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CUBICULUM
MARCUS DECIMUS VALENTINUS
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CUBICULUM
MARCUS DECIMUS VALENTINUS
Meridius hatte den neuen Bewohner der Casa noch nicht angetroffen, weil er bei dessen Ankunft nicht im Hause anwesend gewesen war. Und auch an den Folgetagen lief man sich - fast ein Wunder - immer aus dem Weg. Unbeabsichtigt verstand sich. Um so mehr war es notwendig, dass der Senator den jungen Mann sprach.
Nachdem ihm ein Haussklave mitgeteilt hatte, dass Decimus Valentinus an diesem Tag auf seinem Zimmer verweilte, nahm Meridius den direkten Weg und stand wenig später vor der Türe.
Er klopfte an und wartete ...
Valentinus hatte sich in den letzten Tagen sein neues Zimmer eingerichtet und hatte das Haus kaum verlassen. Dankbar hatte er die Zeit, in der Meridius abwesend gewesen war, genutzt um sich von den Strapatzen seiner Reise zu erholen. Dennoch hatte er natürlich gespannt auf dessen Ankunft gewartet. Nun war es offensichtlich soweit.
Als es an der Tür klopfte, stand Valentinus auf, und zupfte sich ein wenig seine Sachen zurecht um ein eventuelles neues Familienmitglied kennezulernen. Der erste Eindruck war bekanntlich der Wichtigste! Nachdem er mit sich zufrieden war, beantwortete er das Kopfen.
"Herein!", rief Valentinus in erwartungsvollem Tonfall.
Der Senator betrat den Raum, blickte sich kurz um und trat dann auf den Sohn des Decimus Lucidus zu. Er war jung, schlank, von kleiner Statur, mit braunem schwarzen Haaren und braunen Augen, die Gesichtszügen ließen in der Tat eine Ähnlichkeit mit seinem Vater erkennen. Wenn man ihn länger betrachtete wurde er seinem Vater gar immer ähnlicher und man konnte vielleicht glauben, Publius selbst, in jungen Jahren, vor sich stehen zu haben.
"Salve Marcus."
sprach Meridius in vertrautem Ton, auch wenn ihm der junge Bursche gänzlich unbekannt war. Doch er hatte keine Zweifel, dass er tatsächlich der Sohn des Publius war.
"Ich sehe, Du hast Dich einigermaßen bei uns eingelebt. Und das ist schön. Wie geht es Deinem Vater? Ich habe lange nichts von ihm gehört ..."
Valentinus musterte sein Gegenüber genau und überlegte kurz.
"Salve! Ich nehme an sie sind Senator Meridius...?"
Offensichtlich war Valentinus in den Anrede- und Höflichkeitsformen noch nicht allzu sicher und wollte lieber auf Nummer sicher gehen, bevor er jemanden verärgerte.
"Meinem Vater geht es gut. Er genießt seinen Ruhestand Fern von Rom. Hier hätte er bei all dem Geschehen und Treiben auch kaum zur Ruhe kommen können. Tylus ist wirklich ein hervorragender Ort um sich im Alter niederzulassen. Ich soll sie übrigens von ihm Grüßen!"
Sein Blick schweifte ein wenig in die Ferne und man sah Valentinus an, dass er noch etwas Heimweh empfand.
"Mir hat er allerdings die Ruhe fern der römischen Heimat nicht mehr gegönnt und hat mich nach Rom gesandt um hier Karriere zu machen. Mein Vater hatte gehofft, dass man mir hier weiterhelfen könnte."
Erwartungsvoll wartete Valentinus auf die Antwort von Meridius.
Dass Valentinus noch nie in Rom gewesen war, sondern sein bisheriges Leben im Osten verbracht hatte, merkte man sofort an der Art wie er sprach. Sein Vater musste in der Erziehung nachlässig gewesen sein. Valentinus gab sich höflich wie ein orientalischer Untergebener.
"Es freut mich zu hören, dass es Publius gut geht."
sprach der Senator.
"Und ja, ich bin Maximus Decimus Meridius. Dein Onkel sozusagen. Deinem Vater verdanke ich sehr viel, wir haben in früheren Tagen so manches Abenteuer gemeinsam erlebter hat mich gefördert wo es ging und daher wird es mir eine Pflicht und Freude sein, auch Dir zu helfen."
Er war näher getreten und betrachtete den jungen Mann genauer.
"Du hast viel Ähnlichkeit mit ihm. Das markante Kinn, den forschen Blick. Wenn Du so zielstrebig bist wie er, dann wirst Du es weit bringen. Vorausgesetzt ..."
Einen Moment hielt er inne.
"... vorausgesetzt Du verinnerlichst sehr schnell die römische Mentalität, die unabdingbare Grundlage für Erfolg ist. Da sind zum einen Ehrgeiz und Verbissenheit die gesetzten Ziele unbedingt zu erreichen, Stolz auf die Ahnen, die Familie, die Errungenschaften und Leistungen Roms, Ehrerbietung gegenüber den Göttern und Ahnen, Treue gegenüber dem Kaiser - so er kein Despot ist -, dem Senat - so er sich nicht zum Tyrannen aufschwingt - der Familie und sich selbst. Die Männer, welche auf Dich zählen, müssen es zurecht tun. Ein Wort das Du gegeben hast, muss gelten. Deine Verpflichtungen sind Dir Gesetz. Du bist römischer Bürger, über Dir steht nur das Gesetz. Alle anderen sind unter diesem gleich. Daher ..."
Wieder hielt er inne.
"Daher rede mich und jeden anderen Römer auch als Gleichen an. Wir sind nicht im Orient, Du brauchst in Rom niemanden zu siezen, nicht einmal den Kaiser. Du DARFST es nicht einmal, wenn Du Erfolg haben möchtest, denn der Erfolg ist mit den Tüchtigen, also denen, die mit gesundem Selbstbewusstsein Römer sind. Ich sage mit Absicht Selbstbewusstsein, denn Du musst wissen, wer Du bist, woher Du kommst, wohin Du willst und Du musst dazu stehen. Du bist Sohn eines ehemaligen Statthalters, eines Senators, Römer durch und durch. Und ein Decima dazu. Willkommen in der Familie."
Valentinus wirkte ein wenig zerknirscht, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen.
"Entschuldige Meridius. Natürlich hat mein Vater mir diese Dinge mitgegeben, aber die Macht der Gewohnheit ist ziemlich stark, wenn man ein Leben lang etwas getan hat. Ich werde in Zukunft besser auf meine Umgangsformen achten um der Familie keine Schande zu bereiten."
Gleich darauf kam Valentinus auf seine Pläne zu sprechen um Meridius zu zeigen, dass er verstanden hatte worum es ging.
"Um der Familie, dem Kaiser und dem Reich zu dienen werde ich eine Karriere hier in Rom anstreben. Als Soldat bin ich körperlich und auch von meinen Neigungen her eher nicht geeignet, weshalb ich eine Karriere in Verwaltung und Politik anstrebe. Langfristig möchte ich es meinem Vater gleich tun und den Cursus Honorum beschreiten, aber das liegt noch weit in der Zukunft. Da ich mich in Rom kaum auskenne, werde ich in dieser Hinsicht auf deinen Rat bauen, wenn du ihn mir geben kannst und willst."
Valentinus unterdrückte ein Schmunzeln, hatte er doch vom Siezen soeben ins andere Extrem gewechselt und war sehr direkt geworden.
"Wie steht es eigentlich zur Zeit im Reich? Ich habe vom Tod des Kaisers gehört und zahlreiche Gerüchte wie es mit der Nachfolge weitergehen soll. Weißt du da vielleicht etwas konkretes?"
Gespannt lauschte Valentinus, denn diese Dinge interessierten ihn offensichtlich wirklich und waren nicht nur höflicher Plauderei geschuldet.
Die Vorstellungen des jungen Decimus waren klar. Alles andere hätte auch kaum zu einem Sohn des ehemaligen Statthalters Hispanias gepasst. Dass Lucidus als solcher dem einen oder anderen Senator in Rom noch ein Begriff war, war sicher ein Vorteil. Gänzlich unbekannt war Valentinus daher nicht.
"Ulpius Iulianus wurde im Kampf gegen die Parther verwundet und ist dann diesen Verletzungen erlegen. Sein Adoptivsohn Ulpius Aelianus Valerianus hat seine Nachfolge angetreten und ist der neue Kaiser. Er ist gerade dabei die Macht in Rom etwas umzuverteilen, doch ich denke, dass er in den meisten Dingen seinem Vater folgen wird. Er kann davon ausgehen, dass diejenigen, welche seinem Vater dienten, auch ihm dienen werden. Doch genaues weiß man nie. Das ist die Lage im Reich."
Der Senator hielt einen Moment inne.
"Hat Dich Dein Vater mit dem politischen System in Rom vertraut gemacht? Hat er Dich vorbereitet?"
Valentinus nickte.
"Ich bin in der Theorie mit dem politischen System vertraut. Mein Vater hat mich die Gesetzestexte gelehrt, die verschiedenen Ämterlaufbahnen sowie Gremien. Da ich allerdings bisher noch nie im römischen Reich war, werden Theorie und Praxis wohl noch aufeinandertreffen."
Er dachte offensichtlich kurz nach um dann noch etwas nachzuschieben.
"Ich weiß, dass ich den Ordo Senatorius erlangen muss um eine Laufbahn im Cursus Honorum zu beginnen. Mein Vater hat mir aber keine explizite Empfehlung gegeben, wie ich dieses Ziel am Besten erreichen könnte, er war ja schon zu lange aus Rom weg um solche Ratschläge zu geben."
Valentinus wirkte in dieser Hinsicht äußerst zielstrebig.
Meridius verstand. Lucidus hatte natürlich nichts dem Zufall überlassen und es verstand sich von selbst, dass er seinen Sohn - so weit es ihn belangte - auf alles vorbereitet hatte. Der Rest lag nun bei diesem selber, und der lieben Verwandtschaft natürlich. Auf letztere war wie immer Verlass. Die Decima unterstützten die ihren, wo immer sie konnten und wann immer sie konnten.
"Nun, Du bist der Sohn des ehemaligen Statthalters von Hispania. Er ist ein Senator, ich sehe da kein Problem. Dennoch müssen wir natürlich mit Bedacht vorgehen. Ehe Du Dich in das Wasser stürzt, solltest Du erst das Schwimmen gelernt haben. Und nicht nur irgendwie plantschen, denn Rom ist ein Haifischbecken."
Der Senator dachte nach.
"Vermutlich wird es das beste sein, wenn Du ersteinmal hier bleibst. Dann wirst Du mich auf diversen Empfängen begleiten, als Sohn Deines Vaters. Und als mein Neffe. Damit wirst Du bekannt. Es würde sich auch empfehlen, wenn Du bei einem anerkannten Juristen zur Schule gehen würdest. Vielleicht zu Vinicius Hungaricus. Ich könnte ihn fragen. Oder aber ich versuche, für Dich einen geeigneten Posten am Kaiserhof zu finden. Vielleicht auch in der Stadtverwaltung. Möglich wäre auch, dass ich einen der Quaestoren oder Aedile frage, ob sie noch einen Sekretär gebrauchen könnten. Du könntest dann zumindest Erfahrungen sammeln..."
Valentinus wurde ein wenig nachdenklich und schien über die Möglichkeiten nachzusinnen.
"Ich glaube für eine Stellung am Kaiserhof ist es für mich noch zu früh. Bevor ich nicht genügend Erfahrung gesammelt und mich in Rom einigermaßen aklimatisiert habe, möchte ich lieber nicht inso exponierter Stellung tätig werden. Bei Vincius Hungaricus zur Schule zu gehen würde mich jedoch ziemlich reizen! Wenn du das arrangieren könntest, wäre ich dir wirklich zum Dank verpflichtet. Sollte es nicht möglich sein, kann ich immer noch versuchen mich als Sekretär zu bewerben."
Zufrieden mit seiner Antwort sprach er noch ein weiteres Thema an.
"Im Übrigen wäre es allmählich an der Zeit alle Mitglieder der Familie in diesem Haus kennenzulernen. Wenn du mich ihnen heute Abend vielleicht vorstellen könntest...?"
Man konnte schon wieder die Neugier in den Augen von Valentinus blitzen sehen.
Die Lösung mit Hungaricus erschien vernünftig. Wenn Valentinus etwas lernen wollte, dann konnte er dies vor allem bei ihm. Zwei, drei andere Namen kamen ihm ebenfalls in den Sinn, doch er würde es zunächst bei Hungaricus versuchen. Alles andere konnte man dann überlegen, wenn es soweit war.
"Gut, ich kümmer mich dann darum."
antwortete er und ging dann auch gleich auf das andere Anliegen seines jungen Verwandten ein.
"Du wirst Deine Verwandtschaft schon noch kennen lernen. Keine Sorge. Ich weiß nicht, wen Du schon alles angetroffen hast, doch zum Essen heute Abend werden zumindest alle anwesend sein, die zur Zeit in der Casa nächtigen. Um alle anzutreffen, benötigen wir aber schon eine größere Feier, ein Familienfest. Wir sind eine große Familie, vielbeschäftigt, wenn wir keine Arbeit haben, suchen wir sie uns selbst..."
Er lachte.
Da musste auch Valentinus schmunzeln. Er hatte ja schon gehört wie groß seine Familie war und dass sie im ganzen Reich verstreut waren.
"Dann werde ich mir aber ganz schnell Arbeit suchen müssen um den Rufder Familie zu schützen!"
,scherzte Valentinus.
"Danke für deinen Rat Meridius. Ich freue mich schon auf das Abendessen! Bis dahin schreibe ich noch schnell einen Brief an meinen Vater, dass ich heil in Rom angekommen bin."
Valentinus verabschiedete sich höflich von Meridius und begann dann damit den erwähnten Brief zu schreiben.
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