Das Fest der Fors Fortuna

  • Sprachlos beobachtete Siv die Szenerie, die vor ihren Augen ablief. Wie immer in Situationen, in denen ihr Temperament die Oberhand gewann und sie einfach handelte, hatte sie auch diesmal nicht darüber nachgedacht, welche Folgen ihr Tun haben könnten, und sie hatte sich auch nicht sonderlich dafür interessiert. Als der Römer sich wieder ihr zuwandte, mit einem überraschten Ausdruck, der ihm in Sivs Augen so viel besser zu Gesicht stand als der hochnäsige und herablassende zuvor, sah er kurz zu dem Becher, der auf dem Boden landete, und dann zu ihr. Auch in diesem Moment war ihr völlig egal, wie er reagieren mochte und welche Konsequenzen sich für sie ergeben würden. Aber genau das war der Punkt: womit sie durchaus rechnete war, dass sie die Folgen zu spüren bekommen würde. Und es war ihr egal, oder besser: die Genugtuung, die ihr der Gesichtsausdruck des Römers und seine befleckte Tunika boten, wogen einen Schlag auf. Aber sie hatte nicht gedacht, dass sie nicht sie es sein würde, die die Strafe abbekam.


    Ihr Mund öffnete sich um eine Winzigkeit, während sie, nun zu einem weit größeren Teil Fassungslosigkeit denn Wut im Blick, zusammenzuckte, als der Schlag den anderen Sklaven traf – den Sklave musste er sein, sonst hätte der Römer ihn kaum geschlagen für etwas, das sie getan hatte. "Was… warum… warum hast du getan?" Siv schwankte zwischen neuerlicher Wut auf den Römer, Fassungslosigkeit über dessen Ungerechtigkeit sowie Betroffenheit und beginnende Schuldgefühle wegen des Sklaven. "Das… er nichts getan!" Siv wusste, dass bei weitem nicht alle Römer so waren wie Corvinus und die meisten der Aurelier. Aber ein derartiges Verhalten hatte sie direkt noch nicht mitbekommen – und nun war sie gar die Verursacherin. Sie, die trotz oder gerade wegen ihrer Art immer ehrlich war, immer für das einstand, was sie getan hatte, und dafür auch die Konsequenzen akzeptierte, traf die Situation jetzt daher umso schlimmer. Ein anderer hatte für etwas einstecken müssen, was sie getan hatte, und das war für Siv eine schlimmere Strafe als jede Ohrfeige, jeder Schlag es hätte sein können. "Das ist nicht gerecht!"

  • »Ich denke nicht, dass ich dir eine Antwort schuldig bin, Sklavin. Die deine allerdings steht noch aus. Wie ist es, redest du nun endlich oder muss der arne Sacadas noch einmal leiden, weil du nicht erkennst, wer in diesen Zeiten das Sagen hat?« erwiderte Menas, der Sivs unübersehbar schlechtes Gewissen unlängst bemerkt hatte. Ein Jammer, dass er dieses Blondchen nicht sanktionieren konnte, ohne Gefahr zu laufen, dafür belangt zu werden. Sacadas blickte ausdruckslos auf und zwang sich, Siv nicht anzusehen und stattdessen einen Punkt irgendwo hinter ihr zu fixieren.


    Menas grinste schief, als die Sklavin von Gerechtigkeit sprach. Sklaven verdienten keine Gerechtigkeit. Allenfalls Duldsamkeit, und die auch nur dann, wenn sie sich ihrer Position und ihrer Aufgaben bewusst waren. »Nun?« fragte er. War der Tag bisher doch recht öde gewesen, brachte dieser kleine Zwischenfall doch ein wenig Abwechslung in den tristen Feiertag, um den sich ohnehin kaum jemand zu scheren schien.

  • Schlagartig ernüchtert, trat Siv noch einen Schritt zurück, als die harte Stimme des Römer abermals erklang. Sie hatte nicht wirklich eine Antwort auf ihre Fragen erwartet, aber sie hatte ihre Fassungslosigkeit irgendwie äußern müssen. Inzwischen wieder sprachlos flog ihr Blick zwischen dem Römer und dessen Sklaven hin und her, und sie wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte. Sie hörte die Frage, zum dritten Mal, und ihr Mund öffnete sich auch etwas, aber kein Ton kam hervor. Sie war immer noch halb geschockt von dem, was gerade passiert war, was sie ausgelöst hatte. Ihr Blick blieb schließlich an dem Sklaven hängen, der sie allerdings nicht ansah, sondern irgendetwas hinter ihr anzustarren schien, das Gesicht regungslos. Erst sein Nun riss sie aus der Starre, in der sie sich befand, und sie wandte dem Römer wieder den Blick zu. Sie spürte selbst, dass sie wieder Wut empfand, ohnmächtige Wut darüber, dass ein Kerl wie er so mit ihr und dem anderen Mann umspringen konnte, dass er damit durchkam, dass sie sich nicht wehren konnte – aber diesen Teil betrachtete sie wie aus weiter Ferne. Auf eine gewisse Art schien sie seltsam losgelöst zu sein von sich selbst, und zum ersten Mal, seit der Römer gegen sie gestoßen war, wich sie seinem Blick aus und senkte den ihren. "Corvinus", murmelte sie schließlich. "Aurelius Corvinus." Dann hob sie den Kopf wieder und sah erneut zu dem Sklaven, versuchte seinen Blick einzufangen. "Mich tut leid."

  • Zitat

    Original von Nero Claudius Tucca


    Von der Macht des puren Anscheins hielt Macer nicht viel, auch wenn sie ihm sowohl aus der Politik als auch aus dem Militär bestens bekannt war. Unter Offizieren kursierten schließlich sogar Tipps, wie man im Notfall die Maulesel aus dem Tross herrichten musste, damit sie zumindest auf einige Entfernung vom Gegner für schlagkräftige Kavallerie gehalten werden. "Es ist nicht abzustreiten, dass auch ein Titel ohne Wert einen kräftigen Bonus verleiht, wenn er wirklich beeindruckend ist. Aber, wie sagt man so schön, dafür alleine kann man sich nichts kaufen." Womit in seinen Augen wunderbar der Bogen geschlagen war zum bevorstehenden Einkauf von Wein.


    Fasziniert beobachtete er, wie sich der Claudier offenbar bereits schon während des Gesprächs nur anhand der zahlreichen Geräusche aus der Umgebung orientiert und für einen Weinhändler entschieden hatte. Zielgerichtet schickte er seinen Sklaven nun los und blieb selber am Ort. Vielleicht war es gar nicht so übel, manche Einflüsse ausblenden zu können, dachte sich Macer. Gelegentlich würde er darunter aber auch die Gerüche fassen wollen.


    "Da hast du aber in gewisser Weise Glück, dass du bisher eine gute Zeit für Gerüche erwischt hast. Manchmal stinkt nämlich der Tiber so erbärmlich, dass man selbst viele Straßen weiter nichts anderes mehr wahrzunehmen meint." Dass seine eigenen Nase eher unempfindlich war, tat dabei nichts zur Sache. Den stinkenden Tiber bemerkte er trotzdem und eine feinere Nase wäre der Freude am Beruf des Curator Aquarum bei gelegentlichen Ausflügen in die Kanalisation zweifellos auch eher abträglich gewesen.

  • Das feine Kräuseln um Menas' Lippen war nur kurz sichtbar, dann gab er sich wieder unnahbar. Er kannte diese Sorte Sklaven. Sein Vater hatte auch einmal so einen angeschleppt. Sie selbst und ihr eigenes Schicksal waren ihnen gleich, doch andere konnten sie nicht für ihre Taten bestraft sehen. Menas hatte schnell gelernt, den artorianischen Sklaven dahingehend zu manipulieren, dass er ihm hörig war. Zumindest, bis der Idiot sich vom Dach gestürzt hatte.


    Der Name allerdings ließ Menas die Stirn runzeln. Als Römer, der sein ganzes Leben lang in dieser Stadt verbracht hatte, waren ihm die Namen der bedeutsamsten Männer bekannt. Die Aurelier schienen sich, was die letzten Jahre anbelangte, auf einem aufsteigenden Ast zu befinden. Und wenn die Sklavin den Aurelier meinte, der vor kurzem Quästor gewesen war, ging er besser nicht in die Vollen. Denn abgesehen davon, dass ihm wohl bald die Senatorenwürde angetragen werden würde, war er der Leiter der Staatszeitung. Menas überlegte. Der Sklavin konnte er allerdings auch nicht durchgehen lassen, dass sie ihn besudelt hatte. Nein, ein Gespräch war notwendig. »Aurelius Corvinus, hm? Ich will ihn sprechen«, sagte er und ließ unklar, zu wem. Sacadas, der sich die Wange hielt, schickte mit einem Wink einen Boten aus dem Gefolge fort, während Menas'Blick auf der Sklavin ruhte.

  • Der Sklave beachtete sie weiterhin nicht, reagierte auch nicht auf ihre Entschuldigung, die für ihn gemeint gewesen war und nicht etwa für den Römer. Der wiederum schien doch etwas überrascht zu sein von dem Namen, den sie nannte, und durch seine Reaktion wurde ihr bewusst, welche Folgen ihr Verhalten noch haben konnte. Erst jetzt begriff sie, dass Corvinus davon erfahren würde. Siv schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Corvinus würde nicht begeistert sein, definitiv nicht. Die Strafe war ihr egal, aber sie wusste nicht, ob sie diesen enttäuschten Gesichtsausdruck schon wieder ertragen konnte. Lautlos verfluchte sie sich. Sie hätte sich doch denken können, dass es nicht hier, zwischen ihnen bleiben würde, sondern dass Corvinus als ihr Herr davon erfahren würde. Wieder suchte ihr Blick den des Sklaven, bevor sie wieder den Römer ansah, gerade als dieser davon sprach, Corvinus sprechen zu wollen. Sie biss sich auf die Lippen, um die Bitte zu unterdrücken ihn nicht zu holen. Diese Blöße wollte sie sich nicht geben, dass sie jetzt rumjammerte. Stattdessen streifte ihr Blick erneut den Sklaven, der mit einer Handbewegung einen der übrigen Männer fortschickte. Mit der anderen Hand hielt er sich die Wange, so weh tat sie ihm offenbar, und als Siv das sah, durchzuckte sie abermals das schlechte Gewissen, was sich in zusammengepressten Lippen und besorgt gewölbten Augenbrauen äußerte. Fast wünschte sie sich, Corvinus würde sie bestrafen, hatte sie doch dann etwas, woran sie sich klammern, womit sie die Schuldgefühle ausblenden konnte. Wieder wanderte ihr Blick zu dem Römer. "Warum?" wiederholte sie, und ihre Stimme schwankte, ein wenig nur, aber doch hörbar, weil sie immer noch nicht ganz fassen konnte, was er getan hatte. "Warum er? Warum du hast ihn geschlagt?"

  • Sacadas vermied es auch weiterhin, Siv anzusehen. Im Grunde wusste er, dass sie nichts dafür konnte, was geschehen war. Andererseits wäre es nicht passiert, wenn sie gleich die weiße Flagge gehisst hätte. Er wusste nicht, wie er sie angesehen hätte, hätte er nun aufgesehen.


    Menas zeigte sich unterdessen leicht gelangweilt. Er beabsichtigte nicht, eine große Diskussion mit einer Sklavin anzufangen, die seiner Meinung nach Schuld am Geschehen trug. Zudem war er verstimmt, da er in diesem durchnässten Zustand nicht länger an den Festivitäten teilnehmen konnte. Zumindest einen Becher Wein hatte er noch trinken wollen. Als die Sklavin nun erneut ihre Zunge nicht im Zaum halten konnte, schnaubte er und sah sie von oben herab an. »Mir war danach«, sagte er leichthin und machte eine beiläufige Geste. »Er hat dafür Sorge zu tragen, dass mir nichts geschieht. Wein auf kostbarem Stoff würde ich nicht als nichts bezeichnen. Du etwa?« Abfällig sah er sie an. Eine Antwort erwartete er nicht. In Gedanken war er bereits im Gespräch mit ihrem Herrn. Was sollte er als Entschädigung verlangen? Nachdenklich runzelte er die Stirn.

  • Der Sklave sah sie weiterhin nicht an, und obwohl das Sivs schlechtes Gewissen nur noch mehr verstärkte, gab sie es schließlich auf zu versuchen, seinen Blick einzufangen, um sich auf diese Art bei ihm zu entschuldigen. Stattdessen wandte sie sich endgültig wieder dem Römer zu, der nun wieder hochmütig wirkte und eine Arroganz ausstrahlte, die die Germanin ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte. Siv ertappte sich dabei, sich zu wünschen, er hätte eine weiße Tunika getragen, oder eine beigefarbene – irgendeine, auf der der Wein besser zu sehen gewesen wäre. Auf dem dunkelroten Stoff konnte man nur die Flecken erkennen, und wenn sie erst einmal getrocknet waren, würden sie wahrscheinlich bei flüchtigem Hinsehen kaum auffallen.


    Seine Antwort ließ ihren Zorn wieder aufflammen, obwohl das, was gerade passiert war, sie nachhaltig ernüchtert hatte und der Alkohol an Einfluss verlor. Aber seine Stimme, und das, was sie sagte… Mir war danach. Ihm war danach?!? Siv konnte ein leises Knurren nicht unterdrücken, und ihre Augen begannen schon wieder, gefährlich zu lodern. Sie hasste Ungerechtigkeit. Selbst wenn der Sklave etwas hätte tun können, um das zu verhindern, wäre es nicht fair gewesen, ihn zu schlagen, wo doch letztlich sie diejenige gewesen war, die den Wein geschleudert hatte. Aber der Punkt war doch: der Sklave hatte nichts tun können – Siv hatte nicht wirklich Anzeichen für das gegeben, was sie vorgehabt hatte, sie hatte ja selbst nicht gewusst, was sie tun würde, bis es soweit gewesen war. Davon abgesehen wäre er noch zu weit gewesen, um ihr in den Arm zu fallen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Sie wusste, dass der Römer niemals ihre Sichtweise verstehen würde. Sie wusste, dass es besser wäre den Mund zu halten – und das einzig Richtige. Aber Siv konnte nicht aus ihrer Haut, erst recht nicht, wenn sie etwas getrunken hatte. Wider besseren Wissens nahm sie die Antwort des Römers zum Anlass, weiter mit ihm zu diskutieren. "Er nicht konnte tun was. Er, er… er wäre doch so oder so zu spät gekommen, um mich aufzuhalten!" Warum er sich zusammengerissen und sie nicht geschlagen hatte, obwohl sie vermutete, dass er das am liebsten getan hätte, war ihr klar. Die Germanin wusste, dass dann Corvinus eine Entschädigung von dem Römer verlangen könnte, immerhin war sie ja in den Augen der Römer sein Besitz – ein recht wertvoller noch dazu. Sie würde sich am liebsten übergeben, wenn sie in dieser Eindeutigkeit über das nachdachte, was Tatsache war, aber sie konnte auch nicht die Augen vor der Realität verschließen. Wurde sie verletzt, stand Corvinus Schadenersatz zu. Siv biss sich auf die Unterlippe, verschränkte die Arme in einer gleichermaßen abwehrenden wie schützenden Geste vor der Brust und starrte den Römer an. Verschiedene abfällige Kommentare lagen ihr auf der Zunge, ebenso wie es in ihren Fingern juckte nach irgendetwas, was sie werfen konnte, aber sie hielt sich zurück. Noch stand vor ihren Augen zu lebhaft das Bild, wie der Römer seinen Sklaven geschlagen hatte, wegen ihr.

  • Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer


    Unbestimmt wiegte ich meinen Kopf hin und her. So ganz wollte ich dem Senator nicht zustimmen. Ich hatte schon einige Gäste in meinem Haus beherbergt, die nicht viel mehr als einen Titel besessen hatten. Philosophen, Dichter und Denker, die sich 'der große Philothentes', 'Diodophanes, der Weise' oder 'Milaphontos, Archiprytanes von Paionidai' nannten und damit Titel trugen, die im Grund völlig wertlos waren. Dennoch hatten sie sich dafür Unterkunft und Verpflegung erkauft, und ich hatte es in den seltensten Fällen bereut. Ravenna war nicht gerade das Tor zur Welt und jene, die sich dorthin auf ihren Reisen verirrten, hatten meist überaus interessante Geschichten zu erzählen, vor allem, wenn sie auf der Rückreise aus dem Norden kamen.


    "Wenn man ihn nur richtig verkauft, dann kann man sich auch von einem wertlosen Titel etwas kaufen. In dieser Hinsicht ist er nicht anders als ein Name."


    Mit wertvollen Namen kannte ich mich ebenfalls aus. Immerhin trug ich selbst einen, der so manche Tür öffnen konnte. Manchmal andererseits nützte er gar nichts, ganz besonders nicht gegen die Gewalten der Natur. Auch dem Tibergestank wäre es am Ende egal, ob er in die Nase eines Patriziers einzog oder die eines Sklaven. Ich hob mein Riechorgan ein Stück in die Höhe und zog den Duft der Blumen ein, der noch immer schwer in der Luft hing. Ich glaube, von allen Claudiern war ich derjenige, dem seine claudische - und damit durchaus markante - Nase im Leben am meisten nutzte. Selbst ein schlechter Geruch war für mich besser als keiner.


    "Von diesem römischen Geruch habe ich schon gehört. Aber so lange man noch mit Booten auf dem Tiber herumfahren kann, wird der Fluss noch lange kein Brackwasser führen, oder? Und heute könnte man ihn sicher sowieso nicht riechen, bei all den Blumen."


    Ich hatte kaum geendet, als neben mir Tuktuk anfing zu sprechen.


    "Njaatigi, der Wein."


    Es irritierte mich immer etwas, wenn ich Tuktuk nicht kommen hörte. Ich kannte seinen Schritt wie kaum einen zweiten, doch natürlich war es ummöglich, ihn in dieser Umgebung wahrzunehmen. Ich löste meine Rechte und hielt sie geöffnet etwas vor mich. Tuktuk reichte mir einen Becher aus Ton. Soweit ich ihn mit einer Hand befühlen konnte, war er völlig schmucklos. Vermutlich landeten die meisten dieser Becher heute sowieso auf dem Boden. Da ich davon ausging, dass mein Sklave auch Purgitius Macer einen Becher gereicht hatte, hob ich meinen ein Stück an.


    "Auf Fors Fortuna, und darauf, dass uns in diesem Jahr noch möglichst lange das Glück beschert sein möge, dass der Tiber nicht anfängt zu stinken!"

  • Vielleicht lag es daran, dass Macer keine allzu große Begeisterung für die griechische Kultur aufbringen konnte und daher auch nicht so viel auf Ehrentitel gab, die dort in noch viel größerer Zahl verliehen und gepflegt wurden, als es in Rom der Fall war. Zweifellos war der Patrizier darin besser geschult, so dass Macer ihm nicht weiter widersprechen wollte.


    Dafür konnte er als Curator Aquarum auf dem Gebiet der Wasserqualität wesentlich besser mitreden. "Ich möchte dein positives Bild des Tibers ja nur ungerne zerstören, aber von einem sauberen Fluß ist der Tiber dann doch zu jeder Jahreszeit weit entfernt. Wenn eine Stadt wie Rom ihre Kanalisation in einen Fluß entleert, dann darf man nicht allzu viel erwarten und kann schon ganzjährig von Brackwasser sprechen, wenn man ansonsten das klare Wasser von Gebirgsbächen gewohnt ist." Ob letzteres auf den Claudier zutraf, wusste Macer natürlich nicht, aber er selber hatten den Vergleich tatsächlich gesehen. "Manchmal muss man sich schon fragen, was der Flußgott Tiber wohl dazu sagt beziehungsweise wie wir es immer wieder schaffen, dem Fluß gleichzeitig Opfer zu bringen und wenige Schritte weiter unsere Nachttöpfe in ihm zu entleeren."


    Sicher kein ganz passendes Thema, wenn man gleich darauf einen Becher Wein in die Hand gedrückt bekam, aber Macer störte das wenig. Er erhob seinen Becher ebenfalls, um den Trinkspruch zu beantworten. "Auf Fors Fortuna, auf den Zufall, der uns heute zu diesem Gespräch zusammen geführt hat und auf den Tiber, dass auch er den heutigen Tag genießen möge."

  • Menas beachtete die Sklavin kaum weiter. Er war verstimmt, da die feuchten Weinflecken unangenehm auf der Haut waren, denn bis dahin waren sie inzwischen durchgeweicht. Er wollte von dem Wein kosten, den man lautstark allerorts anpries, und sich unter die anderen mischen, um vielleicht den ein oder anderen interessanten Menschen kennezulernen. Doch nun steckte er mit dieser Sklavin fest, die, wie Menas bemerkte, als er ihr einen flüchtigen Blick zuwarf, neuerlich Blitze aus den Augen verteilte, wie es Jupiter Ehre bereitet hätte. Abfällig schürzte er die Lippen, als sie zum wiederholten Male fragte, warum er seine Ungehaltenheit an Sacadas ausgelassen hatte. Dummes Ding, sie verstand wohl kaum, dass er schließlich dafür da war, ihm das Leben angenehm zu machen. Deswegen existierte er überhaupt. Und es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sich schützend vor seinen Herrn zu stellen, wenn er nicht grundlos in der Umgebung herumgeträumt hätte. Menas jedenfalls war es leid, dass diese Sklavin eine Rechenschaft verlangte, und so ignorierte er sie einfach. Statt also das Wort an sie zu richten, trug er einem seiner Begleiter auf, guten Wein zu organisieren, und eifrig strebte der junge Mann davon.


    Der Artorier reckte ein ums andere Mal den Hals, erblickte hier den Zipfel einer Senatorentoga und dort die kunstvoll frisierte Haarpracht einer Konkubine, die einladend mit dem Hinterteil wackelte. Doch solchen Frauen mochte Menas nichts abgewinnen, er bevorzugte ordentliche Damen. Solche, die frei von Krankheit und Makel waren, und derer gab es nicht viele in Rom. Bald fing sein Blick einen Senator im Gespräch auf, und er befragte seinen nomenclator, der ihm zuverlässig mitteilte, dass es sich um Purgitius Macer handelte. Menas hatte schon einiges von diesem Senator gehört und schätzte, was er geleistet hatte. Ein Räuspern ließ ihn den Kopf wenden, und dort stand der Sklave, den er ausgesandt hatte, nach dem Aurelier zu forschen. Noch ganz außer Atem, schnappte er nach Luft, doch Menas gebot ihm ungeduldig, sofort zu sprechen. »Er... er ist... nicht zu Hause... mein Herr. Sondern... wohl auf dem... dem Fest hier«, presste er hervor und keuchte dabei. Menas' Lippen kräuselten sich in Missfallen. Langsam wandte er sich zu der Sklavin um. »Was, denkst du, soll ich nun mit dir tun?« fragte er von oben herab.

  • Sivs Brauen zogen sich zusammen, als der Römer einfach weiter ignorierte. Und nicht nur er, auch die Sklaven, die er bei sich hatte. Der Wunsch, irgendetwas kaputt zu machen oder zu werfen, wurde stärker in ihr, und es war ein Glück, dass sie ihren Becher vorhin hatte fallen lassen, sonst hätte sie ihn dem Römer nun vermutlich an den Kopf geworfen. So ballten sich nur ihre Hände zu Fäusten, und sie grub die Fingernägel in die Handflächen, um sich zu beherrschen. Hatte sie zuvor noch Mitleid gehabt mit dem Sklaven, der an ihrer Statt geschlagen worden war, begann sich nun so etwas wie Verachtung in ihr zu regen – nicht so sehr für diesen einen, bei dem sie sich immer noch entschuldigen wollte, als vielmehr für die anderen, die herum standen und nur darauf zu warten schienen, dem Römer jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Ein Wink von ihm, und einer der Männer verschwand und kehrte kurz darauf mit einem Becher Wein für ihn zurück, was Siv mit einem noch tieferen Stirnrunzeln quittierte.


    Und dann standen sie alle herum. Und rührten sich nicht. Der Römer betrachtete die Menschen um sich herum, fragte einen seiner Begleiter zwischendurch etwas, aber beachtete sie im Großen und Ganzen nicht weiter. Siv biss sich auf die Lippen. Er hatte sie nicht entlassen, und sie wusste, dass sie nicht einfach gehen konnte – zumal einer der Sklaven ja noch unterwegs war, um Corvinus zu holen. Ihr Magen schien zu revoltieren bei dem Gedanken. Corvinus würde nicht begeistert sein, wenn er von wo auch immer geholt und hierher geschleppt wurde, schon gar nicht, wenn er den Grund erfuhr. Und sie wusste nicht einmal, ob er zu Hause war, oder irgendwo in der Stadt unterwegs… Hatte Brix nicht erwähnt, dass er ebenfalls zu dem Fest hier gehen würde? Unruhig ließ sie den Blick kurz über die Menge schweifen, konnte aber niemanden erkennen. Hatte sie sich zuvor noch gefreut über den freien Nachmittag und die Möglichkeit, auf dieses Fest zu gehen, aus der Villa heraus zu kommen, wollte sie nun nur noch nach Hause. Aber sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als den Römer darum zu bitten sie gehen zu lassen – ganz davon abgesehen, dass sie sich sicher war, dass dieser Mann ihrer Bitte kaum entsprechen würde, obwohl er nun wusste, wem sie gehörte.


    Gerade, als Siv tatsächlich begann zu überlegen, doch einfach in der Menge zu verschwinden, tauchte der Mann auf, der zuvor losgerannt war – ohne Corvinus, dafür völlig außer Atem, aber auf einen Wink seines Besitzers hin begann er trotzdem sofort zu sprechen. Er hatte Corvinus also nicht gefunden, und für einen Moment begann sich so etwas wie Erleichterung in Siv auszubreiten, aber dann wandte sich der Römer an sie. Verständnislos und etwas misstrauisch sah sie ihn. Was er mit ihr tun sollte? Er konnte gar nichts mit ihr tun, sie war nicht seine Sklavin. Was bezweckte er also mit dieser Frage? Sie musterte ihn einen Moment lang, dann zuckte sie andeutungsweise die Achseln. "Nichts", antwortete sie. "Ich gehe Hause. Ich sage Aurelius Corvinus, was passiert." Es würde ihr nicht leicht fallen, ausgerechnet ihm unter die Augen zu treten und einen weiteren Ausrutscher zu gestehen, aber sie würde es tun, so schwer es ihr auch fallen würde. "Er werden schicken, für dich." Je nachdem, wie übel Corvinus ihr diesen Fehler nahm, würde er sie schicken.

  • Schweigend und unangenehm ruhte der Blick der Sklavin auf Menas, der sie nach wie vor ansah, als unterscheide sie lediglich die Fähigkeit zu sprechen vom Dreck unter seinen Nägeln. »Er wird nach mir schicken?« echote er wenig begeistert. Seiner Ansicht nach stand dieser Aurelier in seiner Schuld. Er hatte dieses Weib schließlich auf die Öffentlichkeit losgelassen. Er warf der Sklavin einen entsprechenden Blick zu und nippte dabei an dem süßlich-herben Wein in seinem Becher. An den meisten Ständen wurde er heute unverdünnt ausgeschenkt, angeblich zu Ehren der Fortuna, aber Menas argwöhnte, dass man auf diese Weise nur mehr Trunkene hatte, und damit auch leichter Geld in den Kassen.


    »Ich habe eine weitaus befriedigendere Idee. Cynaegeirus wird dich begleiten. Wie sonst könnte ich sichergehen, dass du auch Wort hältst? Solchen wie dir kann man schließlich nicht trauen. Sag deinem Herrn, ich werde ihn morgen früh aufsuchen.« Menas hielt es nicht für nötig, darauf hinzuweisen, dass er eine Entschädigung verlangte. Er ging davon aus, dass ein Patrizier wusste, wenn man besser nachgab als zu feilschen. Menas hob die Hand, und Cynaegeirus trat vor. Ein hagerer Sklave mittleren Alters mit einer Hakennase. »Sorge dafür, dass das Sklavenweib tut, was ich wünsche«, sagte er, und der Alte verbeugte sich tief vor dem Jungen. »Ja, mein Herr.« Schon wandte Menas sich ab, um sich dem Festtagstreiben zuzuwenden, nachdem er sich umgeziogen haben würde.

  • Der Römer zeigte sich wenig beeindruckt von ihrem Vorschlag, was Siv fast schon erwartet hatte, und sei es nur aus Prinzip – aber sein Vorschlag traf ganz und gar nicht auf Gegenliebe bei ihr. Sivs Stirnrunzeln kehrte zurück. Es fing schon damit an, dass er sie falsch verstanden hatte, ob absichtlich oder nicht, konnte sie nicht sagen, aber das interessierte sie im Moment auch nicht weiter. Und von einem Aufpasser begleitet zu werden, darauf konnte sie erst recht verzichten – die Erfahrung hatte sie in den letzten Wochen zur Genüge gemacht. Und auch wenn dieser Tag wohl zumindest teilweise verdorben war, würde sie sich nicht freiwillig den Rest auch nicht vermiesen lassen, indem sie zuließ, dass irgendein wildfremder Mann sie in der Villa ablieferte wie ein ungezogenes Kind, das davon gelaufen war. Dazu kam der nach wie vor abfällige Tonfall des Römers, wie er sie behandelte, seine Haltung, seine ganze Art… Siv grollte innerlich, und es fiel ihr immer schwerer, sich zurückzuhalten, aber obwohl Temperament und Alkohol eine ungute Mischung ergaben und inzwischen einen erbitterten Kampf mit ihrer Vernunft fochten, wusste sie auch, dass ihre Schwierigkeiten nur noch größer werden würden, wenn sie jetzt erneut die Fassung verlor. Und dass es in diesem Augenblick wohl wieder nicht sie sein würde, die den Preis dafür würde zahlen müssen. Als er aber sagte, er könne ihr nicht trauen, war ihre erzwungene Zurückhaltung vergessen.


    "Nicht trauen?" Ungläubiger Zorn stand in ihren Augen, ungläubiger Zorn echote in ihrer Stimme. "Ich halte Wort, immer! Ich niemand brauche, der aufpasst!" Sie trat ein paar Schritte vor und zur Seite, dem Römer in den Weg, der sich gerade zum Gehen wandte. "Außerdem hast du mich eh falsch verstanden", giftete sie weiter. "Für. Du verstehst? Er schickt FÜR dich, nicht nach. Er schickt-" Sie gestikulierte ungeduldig, während sie nach Worten suchte. "-schickt…" Die Worte, die sie wusste, wollten ihr nicht so recht über die Lippen kommen, also versuchte sie Umschreibungen zu finden, die ihren Fehler nicht gar so deutlich machten – aber dafür war ihr Latein bei weitem zu schlecht. "… Entschuldigung. Und Geld. Für dich", endete sie schließlich zähneknirschend und in einem Tonfall, der den Satz eindeutig nicht wie ein Schuldeingeständnis ihrerseits wirken ließ. Letztlich würde es darauf hinauslaufen, dass Corvinus sich für sie entschuldigen und die Tunika ersetzen musste, das wusste sie. Selbst wenn die Situation so gewesen wäre, dass ihre Handlung wenigstens in ihren Augen gerechtfertigt gewesen wäre, im Moment würde er ihr kaum glauben, und selbst wenn, würde er es nach außen nicht zeigen. Nein, sie wusste, worauf das hinauslaufen würde, sie lebte inzwischen lange genug als Sklavin unter den Römern. Und es war ja ihre Schuld gewesen – nur würde sie sich dafür bei dem Römer nicht entschuldigen, nicht wenn es nicht sein musste, und vor allem nicht jetzt, wo er so offen ihre Vertrauenswürdigkeit angezweifelt hatte. Sie warf dem Sklaven, der sie begleiten sollte, einen funkelnden Blick zu, bevor die Blitze wieder den Römer vor ihr trafen. "Du braucht nicht schicken, dass er geht mit mir."

  • Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer


    Ein bisschen zerstörte der Senator nun doch das romantisch verklärte Bild, das ich vom Tiber hatte. Unter der Lebensader Roms hatte ich mir einfach mehr vorgestellt als den Abwassertransport einer Großstadt. Zumal die Stadtrömer den Fluss auch noch als Gottheit verehrten und er nicht zuletzt wie heute Bestandteil einiger Feste war. Andererseits wurden den Nachttopfinhalten entgegen viele Waren aus Ostia transportiert, die den Wohlstand der Stadt sicherten. Und letztlich gehörte das Abwasser wohl mehr zu einer Stadt als Fruchtbarkeit bringende Überschwemmungen oder ähnliches.


    "Womöglich gehören gerade auch die weniger angenehmen Seiten zu dem, was den Tiber so besonders macht. Ich kenne zumindest keinen Fluß, der sonst mit so viel Aufmerksamkeit bedacht wird."


    Zugegeben, Flüsse waren auch nicht gerade meine Stärke. Der Wein war tatsächlich kühler als man an so einem Tag annehmen mochte. Ein bisschen wässrig, aber für den Massenabverkauf an der Straße nicht übel, und mit einem angenehmen Nachgeschmack.

  • "Es liegt ja auch an keinem anderen Fluss so eine Stadt wie Rom", antwortete Macer, nachdem er ebenfalls einen Schluck aus seinem Becher genommen hatte. Sein Tonfall klang in diesem Augenblick nach jemandem, der entweder jeden einzelnen Tag seines Leben aus Überzeugung in Rom verbracht hatte oder aber alle großen Städte der Welt bereist hatte. Beides traf auf Macer nicht zu, aber es war trotzdem ein unglaublich gutes Gefühl, so einen Satz sagen zu können.


    "Ohne den Tiber wäre Röm nicht das, was es jetzt wäre und wahrscheinlich ist der Gestank der Preis, den wir dafür zahlen müssen. Aber Fortuna hat es eben so gefügt, dass hier an diesem Ort einige Hügel, ein Fluss und eine Ebene aufeinander trafen und die Grundlage für die Hauptstadt der Welt sein sollten." Am Wein konnte es nicht liegen, dass Macer so sprach wie sonst selten, denn so viel hatte er noch nicht getrunken. Es musste dieses ganz besondere Gefühl an Feiertagen sein, an denen man Roms Größe und den Wohlwollen der Götter ganz besonders spürte.

  • Ich konnte mir ein Schmunzeln über die stadtrömische Überzeugung des Purgitiers nicht ganz verkneifen. Andererseits gab es sicher keine zweite Stadt wie Rom. Natürlich hatte ich weder viele Städte gesehen, um genau zu sein keine einzige außer Rom, noch hatte ich sie auf andere Art erlebt. Ravenna war mit Rom verglichen ein Dorf. Ebenso wie es wohl auch jede andere Stadt sein würde.


    "Vielleicht ist die Laune des Glückes doch auch nur Zufall."


    Mein Becher war schnell geleert. Zu schnell, doch der Wein würde an diesem Tag sicher nicht so schnell ausgehen. Ich hielt den Becher zur Seite, in der Erwartung, dass Tuktuk ihn nehmen würde, was dieser auch tat.


    "Zufall oder Glück, oder auch beides, es hat mich auf jeden Fall gefreut, dich kennen zu lernen, Purgitius Macer. Ich werde die Gelegenheit nun nutzen, und mich noch ein bisschen in das Festgetümmel stürzen."


    Ich schnippte mit den Fingern, um Tuktuk anzudeuten, dass wir weiter gehen würden, und hob meine Hand. Obwohl das Geräusch im Umgebungslärm fast unterging, nahm er meine Hand und legte sie auf seine Schulter. Im Grund waren die Geräusche sowieso mehr für mich, denn Tuktuk war ein guter Beobachter. Nachdem ich mich von dem Senator verabschiedet und ihm noch einen angenehmen Feiertag gewünscht hatte, setzten wir uns langsam in Bewegung. Es war immer noch viel los und es dauerte noch lange, bis die Menschenmassen weniger wurden.


    Da ich nicht darauf vertraute, dass Tuktuk den Weg zurück zur Villa Claudia finden würde, hielten wir uns den restlichen Tag über immer irgendwo in der Nähe des Forums auf, wo auch meine Sänfte wartete. Wein gab es an allen Ecken, ebenso jede Menge Unterhaltung. Ich hörte dem Vortrag eines Straßenphilosophen über das heimliche Glück der Glücklosen zu, drehte glücklos am Glücksrad, trank mehr Wein als Tuktuk mir kaufen wollte und ließ ihn nach einigen Bechern schließlich sogar eine Glücksmünze kaufen. Natürlich wusste ich auch in angetrunkenem Zustand genau, dass sie ihren Preis materiell nicht einmal annähernd wert war, doch sie würde mich mein Leben lang an das Fest der Fors Fortuna in Rom erinnern. Und Erinnerungen sind unbezahlbar.

  • Ein wenig Bewunderung stieg in Macer auf, dass sich der Claudier trotz seines fehlenden Sehvermögens noch weiter ins Festtagstreiben stürzen wollte. Andererseits schien dieser mit seinem Sklaven ein gutes Gespann zu bilden, das sich im wahrsten Sinne des Wortes blind verstand und so wohl einiges möglich machte.


    Also leerte Macer ebenfalls seinen Becher und gab ihn rasch zurück, für den Fall dass der Sklave noch ausstehendes Pfandgeld dafür abzuholen hatte. Dann verabschiedete er sich. "Die Freude ist ganz meinerseits, ich danke für das nette Gespräch. Vielleichtz trifft man sich ja nochmal wieder. Vale."


    Dann zog auch er weiter, noch einige Zeit zwischen den Feiernden zu verbringen und dann nach Hause zurück zu kehren.

  • Zitat

    Original von Siv


    Irritiert blinzelte Menas das Sklavenweib an, das sich plötzlich so brüskierte. Es war lediglich seinem Strafbewusstsein zu verdanken, dass er ihr nicht Einhalt gebot. Sie langweilte ihn. Sklaven wie sie gab es einfach zu viele. Aufmüpfig, undankbar, verlogen und widerspenstig. Demonstrativ verdrehte er die Augen, erwiderte anschließend ihren Blitze versprühenden Blick gewohnt lässig und desinteressiert. »Bist du endlich fertig?« fragte er sie. »Wenn ich deine Meinung wissen will, dann frage ich. Habe ich gefragt? Nein. Warum also langweilst du mich mit deinen unzivilisierten Erklärungen, die ohnehin kein Schwein versteht?« Menas machte eine misslaunige Geste mit der Hand. »Cynaegeirus wird dich begleiten.« Sein Ton ließ keine Widerrede zu. »Und es wäre vermutlich von Vorteil, wenn du dich besser auszudrücken lerntest.« Ein verachtender Blick streifte Siv, dann wandte Menas sich um, sah jedoch in der halben Bewegung noch einmal spöttisch zu Siv. »Wenn du mich nun entschuldigst, ich vertrage deinen Geruch nicht.« Kurz darauf nutzte er eine Lücke zwischen den Menschen und war in der Menge untergetaucht. Vor Siv standlediglich besagter Cynaegeirus, der ein wenig teilnahmslos wirkte, weder mit Siv sprechen noch ihr von der Seite weichen würde.

  • Das Verhalten des Römers brachte Siv nur noch mehr in Rage, aber sie riss sich zusammen. Dass er seinen eigenen Sklaven geschlagen hatte, war Zeichen genug dafür, wie er war, und sie bezweifelte, von ihm eine andere Reaktion zu bekommen als entweder dieses hochmütige Desinteresse oder einen Wutausbruch gegenüber seinem Sklaven. Darüber hinaus schaltete sich ihre Vernunft ein, weit genug, um ihr bewusst werden zu lassen, dass ihre Schwierigkeiten nur größer werden würden, wenn sie sich mit diesem Römer noch mehr anlegte, als sie es schon getan hatte. Trotzdem bebte sie zeitweilig vor Zorn, als sie seine Worte hörte und seine Verachtung spürte. Als er sich aber noch einmal kurz umdrehte und ihr, diesmal spöttisch, noch einen Kommentar vor die Füße warf, wäre es um ihre Beherrschung beinahe geschehen gewesen. Hätte sie in diesem Moment etwas in der Hand gehabt, sie hätte es benutzt – und diesmal nicht, um den Inhalt auf den Römer zu schütten, sondern als gezieltes Geschoss. Sie hatte aber nichts in der Hand, und so stand sie nur da, starrte ihm wütend hinterher und ballte ihre Hände zu Fäusten. Einen Moment verharrte sie so, dann sah sie zu dem Sklaven, dessen Namen sie mit Sicherheit nicht über die Lippen bringen würde, ohne sich die Zunge zu verknoten. Der erwiderte ihren Blick, ohne eine Regung zu zeigen.


    Siv starrte. Der Sklave starrte.


    Schließlich hielt es die Germanin nicht mehr aus. "Und jetzt?" Keine Antwort. "Hallo? Was jetzt?" Wieder nichts. Nicht einmal eine sichtbare Reaktion. Siv trat einen Schritt auf ihn zu und bewegte die Hand vor seinem Gesicht auf und ab, aber alles, was sie erntete, war ein leicht verächtlicher Blick. Sonst nichts. Einen Augenblick starrte sie ihn an, fassungslos, aber dann zuckte sie die Achseln. Wenn dieser Sklave also nicht mit ihr reden wollte, bitte. Sie hatte besseres zu tun. Sich abzureagieren, zum Beispiel. Wenn Corvinus auf diesem Fest war, wie der andere Sklave gesagt hatte, brachte es jetzt ohnehin nichts, nach Hause zu gehen. Trotzig trat sie geradewegs auf den nächsten Stand zu, an dem kostenloser Wein ausgeschenkt wurde, und schnappte sich den dritten Becher.

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