Die Nacht war schon längst hereingebrochen. Doch die Schwüle des Tages hielt noch unvermindert an. Ein leichter Wind der allmählich an Intensität gewann, strich durch die Bäume. In der Ferne konnte man das Grollen eines Gewitters erahnen, das sich zu nähern schien. Der Schein des Mondes wurde hin und wieder durch vorüberziehende Wolkenfetzen verdeckt. Alle Türen der Villa, die zum Garten hinaus führten waren geöffnet, damit so wenigstens in der Nacht die Hitze des Tages entweichen konnte. Der Wind spielte mit den über den, Türen angebrachten Vorhängen und ließ den Stoff unbändig flattern. In einem der Bäume saß eine Schleiereule, die bereit zur Jagd war. Gelegentlich hörte man ihren gespenstig anmutenden Ruf. Auch in dieser Nacht gaben, die am Teich angesiedelten Frösche, ihr Konzert.
Nur wenige der Bewohner fanden in dieser Nacht einen erholsamen Schlaf. Die Einen hinderte schlichtweg die unerträgliche Wärme, die ein rasches Einschlafen unmöglich machte, obwohl ihnen der vergangene Tag sehr viel abgerungen hatte. Andere wiederum konnten nicht schlafen, da sie versuchten, zu verarbeiten, was der Tag oder das Leben so mit sich gebracht hatte.
Der Garten war in dieser Nacht sicher nicht der schlechteste Platz, um etwas Entspannung zu finden, wenn der Schlaf eh noch fern war. Solange das nahende Gewitter die Stadt noch nicht erreicht hatte, war man hier sicher.
Die Gestalt einer Frau, deren Körper in eine grobgewebte wollweiße Tunika gehüllt war, wanderte rastlos zwischen den Bäumen umher. Aus Angst, noch einmal verletzt werden zu können, hatte sie sich freiwillig zurückgezogen. Sie vermied jeglichen Kontakt zur Außenwelt, so gut es eben ging. Ja, sie war zu einer Art Gespenst geworden, das nur von sensiblen Menschen wahrgenommen wurde, das man aber im Allgemeinen nicht sah. Gespensterhaft musste nun auch ihre Erscheinung wirken.
Nun sollte man meinen, daß sie diese Einsamkeit liebte und sich hier, wenn auch sonst nirgends, wohl fühlte. Doch dem war nicht so. Sie war auf der Suche nach etwas, was sie aber auch nach stetigem Suchen nicht gefunden hatte. Getrieben von ihrem Gewissen und einer fixen Idee, doch noch ihren Frieden finden zu können, war sie fast jede Nacht hier draußen. Das Geschehene lastete bleischwer auf ihren Schultern und ließ sie zu keiner Zeit zur Ruhe kommen. War dies der Preis, den sie nun letztlich für ihr Handeln zahlen mußte? Wie süßer dagegen mußte doch der Tod sein!
Reserviert!