Es war ein Graus für Witjon, was sich bald vor seinen Augen abspielte. Phelan trat zu Dagnys Leichnam hin und sprach ein paar letzte Worte. Im Zwielicht des Waldes, das durch den dunklen Charakter dieses Tages noch verschlimmert wurde, war das liebliche Gesicht der jungen Duccia von Witjons Platz aus mit Mühe zu erkennen. Er stand nicht weit von Lando, dessen ernste Miene nur um eine Kleinigkeit von Witjons Betroffenheit überboten wurde. Ein Schatten legte sich auf die Züge des jungen Ubiers, als seine kleine Cousine den Flammen übergeben wurde. Das Feuer loderte auf, verschlang den Rotschopf wie ein gefräßiges Ungeheuer und ebnete so den Weg in Hels Reich. Witjon starrte abwesend in die Feuerzungen, die sich gen Himmel schlängelten und sah Dagnys Körper in der Helligkeit verschwinden, die die Lichtung im Wald gespenstisch erhellte. Sein Geist wanderte zurück in die nicht lange zurückliegende Zeit seiner Ankunft in der Casa Duccia, als er Dagny kennen lernte und er entsann sich der vielen schönen Momente, die er und Phelan zusammen mit ihr verbracht hatten. Wie viel sie miteinander gealbert, gestritten, oder auch zusammengehalten hatten, wenn es darauf ankam. Er musste an Harlif denken und daran, dass der jungen Duccia ein wohlverdientes Leben mit dem Hadrianus bevorgestanden hatte, das die Götter offenbar nicht gutgeheißen hatten. Von tiefer Trauer erfüllt verlor sein Blick sich in den Flammen, während ein Kloß seinen Hals verstopfte und der Druck unvergossener Tränen auf seine Augen größer wurde. Der Gestank verbrennenden Fleisches stieg ihm in die Nase und rief Übelkeit hervor, Übelkeit vor Gestank sowie vor der Ungerechtigkeit des Lebens, die sie alle, die hier standen, zu akzeptieren hatten, wollten sie nicht der Verzweiflung ob ihres Schicksals anheim fallen. Zu viele seiner Sippe waren bereits im Reich gescheitert, sei es durch Eigenverschulden, Unfall, oder Siechtum; Die Nornen hatten für jeden Verlust einen Grund, den es zu ergründen ohnehin zwecklos wäre, dachte sich Witjon. Die letzte Flamme brannte nach einer Ewigkeit herunter und Witjons Körper löste sich aus seiner Versteifung, mit der er die Zeit überstanden hatte.
Die Beisetzung der Asche ließ Witjon das Blut in den Adern gefrieren und er schloß die Augen, als selbst Phelan einen Moment mit sich zu kämpfen hatte. Keine Träne hatte Witjon vergossen. Er hatte beschlossen, dass er wie Lando mittlerweile eine große Verantwortung für die Familie trug, oder zumindest einen Teil davon schultern wollte und musste, und ein Vorbild sein musste. Er wollte Stärke und Gefasstheit ausstrahlen, was ihm heute trotz seiner unendlichen Trauer gelang.
Nachdem er Brandinars Urne nach vorn gebracht hatte und auch Irminars Stein platziert worden war, sprach Phelan für jeden der drei ein Gebet."So war es, so ist es, und so wird es immer sein," sprach er mit zittriger Stimme leise mit. Im Stillen dankte Witjon jedem Einzelnen für die Zeit, die sie zusammen hatten verbringen dürfen und bat um eine gute Aufnahme in Hels Reich. Als die Beisetzung beendet war, verharrte die Trauergemeinschaft noch in Stille, bis sich langsam die ersten Leute auf den nach Hause Weg begaben. Witjon stand weiterhin regungslos an seinem Platz und starrte gedankenverloren auf die drei frischen Gräber. Für einen Moment war seine Gefasstheit entsetzen gewichen, denn er begriff erst jetzt richtig, dass er diese drei Menschen nie wieder in Midgard zu Gesicht bekommen würde, nie wieder ihre Stimmen hören würde. Wie hart die Welt doch war!