„Auch ein möglicher Grund“, murmelte Seiana grinsend. „Mmh“, machte sie dann vage. „Muss Frau? Tatsächlich?“ Sie besaß nicht sonderlich viel Talent für alles, was mit der Küche zusammenhing. Dafür besaß sie umso mehr Kreativität – wenn sie mal in der Küche stand. Was sich dann allerdings eher auf Anweisungen beschränkte, wie dieses und jenes auszusehen hatte, oder welche Zutaten Elena doch bitteschön un-be-dingt noch hinzufügen musste, was diese meistens mit einem Augenverdrehen kommentierte.
Dann wurden Seianas Augen groß. Und noch größer. Dann verschluckte sie sich an dem Keks, an dem sie gerade knabberte. Und hustete erst mal. Danach erst fragte sie: „Du hast was?!?“ Damit hätte sie nun nicht gerechnet. Dass er Faustus schrieb. Seiana legte eine Hand auf die Stirn und starrte Caius an. Faustus würde ganz und gar nicht begeistert sein, von einem anderen von der Verlobung zu hören, da war sie sich sicher. Warum hatte Caius denn geschrieben? Sie fand es süß, dass er das getan hatte, dass er sich ihrem Bruder vorstellte, aber die Tatsache, dass er schneller damit gewesen war als sie, ließ das Ganze ziemlich unglücklich werden. Zumal Caius keine Ahnung hatte, dass Faustus der Einzige war, der Zuhause Bescheid wusste, dass Seiana die erste Zeit hier übernachtet hatte, bevor sie mit Flaminia Aviola ihr derzeitiges Arrangement hatte treffen können. Zwischen den Fingern hindurch beobachtete Seiana, wie Caius zwei Briefe aus seiner Tasche fischte. „Auweh…“, murmelte sie halblaut, dann streckte sie ihre Hand aus und nahm den für sie bestimmten Brief entgegen. „Äh, ja, sicher… freut er sich. Für mich.“ Ganz überzeugt klang sie nicht. Immerhin, wie würde sie sich fühlen, wenn sie von einer ihr Fremden einen Brief bekam, in dem diese ihr mitteilte, sie sei die Verlobte ihres Bruders – bevor dieser ihr etwas davon gesagt hatte?
Als Caius das Siegel brach, zögerte Seiana noch einen Moment, dann brach auch sie das an ihrem Brief. Langsam rollte sie das Pergament auf und sah immer wieder zu Caius hinüber, und seine Miene trug definitiv nicht dazu bei, ihr Mut zu machen. Dann begann sie endlich, ihren Brief zu lesen. Und wieder wurden ihre Augen groß. Gleichzeitig öffnete sich ihr Mund. „Äh“, machte sie. „Das… also…“ Sie hatte ja erwartet, dass Faustus nicht begeistert sein würde, aber dass er ihr sogar unterstellte, sie sei schwanger? Dann versuchte sie sich zu erinnern, ob sie ihm damals erzählt hatte, dass Caius bei Meridius gewesen war. Möglicherweise nicht. Immerhin hatte sie sich damals viel zu sehr darüber aufgeregt, dass er das hinter ihrem Rücken getan hatte, anstatt mit ihr zu sprechen, vorher. Oder wenigstens gleich danach. Und dann hatte sie beschlossen, zu ihm nach Ägypten zu reisen. Gut möglich, dass sie in der Hektik der ganzen Vorbereitungen versäumt hatte, Faustus darüber zu informieren, zumal er zu jenem Zeitpunkt ja noch in Mantua stationiert gewesen war. Seiana sah Caius an. „Was hat er dir geschrieben?“