Aelius Quarto bei Valerianus

  • Unzählige Male hatte Lucius Aelius Quarto in den vergangenen Jahren den Weg durch den Palast zu der Zimmerflucht genommen, in welcher der Kaiser seinen Regierungsgeschäften nachging.
    Äußerlich hatte sich nichts geändert. Noch immer eilten eifrige Diener durch die Gänge der Domus Flaviana, darum bemüht, möglichst unauffällig zu bleiben. Wie eh und je standen die Prätorianer Wache, gekleidet in ihre perfekt sitzenden Uniformen, deren Metallteile auf Hochglanz poliert waren und die irgendwie nicht so recht zu ihren etwas gelangweilten Gesichtern passen wollten. Auch die Tür zum Officium Imperatoris erkannte er wieder und so wie er es gewohnt war, standen zwei Gardisten davor Wache.
    Nichts hatte sich verändert und doch alles, denn hinter der Tür würde er nicht mehr den alten Kaiser Ulpius Iulianus antreffen, sondern dessen Nachfolger, seinen eigenen leiblichen Bruder, den neuen Herrscher Gaius Ulpius Aelianus Valerianus.


    “Lucius Aelius Quarto – ich muss zum Imperator Caesar Augustus.“, sagte Quarto zu den Wachen und es klang nicht wie eine Bitte.

  • Ja, Valerian kannte den Mann mittlerweile. Der Bruder des Kaisers. Einer der wenigen Menschen in diesem Palast, der im allgemeinen auch einfachen Gardisten gegenüber ein höfliches und freundliches Benehmen an den Tag legte. Und außerdem der Patron seines Patrons und schon von daher war Höflichkeit und Zuvorkommenheit durchaus angebracht."Salve, Aelius Quarto", grüßte er daher höflich und nickte. "Ich werde sofort nachfragen. Bitte gedulde Dich einen Augenblick."


    So betrat er also das officium des Kaisers und sein Herz klopfte ihm dabei bis zum Hals. Immerhin richtete er heute zum ersten mal das Wort an den Kaiser. Und er war sich nicht sicher, ob er nicht am Ende sehr ungehalten sein würde über diese Störung. "Salve, Imperator Caesar Augustus", grüßte er und salutierte dabei zackig. "Dein Bruder Aelius Quarto wünscht Dich zu sprechen und es scheint dringend zu sein."

  • So wie es im Legionslager in Illyricum abgesehen von seiner Frau nur einen Menschen gegeben hatte, der ihn nahezu zu jeder Zeit und ungefragt aufsuchen konnte, so hatte Valerianus in Rom nun derer zwei. Sein Bruder war einer von diesen. Also nickt er nur knapp.


    "Er möge eintreten. Beim nächsten Mal bedarf es keiner vorherigen Meldung. Er ist mir immer willkommen."

  • Valerian salutierte abermals. "Jawohl, Imperator." Damit war dies zumindest auch geklärt. Zwar hatte Valerian sich das schon fast gedacht, aber man konnte ja schließlich nie wissen. Auch Brüder konnten schon mal Streit haben und es hatte bisher keine solch eindeutigen Anweisungen dazu gegeben.


    So aber kehrte er unverzüglich zu Quarto zurück, um ihn einzulassen. "Bitte, tritt ein", sagte er freundlich und nahm dann wieder seine vorschriftsmäßige Position an der Tür ein.

  • Aelius Quarto nickte dem Prätorianer kurz zu. “Hab' dank.“, sagte er noch, dann ging er hinein.


    “Salve Valerianus.“, begrüßte er den neuen Kaiser, und weil der sein leiblicher Bruder war, ein wenig jovialer, als er das beim alten getan hätte.
    “Ich hoffe ich störe dich nicht. Es ist nur eine kleine Sache, die mich zu dir führt. Ich will dich damit auch nicht länger aufhalten als unbedingt nötig ist.“

  • Einen Weile blickte Valerianus seinen Bruder an, als wenn er trotz der Anmeldung durch die Wache erst realisieren müsste, dass jener gerade eingetreten war.


    "Salve, Bruder. Sprich nicht so, als wenn wir Geschäftspartner wären. Du bist mein Bruder und ich bin ein kranker Mann. Es reicht, wenn alle anderen sich noch steifer benehmen als sie es früher getan haben."


    Eine Hustenattacke beendete die Begrüßung und wurde mit einem resignierenden Seufzer beendet.

  • “Das sollte dich nicht überraschen. Denn kein Mensch auf Erden ist den Göttern jetzt gleicher als du.“, antwortete Quarto seinem Bruder augenzwinkernd.


    Als Valerianus aber einen bösen Hustenanfall bekam, gefror sein Lächeln und er wurde ernst.
    “Dein Gesundheitszustand macht mir allerdings große Sorgen. Mir scheint, es will nicht besser werden. Du konsultierst doch regelmäßig deine Ärzte, ja? Wissen sie denn keinen Rat?“

  • Die Resignation, die in dem Seufzer von Valerianus lag, wich auch nicht aus seiner Stimme.


    "Die Ärzte sind das erste, was ich morgens sehe, wenn ich erwache und das letzte am Abend, bevor ich einschlafe. Sei sagen, das Meer hat mir gut getan auf der Reise und die Luft in Rom ist schlecht."


    Alle Heilmittel, die im Reich für seine Leiden verfügbar waren, hatte man schon im Illyricum ausprobiert und trotzdem waren die unendliche Mattigkeit, der Husten, der zum Teil blutige Auswurf und die Krämpfe höchstens schwächer geworden, aber hatten sich nie vertreiben lassen.

  • Aelius Quarto fand die Gerüche der Stadt auch nicht immer besonders angenehm, aber die Luft hier oben auf dem Palatin doch deutlich besser als in der Niederung der Subura oder im Trans Tiberim, auf der anderen Seite des Flusses. Dennoch, wer wollte bestreiten das die Seeluft frischer und gesünder war wie die Ausdünstungen der Stadt.


    “Nun...“, meinte er deshalb: “vielleicht solltest du, wenn hier das Nötigste geregelt ist und deine Position gesichert... vielleicht wäre ein längerer Aufenthalt am Meer das Beste für dich, dass du dich richtig erholen und gesund werden kannst. Der Golf von Neapolis ist sehr schön. Ich habe dort vor einiger Zeit ein bescheidenes Anwesen erworben. In Misenum, um genau zu sein.“


    Er machte eine Pause, in der er sich ein wenig unsicher die Hände rieb.


    “Nun ja... aber der Grund, weshalb ich zu dir gekommen bin ist ein Brief, den mir mein Client Germanicus Corvus geschrieben hat. Decius Germanicus Corvus... er ist dein Praefectus in Alexandria und kommandiert eine Legion... die... aähm... XXXIIIste? ...XXIIIste? Ääh... nein, die XXIIste, die war es!
    Einer seiner Offiziere scheint sich wohl ganz gut zu machen, ein Octavier: Octavius Augustinus der Jüngere. Der Mann entstammt dem Ordo Equester und Germanicus Corvus bittet darum, in Erwägung zu ziehen, ihn zum Ritter zu erheben. Auch regt er seine Ernennung zum Tribunus Angusticlavius an.“


    Quarto schaute seinen Bruder an.


    “Ich kenne den jungen Octavius Augustinus nicht und auch keinen Älteren, aber die Octavier sind eine einflussreiche gens, nach wie vor. Es wäre sicherlich klug, einem der ihren ein wenig Gunst zukommen zu lassen.“


    Er lächelte vielsagend.

  • Auch wenn er sich nicht wohl fühlte, bekam Valerianus mit, wie sein Bruder seinen Satz abbrach und neu begann, um die Empfehlung einer Reise auszusprechen. Meistens war sein geist noch wacher, als es der kranke Körper repräsentieren konnte.


    "Meine Position sichern? Bisher hat mir niemand berichtet, dass sie bedroht wäre. Auch du hast dies bisher nicht erwähnt."


    Ein fragender Blick ruhte auf seinem Bruder, bevor sich der Kopf wieder senkte und die Stimme leiser wurde.


    "Die Flotte würde sich wahrscheinlich über meine Anwesenheit erfreuen. Und die Garde bräuchte nur zu einem kleinen Teil mitkommen. Ich werde meine Frau und meinen Sohn direkt nach dort nachkommen lassen können."


    Dann zogen die Gedanken weiter und das Tagesgeschäft erkämpfte sich mit einem weiteren Hustenkrampf wieder die Oberhand.


    "Weiß der a memoriae Bescheid? Ich wollte mit Salinator ohnehin einige militärische Angelegenheiten besprechen. Wegen der Stände hatte der Vinicier doch ein Consilium vorgeschlagen. Ich sollte wohl wirklich einen zeitnahen Termin dafür finden lassen. Dauern solche Sitzungen lange?"

  • “Nun, in der Vergangenheit war das, soweit mir bekannt ist, sehr unterschiedlich. Wenn sehr kontrovers diskutiert wurde, dann hat man die letzten Teilnehmer auch schon mal tief in der Nacht den Palast verlassen sehen. Aber man kann schon bei der Zusammenstellung dieser illustren Runde versuchen, derlei zu vermeiden und nicht unbedingt die ärgsten Gegner einladen. Das dürfte helfen und außerdem bin ich mir sicher, dass sich niemand erdreisten wird dich langweilen zu wollen.“


    Er schwieg kurz, bevor ihm noch etwas einfiel: “Ähm... mit Tiberius Iuvenalis habe ich über die Angelegenheit des Octaviers noch nicht gesprochen, nein.“

  • Die Ausführungen seines Bruders machten Valerianus keine Hoffnung, so ein Consilium lebend hinter sich zu bringen. Offenbar konnte er zur Vorbereitung eine Menge Ratschläge gebrauchen.


    "Wen sollte ich deiner Meinung nach einladen?"

  • “Mich!“ - hätte Aelius Quarto am liebsten ausgerufen, aber er unterließ es wohlweislich, sondern machte stattdessen ein nachdenkliches Gesicht.


    “Selbstverständlich die Reichspräfekten. Aber im Augenblick wäre das dann wohl nur der Praefectus Praetorio Gaius Caecilius Crassus. Dein Vater pflegte auch den Kommandeur der in Mantua ansässigen I. Legion einzuladen. Das ist, wie du natürlich weißt, Quintus Tiberius Vitamalacus. Die Bedeutung des Senats solltest du allerdings auch nicht unterschätzen. Also würde ich dir raten, einige einflussreiche Senatoren hinzuzuziehen, denen du vertrauen kannst. Vielleicht den Consular Marcus Vinicius Hungaricus und Spurius Purgitius Macer. Beide waren auch schon enge Vertraute deines Vaters und du kennst sie gut. Medicus Germanicus Avarus? Er gilt als der drittreichste Mann des Imperiums und Männer die sich darauf verstehen können ebenfalls sehr nützlich sein."


    Publius Matinius Agrippa, nach allgemeiner Ansicht noch wohlhabender als Germanicus Avarus und hinter dem Kaiser der zweitreichste Mann des Reiches, der sein Vermögen vor allem der langjährigen Statthalterschaft im lukrativen Hispania verdankte, diesen Matinius Agrippa erwähnte er nicht, denn der hatte sich in letzter Zeit weitgehend aus der Politik zurückgezogen. Ebenso wenig schlug er Potitus Vescularius Salinator vor, den Schatten seines Bruders, dem er selbst allerdings misstraute.
    Stattdessen bezwang er seine gespielte Bescheidenheit und fügte noch hinzu:
    “Ich selbst würde dir auch gerne in dieser Versammlung beratend zur Seite stehen.“

  • Mit geschlossenen Augen ließ Valerianus die Ausführung an sich vorbei ziehen, wie immer wenn er sich konzentrieren und nicht durch sein Leiden ablenken lassen wollte. Der Erfolg war mäßig, aber zumindest der Eindruck nach außen schien zu stimmen.


    "Siehst du dich in der Lage, eine konkrete Einladungsliste zu erarbeiten? Du hast zuletzt mehr Zeit in Rom verbracht als ich und kennst die Vertrauten meines Vaters besser. Ich werde die Runde nutzen müssen, jene kennen zu lernen."

  • Endlich nahm ein Gespräch einmal die Konturen an, die sich Valerianus für sein Kaiseramt erhofft hatte. Die Unterstützung durch seinen Bruder war ihm jederzeit willkommen und wozu hatte er sonst Berater, wenn sie ihm keine Entscheidungen abnahmen?


    "Dann wirst du genau dies tun. Du weißt ja, wo du dich über meinen Terminplan informieren kannst und ebenso über den von Salinator. Er wird in jedem Fall am Consilium teilnehmen."

  • Beim Namen Salinator zuckte Quarto unmerklich zusammen, unterdrückte aber sofort den Wunsch etwas abfälliges über diesen Mann zu sagen. Er wusste, was für ein Dickkopf sein Bruder war und das er ihm seine Freundschaft mit diesem undurchsichtigen Aufsteiger kaum würde ausreden können. Er verstand einfach nicht, was Valerianus an diesem Kerl fand.


    Stattdessen nickte er nur und sagte: “Ich kümmere mich darum. Hast du sonst noch etwas für mich?“

  • Das Zucken bemerkte Valerianus nicht, schon deswegen, weil sein eigener Körper ständig von leichteren Krämpfen geschüttelt wurde und es ihm inzwischen völlig normal vorkam, auch wenn es noch immer gleich lästig und schmerzhaft war. Daher hatte er auch kein Interesse, das Gespräch noch weiter auszudehnen.


    "Nein, wenn du keine weiteren Anliegen mehr hast, dann habe ich auch nichts mehr für dich."

  • “Das habe ich nicht.“
    Quarto bedachte seinen Bruder noch einmal mit einem sorgenvollen Blick. Es ging ihm augenscheinlich wirklich schlecht.
    “Ich mache mich dann auf den Weg und werde alles nötige veranlassen.“
    Er verabschiedete sich und mit einem unguten Gefühl verließ er das Officium Imperatoris.

  • Einmal mehr fand Aelius Quarto seinen Weg zu den Amtsräumen seines Bruders, des Kaisers. Er hoffte ihn dort anzutreffen, auch wenn Valerianus in den letzten Wochen immer mehr Zeit in seinen Privatgemächern zugebracht hatte und immer seltener den Amtsgeschäften nachging. Es war die nicht enden wollende Krankheit, die ihn abhielt und an ihm zehrte.


    Quarto betrat also die Amtsräume, inzwischen mit Gewissheit, denn die Wache haltenden Prätorianer hatten ihm versichert das der Kaiser da sei.


    “Salve!“, sagte er zur Begrüßung. “Wie geht es dir heute? Ich muss mit dir reden. Wegen der bevorstehenden Wahlen zum Cursus Honorum.“

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