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OLYMPISCHE SPIELE
zu Ehren von Vater Zeus
Wie seit 880 Jahren fanden auch am Ende dieser vierjährigen Olympiade wieder die Olympischen Spiele statt, zu Ehren des Göttervaters Zeus, in seinem heiligen Hain von Olympia. Die ganze Welt blickte nach Elis, der im Nordwesten des Peloponnes gelegenen Landschaft, wo Olympia umgeben von sanften Hängen und grünen Hügeln lag. Zumindest tat dies der hellenistisch geprägte und traditionsbewusste Teil der inzwischen römisch dominierten Welt. Und natürlich schauten die Menschen auch nicht im eigentlichen Sinne nach dort hin, sondern mit ihren Herzen.
Das galt zumindest für jene, die nicht die Reise nach Elis unternommen hatten. Die aber würden mit eigenen Augen sehen, wie Athleten aus nah und fern um den Sieg rangen. Der Sieg, nur er zählte, denn er war gleichbedeutend mit der Gunst des Gottes.
Allerdings würden das nur die freien Männer und die unverheirateten Frauen wirklich hautnah erleben können, denn nur ihnen war der Zutritt zu den Wettkampfstätten erlaubt. Alle anderen würden es aus ihren Mündern erfahren und sie würden wissen, wer den Sieg errungen hatte, und die Namen der Olympiasieger würde die Zeit überdauern, und in der Erinnerung der Nachgeborenen lebendig bleiben. Sie würden Ruhm und Ehre für sich und ihre Heimat erringen. Reich würden sie werden und ein sorgenfreies Leben führen, bis zu ihrem letzten Atemzug hoch verehrt und als olympische Helden gepriesen.
Zumindest war das früher einmal so gewesen. Aber diese großen und glanzvollen Zeiten waren – um der Wahrheit die Ehre zu geben – vorbei. Griechenland war schon vor langer Zeit seiner einstigen Größe beraubt worden und die griechischen Völker lebten im Schatten der Römer und in Abhängigkeit ihrer Gnade. Die Olympischen Spiele hatten ihre herausragende Bedeutung verloren und waren wie ein geschundenes, altes, gebeugten Weib. Noch vor zwei Generationen hatte dieses Weib zumindest die rabiate und zudringliche Aufmerksamkeit der Römer erfahren. Damals war alles Griechische in Rom populär und beliebt gewesen. Aber auch das war inzwischen vorbei und so existierten die Spiele mittlerweile als eine zwar geachtete, aber weitgehend ignorierte, abgelegte und nicht mehr ganz junge, ehemalige Geliebte.
Die Olympischen Spiele waren noch immer das wichtigste religiöse Fest in Griechenland und ihre Bedeutung ging über die Grenzen der Provinz Achaia hinaus. Aber gemessen an ihrem einstigen Glanz, erhellten sie die Welt heute nur noch matt.
Dennoch – sie leuchteten noch und das zum 220 mal, seit den ersten in den Analen verzeichneten Spielen, die bereits 23 Jahre vor Roms Gründung stattgefunden hatten.
Der erste Vollmond nach der Sommersonnenwende war vorüber. Die olympische Flamme brannte. Die Spiele konnten beginnen und für fünf Tage war das kleine Olympia der wichtigste Ort auf der Welt – zumindest für jene, die daran glauben wollten.