Cubiculum - Iunia Axilla

  • Warum nur musste es so verdammt weh tun? Er sagte all das, was sie vor vier Wochen so gerne gehört hätte, wofür sie getötet hätte, es zu hören. Und jetzt endlich sagte er es, und doch war es so schrecklich falsch. Es zerriss ihr beinahe das Herz, und so gerne hätte sie jetzt einfach das Thema gewechselt, so getan, als wäre nichts, hätte ihm die fröhliche, unbekümmerte kleine Axilla vorgespielt, die kein Wässerchen trüben kann. Sie wollte ja auch gar nicht, dass es endete. Aber es durfte nicht sein, es war falsch, und sie wusste das.
    Aber deine Karriere sollte dir wichtiger sein, Lucius. Heute sagst du, es ist dir egal. Aber was ist in fünf Jahren? In zehn Jahren? Was wäre, wenn wir Kinder hätten, was wäre mit denen? Mit ihren Karrieren?
    Die Gens Iunia war in einer überschaubaren Größe und von keinem nennenswert großem Einfluss. Silanus war der einzige, der einen hohen Posten bekleidete, das war für die ganze Gens von Vorteil. Das durfte sie den anderen nicht kaputt machen, und er konnte das doch nicht so einfach wegwerfen. So sehr sich Axilla auch wünschte, dass er es tat, so sehr sie sich auch wünschte, sie könnte so egoistisch sein. Das durften sie beide nicht.
    Und seine letzten Worte schmerzten so sehr, dass Axilla glaubte, sie könnte es nicht mehr ertragen. Sie wollte am liebsten in sich zusammenbrechen und aufgeben. Sie wollte nicht mehr stark sein, nicht mehr hart sein, nicht mehr gerecht sein. Sie war doch erst sechzehn! Ihr Vater war gestorben, da war sie gerademal dreizehn Jahre alt gewesen, ein Kind! Und seitdem musste sie immer stark sein, immer fröhlich, immer wissen, was zu tun war. Sie musste sich schon immer um andere kümmern, erst um ihre Mutter, und jetzt um Silanus. Sie wollte nicht mehr stark sein, sie wollte nicht mehr das richtige versuchen und doch wieder und wieder scheitern. Sie wollte auf ihren Baum, klettern wie ein Eichhörnchen, einfach die Welt zurücklassen und ihren Geist frei sein lassen. Sie wollte nicht mehr wissen müssen, was richtig und was zu tun war. Sie wollte nicht mehr!


    Und doch richtete sich ihr Körper gerade auf, und sie erwiderte seinen Blick. Unendlich traurig flossen Tränen von ihren Wangen und fielen in dicken Tropfen von ihrem Kinn herab. Erwachsen, ja fast erhaben, sprach sie, mit nur leichtem Zittern in der stimme.
    Ich liebe dich auch… wie Verwandte es tun.
    Es war das richtige. Auch wenn es schmerzte.

  • Das konnte doch nicht ihr ernst sein. Silanus verstand die Welt nicht mehr. Axilla hatte sich vor wenigen Wochen noch derart bemüht ihm davon zu überzeugen, dass ihre Liebe eine Zukunft hatte, dass sie strebenswert war und das sie beide miteinander Glücklich werden konnten und nun sah sie alles anders? Was war in diesen Wochen passiert? Wie konnte sie derart ihre Ansichten und vor allem ihre Gefühle ihm gegenüber ändern? Mit entsetzen in seinen traurigen Augen sah er Axilla an. Nichts an ihr machte dein Eindruck, dass sie es nicht ernst meinte, dass alles nur ein böser Traum war oder sie ihm nur zum Narren halten wollte.


    Ihr letzter Satz gab ihm schließlich den Rest. Sie liebte ihn wie Verwandte es taten? Und sie meinte es allen Anschein nach wirklich ernst. Silanus wusste nicht mehr was er nun sagen konnte oder überhaupt sagen sollte. Ihm fehlten die Worte, ihm fehlte jeglicher klare Gedanke. Er merkte die Traurigkeit und die unendliche Leere die sich in seinem Inneren breit machte. Axilla hatte ihre Entscheidung also getroffen und diese schien unwiderrufbar. Silanus blieb nichts anderes übrig, als sie zu akzeptieren und die Konsequenzen zu ziehen.


    So wie sie es sagte, würde er nach Rom gehen – alleine – und seine Karriere weiterverfolgen. Wie gerne hätte er weiter auf sie eingeredet, ihr noch einmal erklärt, dass er sich geirrt hatte, das er sich seinen Gefühlen nicht klar war, dass es ein Fehler war sie zurückzuweisen und das er sie wirklich über alles liebte. Doch sie machte den Eindruck, als würde sie das alles nicht mehr interessieren. Hatte sie denn nur mit ihm gespielt? War alles was sie vor wenigen Wochen noch getan oder gesagt hatte eine Lüge? Oder war es nur ihr verletzter Stolz, der sie nun zu dieser bitteren Entscheidung geführt hatte? Tausend Gedanken schossen Silanus durch den Kopf, den er enttäuscht zu Boden senkte. Er konnte ihre Blicke nicht mehr ertragen. Im ersten Moment schien alles noch glücklich auszugehen. Eine gemeinsame Zukunft mit Axilla schien zum greifen nahe, doch im nächsten Moment war alles verloren, alles zerstört. Seine Stimme klang leise und vollkommen kraftlos, als er ohne sie anzusehen das Wort ergriff.


    "Ich verstehe. Dann…… Dann wünsche ich dir alles Gute Axilla. Mögen die Götter ihre schützende Hand über dich halten und Fortuna dir alles Glück der Erde bescheren."


    Er hatte soeben beschlossen die restlichen Tage in dieser Provinz in seinem Tribunenhaus in Nikopolis zu verbringen. Hier unter diesem Dach gemeinsam mit Axilla wäre zu schmerzvoll. Der Abschied musste schnell geschehen. Jetzt und hier.


    "Lebe Wohl."


    Er sah sie noch einmal an, sah ihren wundervollen Körper, ihre wunderschönen Augen und ihr anmutiges Wesen. Ein letztes Mal wollte er sie ansehen, sich diesen Moment einprägen, um sie sich immer wieder in seinem Geiste abrufen zu können, wenn er an sie dachte. Dann wandte sich von ihr ab und ging zur Türe, öffnete sie ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen.


    "Ich liebe dich."


    Dann ging er nach draußen und schloss hinter sich die Türe.

  • Axilla schaffte es nur solange, ihre Haltung zu bewahren, bis die Tür zufiel. Es gab so ein dumpfes Geräusch, als sie zu war, und es war fast wie das Signal für ihren Körper, aufzugeben. Sie taumelte, stürzte, rappelte sich hoch und lief zu der Tür. Sie wollte doch gar nicht, dass er geht! Sie wollte ihm doch sagen, dass sie ihn liebte! Sie wollte das doch alles gar nicht! Es war doch egal, ob es richtig war oder falsch oder was die Zukunft dann für sie bedeuten würde. Sie wollte doch nur Liebe und Geborgenheit.
    Schließlich kam Axilla an der Tür an und stürzte halb dagegen. Sie sollte rufen, bestimmt war er noch nicht weit weg. Sie sollte rufen, damit er wieder zurückkommen würde. Bestimmt würde er kommen, und sie in die Arme nehmen, und dann wäre wieder alles gut. Wie vorhin, als sie die Augen geschlossen hatte, für diesen kurzen Moment. Das konnte doch wieder so sein?
    Kraftlos glitt Axilla ganz langsam an der Tür hinunter, während ihre Beine nachgaben und ihr Körper zitterte und von lautlosen Schluchzern durchdrungen bebte. Ihre Lippen zitterten, ihr Mund war geöffnet, aber kein Laut kam heraus, kein Schrei, kein Flehen, kein Rufen. Sie sank nur immer tiefer, bis sie schließlich an ihre Tür gelehnt dasaß, die Hand an das Holz gelegt, wie eine Katze, die sacht um einlass am Türrahmen kratzte. Ihr Herz zersprang ihr fast in der Brust, und ein leises Wimmern und Schluchzen kam nun doch über ihre Lippen, wohl kaum hörbar.
    Warum nur hatte sie das gemacht? Warum nur hatte sie ihm nicht die Wahrheit einfach gesagt? Warum nur musste sie ausgerechnet jetzt damit anfangen, das richtige zu tun? Warum, warum, warum war sie so unglaublich dämlich?


    Axilla saß einfach nur da und weinte still gegen die Türe gelehnt. Sie hatte keine Antwort, die sie zufrieden stellen konnte. Die einzige Antwort war, dass es für ihre Familie und ihrer beider Zukunft das beste war, und dass es einfach das richtige gewesen war, es zu tun. Aber das wollte ihr Herz nicht dazu bringen, weniger weh zu tun, und vermochte genauso wenig, diese Leere in ihr zu füllen.
    Irgendwann fand sie dann Leander, der sie vorsichtig hochhob und zu ihrem Bett rübertrug. Er wollte bereits einen Arzt kommen lassen, aber Axilla hielt den Sklaven einfach am Arm fest und schüttelte den Kopf.
    Bitte, Leander, bitte. Verrat es keinem. Bitte.
    Sie konnte sehen, wie der Grieche mit sich rang, aber schließlich hatte sie ihm das Versprechen abgenommen. Erschöpft schloss Axilla einfach die Augen. Sie wollte nur noch schlafen und vergessen.

  • In ihrem Zimmer angekommen schob Axilla erst einmal den schweren Riegel vor. Sie wollte niemanden sehen, niemanden sprechen, niemanden hören. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe. Sie wünschte, sie hätte ihren Baum hier, auf den sie sich zurückziehen konnte, fern von der Welt, und alles vergessen. Nur der war nicht hier, der war hunderte von Meilen entfernt. Hier gab es überhaupt keine richtigen Bäume!
    Axilla tapste verheult durch das Zimmer zu der Truhe. Sie öffnete den schweren Deckel, wie sie es schon so viele Male gemacht hatte und schaute hinunter auf die Rüstung und das Schwert. Alles, was ihr von ihrem Vater geblieben war. Das letzte bisschen, was sie von ihm hatte. Sie hob beide Teile vorsichtig heraus und legte sie neben sich auf den Boden. Sie sahen so zerbrechlich in ihren Augen aus. So klein. Sie hatte sie bei ihrem Vater immer größer in Erinnerung gehabt. Für Axilla war ihr Vater immer ein Riese gewesen, aber die Rüstung hier war so klein, sie würde wohl eher Silanus passen als Ánthimos.
    Vorsichtig berührte sie die beiden Dinge. Ganz sanft strich sie über die Rüstung. Die Kerben, die sie gehabt hatte, waren ausgebessert worden. Aber Axilla fühlte sie immer noch unter ihren Fingerspitzen, wenn man ganz vorsichtig darüber fuhr. Wie so oft fragte sie sich, welche davon wohl die tödliche Wunde gewesen war, und ihr Körper schüttelte sich vor Schluchzen bei diesem Gedanken. Sie saß so eine ganze Weile, während die Nacht schnell über Alexandria hereinbrach, und ignorierte alles, was an ihrer Türe vorging. Ihr Kopf war ganz leer und blendete einfach alles aus.
    Irgendwann, es musste schon spät in der Nacht sein, legte sich Axilla dann doch ins Bett, um zu schlafen. Sie verräumte die beiden geliebten Reliquien wieder fein säuberlich und entkleidete sich. Wie eine Puppe ließ sie sich einfach ins Bett fallen und zog die dünne Decke über ihren Körper. Sie fühlte sich so leer.

  • Die Hufe des Pferdes klangen ganz hohl und gedämpft auf dem weichen Waldboden. Es schnaubte in der kalten Luft und ein kleines Dampfwölkchen stieg hinauf in die klare Nachtluft. Es war kalt, so kalt, dass die Haut auf ihrem Gesicht spannte. Und doch war ihr nicht kalt, denn der dicke, rote Umhang lag um sie geschlungen und er saß in ihrem Rücken. Sie fühlte die Rüstung, so hart und fest, und seine Arme um sich. Er hatte so große, starke Arme. Er hielt die Zügel mit einer Hand, und sie durfte sie auch halten, wenn sie wollte. Aber sie wollte gar nicht, sie war müde und hatte es kuschelig und warm so vor ihm auf dem Pferd sitzend, das beim Gehen sanft schaukelte.
    In den Bäumen konnte Axilla etwas hören. Es klang wie das Wispern von Mädchenstimmen. Sie drehte furchtsam den Kopf und schaute sich um. Sein großes Gesicht kam in ihr Blickfeld, und er lächelte. Er konnte so wundervoll lächeln, so offen und ansteckend. Sie lächelte sofort zurück.
    “Das sind die Virae querquetulanae. Baumnymphen. Sie haben uns bemerkt, und unterhalten sich darüber.“
    Mit großen Kinderaugen schaute sich Axilla die Bäume an. Sie schaute, ob sie so ein Baummädchen vielleicht sehen konnte. Manchmal sah sie kurz zwei leuchtende Augen oder etwas schnell im Dunkeln vorbeihuschen, aber wirklich sehen konnte sie keines. Ein wenig wurde sie furchtsam, sie waren ja allein, und das schienen so viele zu sein. Ängstlich schaute sie noch einmal in sein lächelndes Gesicht.
    “Keine Angst, die tun uns nicht. Sie leben und vergehen mit ihren Bäumen, und solange wir gut zu den Bäumen sind, tun sie uns auch nichts.“
    Das verstand das kleine Kind, und mit großen Augen schaute sie weiter, ob sie nicht doch ein Baummädchen sehen konnte. Aber sie entdeckte nur ein paar Eichhörnchen, die aufgeregt die Stämme hoch rasten und von oben kurz herunterschauten und dabei keckerten.


    Sie ritten durch den dunklen Wald, und Axilla schmiegte sich mehr an seine Brust und seine Rüstung. Sie fühlte sich so sicher und beschützt. Es war egal, dass es kalt war. Es war egal, dass es dunkel war. Es war egal, dass sie weit weg von daheim waren. Er war da, mehr brauchte sie nicht. Die Welt war in Ordnung.
    Sie ritten weiter, und immer wieder nickte Axilla leicht weg, sah dann die Baummädchen mit ihren grünen Haaren, die lachten und zu ihrem Vater und ihr herunter zeigten. Ganz wild waren sie, mit Blumen im grünen Haar, goldene Haut hatten sie, wie sie so nackt dasaßen und sie beobachteten. Sie waren so schön.


    “So mein Eichhörnchen. Wir sind da. Schau mal.“
    Axilla öffnete die Augen und reckte sich, um über den Pferdekopf hinwegschauen zu können. Sie waren hoch oben, hinter ihnen der Wald. Vor ihnen ging es steil nach unten, wo der Fels schroff abfiel ins Tal. Etwas weiter links sprudelte ein kleiner Bach in einem kleinen, silberweißen Wasserfall, und ergoß sich ins Tal. Das Mondlicht spiegelte auf dem Wasser wie tausend kleine Funken.
    Axilla schaute weiter, hinunter in das Tal. Da waren Wiesen und ein paar Schafherden in der Ferne. Ganz weit hinten konnte sie ihr zuhause sehen, ihren eigenen Baum. Sie zeigte mit der Hand und hüpfte aufgeregt im Sattel. Sie sah das Licht zuhause, wie versprochen. Aber das interessierte sie gar nicht so sehr. Sie schaute hoch in sein lächelndes Gesicht, wie er sich freute, dass sie es erkannt hatte. Es war so schön.
    Sie beide waren hier, im Wald bei den Baumnymphen, und lächelten sich an. Die ganze Welt war unwichtig. Die Kälte war unwichtig. Die Nacht war unwichtig. Nur das Lächeln, das war wichtig.

  • Als Axilla aufwachte, sah sie noch das Lächeln ihres Vaters vor sich. Für einen Moment, bevor sie noch richtig wach war, war er noch bei ihr, noch am Leben, und hielt sie lächelnd in seinen Armen. Sie konnte ihn so deutlich vor sich sehen. Doch das Licht der hereindringenden Sonne ließ ihn verschwinden wie Morgennebel. Einen Moment blieb Axilla so liegen zwischen träumen und wachen, ehe es ihr wieder einfiel.
    Er war tot. Er war nicht hier, er war tot. Gestorben irgendwo an einem Ort, von dem sie nie gehört hatte bis zu dem Tag, als sein Schwertbruder an seiner Stelle zu ihnen nach Hause kam und Rüstung und Schwert überbracht hatte. Sie würde ihn nie mehr so lächeln sehen. Er würde sie nie mehr umarmen. Sie würden nie mehr gemeinsam durch einen Wald reiten. Er würde auch nicht zu ihr herüberschauen mit seinen sturmgrauen Augen. Nie mehr.
    Wie jedes Mal starb Axilla ein klein wenig, als die Erkenntnis ihr ins Bewusstsein drang. Sie krümmte sich ein wenig zusammen und hielt sich den Bauch, als könne sie so die sich dort ausbreitende Leere stoppen. Wie jedes Mal musste sie leise weinen, und sie schnappte sich ein Kissen und kuschelte sich verzweifelt daran. Sie fühlte sich so unendlich einsam und verlassen.
    Ihr Vater war der einzige gewesen, der sie verstanden hatte. Der sie geliebt hatte, genau so, wie sie war. Er hatte ihr nie das Gefühl gegeben, sie sollte anders sein. Für ihn war sie genau so richtig, wie sie war. Es war richtig, dass sie als Mädchen auf Bäume geklettert war, mit seinem Schwert gegen Grashalme gekämpft hatte, selbst ohne Sattel und Zaumzeug in vollem Galopp über die Wiesen geprescht war. Es war egal, dass ihre gesponnene Wolle so dick war, dass man damit locker Kälber fesseln, aber wohl kaum ein Stück Stoff weben konnte. Es war egal, wenn ihre Nähte krumm und schief waren und das, was sie kochte, nur sehr wohlwollend mit reichlich Wasser Essen konnte. Er hatte ihr nie das Gefühl gegeben, dass sie deshalb weniger liebenswert wäre, weil sie Fehler machte. Nein, im Gegenteil, er liebte sie gerade für ihre vielen Fehler, für das ganze Chaos, das sie verbreitete. Und er wusste immer, was zu tun war. Sie konnte mit jedem Problem zu ihm kommen, er wusste ganz genau, was sie tun sollte. Und sie konnte jedes Geheimnis mit ihm teilen.
    Sie vermisste ihn ja so unendlich! Nicht nur ihr Vater war an dem Tag gestorben, nein ihr bester Freund, ihr Geheimnisbewahrer und ihre verwandteste Seele waren ebenfalls gestorben. Axilla war an jenem Tag gestorben. Und seither starb sie jeden Tag ein kleines bisschen mehr und verdeckte es durch eine ewig lächelnde, ewig quirlige Maske der jugendlichen Freude. Sie wollte nicht, dass es jemand sah, sie wollte nicht, dass ihr da jemand so nahe kam. Sie wollte nicht mehr, dass ihr irgend jemand so nahe kam, denn der konnte auch sterben, und dann hätte sie nur eine offene Wunde mehr, die sie vielleicht nicht mehr schließen konnte. Und dennoch sehnte sie sich so sehr nach diesem Halt und dieser Sicherheit. So sehr, dass sie darüber hinaus alles andere vergaß.


    Sie weinte noch ein wenig, ehe sie keine Tränen mehr hatte. Völlig leer stand sie schließlich auf und ging hinüber zu ihrer Waschschüssel. Sie wusch sich darin gründlich das Gesicht und machte sich bereit für den Tag. Wieder ein Tag, an dem sie lächeln würde, an dem sie vielleicht auch ernst sein würde. An dem sie leben würde.
    Obwohl sie nichts davon wirklich fühlte.

  • Axilla saß an dem kleinen Tisch neben dem Fenster, das den Blick hinunter in den Garten freigab. Vor ihr lagen ein jungfräuliches Pergament und die lange Feder, deren unterstes Kielende schon schwarz gefärbt war von der vielen Tinte, die sie im Laufe ihrer Dienstzeit schon auf verschiedene Pergamente geschrieben hatte. Axilla zögerte noch einen Moment, doch dann nahm sie die Feder schließlich zur Hand und fing an, in ihrer leicht geschwundenen Handschrift zu schreiben.



    Ad
    Lucius Iunius Silanus
    Casa Iunia
    Roma


    Sim-Off:

    Ad
    Lucius Iunius Silanus,
    praefectus alae
    Germania
    Confluentes*


    Salve Lucius,


    Ich weiß gar nicht, was ich dir hier schreiben will. Aber heute sind Carista, und ich habe so sehr das Bedürfnis danach, auch dir zu schreiben. Die letzte Woche war schwer für mich, mit den Parentalia, und ich hab über so vieles nachgedacht. Ich glaube, ich habe ein paar Dinge gemacht, von denen mein Vater nicht sehr begeistert wäre. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass er nicht begeistert davon wäre.
    Und trotzdem kann ich es nicht richtig bereuen. Ich weiß, ich müsste das, ich weiß, ich bin ein schlechter Mensch. Aber trotzdem meinte ich das damals ernst, was ich zu dir danach sagte. Nicht vor deinem Abschied, das andere. Du weißt schon.


    Axilla konnte ja schlecht offen schreiben, was sie meinte, wusste sie doch nicht, wer alles den Brief mitlesen würde, bis er angekommen wäre. Also drückte sie sich etwas schwammig aus und hoffte, Silanus verstand.



    Ich glaube, ich habe dich sehr verletzt, weil ich nicht mitkommen wollte nach Rom. Das tut mir sehr leid. Ich wollte dich nicht kränken oder dir wehtun. Aber es ist trotzdem das beste, so wie es ist. Das glaub ich ganz fest. Und doch bin ich traurig, weil du noch nicht geschrieben hast, und ich nicht weiß, ob es deswegen ist, oder weil deine neue Aufgabe dich so in Beschlag nimmt.
    Ich hoffe nur, du bist mir nicht böse. Ich konnte einfach nicht anders. In meinem Zweig der Familie leben nicht mehr viele, die das Erbe meiner Ahnen ehren können. Ich darf nicht so selbstsüchtig sein. Ich muss auch an sie denken, daran, was mein Vater für mich gewollt hätte. Ich hoffe, du verstehst das. Ich hoffe, du bist mir nicht böse.


    Ich hoffe, du schreibst doch bald. Ich würde wirklich gerne hören, wie es dir geht, und ob dir deine neue Aufgabe gefällt.
    [strike]Ich vermisse dich.[/strike]


    Deine kleine Cousine


    Axilla


    Axilla las sich alles noch einmal durch. Wegen der einen dick durchgestrichenen Stelle wollte sie den ganzen Brief nicht noch einmal schreiben, so schlimm waren die drei Worte nun auch wieder nicht.
    Sie rief nach Leander, damit er den Brief zur Post bringen würde.

  • Der Wald war hell und freundlich, die Blätter waren vom hellen Grün des Frühlings und Sonne brach hier und dort durch die Zweige. Überall war Leben im Wald, Vögel sangen in den Ästen, und überall huschte etwas durchs Unterholz, aber nicht bedrohlich, nur neugierig.
    Axilla saß auf einem Ast, gelehnt an einen großen Baum. Es war ihr Baum, das wusste sie. Ihr Halt, ihre Stärke, ihr Schutz. Ihr Leben. Sie trug eine ganz kurze Tunika, aber es störte nicht weiter. So konnte sie mehr von der rauen Rinde ihres Baumes fühlen. In ihrem Haar war eine Krone aus Laub. Aber auch das war nichts, worüber sie sich wunderte. Nicht einmal, dass ihre Haut einen goldgrünen Schimmer hatte wunderte Axilla. Schließlich musste das bei einer Dryade alles so sein. Und hier bei ihrem Baum in ihrem Wald fühlte sie sich sicher und geborgen, denn nichts konnte ihr hier gefährlich werden. Nicht, solange sie bei ihrem Baum war.
    Sie schloss leicht die Augen und hörte den Vögeln in den anderen Bäumen zu, lauschte dem entfernten Lachen der anderen Dryaden, die hier ihre Bäume hatten. Auch ihnen konnte nichts passieren bei ihren Bäumen.
    Sie döste und lauschte und genoss die warme Sonne auf ihrer Haut, als sie etwas hörte. Ein Knacken im Unterholz, nicht weit von ihr, mehr als das Rascheln der kleinen, dahinhuschenden Tiere. Sie sah neugierig hinunter, und sah einen Centauren. Er hatte eine lange, blonde Mähne und falbenfarbenes Fell. Er suchte wohl etwas, denn er irrte im Kreis herum, immer wieder an ihrem Baum vorbei. Sie beobachtete ihn eine Weile, und rief dann hinunter.
    “Was machst du da unten?“
    “Ich suche den Weg zum Palast“, klang es zurück. Er schaute hoch. Seine Augen waren grün, aber nicht ganz. Es war, wie wenn man von hier nach oben ins Blätterdach schaute, irgendwo zwischen dem hellen grün des Laubes und dem hellen Blaus des Himmels dahinter. Anders als ihre Augen, die mehr von dem satten Grün des Waldbodens hatten, wie das Moos an den Bäumen oder die feinblättrigen Pflanzen des Unterholzes.
    Axilla legte den Kopf schief und besah sich den Eindringling in ihren Wald.
    “Der ist da hinten“, zeigte sie mit ihrem Arm. Der Centaure folgte mit dem Blick der Bewegung und tänzelte leicht auf dem Waldboden, wie ein aufgeregtes Füllen. Axilla musste leicht lachen, es sah so witzig aus.
    “Komm, bring mich hin. Du darfst auch auf mir reiten“, versprach der Centaur plötzlich und lachte sie zurück an. Er sah zu ihr hoch, so fröhlich und jung. Er streckte ihr die Arme entgegen, als wolle er sie auffangen.
    Axilla schaute hinunter, hielt sich mit einer Hand an der Rinde ihres Baumes fest. Sie blickte den Weg entlang, er war so dunkel und weit. Sie wollte nicht von ihrem Baum weg.
    “Ich will nicht von meinem Baum weg.“
    Sie wollte wirklich nicht von ihrem Baum weg. Sie hatte Angst, ihn zu verlassen, Angst, ihn zu verlieren.
    “Es ist doch nicht weit, und wir kommen ja auch wieder zurück. Bitte, hilf mir.“
    Axilla schaute sich den Centauren eine Weile genau an. Er schaute nur freundlich und ehrlich zu ihr zurück, lächelte sie an. Ganz vorsichtig stieg sie den Baum runter. Der Waldboden fühlte sich seltsam an unter ihren Füßen, so kühl und fest. Anders als die Äste oben im Baum. Ihre Hand blieb an der Rinde, sie ging nicht vom Baum weg.
    “Ich will meinen Baum nicht verlassen. Wenn ich gehe, wird er weg sein, wenn ich wiederkomme. Ich will nicht, dass er stirbt.“
    Der lächelnde Centaur sah sie seltsam an, und schüttelte dann leicht den Kopf.
    “Dann komm ich dich besuchen, bei deinem Baum.“



    Axilla wachte auf. Es war kurz vor Morgengrauen. Ihre Schenkel spannten noch ein wenig vom gestrigen Ausritt mit Rufus. Verwirrt lag sie einen Moment einfach da und fühlte hinter sich, ob dort nun Rinde oder ihr Bett waren. Aber es war das mit Leinen bespannte, weiche Heu und Stroh. Und auch war weit und breit kein Centaure.
    Es war zu früh zum aufstehen, aber Axilla war wach. Einschlafen war undenkbar. Sie starrte also einfach vor sich hin und hoch an die Decke, beobachtete, wie die Schatten zurückwichen, erst zu hellem grau wurden, bis die Sonne aufging und alles in weißgoldenes Licht tauchte. Es war ein sehr seltsames Gefühl, dieser neue Tag.

  • Zuerst war es nur ein kleines Unwohlsein gewesen. Nichts wildes, ein kleines Ziehen im Rücken, ein wenig Kopfschmerz, nichts wildes. In der Trauer über Rufus’ Abreise war es ganz untergegangen. Am nächsten Tag war es völlige Appetitlosigkeit gewesen, aber die hatte Axilla ja öfter. Und da sie gewusst hatte, dass Rufus am nächsten tag wohl für immer aus ihrer Welt verschwinden würde und sie ihn wohl nie mehr wiedersehen würde, hatte sich die junge Römerin auch nicht weiter um die Zeichen ihres Körpers gekümmert.


    Jetzt in der dritten Nacht wälzte sich Axilla in ihrem Bett herum. Ihr Kopf fühlte sich leicht und schwer zugleich an, und sie hatte Schweiß überall am Körper. Deckte sie sich auf, war ihr entsetzlich kalt, aber kaum deckte sie sich zu, war ihr unerträglich warm. Und ihr Kopf dröhnte leicht und beständig.
    Immer wieder verfiel Axilla ins Träumen. Wirre Bilder blitzten vor ihr auf, immer wieder verworren mit Erinnerungsfetzen.
    Sie war ein Kind auf ihrem Baum in Tarraco und sah ihrem Vater beim Satteln seines Pferdes zu. Sie war eine Nymphe im Wald und sah dem Centauren zu, wie er herumtollte. Sie saß mit Rufus an ihrem Geburtstag auf dem Pferd und hielt sich dabei an ihm fest. Der Centaure lud sie ein, mit ihm zu reiten, und sie hielt sich ängstlich an ihrem Baum fest. Regen, Schlamm, ein Krokodil aus dem Fluss, dunkler Waldboden, lichtes Herbstlaub, sterbende Äste, eine Umarmung, der tiefe Herzschlag von Rufus im Gästebett, das Gefühl von Rinde unter ihren Fingern, als sie sich an den Baum schmiegte und Trost suchte. Lachen, Tränen, ein zärtlicher Kuss, der leidenschaftliche Kuss eines Centauren an eine Nymphe, seine Umarmung. Silanus, wie er wegsegelte. Timos heißes Verlangen nach ihr. Der abbrechende Ast, der sie mit in die Tiefe riss. Das Lächeln ihres Vater. Nur Mut, kleines Eichhörnchen. Rufus’ vor Zorn blitzende Augen…


    Immer wieder wachte sie mit einem Stöhnen kurz auf und drehte sich, deckte sich auf und zu, drehte sich noch einmal, versuchte zu schlafen. Die Sonne ging auf und brannte in Axillas Augen, der Kopfschmerz wurde bohrend und ihr Atem ging so schwer und rasselnd. Sie musste husten, was den Kopfschmerz aber noch verschlimmerte und ihr ein gequältes Wimmern entlockte.
    Die Sklavin, die sie fand, fühlte nur einmal kurz ihre Stirn und lief dann hektisch nach draußen, um Hilfe zu suchen. Axilla war krank und hatte Fieber. Ansprechbar war sie kaum und murmelte nur die ganze Zeit etwas von “Nicht weggehen…“

  • Leander stand im Zimmer, um ihn herum ein paar Sklaven, die neugierig auch nach der jungen Herrin sahen. Alle sahen, dass sie krank war, aber was sollte man jetzt genau machen? Urgulania war außer Haus. Durften sie einfach entscheiden und den Arzt holen? Keiner wollte derjenige sein, der schuld war, wenn es falsch wäre.


    Schließlich übernahm der Grieche die unliebsame Aufgabe des Verantwortlichen und schickte zwei Sklaven los. Einen ans Museion, um einen Arzt zu suchen, der herkommen würde, und einer, um Urgulania zu informieren, dass Axilla krank war.

  • Der Sklave hatte Anthi durch die Straßen der Basileia zum Haus der Iunier geführt. Auf dem Weg hatte er seinen Führer natürlich schon ein wenig gefragt und offenbar war Iunia Axilla krank. Darauf beschleunigte der Grieche noch einmal seine Schritte.


    Als sie dann an der Casa Iunia ankamen wurde er sofort in ihr Cubiculum gebracht. "Hol frisches und kaltes Wasser und Lappen" trieb er den Sklaven etwas barsch zur Eile an. Axilla sah nicht gut aus: Sie war blass, bis auf ihre geröteten Backen. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, aber trotzdem war sie heiß, als er ihre Temperatur an der Stirn fühlte. Sie schien zu schlafen, aber Anthi musste schauen wie stark das Fieber war und ob sie halluzinierte. Also versuchte er sie sanft was zu bekommen und mit ihr zu sprechen. So tätschelte er sanft ihre Wange und sprach mit ihr.



    "Axilla, wach auf der Arzt ist da. Axilla, aufwachen!"

  • Ihr war heiß. Nein, ihr war kalt. Ihr war schlecht und sie hatte Durst. Ihr Kopf dröhnte so sehr und jedes Licht blendete. Axilla hatte die Augen geschlossen und gab sich der Elegie ihrer Gedanken einfach hin. Doch man ließ sie nicht einfach ausruhen.
    Etwas berührte sie, so kalt, und sie zuckte zusammen und stöhnte leise auf. Aber es ging nicht weg. Sie hob kraftlos den Arm, um dieses lästige Ding zu verscheuchen, aber es wurde aufdringlicher und berührte sie an der Wange wie kalte Nadeln auf ihrer Haut. Sie öffnete die Augen. Ihre Pupillen waren erweitert, und so sah sie nur gleißend helles Licht und davor dunkle Gestalten. Ein besonders großer Schatten beugte sich über sie und sprach sie an, aber sie verstand ihn nicht richtig. Seine Worte hallten in ihrem Kopf und ergaben wenig Sinn. Ihr war, als müsse sie diesen Dämon kennen, aber es wollte ihr nicht einfallen.
    Statt einer vernünftigen Antwort bekam Anthi ein erschöpftes Stöhnen, gefolgt von einem Hustenanfall, bei dem Axillas Körper heftig zusammenzuckte. Ihre kleinen, glühend heißen Hände versuchten seine von ihrem Gesicht zu schieben, aber die Koordination passte nicht ganz, so dass sie eher kraftlos in der Luft herumfischte, ohne ihn auch nur ansatzweise wirklich zu greifen.


    Während die meisten Sklaven losgegangen waren, um die Anweisungen des Arztes zu befolgen und alles zu organisieren, war Leander dageblieben und wandte sich nun leise an Ánthimos.
    “Herr? Die Herrin kam noch nicht wirklich zu sich heute. Vorhin war sie kurz wach und hat ein wenig geredet, aber es ergab keinen Sinn. Etwas von Centauren und dass wir nicht gehen sollten. Und vor Licht schreckt sie zurück.“
    Leander schaute kurz über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand mithörte. Als Arzt musste Anthimos wissen, was Axilla gemacht hatte, aber Leander wollte nicht, dass andere mitbekamen, was seine Herrin ihm so alles anvertraute.
    “Vor drei Tagen war sie auf einem Ausritt. Sie ist in den Regen gekommen und war sehr nass und schlammig, als sie heimgekommen ist. Und an der Schulter hat sie einen Kratzer, der sich aber meiner Meinung nach nicht entzündet hat. Sie wird doch wieder gesund, Herr?“


    Die anderen Sklaven kamen mit dem Wasser und den Lappen wieder, und Leander verstummte und trat still wieder auf seinen Platz, um die anderen Sklaven im Zimmer anzuweisen, dem Iatros behilflich zu sein.

  • Offebar hatte sich Axilla eine fiebrige Erkältung eingefangen. Aber es galt auf jeden fall auch, die Wunde zu untersuchen, denn auch eine Vergiftung des Blutes war nicht auszuschließen.

    "Gut, dann entkleide bitte deine Herrin. Ich muss mir die Wunde anschauen und sehen ob es Verfärbungen der Venen gibt und einen guten Punkt für einen eventuellen Aderlass suchen. Ich hoffe aber, es ist nur eine Erkältung, da sollten Ruhe und eine gute Salbe reichen. Aber wir müssen sicher gehen und sie genau untersuchen, gerade bei einer so zierlichen Patientin wie Axilla."


    Außerdem würden sie noch kalte Wadenwickel anlegen, so0bald der rest gemacht war. Aber zuerst galt es das schlimmere Übel auszuschließen.

  • Leander schluckte einmal, als er hörte, er solle Axilla ausziehen. Auch wenn er die Herrin liebte, wollte er nichts riskieren und rief vorsichtshalber nach zwei Sklavinnen, die das erledigten. Nicht, dass er noch Schwierigkeiten bekam.
    Die beiden Sklavinnen versuchten so vorsichtig wie möglich Axilla von dem durchgeschwitzten dünnen Nachthemd zu befreien, aber sie stöhnte bei jeder Berührung auf und zuckte zusammen, so dass es doch etwas länger dauerte. Schließlich lag sie zitternd im Bett auf der Seite, die Knie leicht angezogen, als wäre ihr furchtbar kalt.


    Dämonen hatten ihr ihre Kleidung geklaut. Dämonen mit schrillen Stimmen. “Herrin“, kreischten sie und schlugen nach ihr mit klauenbewehrten Füßen. Es brannte, wenn sie sie berührten, aber sie konnte diese Harpyien nicht abwehren. Als sie von ihr abließen, lag sie nackt auf einem Untergrund, der zu schwanken schien. War sie im Wasser? Sie wusste es nicht. Sie zog sich zusammen, ihr war so kalt. Und um sie herum waren dröhnende Schatten und dumpfe Geräusche.
    “Vater, hilf mir…“, wimmerte sie leise.

  • Anthi nahm den feuchten Lappen in die Hand und setzte sich neben Axilla aufs Bett. Dann drückte er sie sanft wieder auf den Rücken und wischte ihr vorsichtig den kalten Schweiß vom Gesicht und anschließend auch vom restlichen Oberkörper. Für ihre weiblichen Reize hatte er keinen blick, das durfte er ja auch gar nicht. Schließlich war so etwas auch bestandteil des Hippokratischen Eides, zumal Axilla für ihn vieles war, aber keine sexuell anziehende Frau. Während er sie säuberte redete er ihr gut zu und strich ihr mit seiner freien Hand über die Haare. Sie hatte vorher etwas gemurmelt, das er aber nicht verstanden hatte.


    "Ruhig Axilla, pssssssssssst es wird alles gut" und weitere beruhigende floskeln kamen aus seinem Mund. Er schaute sich die Wunde genau an: Sie war weder groß, noch entzündet, also davon konnte das fieber eigentlich kommen. Auch waren keine dunklen Streifen auf den Venen und Arterien zu sehen, sie waren also nicht vergiftet.


    Dann deckte er Axilla sanft wieder zu und wandte sich an den Sklaven.

    "Setz dich neben sie und tupfe ihre Stirn ab. Ich muss eine Salbe zubereiten und benötige dafür Mörser und Stößel. Mir ist es allerdings egal, ob die hierher geschafft werden, oder ob ich schnell zum Zubereiten in die Küche gehe."


    Er schaute den Sklaven fragend an. Natürlich hatte er alle wichtigen Ingredenzien in seiner Tasche dabei, aber die Geräte schleppte er natürlich nicht mich sich herum.

  • Sofort gab Leander wieder einen Wink und ein Bursche hetzte runter in die Küche, um Mörser und Stößel herbeizuholen. Alles, was der Iatros brauchte, würde ihm selbstverständlich gebracht werden.
    Die Sklavinnen hatten das durchgeschwitzte Nachtgewand zum Waschen zusammen mit einem guten Teil des Bettzeuges mitgenommen, daher waren sie nun nicht da und Leander musste tatsächlich selbst auch zum Bett kommen. Er nahm den Lappen, tunkte ihn sorgfältig immer wieder in die Schüssel mit Wasser, wrang ihn aus und tupfte damit seine Herrin vorsichtig ab. Sie versuchte, sich wegzudrehen, was ihr allerdings nicht so ganz gelang und sie schließlich auch aufgab. Ihr glasiger Blick blickte nur noch in weite Ferne und sie ließ stumm und nur leise wimmernd alles über sich ergehen.


    Der Bursche kam mit dem Mörser wieder rasch herbei. Als er ihn übergab, blickte er einmal auf Axillas nackten Körper und handelte sich dafür einen kräftigen Erinnerungsschlag gegen den Hinterkopf von Leander ein. Mit eingezogenem Kopf und entschuldigendem Blick verzog er sich wieder weg vom Bett in den Hintergrund um auf weitere Aufträge zu warten – und vielleicht noch ein bisschen zu sehen.

  • Ànthimos warf die verschiedenen Zutaten die er benötigte in den Mörser und begann sie dann zu einem Brei zu zerstoßen. Der aufmerksame Sklave hatte beim Wort Salbe auch gleich einige Leinenstreifen mitgebracht, damit man nicht das ganze Bett versaute. Die eine Hälfte würde er für Salbenwickel gebrauchen und mit der anderen würde er kalte Wadenwickel anlegen. Erst prüfte er noch, ob die Masse die richtige Konsistenz hatte und dann brauchte er die Hilfe des Sklaven einmal mehr.

    "Versuch deine herrin aufzusetzen. Ich muss ihr die Salbe auf den Rücken und die Brust auftragen. Anschließend muss ich das ganze noch einwickeln, damit es gut auf sie wirken kannund zum Abschluss machen wir ihr noch nasse Wadenwickel um ihre Temperatur zu senken."

  • Wieder kamen die beiden Sklavinnen zur Hilfe und taten nach Anweisung, was der Arzt ihnen anschickte. Die ganze Zeit über murmelte Axilla unverständliche Dinge, meistens ging es um irgendwelche Fabelwesen. Ein paar Mal viel das Wort “allein“, aber wirklich zusammenhängend war kein Satz und nichts ergab Sinn.
    Allerdings war ihr Körper doch sehr entkräftet und im allgemeinen war Axilla ein Fliegengewicht, so dass es keinerlei Problem bedeutete, sie zurechtzurücken, damit Salbe und sämtliche Wickel angebracht werden konnten.
    Eingewickelt schließlich wie die alten Pharaonen in ihren Gräbern lag Axilla schließlich da und atmete etwas flach, aber doch regelmäßig. Irgendwann zwischen der Behandlung war sie wohl in richtigen schlaf hinübergedämmert, denn sie hatte aufgehört, zu murmeln und ihre Augen waren geschlossen.


    Leander kam zu Anthimos und schaute dem Iatros etwas besorgt über die Schulter. “Gibt es sonst noch etwas, das wir tun könnten? Ein Opfer an Asklepios vielleicht?“
    Opfer halfen häufig, und Leander kannte eigentlich keinen Arzt, der da nicht einen passenden Geist oder Gott hatte, den man Milde stimmen konnte, damit er bei der Heilung half.

  • Nun war die Behandlung eigentlich schon zu Ende. Viel konnte er momentan nicht für sie zu tun. Natürlich gab es noch andere maßnahmen, doch waren die sehr unangenehm und risikoreich, also wollte er erst einmal abwarten, ob sie sich auch so erholte.

    "Das solltet ihr wirklich machen. Bringt Asklepios ein Opfer dar, das wird sicher helfen. Auch ein Opfer an Isis wäre sicher eine gute Idee, denn auch sie ist für die Heilkunst zuständig."


    Schließlich hatte Ànthimos im Haus der Schlange ebensoviel über die Heilkunst gelernt, wie im Museion.


    "Wenn Axilla ansprechbar ist, sag ihr dass ich morgen um die selbe Zeit wieder nach ihr sehen werde. Sollte sich ihr Zustand verschlechtern, kannst du aber jederzeit zu mir nach Hause kommen und mich holen. Hast du noch Fragen?"

  • Leander nickte nur und schaute abwechselnd von Axilla zu Ánthimos und zurück.
    “Nein, Herr. Wir werden alles machen, wie du es sagtest, Herr.“
    Leander zog noch einen Beutel hervor und gab Ànthimos die Bezahlung, die er ihm schuldig war. Axilla vertraute ihm ja so sehr, dass er von ihr neben dem Geld, das er für sich bekam, auch ihres jederzeit nehmen durfte, wenn etwas anstand. Und das hier war definitiv so ein Fall, wo sie nichts dagegen hätte, wenn er den Iatros bezahlte.


    Sim-Off:

    Wisim ;)

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