der anstehenden Hochzeit hatte ich bereits gehört. Ich wußte nur nicht mehr, wann genau sie stattfinden sollte. Den Termin hatte ich wie üblich einmal wieder vergessen.
    "Oh ja, das erscheint mir auch als eine sehr gute Gelegenheit dafür! Weißt du zufällig, wer alles eingeladen worden ist?" Diese Frage hatte ich natürlich nicht ohne einen gewissen Hintergedanken gestellt. In Erwartung, einen bestimmten Namen von ihm zu hören, haftete mein Blick an meinem Onkel. Eigentlich war es ja anzunehmen, daß man den Aurelier eingeladen hatte. Schließlich verband unsere beiden Familien mehr als nur Freundschaft.


    Seine Ankündigung, angemessen versorgt in eine neue Ehe zu gehen, ehrte mich. Zwar war ich immer noch im Besitz, eines Großteils des Vermögens meines verstorbenen Mannes. Doch wie das Leben so spielte, würde auch dieses einmal zur Neige gehen. Als Frau von Welt war man ja stets darauf bedacht, sich modisch und effektvoll zu kleiden und gute Qualität hatte nun mal ihren Preis!
    "Das ist wirklich sehr zuvorkommend von dir, lieber Onkel!" Es war immer wichtig, zu wissen, man konnte auch in der Ehe einen gewissen Standard halten, schließlich konnte es oftmals anders kommen, als man dachte! Diesmal würde ich mich nicht wie ausgeliefert fühlen! Nein, diesmal war alles anders. Mit diesem Wissen, hatte ich allen Grund, fröhlich zu sein.

  • "Sie sind sehr schmackhaft, das ist wahr," entgegnete ich auf Celerinas Bemerkung zu den Trauben und schmunzelte dann. "Auch wenn ich es nicht gutheiße, dass familienfremdes Obst hier Einzug auf der Tafel findet, ich besitze nämlich ein kleines Weingut, dessen Trauben sich mit diesen auf jeden Fall messen können. Wahrscheinlich hast Du sie bisher nur noch nicht kosten können, wie ich mir denke, aber diesem Umstand können wir alsbald abhelfen."
    Ich war gespannt, ob ihr die Trauben aus meinem Weinberg schmecken würden, war sie doch sicherlich exclusives gewöhnt, und einem solchen Geschmack genügte nicht vieles. Zudem, Kritik, die in der Familie geäußert wurde, konnte letztendlich die Qualität nur verbessern. Ein wirklicher Spitzenwein war das Erzeugnis meines Weinbergs bisher noch nicht, aber er entwickelte sich langsam aber sicher in die richtige Richtung - gerade Wein bedurfte der Geduld, nicht minder wie die meisten Frauen.


    "Wer eingeladen ist, weiss ich nicht, aber ich würde wetten, dass es ein guter Querschnitt aller sein wird, mit denen Aristides in seinem Leben zu tun hatte, also Patrizier genauso wie Soldaten - es dürfte ein recht interessantes Fest werden und gewiss wirst Du Dich nicht vor neugierigen wie interessierten Fragen retten können." Das Bild hatte ich schon plastisch vor Augen - ledige Männer, die sich auf meine junge Verwandte geradezu stürzen würden, aber indes, es wäre sicherlich auch ein amüsanter Moment, der mir diese unselige Hochzeit versüßen würde. Dass sie sich über meine Ankündigung, sie angemessen zu versorgen, freute, freute auch mich, dann nickte ich ihr leicht zu und lächelte. "Wenn Dir der Sinn nach einem Betrieb steht, lass es mich wissen, und ich will sehen, dass ich Dir den passenden Betrieb kaufe ... wenn Dir Denare lieber sind, dann meinetwegen auch das, allerdings, Münzen sind schnell ausgegeben, einen Betrieb wird man nicht ganz so schnell wieder los."

  • Oh, oh! Man weise mir das nächste Fettnäpfchen, auf daß ich hinein treten kann! Wie konnte ich das nur vergessen! Selbstverständlich sollte dies keine Anspielung sein. Ich hatte mir nichts Hintergründiges dabei gedacht, als ich die campanischen Trauben auftischen ließ. Die sonnengereiften Früchte, die in der vulkanischen Asche am Fuße des Vesuvs ihre Wurzeln hatten, bevorzugte ich, da sie ein besonderes Aroma besaßen, welches mir außerordentlich zusagte. Wahrscheinlich musste es für ihn die Hölle sein, mit familienfremdem Obst konfrontiert zu werden. Daß er sie trotzdem zu sich nahm, war sicher nur der heldenhafte Beweis seiner Verbundenheit zu mir.
    "Ein Weingut? Tatsächlich bin ich noch nicht in ihren Genuß gekommen, sonst hätte ich wahrscheinlich keine andere Sorte mehr angerührt!" antwortete ich schmunzelnd. Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, denn gerade im Bezug auf Trauben liebte ich die Abwechslung. Daher war ich auch nicht abgeneigt, die Trauben aus seinen Weinbergen zu kosten.


    Seine Antwort, bezüglich der Gästeliste befiedigte mich nur teilweise. Woher hätte mein Onkel auch wissen sollen, welchen Namen ich hören wollte? Mir war nicht bekannt, ob der Aurelier jemals etwas in Aristides Leben zu tun hatte. Doch ich würde es herausfinden, indem ich meine Fühler ausstreckte!
    "Nun, das will ich doch schwer hoffen! Lieber ein interessantes Fest, bei dem die heiratsfähigen Patrizier Schlange stehen, als ein durch Langeweile durchtränkter Tag, der einem endlos erscheint." Und wenn die Herren mir überdrüssig wurden, wusste ich, wie man sie auch wieder loswurde.
    Ach, es war doch ein wahrlich zufrieden stellendes Gefühl, so behütet und gut aufgehoben zu sein! Die Ankündigung meines Onkels, mich gut versorgt sehen zu wollen, hatte etwas Beruhigendes. Gleich was passierte, war ich abgesichert. Von dem Erlös, der verkauften Villa in Lutetia hatte ich mir neuerlich ein Gestüt zugelegt. Es stand dort alles noch am Anfang und wenn noch etwas Zeit verging, würde die Equaria Flavia auch einen ordentlichen Gewinn abwerfen, dessen war ich mir gewiss. "Ein Betrieb hört sich gut an! Ich bin schon immer der Meinung gewesen, Geld ist nicht nur dazu da, es massenhaft auszugeben. Bevor man es unter die Menschheit bringt, sollte man ihm die Möglichkeit geben, sich zu vermehren. Ich werde gerne darauf zurückkommen! Im Übrigen habe ich mir erst vor wenigen Tagen einen Herzenswunsch erfüllt. Ich bin nun Eigentümerin eines Gestütes. Wenn es dich also nach einem Pferd oder gar nach Stutenmilch verlangt, so laß es mich wissen!" Bei letzterem war ich mir da allerdings nicht so sicher, ob ihn jemals danach verlangen würde!

  • "Ah nun, ich werde Dir in den nächsten Tagen eine Kostprobe zukommen lassen, wenn Du möchtest - mir ist die Vielfalt der Genüsse in diesem Haus wohl bewusst, dabei kann man das ein oder andere sehr wohl einmal übersehen oder vergessen - allein Felix' Weinkeller ist schon eine sehr harte Probe für einen jeden, der selbst Wein herstellt und genau weiss, dass die Qualität bestimmter Sorten erst über mehrere Jahre hinweg erreicht werden kann," sagte ich gutmütig und nahm mir noch die ein oder andere Traube aus der Schale. Sie schmeckten wirklich nicht schlecht, aber ich hatte andere Favoriten - was mich jedoch nie davon abhalten würde, auch anderes zu genießen. Ein monogamer Genießer würde ich wohl nie werden, weder bei Speisen noch bei Frauen. Den Blick auf ihr ruhen lassend, schmunzelte ich bei der Vorstellung, dass die Männer bei ihr Schlange stehen würden. Ein bisschen eitel musste sie schon sein, wenn sie dieses Bild vor sich trug, aber Eitelkeit führte bei Frauen auch glücklicherweise zumeist dazu, dass sie auf ihr Aussehen Wert legten, was wiederum der Umgebung zugute kam.


    "Stutenmilch ..." Ich sprach es gedehnt aus, die Brauen hebend - wusste ich doch, dass es einigen Damen sehr wohl Gewohnheit war, in derselben zu baden, allerdings hatte ich mich bisher noch nicht in die Reihe derer eingeordnet, die daran Vergnügen fanden. Als extravagantes Geschenk für eine Dame meiner Wahl hingegen wäre dies sicherlich eine amüsante Alternative. Wer war schon verrückt genug, einer Angebeteten ein Stutenmilchbad zu schenken, wenn es meist auch Schmuck tat? "Was das Pferd angeht, komme ich gerne auf Dich zurück, mit der Milch werde ich eher weniger zu tun haben. Kennst Du meinen Lapsus?" fragte ich grinsend, sie einen kurzen Moment der zumeist folgenden Verwirrung ob des Namens überlassend - schließlich konnte man dieses Wort auch anders deuten. "Mein Hengst hat ausgezeichnete Qualitäten, die ich gerne an Nachkommen vererbt sehen würde, wenn also eine Deiner Stuten für die Zucht vorgesehen sein sollte und noch nicht gedeckt wurde, wäre ich interessiert - ich bezahle Dir auch einen eventuellen Ausfall."

  • "Dem werde ich mit Freude entgegensehen!" antwortete ich lächelnd. Bei dieser Gelegenheit konnte ich vielleicht auch einige seiner Weine kosten. Oftmals waren es die kleinen Weingüter, die mit Innovationen überraschen konnten und sich dadurch von der breiten Masse abheben konnten. Im Prinzip war es genauso mit den Männern. Nicht die breite Masse interessierte mich. Zugegeben, nicht jeder Mann, nur weil er Patrizier war, musste automatisch ein Langweiler sein, doch wenn er bestimmte Qualitäten verfügte, dann war das ein Glücksgriff! Warum also nicht zugreifen? Ehrlich gesagt, wie es da um meinen Onkel bestellt war, wußte ich nicht genau. Dafür war ich noch nicht lange genug in Rom, um dies genau beurteilen zu können. Mir war allerdings einiges zu Ohren gekommen, was Beweis genug war, daß er kein Kind von Traurigkeit war.


    Es war äußerst amüsant seine Physiognomie zu beobachten, als er das Wort Stutenmilch aussprach. "Wieso denn nicht? Ich finde das gar nicht so abwegig! Es gibt genug Männer, die auf ihr Äußeres achten und die, die es nicht tun, sollten es tun! Stutenmilch verleiht auch dem männlichen Körper die nötige Frische und Geschmeidigkeit!" Ein wenig Werbung konnte gar nichts schaden!
    Die Erwähnung seines 'Lapsus' ließ mich aufhorchen. "Wie bitte?" Ich verstand erst nicht recht, was er damit sagen wollte. Welchen Ausrutscher meinte er wohl? Gab es vielleicht doch noch ein Geheimnis, welches sich lohnte, ergründet zu werden? Man konnte im Laufe seines Lebens eine Menge Ausruscher haben. Ich hatte meinen schon hinter mir! Doch dann begann ich zu kombinieren: Lapsus und Stutenmilch…, natürlich ein Pferd! Ich hatte mich gelegentlich schon im flavischen Reitstall umgesehen und hatte die dort stehenden Tiere begutachtet. Wohl wußte ich nicht genau, wer ihre Besitzer waren. Doch. In diesem Zusammenhang fiel es mir wieder ein. Es gab einen bemerkenswert schönen Hengst, namens Lapsus. "Ach, du meinst den Hengst! Ja, ich habe ihn im Stall schon bewundern können. Ein wahrhaft schönes Tier! Gerne komme ich auf dein großzügiges Angebot zurück. Ich werde mit meinem Verwalter sprechen. Der kann dann alles Notwendige veranlassen." Glücklicherweise mußte ich mich nicht selbst darum kümmern. Wozu hatte man schließlich Sklaven?

  • Je mehr sie versuchte, mir die Vorzüge eines Stutenmilchbades schmackhaft zu machen, desto mehr fühlte ich mich innerlich, als müsse ich dringend irgendwo hin gehen, Hauptsache an einem anderen Ort als meine Nichte mit ihren seltsamen Vorstellungen über männliche Körperpflege. Warum beschäftigten sich Frauen eigentlich so gerne mit diesen belanglosen Tätigkeiten, die sich vor allem darum drehten, den Wert ihres Augenblickes zu steigern? Wenn eine Frau witzig war und intelligent, sich einigermaßen pflegte und es mit Schmuck und Kleidung nicht übertrieb, war es doch ganz gleich, ob sie in Stutenmilch badete oder in Essig gelöste Perlen zu sich nahm. Auf so etwas achtete man im Zweifelsfall ohnehin nicht mehr, wenn einen eine Frau erst einmal bezaubert hatte.
    „Man kann als Mann auch auf sein Äußeres achten, ohne in Milch zu baden,“ sagte ich in der stillen Hoffnung, das würde dieses unangenehme Thema ein für allemal beiseite zu schieben imstande sein, allerdings war sie eine Flavia, und den Frauen unserer Familie war es selten genug gegeben, es bei einer Sache zu belassen, wenn sie diese erst einmal auf ihrer inneren Liste nach oben geschoben hatten.


    „Ich habe noch nie in Milch gebadet und bisher hat sich bei mir keine einzige Frau darüber beschwert, meine Haut sei nicht weich genug oder wofür auch immer das jetzt gut sein soll. Solange man sich regelmäßig wäscht, eine nicht zu aufdringliche Essenz für den Körper benutzt, sauber rasiert und das Haar schneiden lässt, sollte das doch genug sein. Überlassen wir die Schminke den Parthern oder den Achaiern, die können damit mehr anfangen.“ Es war eine Sache, Frauen und Männern gleichermaßen zugeneigt zu sein, wenn man gerne wohlgestalte Körper genoss, aber deswegen wollte ich sicherlich nicht weibisch wirken. Stutenmilch ... manchmal kamen Frauen wirklich auf abstruse Ideen. Glücklich, mich dem Gespräch über Tiere zuwenden zu können, stieg ich weit mehr auf diese Thematik ein.
    „Es freut mich, dass Dir mein Hengst gefällt, ich habe nie zuvor ein so treues und intelligentes Tier besessen wie ihn. Er hat mir einmal das Leben gerettet, weißt Du, und seitdem versuche ich, ihm dafür nur das Beste angedeihen zu lassen. Man könnte auch sagen, uns Patriziern sollte nie ein Gedanke an die verloren gehen, die uns hilfreich zur Seite standen. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir meist mehr Feinde als Freunde haben, und gerade jenen, die uns einen Dienst erwiesen haben, sollten wir uns verpflichtet fühlen, selbst wenn es nur ein Tier ist.“
    Früher oder später würde sie diese Erfahrung sicherlich selbst machen, letzten Endes war unsere Familie weder ohne Einfluss noch unbekannt, sodass dieser Tag früher oder später kommen musste. Mit etwas Glück würde sie noch einige glückliche Jahre davor erleben, aber die Realität hatte mir in solchen Sachen den Optimismus abgewöhnt.

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