Arbeitszimmer | Gracchus - ein Tag auf Ewig

  • Ein Gebirgszug erstreckte sich über das Pergament, schroff, kantig, verfranst und zerfasert, harte Linien, zackige Spitzen und abgehackte Bögen, bröckelndes Fundament und körniges Gelände, unwirklich, leblos und unbeseelt, durchbrochen von tiefen Einschnitten, welche weit über ihren Horizont hinweg auch den letzten Anschein von halbwegs beständiger Geradlinigkeit zerstörten. Enttäuscht, ein wenig verzweifelt zudem zweifelsohne, ließ Gracchus die angestrengte Anspannung aus seiner Hand weichen, so dass die Feder seinem Griff entglitt und mit einem leisen Klacken auf die Tischplatte fiel, einer Marionette gleich, deren Lebensfäden waren gekappt worden, ebenso leblos und nutzlos wie seine Hand ihm bisweilen erschien. Er seufzte tief. Stets hatte er großen Wert auf sein Schriftbild gelegt, nicht nur die Orthographie betreffend, sondern gleichsam auch den äußeren Anschein, auf saubere Linien und perfekte Schwünge, doch jenes krakelige Geschmiere, welches seine Bewegung auf dem Pergament hatte hinterlassen, hatte nichts mit Ebenmaß gemein. Er hatte gehofft, die Zerklüftung der Buchstaben, der Worte und Sätze würde nur im weichen Wachs besonders deutlich zu Tage treten, da der Griffel nur allzu schnell sich bis zum Holz der Tabulae hindurch konnte drücken, doch das Pergament zeigte seine Schwäche ebenso deutlich, viel mehr in noch weitaus erschreckenderem Ausmaße. Noch immer hatte er kaum Gefühl in seinen Fingern, noch immer schienen sie ihm halb taub und wie von dickem Wollstoff umhüllt, bisweilen gar umfasste es den gesamten Arm und gleich wie sehr er sich darob bemühte, wie oft er auch die Kraft und Koordination zu trainieren suchte, kaum schien sich je auch nur ein klein wenig Besserung dieses Zustandes zu zeigen. Er hatte ob dessen versucht, mit der Linken zu schreiben, doch obgleich diese nicht jene deplorable Konstitution der Rechten zeigte, so hatte auch dies nur in unbefriedigenden Ergebnissen geendet, und obgleich ihm trotz allem mit dieser Hand mehr Aussicht auf Erfolg zu bestehen schein, so konnte auch diese Option nur Notlösung sein, da der Linken im öffentlichen Leben stets die Aufgabe gegeben war, die Falten der Toga korrekt zu halten, wodurch jegliches weitere Agieren damit erschwert war. In seiner Enttäuschung gefangen lehnte Gracchus sich zurück, starrte die gegenüberliegende Wand an, als würde auf ihr die Antwort auf alle Fragen erscheinen so er nur intensiv genug sie würde hervorblicken, doch es brachte nurmehr tiefere Gedanken und mit ihnen tiefere Frustration. Er dachte an seine Gemahlin, welche das Kind in sich trug, das bald das seine würde sein, jenes kleine Leben, welches in so scheinbar kurzer Zeitspanne in Antonia zu einem perfekten Lebewesen heranreifte, während in gleicher Dauer er selbst nurmehr auf der Stelle trat. Wie sollte er diesem Kind die Schönheit der Welt erklären, da doch alles was er sagte nur mehr affröses Stückwerk war? Wie sollte er diesem Kind Perfektion von Körper und Geiste näher bringen, da sein eigener Makel deutlicher als je zuvor nach außen schien? Wie sollte er dieses Kind Respekt vor Tradition und Pflichten lehren, da er sich selbst vor seinen Pflichten drückte, aus Furcht vor der Selbst-Kompromittierung seiner eigenen Person? Es war ihm eine schier endlose Ewigkeit, die er nurmehr die Fläche vor sich anstarrte, jedoch die Wand blieb leer, denn obgleich es Gracchus kurzzeitig schien als würde er einer Zahl gewahr werden, so konnte Zweiundvierzig unmöglich die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest sein.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ein leises Prasseln ließ Gracchus aus seiner Gedankenstarre entrinnen, denn nachdem die im Freien schier unerträgliche Hitze des Sommers Rom den Tag über hatte gequält, entlud sich die aufgestaute Spannung nun in einem abendlichen Schauer. Einige Herzschläge lang fragte er sich, ob der Tiber allfällig bereits zu einem trockenen Rinnsal war ausgedörrt, ob womöglich das Grundwasser in den Brunnen hatte seinen Tiefstand erreicht, gleichsam wurde ihm bewusst, dass er die Villa seit Tagen, seit Wochen nicht hatte verlassen, dass er über nichts informiert war, was in der Stadt sich zutrug, keine Kunde aus dem Senat wusste, keine Nachricht aus dem Cultus Deorum, nicht einmal die üblichen Gerüchte des Forums. Nichts davon hatte Sciurus ihm angetragen, und er selbst hatte nicht danach gefragt, in keinem Augenblicke sich danach gesehnt. Er drückte sich nicht vor den Pflichten, er hatte sie gänzlich vergessen, und selbst als er sich dessen wurde gewahr, konnte er nicht den geringsten Anklang von Reue ob dessen in sich entdecken, konnte das Wissen darum nur aus der Ferne betrachten, ganz als würde all dies ihn nicht im Ansatze auch nur tangieren, als gelte es über einen fremden Menschen zu urteilen, dessen Existenz so fern, dass sie nicht einmal des Sinnierens über ein Urteil wert war. Beklommenheit ob dieses Umstandes wegen erwuchs in Gracchus, da er sich selbst so fremd schien, genährt durch die blasse Dämmerung, welche allmählich unter den dicken Wolkenschleiern nicht nur die Welt vor, sondern gleichsam auch hinter den Mauern der Villa Flavia umfing, wie auch sie langsam Einzug nahm in Gracchus' Innerstes. Irgendjemand sollte die Lampen entzünden, doch niemand außer ihm selbst war in jenem Raum, so dass er im graufarbenen Zwielicht unschlüssig verharrte. Als ein flüchtiges Klopfen von der Türe her die Stille durchbrach, zuckte er erschrocken zusammen, und selbst als es Sciurus war, welcher den Raum betrat, hämmerte noch sein Herz wie ein aufgeschrecktes Tier in seiner Brust. Der Sklave entzündete wortlos einige Öllampen und Gracchus entdeckte das Schimmern der Feuchtigkeit in seinem kurzen, blonden Haar.
    "Es ist eine Nachricht eingetroffen, aus dem Collegium Pontificium."
    Desinteressiert brummte Gracchus leise, beobachtete den Tanz der Schatten, welche die durch Sciurus' Bewegung aufgescheuchten Flammen auf den Wänden des Zimmers malten. Er dachte an die geketteten Zuschauer in Platons Höhle, welche stets die Schatten als ihre gänzliche Welt betrachteten, schließlich die Realität hinter sich blickten, hernach gar die Schönheit der Existenz außerhalb ihres Gefängnisses.
    "'s sind b'reits ... der Schatt'n zu viel', wie ... soll no'h das Feuer 'n mein'm Geist' ... Einz'g find'n, wie erst ... die Sonn'?"
    Das leise Prasseln des Regens füllte die aufkommende Stille zwischen ihnen, bis der Sklave wagte zu sprechen.
    "Herr?"
    Schatten und Tag, Sonne und Wasser, Mond und Licht, Feuer und Nacht, nichts mochte noch einen Sinn ergeben und doch musste einen Grund dessen sich finden lassen.
    "Du solltest diese Nachricht lesen, Herr. Es ist wichtig, die Familie betreffend."
    Gracchus sog Luft durch die Nase, nickte langsam.
    "Lies 's ... vor."
    Er brauchte nicht erwähnen, dass sein Sklave langsam sollte lesen, ihm Zeit lassend, die einzelnen Sätze in seinem Geiste zu sortieren, denn Sciurus war dies längst gewöhnt. Je mehr der Worte über die Lippen des blonden Sklaven drangen, desto unbehaglicher fühlte sich Gracchus, desto stärker wurde das Unwohlsein in seinem Magen. Es war keine Aufforderung von Seiten des Collegium Pontificium, und doch würde er nicht diese Pflicht von sich weisen können, nicht diesen Gefallen, den Wunsch nicht abschlagen. Vermutlich hatte Aristides mit keinem Gedanken bedacht, dass ein Irrtum, ein Missgriff nur ein Fauxpas wider die Traditionen und Götter würde darstellen, dass ein einziges Versehen würde den Ritus ruinieren, allfällig glaubte er sogar, dass nichts dergleichen konnte seinem Vetter geschehen. Nur allzu gern hätte Gracchus diesem Glauben sich angeschlossen, doch er wusste nicht nur, dass es anders war, aus seiner Sicht heraus war es noch weitaus schlimmer.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Man hätte den britischen Sklaven in den letzten Minuten durchaus mit einem frisch geköpften Huhn vergleichen können. Er rannte hin und her, wusste weder ein, noch aus, fast, als wäre er der werdende Vater und nicht der Bote, der diesem die Nachricht einer bevorstehenden Geburt überbringen sollte.
    Die Hebamme hatte er gefunden, nachdem er zunächst in der falschen Ecke des Hauses nach ihr gesucht hatte. Die alte Frau hatte ihm den Arm getätschelt und einige beruhigende Worte gemurmelt, die ihn absolut nicht beruhigt hatten. Bei allen Göttern, das war schließlich seine erste Geburt.
    Irgendwie war er jedenfalls wieder in die Gänge der Villa geraten. Sich seiner höchst wichtigen Mission erinnernd, machte er sich auf die Suche nach Gracchus. Um nicht erneut wertvolle Zeit zu vergeuden (er glaubte tatsächlich, eine Geburt wäre nach ein paar Minuten vorbei und er verpasste nun alles), fragte er sich durch und landete schließlich hier, vorm Arbeitszimmer des Herrn der Herrin. Oder so ähnlich.
    Anklopfen vergaß oder verdrängte er, jedenfalls stand er plötzlich im Raum, wo ihm sein Missgeschick auffiel. Auweia, das würde Ärger geben.
    "Äh.", begann er zu stammeln. "Vergib mir, Herr. Die Herrin Antonia ist schwa... äh, ich meine, sie bekommt ein Ki... also, jetzt, meine ich. Sie... äh... sie liegt in den Wehen. Jetzt."

  • Auf und ab schwankte die Linie des Buchstabengrundes, vor und zurück die Gedanken dazu, Sesterzen und Scherze, Erträge und Verträge, Güter und Gemüter, Wissen und Weisheit, Essen und Weißwein - je mehr Gracchus las, versuchte zu lesen, desto mehr verwirrte sich das Gelesene in seinem Kopf, desto mehr vergaß er. Alles war seltsam faserig, sein Kopf stecke diesen Tages erneut in Wolken, die Welt dehnte sich wie Zeit. Als der fremde Sklave plötzlich im Raum stand, hätte Gracchus nicht sagen können, woher dieser auf einmal gekommen war, ob nicht allfällig er sich eben erst dort hatte aus dem Nichts heraus materialisiert. Das jähe Auftauchen, der erste Laut, kaum Wort, indes gereichte dazu, dass Gracchus' Blick von der pergamentenen Schriftrolle vor ihm hoch ruckte und einen Augenblick lang beinah ihm das Herz vor Schreck stehen blieb. Vage kam der Sklave ihm bekannt vor, doch konnte er ihm weder einen Namen noch einen Herrn zuordnen, bis jener selbst seine Herrin nannte. Doch weit größer noch denn der Schrecken über das Erscheinen des Überbringers der Botschaft war der Schrecken über die Botschaft selbst. Gracchus' Augen weiteten sich und auf seinem Antlitz erschien ein Ausdruck von Entsetzen.
    "'''tzss'"?"
    Die ganze Angelegenheit kam ihm in diesem Augenblicke unglaublich ungelegen. Nicht, dass Gracchus tatsächlich wichtiges zu tun hatte, nicht, dass nicht ein Augenblick so gut wie der nächste wäre gewesen, doch die ganze Angelegenheit würde stets unglaublich ungelegen kommen, da sie Gracchus völlig überforderte. Es war immerhin sein erstes Kind. Er wusste nicht nur nicht, was zu tun war, sondern hatte sich überdies bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gedanken darüber gemacht. Panisch versuchte er einen Entschluss zu fassen, endlos zog die Zeit an ihm vorüber, ohne dass er auch nur einen klaren Gedanken konnte fassen. Antonia bekam ein Kind. Sein Kind. Ein Kind. Er bekam ein Kind. Sein Kind. Sie. Kind. Er.
    "M'ss z' ''r."
    Dass mehr Buchstaben und Sinn ihm verloren ging als üblich und vermutlich nicht einmal Sciurus verstand, dass Gracchus zu seiner Gemahlin musste, beachtete dieser nicht. Er musste zu ihr. Allfällig war es sonst bereits zu spät.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Es war ein trüber Nachmittag in Rom, von graufarbenen Wolken überhangen, und ein böiger Westwind strich vom Meer her durch die Hügel hindurch, wehte in scharfen Zügen über deren Kuppen und verlieh Bäumen und Büschen den Anschein, als wollten sie mit aller Macht nach der tief im Osten stehenden Sonne greifen. In seinem Arbeitszimmer ignorierte Gracchus das Pfeifen des Windes und das Rascheln der Blätter, ließ den Anflug des Tristesse verheißenden Herbstes von der leisen Melodie knisternder Holzscheite vertreiben, welche in einer Feuerschale nahe der Tür war aufgestellt, da die Hypokausten aus Gründen der Sparsamkeit wie stets in der Villa Flavia nur spärlich beheizt wurden. Die rotgoldfarbenen Flammen des Feuers und jene honigfarbenen der kleineren Flammen aus dem Kandelaber neben dem Schreibtisch tauchten den Raum in ein warmes Licht, welches Gracchus beinah angenehmer war denn das Licht des Tages, da es stets eine leise Reminiszenz an Pergament und Papyrus, Feder und Tinte in sich trug, gleichsam den unscheinbaren Anklang klandestiner Geborgenheit, begrenzter Welt, welche nur jene in sich fasste, die in ihr erleuchtet waren, und die infinite Dunkelheit hinter ihren Grenzen ausschloss. An diesem Tage brachte zudem Manius Minor die Welt in Gracchus zum erleuchten, denn sein Sohn saß auf seinem Schoße und gemeinsam schoben sie die Kugeln auf einem Abacus herum, genau genommen schob Gracchus die Kugeln herum und Minor warf ab und an eine davon erfreut durch das Zimmer, woraufhin Sciurus ausgeschickt wurde, sie zu suchen und zurück zu bringen, was Manius Minor noch mehr erfreute, welcher darob mit seinem Lachen Manius Maior erfreute, so dass beinahe alle erfreut waren, sah man von Sciurus einmal ab, welcher sich wie stets zu keiner Regung herab ließ.
    "... und wenn wir diese hier herunter schieben, dann kommen wir auf fünf. So einfa'h ist das."
    Gracchus schob eine der Kugeln und Minor schlug die flache Hand auf den Tisch, klopfte mit seinen Fingern auf das Holz.
    "Genau, Fünf"
    , strahlte Gracchus, welcher in der Geste die Bestätigung darin sah, dass Minor ihn wohl hatte verstanden und bereits die Gedankengänge der Addition konnte nachvollziehen - ihm fehlte dabei jegliche Idee, in welchem Alter ein Kind zu was fähig war, wiewohl auch, dass die kleinen Kugeln in Minors Nähe nicht ungefährlich waren. Erfreut blickte er zu Sciurus, welcher noch immer auf der Suche nach einer der geworfenen Kugeln mit seinem Arm unter einem Regal tastete.
    "Ist er ni'ht unglaubli'h intelligent?"
    Sciurus nickte treu ergeben. "Er kommt ganz nach seinem Vater, Herr." Augenblicklich wich jede Freude aus Gracchus' Miene.
    "Sage das ni'ht!"
    warf er eisig durch den Raum.
    "Er kommt na'h seiner Mutter! Intelligent, verantwortungsvoll, redegewandt, ehrli'h, anmutig und schön - wie sein Mutter. Er brau'ht keinen der Makel seines Vaters!"
    "Wie du meinst, Herr." Sciurus zwängte sich noch ein wenig mehr unter das Möbel, streckte sich und fand schlussendlich das Gesuchte. Die Härte wich aus Gracchus' Miene, als er seinem Sohn sich wieder zuwandte und ihm eine Kugel über den Tisch kullern ließ, während Sciurus zu ihnen zurückkehrte und die seine auf den Abacus legte. Der Feuerschein schnitt das Antlitz des Sklaven in zwei Teile, eine Hälfte weich gezeichnet, goldfarben, das helle Haar darüber mit den Flammen tanzend, die sonstige Kälte des eisig blaufarbenen Auges abgemildert, die andere Hälfte im Halbdunkel verborgen, graufarbener Schatten ohne Kontur. Mit einem Male blickte Gracchus auf.
    "Sage mir, welc'er meiner Vettern besitzt eine Sklavin hier in Rom, die sich zur Zu'ht eignet?"
    Es war ein Nachteil dessen, dass Gracchus nur männliche Sklaven um sich herum duldete, dass die Zucht somit ein wenig erschwert wurde, gleichsam jedoch hielt er es ohnehin für besser, keine Nachkommen zwischen Inventar des eigenen Haushaltes zu gestatten, da mancher Sklave von solcherart Bindung zu sehr wurde tangiert, die offiziell zwar nicht vorhanden war, unterschwellig dies jedoch durchaus konnte sein.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Mit dem jungen Herrn konnte Sciurus nicht sonderlich viel anfangen, denn obgleich er dieses Kind mit seinem Leben schützen würde, mochte er kleine Kinder nicht. Dies lag allerdings nicht an dem Kind an sich, sondern an Sciurus, welcher generell niemanden mochte. Seinen Herrn respektierte er, doch Manius Minor war noch lange nicht in einer respektablen Position, und der einzige Vorteil an jenem Kinde war, dass es seinen Vater von trüben Gedanken abhielt. Dennoch war es dem Sklaven von Vorteil, dass sein Herr sich endlich wieder anderen Gedanken denn der Bespaßung des Jungen widmete, denn obgleich er sich niemals über seine Arbeit beschwerte, nicht einmal ein Urteil erlaubte, so fühlte er sich dennoch ein wenig unterfordert mit der Aufgabe, den bronzenen Kugeln des Abacus zu folgen, sobald das Kind sie über den Boden verteilte.


    In seinen Sinnen durchpflügte er die weibliche Sklavenschaft des Hauses, trennte Spreu von Weizen, verwarf jede einzelne Frau und schüttelte schlussendlich den Kopf. "Keiner, Herr. In Aristides' Besitz finden sich einige hochwertige Exemplare, doch diese weilen in Baiae unter der Obhut seiner Mutter, welche sich um die Haushaltsplanung kümmert. Womöglich hat seine Gemahlin Epicharis brauchbares Material, sie hat ein paar Sklavinnen mit in den Haushalt eingebracht. Doch was spricht gegen deinen eigenen Besitz? Salambó befindet sich noch immer im Haus, Leontias Leibsklavin, welche du nach dem erfolglosen Beischlaf ihrem Vater Aetius abkauftest."

  • Ein wenig unwirsch schüttelte Gracchus den Kopf, verärgert über die Insensibilität seines Vilicus, welcher augenscheinlich keinerlei Gedanken sich über Erziehung, wie auch Feinsinnigkeit eines Kindes zu machen schien.
    "Sciurus!"
    , zischte er leise und beugte sich vor, darauf achtend, dass Minor nicht von seinem Schoße fiel.
    "Spri'h ni'ht vor dem Jungen darüber! Das sind Dinge, von wel'hen er nicht zu wissen brau'ht."
    Er lehnte sich zurück, lächelte seinen Sohn an und hielt ihm seinen Zeigefinger hin, welchen das Kind mit einer Hand freudig umklammerte und schüttelte, während Gracchus seine Aufmerksamkeit dem Sklaven wieder zuwandte.
    "Salambó? Ja, das wäre eine Mögli'hkeit, wel'he i'h ni'ht beda'hte."
    Ein wenig verärgert realisierte er, dass in diesem Satz zu viele ch-Worte enthalten waren, doch war es bereits zu spät, das Konstrukt zu variieren.
    "I'h hatte ihr zugesi'hert, dass sie ihren Status und ihre Privilegien würde behalten, was glei'hsam bedeutet, dass sie ni'ht ohne ihr Einverständnis für sol'herlei zur Verfügung steht. Denno'h wäre sie wahrli'h ideal, den Gefährten und künftigen Vilicus meines Sohnes zu zeugen. Du wirst sie fragen, ob sie dazu bereit ist. Fragen, ni'ht drängen, Sciurus. So sie es ist, kannst du herna'h zur Tat schreiten. Sonstig werde ich mit Ep'charis ob ihres Bestandes spre'hen."
    Minor positionierte sich ungeschickt und zappelte ein wenig herum, dass Gracchus ihn empor nahm und auf die Tischkante setzte. Ehedem gänzlich er seine Aufmerksamkeit seinem Sohne wieder zukommen ließ, blickte er noch einmal an jenem vorbei zu dem Sklaven hin.
    "Du kannst das direkt erledigen, wir brau'hen di'h hier ni'ht mehr."

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Obgleich es durchaus eine possible Konsequenz war, so irritierte die ausgesprochene Tatsache seines Herrn, dass eben er, Sciurus, für die Zeugung des Minorschen Vilicus sollte zuständig sein, ihn zutiefst. Er entstammte keiner alten Linie, sein Vater war als freier Germane geboren, seine Mutter in erster Generation in römischem Besitz, er selbst nicht einmal seit Geburt in flavischer Hand. Dennoch ließ der Sklave sich nichts anmerken, nicht einmal, dass das Vertrauen seines Herrn tief im Inneren ihn ehrte, nickte stumm und verließ den Raum, die Sklavin aufzusuchen, seine Aufgabe zu erledigen, pflichtbewusst wie stets.

  • Nachdem der Sklave den Raum verlassen hatte, begann Gracchus seinen Sohn hintenüber kippen zu lassen und im letzten Moment erst aufzufangen, so dass der Junge bald anfing frohgemut zu glucksen.
    "Du hättest sie kennen lernen sollen"
    , sprach der Vater sodann gänzlich unvermittelt, ganz so, als würde sein Sohn sehr genau verstehen, wovon er redete, während dieser vergnügt dem Spiel der Schwerkraft folgte.
    "Sie war ni'ht nur eine der anmutigsten Frauen, wel'he der Welt je zu erblicken erlaubt gewesen war, sie war zudem von zauberhaftem Wesen, eine Hommage an die Harmonie, eine Ode an die Wahrheit, das Gemüt wärmend wie ein güldener Sonnenstrahl, stets von einem flü'htigen Hau'h nach Sommerregen umgeben, filigran wie ein Wesen aus Glas und Nebel. Sie war eine Muse."
    Er seufzte ergeben im Gedanken an seine Erinnerung.
    "Sie war meine Muse."
    Er schwieg, gab sich dem Missen jener verlorenen Wärme hin, und vergaß für einige Herzschläge das Spiel fortzusetzen, ob dessen Manius Minor, stets von Neugier getrieben, den Tisch für sich entdeckte und begann mit seinen Füßen darauf zu pochen, was Manius Maior ihm sich letztlich wieder mit einem Lächeln zuwenden ließ.
    "Es hätte ihr si'herli'h gefallen, zu wissen, dass aus ihrem Na'hlass dir ein treuer Gefährte gezeugt wird."
    Langsam schob Gracchus den Stuhl unter sich nach hinten und erhob sich, nahm seinen Sohn auf den Arm, welcher darauf neugierig im Raume umher sah.
    "Genug des Lernens für den heutigen Tag. Wir werden deine Mutter suchen, auf dass sie ni'ht unleidli'h wird, da sie di'h allzu lange muss entbehren. Allfällig gönnt sie uns na'h dem Essen no'h ein wenig Zerstreuung."
    Mit der Geburt Manius Minors hatte sich nicht nur offenbart, dass Gracchus entgegen jedes eigenen Zweifels fähig war, ein Kind zu zeugen, sondern gleichsam auch, wer in jenem Hause, in welchem er selbst so lange als der Hausherr hatte gegolten, die tatsächliche Macht inne hatte, denn seitdem suchte Gracchus seiner Gemahlin mehr noch als zuvor jeden Wunsch zu erfüllen, um nur ab und an in den Genuss der Anwesenheit seines Sohnes zu kommen, über welchen dessen Mutter mit beinahe hoheitlichen Allüren zu wachen pflegte.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Papiere, Briefe, Anfragen, Nachfragen, Gesuche, Bitten, Rechnungen - das meiste hiervon an ihn adressiert bekam Gracchus nicht einmal zu Gesichte, denn stets sortierte Sciurus in seiner überaus emsigen Art und Weise alle Schriftstücke, kümmerte sich um den Großteil davon und legte seinem Herrn nur diejenigen vor, welche tatsächlich von Bedeutung waren.
    "Die Einladungen zur Hochzeit des Aurelius Corvinus mit deiner Nichte Celerina wurden heute verteilt."
    "Gut, gut, welcher Tag?"
    "Der siebte Tag vor den Iden."
    "Besorge ein Geschenk, sprich dich allfällig mit dem Vilicus meiner Gemahlin ab, trage dafür Sorge, dass ich am Morgen desjenigen Tages mindestens eine Stunde im Bad habe, erinnere mich zwei Tage vorher daran und am Morgen des Vortages noch einmal, dass ich ni'ht darauf vergesse."
    "Womöglich solltest du die Einladung lesen, Herr. Es scheint eine extravagante Feier zu werden."
    Gracchus blickte auf und nahm das Pergament entgegen, las flüchtig die geschriebenen Zeilen, doch nicht einmal bis zum Ende des Textes. Jegliche Farbe wich aus seinem Antlitz, hinterließ ein fahles Grauweiß, welche nichts mit der vornehmen Blässe der Patrizier hatte gemein. Die schlimmsten Erinnerungen, welche Gracchus' tiefes Innerstes barg, hatten nichts zu tun mit Unheil oder Tod, nichts mit dem Anblick der Leichname geliebter Menschen - seinem ersten Leibsklaven Sciurus etwa oder dem blutumströmten Leibe seiner auf den Stufen des vestalischen Tempels dahin gemordeten Schwester -, sondern stets mit dem Meer, mit Überfahrten und dem Schrecken der See. Bereits während seiner Jugend hatte Gracchus große Umwege in Kauf genommen - den Landweg aus Achaia über Illyricum und halb Italia -, um zu familiären Festen zu erscheinen, anstatt in viel weniger Tagen die kurze Passage zwischen Apollonia und Brundisium zu überschiffen. Die letzte Seereise indes, als er geradezu kopflos seiner Base Leontia war über das mare internum hinterher geeilt, um aus den Klauen seines maliziösen Zwillings sie zu retten, hatte beinahe den Kopf ihn gekostet - allfällig nicht die See an sich, doch Gracchus war sich dessen sicher, dass das Fieber der Fluch des Neptun war gewesen-, viel zu gut noch konnte er sich an jene grauenhafte Zeit erinnern und er war sich gänzlich dessen gewahr, dass nichts und niemand ihn allzu bald dazu würde bringen, ein Schiff zu betreten, hinge nicht sein Leben davon ab.
    "Ausgere'hnet ..."
    , keuchte er leise, denn es wollte nicht in den Sinn ihm gelangen, wie eine Hochzeit zwischen zwei ehrwürdigen, patrizischen Gentes nicht nach traditionellem Muster konnte vonstatten gehen. Bereits Aristides' Hochzeit in einem Garten hatte ihn überaus irritiert, doch hatte sein Vetter glaubhaft ihm versichert, dass gewichtige Gründe den Beginn in der Villa Claudia hatten verhindert. Welche Gründe jedoch mochten gegen eine Feier in der Villa Flavia sprechen - kein einziger, wie Gracchus wollte meinen, es sei denn, Aurelius Corvinus hegte klandestine Vorbehalte gegen die Familie. Das mulmige Gefühl im Magen ob der in Aussicht stehenden Schifffahrt wich einer kleinen Flamme aus flavischem Zorne, allfällig ging es gerade um ihn, Gracchus selbst, und das Schiff war nur eine weitere Taktik, seine Anwesenheit während der Hochzeit zu verhindern, war sein schwacher Magen bezüglich der Seefahrt doch kaum ein Geheimnis innerhalb der Familie! Doch so es dem Aurelius beliebte, ihn zu sekieren, würde er noch die Quittung dafür erhalten - ausgerechnet Aurelius Corvinus, im welchem Gracchus bisher durchaus einen politischen Mitstreiter hatte gesehen, ihm hatte Tür und Tor in der Familie geöffnet, sogar sich für ihn hatte im Collegium Pontificium eingesetzt!
    "Dann soll es so sein."
    Gracchus zerknüllte das Pergament und warf es zu anderen zerknüllten Pergamenten in den kleinen Bastkorb unter seinem Schreibtisch. Er war es leid, sich ob seines Pflichtbewusstseins und seiner Nachgiebigkeit wegen schröpfen zu lassen - in politischen, wie auch familiären Angelegenheiten!

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Etwa ein Dutzend zerknüllte Pergamentblätter zierten bereits Gracchus' Tisch, eine überaus gewaltige Verschwendung, ob welcher Gracchus jedoch nicht den geringsten Gedanken fasste. Es fehlten ihm schlichtweg die rechten Worte, was durchaus nicht daran lag, dass er der Worte nicht genügend in seinem Geiste hätte getragen, sondern an der Unmöglichkeit dessen, was er auszudrücken gedachte. Einerseits musste der Höflichkeit und dem gebotenen Respekt genüge getan werden, welche seiner Nichte und ihrem künftigen Ehegatten gegenüber waren angebracht, andererseits echauffierte sich Gracchus bereits bei der Vorstellung der Seehochzeit noch immer zu sehr, um den Brief in poetischer Klangfarbe und getragenem Laute zu verfassen. Zu Beginn war es nur die eigene - gewaltige - Furcht vor den verschlingenden Wogen des Meeres gewesen, welche allein bei dem Gedanken daran den Schweiß ihm hatte auf die Stirne getrieben, doch je detaillierter er darüber hatte nachgedacht, desto mehr war die Furcht in ihm erwachsen, seine Gemahlin und sein Sohn, seine gesamte Familie könnte mit diesem Schiff ihre letzte Reise antreten, gleich Leontia und Quintus dem blaufarbenen Tode entgegen fahren, ihre Ruhestätte am Grunde des mare internum im Reich des wilden Neptunus finden, umspült vom granularen Sand der Tiefe, umschlungen von schwankenden Seegräsern und Algen, umschwommen von zahlreichen Arten Fischen und Meeresungeheuern, die Ruhestätte geschmückt mit Seesternen und Muscheln. Es war ob dieser Befürchtung, welche aus seinem Geiste nicht mehr zu vertreiben war, ihn des Nachts in seinen Träumen verfolgte, des Tages dem Wahn ihm nahe führte, dass er Antonia hatte untersagt, ohne ihn mit Minor der Feierlichkeit beizuwohnen. Ein wenig hatte seine Gemahlin sich gegen diese Entscheidung gesträubt - schlussendlich unterstand sie nicht Gracchus' Gewalt -, hatte versucht ihn von der Notwendigkeit ob des familiären Anlasses zu überzeugen, doch letztlich hatte seinem Wort sie sich gefügt, allfällig auch daher, da er sonstig überaus selten Forderungen an sie zu stellen wagte. Um so schwerer jedoch fiel es ihm, die richtigen Worte zu finden, die Absenz zu begründen, so dass nach einigen weiteren Versuchen er aufgab, die Nachricht schlicht kurz fasste, reduziert auf nichtssagende Sätze, welche ihm gänzlich widerstrebten - nicht gar so sehr jedoch wie das Ereignis an sich.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Wenig hatte sich verändert in der Villa Flavia, wie ein unbeweglicher Fels schien sie Gracchus im Gestürm des unbeständigen Rom, ein beruhigender Fixpunkt, ein Hort der Sicherheit und Geborgenheit entgegen allen Widrigkeiten. So er nach langer Absenz aus der Hauptstadt zurückkehrte, wartete stets jene invariante Konstante auf ihn, und er genoss es, die Beständigkeit einfließen zu lassen in seinen Geist, gänzlich mit der stetigen Aura des Anwesens zu verschmelzen, um an ihrer Kontinuität Teil zu haben. So saß er denn seit Minuten - Stunden allfällig - in seinem Arbeitszimmer, starrte zufrieden in den Raum hinein, lauschte der leisen Melodie der Villa Flavia Felix, erspürte das unscheinbare Vibrieren des Gebäudes und leerte seine Gedanken. Sciurus, welcher ohne anzuklopfen die Türe öffnete und eintrat, bemerkte er erst, als jener ansetzte zu sprechen. "Herr? Es wurde eine Einladung für deine Gemahlin und dich abgegeben. Tiberius Durus lädt zu einer Cena." Einige Augenblicke zerrannen in Stille, sodann gestattete Gracchus sich ein Seufzen aus tiefster Kehle heraus.
    "Wann?"
    "In zwei Tagen." Zu bald. Zu schnell. Zu früh. Er war nicht darauf vorbereitet bereits in Roms Leben wieder einzutauchen, gleichsam würde er niemals darauf vorbereitet sein, wie viel Zeit auch würde vergehen. Es drängte ihn danach, abzusagen, sich verleugnen zu lassen, schien ihm jeder Schritt über die Schwelle der Porta hinaus doch wie eine Kompromittierung durch eigene Tat, wie der Schritt durch eigenen Willen in Richtung des Verderbens, und wäre die Einladung nicht ausgerechnet von Tiberius Durus, er hätte jener Verpflichtung sich entzogen ohne jegliches Zaudern. Einige Herzschläge lang schloss Gracchus die Augen, suchte in seinem Inneren eine Ausflucht, einen Ausweg aus sich selbst, eine Rettungsleine aus dem oceanos der Desperation, blickte schlussendlich die Hand seiner Gemahlin.
    "Weiß Antonia bereits davon?"
    "Sie wird dich gerne begleiten." Also würde er zusagen - schlussendlich hatte er sie lange genug darben lassen, und allfällig würde an ihrer Seite es nicht gar so blamabel werden, würde Antonia ob ihrer epiphanen Erscheinung doch alle Aufmerksamkeit auf sich, und damit von ihm hinfort, zu ziehen wissen. Er öffnete langsam die Augen.
    "Dann sage zu."
    Rom hatte ihn also wieder - er war sich nicht dessen sicher, ob er dies sollte begrüßen oder eher bedauern.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ein tiefes Seufzen aus den verborgensten Gründen Gracchus' Innerstem bahnte sich unaufhaltsam seinen Weg empor aus seinem Bauch, durch die Kehle hindurch, umschmeichelte einige Augenblicke seinen Gaumen, ehedem es durch die die Mundhöhle sich schlängelte und zwischen den Lippen seinem Einflussbereich echappierte. Auf der wächsernen Tafel unter seiner Hand war die krakelige Schrift verklungen und nicht minder zerfaserten Zeichnungen gewichen: eine Sonne, ein sichelförmiges Halbrund - die Sonnenbarke, eine Palme und ein Fluss in Form eines Phallus hatte Gracchus halb unbewusst in die weiche Fläche geritzt. Seit Wochen suchte er die Erinnerung an das Fest der Meditrinalia in sich zu unterdrücken, sie fort zu schieben aus seiner Aufmerksamkeit, als amouröses Abenteuer zu deklarieren, dessen Existenz besser vergessen war. Doch obgleich er so vieles vergaß in diesen Zeiten, obgleich so vieles stets in seinen Gedanken verloren ging, so wollte Hephaistion nicht aus seinen Sinnen sich verdrängen lassen. Noch immer brannte Atons Feuer in ihm, noch immer lohte die gleißende Hitze der Sonne in seinem Leib, glühte die himmlische Hitze in seinem Geist, und Gracchus' verzehrte sich nach Hephaistion mit jeder Faser seines Selbst. Mochte es ein Traum gewesen sein, mochte das Erwachen nicht mehr gebracht haben als den Staub der Erinnerung, mochte nichts sein, wie es war, und nichts, wie es schien, so musste er es dennoch versuchen, denn es lag dieses leichte Spiel in Hephaistions Augen, der schimmernde Glanz auf seinen Lippen, tausend endlosen Sommern gleich, eine wonnige Melodie in seinen Worten, ein endloser Augenblick. Noch einmal seufzte Gracchus tief.
    "Sciurus?"
    Der Sklave blickte von einem kleinen Tisch auf, an welchem er über einige Pergamente gebeugt saß. "Ja, Herr?"
    "Erinnerst du dich an die Meditrinalia?"
    Es war kaum eine Frage, schien es Gracchus doch, dass der Sklave niemals auch nur den marginalsten Augenblick vergaß. "Ja, Herr."
    "Hephaistion."
    Allein die Aussprache des Namens rann wie cremiger Honig Gracchus' Gemüt hinab, und ein leichtes Lächeln kräuselte sich unbemerkt um seine Lippen.
    "Du hast ihn gesehen, nicht wahr?"
    "Ja, Herr."
    "Würdest du ihn wiederfinden?"
    Es würde schwer sein, einen Mann ohne Namen in Rom zu finden, denn obgleich Gracchus sich ihrer Begegnung vor langer Zeit in den Thermen war gewahr, so konnte er doch sich nicht eines Namens entsinnen. Noch ehedem jedoch er dazu konnte ansetzen, darüber zu sinnieren, wie ein solches Unterfangen zu bewerkstelligen sei, antwortete Sciurus bereits. "Ja, Herr. Ich kenne seinen Namen."
    "Seinen Namen?"
    , echote Gracchus erstaunt - noch immer schaffte sein Vilicus es regelmäßig nach all den Jahren, ihn in Erstaunen zu versetzen.
    "Nimm dir eine Tabula, ich werde ihm einen Brief senden."
    "Ja, Herr." Der Sklave griff nach einer Wachstafel und schrieb, während Gracchus seine Worte diktierte, revidierte und neu fasste, Sciurus sie lesen ließ, den Klang zu prüfen, wiederum änderte, bis dass er schlussendlich zufrieden war mit Wortlaut und Klangbild.
    "Schreibe es auf ein Perga..ment und siegle es mit einer Sonne."
    Ein drittes Seufzen drängte sich über Gracchus' Lippen, welcher sich zurück lehnte, ein seliges Leuchten in seinem Blick, den linken Mundwinkel empor gehoben, von dem Heroen zu träumen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!