Auf dem Heimweg von der Curia Iulia

  • Ernst musterte Tychicus das kurze Ritual des Priesters und hoffte, dass dies auch ausreichend war.
    Die Cohortes Urbanae würden ganz schön Ärger mit der Familie des Toten bekommen, wenn sie jetzt zuließen, dass etwas schief lief.
    Aber der Mann in den Kleidern eines Sacerdos Publicus wirkte wie jemand mit Erfahrung und schien sich seiner Sache sicher.


    Apropos Familie; Der Rediviver nahm den Ring des Toten von Menas entgegen und untersuchte ihn ebenfalls eingehend.
    Auch er erkannte deutlich das "O" auf dem Ring, aber das Stück war schon von der Zeit gezeichnet und viele andere Details ließen sich nicht mehr erkennen.
    Dann kam Tychicus auf die Idee, die Innenseite des Siegelringes zu untersuchen. Und siehe da...:


    "Centurio!", rief er überrascht aus, "Hier ist ein Name in die Innenseite eingraviert! Caius Octavius Cato."


    Das schien mit großer Sicherheit der Name des Mannes zu sein. Tychicus war überrascht, wie gut erhalten der Schriftzug noch war.
    Vielleicht war er erst vor kurzem, im Nachhinein hinzugfügt oder erneuert worden.

  • Mit Erleichterung bemerkte Marcus, daß der Priester erschien, um dem gebeten worden war, zwecks einer rituellen Reinigung und dem Vertreiben etwaiger böser Geister um die Leiche. Marcus wandte seinen Kopf dem ankommenden Priester zu und musterte ihn mit einem schnellen Blick, ein Aurelier? Scheinbar gab es nur noch Patrizier im cultus deorum. Marcus nickte dem Mann freundlich und höflich zu, doch die Vorstellung das Reden übernahm ja schon sein fleißiger und eifriger optio. Derweil richtete Marcus seine Aufmerksamkeit wieder auf Lupus und lauschte deßen Worten, ein Mann also - womit wenigstens ein guter Teil der römischen Bevölkerung weg fiel, blieb ja nur noch ein paar hundert Tausend – und vielleicht hatte der Mann Komplizen oder auch nicht; dennoch hatte ihnen Lupus schon einige wichtige Hinweise gegeben, was jedoch kaum etwas daran änderte, daß die Spurenlage insgesamt recht dürftig zu sein schien.
    „Na, das ist doch schon mal etwas, optio Sergius, ich danke Dir! Gibt es sonst noch etwas, was Dir aufgefallen ist?“
    , fragte er noch, ehe er zu dem Artorier sah, der scheinbar ein Geistesblitz hatte. Ja, einem O sah das wirklich sehr ähnlich, Marcus wäre nicht darauf gekommen, aber der Artorier schien nicht auf den Kopf gefallen zu sein.
    „Octavier? Hmh, klingt einleuchtend, probatus!“


    Dann verstummte Marcus jedoch als er die Worte des Aureliers hörte, Marcus nickte ihm zu als Zeichen seiner Zustimmung und trat einen Schritt vom Leichnam zurück, um dem Aurelier den genügenden Raum zu schaffen, mit angemeßener Ehrfurcht – die er nicht vor heucheln mußte! - beobachtete er die Arbeit des Mannes, einige Wassertropfen spritzten auch auf ihn und benäßten sein Gesicht, Marcus blinzelte einen Herzschlag lang und war froh, von der Reinigung erfaßt zu werden, es plagten ihn schon genug Dinge, er brauchte nicht auch noch den Fluch eines Toten und der Geister der Unterwelt dazu. Einige Herzschläge lang schwieg Marcus und nickte dann dem Aurelier ein zweites Mal zu.
    „Ich danke Dir, Aurelius, für die Läuterung des Toten. Damit hast Du uns die Arbeit sehr erleichtert!“
    Ein guter Priester schien jener Mann zu sein, das würde Marcus mal seinem Vetter Gracchus gegenüber erwähnen. Noch ehe er weitere Worte an den Priester richten konnte, hörte er jedoch den Ruf des Redivivers. Marcus sah zu ihm rüber und wölbte überrascht eine Augenbraue hoch.


    „Caius Octavius Cato? Sehr gut, Redivivus, sehr gut.“
    Der Name ließ eine Glocke in Marcus schellen, aber er hatte dann nicht wirklich eine Ahnung, woher er diesen gehört hatte...oder? Ein Mann der Verwaltung...Militär? Politik? Marcus runzelte einen Augenblick seine Stirn, gab dann jedoch auf. Er ließ den Blick über den Schauplatz schweifen und meinte an Serapio gewandt.
    Optio? Du kümmerst Dich mit der Hälfte der Männer und auch den probati hier um die Sache. Untersucht den Tatort und befragt die Zeugen, vielleicht findet sich ja hier noch etwas! Die probati kannst Du ganz normal in die Ermittlungen einbeziehen, da lernen sie bestimmt einiges dabei. Vielleicht kann Dir optio Sergius auch noch behilflich sein.“
    Marcus besah sich die Männer und wählte einige aus, die er noch von Parthia gut kannte.
    „Ihr kommt mit mir mit zu dem Anwesen der Octavier, wir bringen den Toten dorthin. Fragen?“
    Marcus sah in die Runde von Anwesenden.

  • Es war ganz deutlich zu spüren, wie die Atmosphäre leichter, reiner wurde, nachdem der Sacerdos den Ritus vollführt und die lastende Nähe des Unheils vertrieben hatte. Sogar der Geruch war jetzt anders, natürlich immer noch unangenehm, aber weniger verderblich, und ich atmete erleichtert auf.
    Ein Name wurde gefunden, der mir allerdings nichts sagte, dann gab der Centurio seine Befehle. Oha, ich sollte hier weitermachen. Meine Erfahrung mit der Aufklärung von Morden in dunklen Gassen beschränkte sich ja leider auf die Lektüre von spannenden Schundgeschichten mit tollkühnen Ermittlern - allerdings hatte ich auch eifrig das Handbuch für den Dienst bei den CU studiert, war in der Theorie gewappnet, und so fühlte mich dieser Aufgabe schon gewachsen.


    "Jawohl Centurio!" erwiderte ich zackig. Fragen hatte ich keine, liess den Männern, die er mir zugeteilt hatte, aber noch einen Moment Zeit, falls sie welche hatten. Dann fasste ich zusammen, was wir bisher herausgefunden hatten, oder glaubten herausgefunden zu haben:
    "Gut, Milites... - und Probati - wir gehen also von einem Überfall aus, durch mindestens einen Angreifer, einen Mann, der den Octavier mit zwei Messer-, oder Dolchstichen getötet hat, ihm die Börse abgenommen und sich dann eilig davongemacht hat, zu eilig um das Opfer ordentlich zu durchsuchen und dabei den Ring zu finden, zu eilig sogar um ihm noch schnell die Schuhe von den Füssen zu ziehen."


    Gute Schuhe waren ja auch was wert. - Eine fette Schmeissfliege setzte sich auf meine Hand. Scheusslich das Vieh! Ich wedelte mit der Hand, um sie zu verscheuchen, sie erhob sich träge, und summte um uns herum.
    "Wer nur zwei Stiche braucht, um das Herz zu treffen, der ist wahrscheinlich kein Anfänger", überlegte ich. Aber spekulieren konnten wir auch noch später.
    "Zuerst untersuchen wir den Platz hier ganz genau, möglicherweise hat der Mörder Spuren hinterlassen."
    Was auf jeden Fall Spuren hinterlassen hatte, waren die Caligae unserer Patrouille... nun ja. Ich bezweifelte etwas den Sinn der Sucherei, aber wer weiss, und es stand auch so im Handbuch. Zügig teilte ich jedem der Männer einen Bereich zu, einen schmalen Abschnitt der Gasse und der einmündenden Seitengasse, und befahl: "Augen auf Milites und Probati! Alles könnte wichtig sein."
    Meinen Kollegen dagegen bat ich höflich: "Princeps Prior Sergius, ich wäre Dir dankbar wenn Du Dich an der Untersuchung des Platzes beteiligen und mich bei der Ermittlung unterstützen würdest." Ohne Zweifel hatte der Kollege mit solchen Dingen mehr Erfahrung als meine Wenigkeit, und wenn ich seine Umgang mit der Leiche auch für äusserst leichtsinnig hielt, so verfügte er doch offenbar über eine sehr scharfe Beobachtungsgabe.


    Daraufhin wandte ich mich wieder unserer bedauernswerten Zeugin zu, oder was heisst Zeugin, eher Finderin, und bat freundlich aber bestimmt: "Lusca, zeig mir bitte von wo Du gekommen bist, als Du den Toten zum ersten mal gesehen hast. Lag er da schon so da wie später, als Du mit uns zusammen zurückgekommen bist? Oder hat sich etwas verändert, an seiner Position, meine ich. - Hmm, vorhin meintest Du 'wir'. Wer war denn ausser Dir noch dabei? - Und vor allem: auf dem Weg hierher, also kurz bevor Du die Leiche gefunden hast, ist euch da jemand begegnet, oder entgegengekommen? Bitte, versuch Dich ganz genau zu erinnern..."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Zwar warten schon etliche pflichten in Valetudinarium auf mich, aber ich werde mir den Tatort noch mal genauer anschauen


    antwortete Lupus auf Serapio's bitte. Dann schaute er sich den Platz wo der Centurio die Leiche inzwischen auf eine Tragbare legen hat lassen um sie zu der Gens des Toten zu bringen, genauer an, in den Blut fanden sich keine Abdrücke von Füssen oder sonstigen Schuwerk, das man hätte bei den anwesenden die Füsse kontrollieren können ob sie Blutig waren. Leider war die Göttin Fortuna nicht gerade auf der seite der CU, wie es im moment schien. Er schaute ob er sonst etwas ungewohnliches entdecken würde.

  • Der Körper des Octavius Cato wurde auf eine Bahre gehoben und unter dem Befehl des Centurio abtransportiert.
    Dann waren die Probati und Milites unter dem Befehl des Princeps Prior Decimus allein.


    Tychicus begann ebenfalls mit der Suche nach Spuren.
    Es war eine leidige Arbeit, bei der man sich nur unglaublich dreckig machte, aber er wusste, wie wichtig es war, nach möglichen Spuren zu suchen.
    Sogar auf den Knien robbte der junge Mann durch den Schlamm und suchte mit den Augen jeden Winkel ab.
    Er erreichte den Straßenrand und die unter einem Eisengitter verborgene Öffnung eines Wasserabflusses, der vermutlich in die Kanalisation führte.
    Da sah er etwas.
    Es war aber leider kein Gegenstand, der etwas mit dem Mord zu tun haben schien. Es war, nur durch die günstige Sonneneinstrahlung zu erkennen, etwas, dass in die groben Steine geritzt oder gemeißelt war, die die Wände des Abflusses hielten.
    Ein Fisch. Nicht sonderlich kunstvoll gehalten, mehr eine Umrisszeichnung, aber gut zu erkennen.


    "Ein Fisch?", murmelte Tychicus ratlos. Vor allem - in einem Wasserabfluss? Die Mörder des Octaviers hatten sich doch sicherlich nicht noch die Zeit gelassen, das schwere Metallgitter anzuheben und einen Fisch in die Kanalwand zu meißeln?


    Tychicus verwarf die Entdeckung schnell wieder, denn sie hatte ganz offensichtloch nichts mit dem Mord zu tun, aber irgendetwas in seinem Unterbewusstsein veranlasste ihn, sich den Vorfall zu merken...

  • Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    „Ich danke Dir, Aurelius, für die Läuterung des Toten. Damit hast Du uns die Arbeit sehr erleichtert!“
    Ein guter Priester schien jener Mann zu sein, das würde Marcus mal seinem Vetter Gracchus gegenüber erwähnen. Noch ehe er weitere Worte an den Priester richten konnte, hörte er jedoch den Ruf des Redivivers. Marcus sah zu ihm rüber und wölbte überrascht eine Augenbraue hoch.


    Orestes hatte das Ritual beendet und nickte auf die Erwiderungen der Urbaner. Doch weil er weder die Ermittlungen stören wollte, noch es für angebracht hielt ein Schwätzchen zu halten, verabschiedete er sich. "Mögen die Götter Euren Ermittlungen gewogen sein. Vale!" Und ging wieder seiner Wege.

  • Da wohl alle Fragen geklärt waren und die Männer bereits ihre Arbeit aufnahmen, sprach auch nichts für Marcus dagegen, sich nun auf den Weg zu machen. Er nickte den Männern zu, die ihn begleiten sollten, der Tote wurde in Leinen gehüllt – nachdem er jetzt auch rituell gereinigt worden war – und der Körper von den Männern in die Höhe gehoben. Marcus drehte sich um und verließ den Schauplatz des Mordes, um sich mit den Männern in die Straßen zu schlagen – Richtung casa Octavia.

    ~~~~~


    Die Schaulustigen waren kaum von dem Ort fern zu halten, ein Toter war zwar nichts ungewöhnliches in der Gegend, aber wenn die cohortes urbanae sich darum herum trieben, dann war für die Bewohner der Viertels doch einiges zu sehen. Fenster wurden aufgerißen und Köpfe aus den Häuserlöchern gesteckt, viele Augen starrten auf die herunter, die den Ort absuchten. Der jungen Frau – Lusca – war das Ganze ganz offensichtlich nicht geheuer, sie sah sich unbehaglich um und wäre am liebsten ganz schnell verschwunden, doch der junge optio wollte sie offensichtlich noch nicht gehen laßen.
    „Anders gelegen?“
    Lusca sah zu dem Toten, der gerade hoch gehoben wurde und zuckte mit der Schulter.
    „Das weiß ich nicht.“
    Auf solche Details hatte sie nicht geachtet.
    „Kann sein, womöglich auch nicht.“


    Und dann tat Lusca auch das, wozu sie von Serapio aufgefordert wurde: sie dachte nach, grübelnd und schweigend, die Frage zu dem Wir ließ sie erst mal unbeantwortet im Raum stehen, vielleicht fiel das dem Soldaten ja auch gar nicht auf. Sie versuchte sich vor Augen zu rufen, wie sie und ihre Freundin vom Waschbrunnen zurück kamen und gerade schwatzten. Natürlich waren da auch Menschen gewesen, aber es war ruhiger geworden, sobald sie in die Seitengaße gebogen waren. Und doch...da war sie doch angerempelt worden.
    „Da waren zwei Männer gewesen, ich habe sie aber nur kurz gesehen, weil sie gegen mich gestoßen sind...“
    Lusca hatte ihnen nur noch einige Schimpfworte zugerufen als diese sich verdrückten, aber sonderlich geachtet hatte sie auf die Männer nicht. Sie konnte noch nicht mal Gesichter vor ihrem inneren Auge sehen.
    „Keine Ahnung, wie die aussahen.“
    , nahm Lusca schon vorweg, sie kannte ja die Art der Culer.
    „Aber ich...“
    , krakeelte eine alte Frau von dem Fenster direkt über ihnen.
    „Ich habe alles gesehen, alles, jawohl!“
    „So ein Unsinn, Pulicia, Du lügst wie gedruckt, um Dich wichtig zu machen!“
    , rief ein dicker Mann von der anderen Straßenseite.
    „Glaubt ihr kein Wort, Kameraden, das ist eine alte Spinnerin. Behauptet, aus einem alten Konsulsgeschlecht zu kommen. Das ich nicht lache, pah!“
    „Gar nicht wahr, Du Hammel!“
    , geiferte die Alte zurück.
    „Ich habe sie genau gesehen. Zwei Männer waren es, haben den Mann nieder gestochen. Erst von hinten, dann von vorne. Haben ihn aber nicht ausgeraubt...aber dann sind sie noch auf dem Boden herum gekrochen, ganz als ob sie etwas suchen würden. Aber die schöne toga haben sie trotzdem nicht mitgenommen.“


    Neben dem Fisch in der Mauer, den Tychicus entdeckt hatte, lag jedoch noch etwas anderes, was womöglich mehr mit dem Mord zu tun hatte. Ein kleiner, lederner Beutel, das Lederband schien abgerissen zu sein, das den Beutel sonst an einem Gürtel befestigen konnte. Nur wenn man so wie Tychicus gesucht hatte, wäre einem der Beutel aufgefallen, von der Straße aus, war er nicht zu sehen.

  • Tychicus Blick wanderte weiter.
    Nachdem Fortuna ihm bereits das Zeichen dieses Fisches gegeben hatte (das aber offensichtlich unwichtig war), erwartete der junge Mann nicht, noch weitere besondere Entdeckungen zu machen, aber das Glück meinte es offensichtlich gut mit ihm.
    Um den Wasserabfluss herum hatte sich durch den Regen, der wohl auch hier irgendwann einmal gefallen war, ein Haufen aus angespültem Dreck und Unrat gebildet, der zu grob war, um durch das Gitter in den Kanal zu gelangen und deshalb hier oben, im Rinnstein, liegengeblieben war.
    In all dem braunen, ekligen Zeug hätte Tychicus den kleinen, braunen Lederbeutel beinahe nicht gesehen, aber, wie gesagt, Fortuna meinte es an diesem Tag wirklich gut mit dem Rediviver.
    Tychicus erstarrte in seiner halb knieenden, halb kriechenden - und nebenbei bemerkt auf Dauer äußerst unbequemen - Position und streckte dann die Hand nach dem ledernen Gegenstand aus.


    Er wog ihn kurz in der Hand und schüttelte ihn. Es klirrte ein wenig.
    Daraus, dass der Beutel zusätzlich auch ein gewisses Gewicht hatte, schloss Tychicus, dass sich mindestens ein paar Münzen darin befinden mussten.
    Trotzdem - man konnte nicht vorsichtig genug sein, also zügelte er sein Neugier, ließ das Band, das den Beutel verschloss, in Ruhe, und erhob sich, um dem Decimer seine Entdeckung zu zeigen.


    "Princeps Prior Decimus!", wandter er sich schließlich an seinen Vorgesetzten,
    "Ich habe einen Beutel gefunden. Er scheint nocht nicht lange dort auf der Straße gelegen zu haben, vielleicht ist es der Geldbeutel des Octaviers."

  • Die Augen offen zu halten, war kein sonderlich schwieriger Befehl. Unter Berücksichtigung dessen allerdings, dass Menas nicht geübt ihm aufspüren von Spuren war, war es kaum verwunderlich, dass er nichts fand, das von bedeutung war. Am Rand einer Pfütze waren zwar Fußspuren zu sehen, aber die halfen nicht weiter. Aus den Augenwinkeln verfolgte er verstohlen die Fortschritte des anderen, des Redivivers, der zur Hälfte in einem Abfluss verschwunden war, und ärgerte sich, als dieser kund tat, einen Beutel gefunden zu haben. Derweil schien an anderer Stelle ein Streit zu entbrennen, und der princeps prior stand mittendrin. Das musste wohl die Frau sein, die den Toten gefunden hatte. Menas hörte auf, nach etwas zu suchen, das er ohnehin nicht fand, und konzentrierte sich mehr auf das Gespräch. Was die andere sagte, die sich eben einmischte, schien ins Bild zu passen. Das klang für Menas dann mehr nach einem politischen Mord und nicht nach einem, der auf Habgier abzielte. Aber dann hätte man ohnehin weder Ring noch Beutel noch andere Dinge von Wert hier oder am Toten selbst gefunden.

  • Puh. Um mich herum sprachen lauter Leute auf einmal und durcheinander, und plötzlich war ich auch noch zwischen die Fronten eines Nachbarschafts-Streits geraten, und mir flogen die Scheltworte um die Ohren. Nein, so konnte ich nicht arbeiten!
    "Ruhe!", befahl ich energisch, wandte dann den Kopf nach oben zu dem Fenster mit der alten Frau. Das was sie erzählte, stimmte ja soweit mit dem überein was wir uns zusammengereimt hatten. Aber nicht ausgeraubt? Die Börse fehlte doch... Vielleicht hatte sie uns sprechen gehört und wollte sich wirklich nur wichtig machen?
    "Gute Frau", sprach ich in höflichem Tonfall zu ihr nach oben, "Pulicia. Du hast offenbar eine wichtige Beobachtung gemacht. Wir kommen gleich hinauf, und sind dankbar wenn Du uns dann genau berichtest was Du gesehen hast. Aber einen Moment noch."
    Und ich wandte mich wieder der jungen Frau, Lusca zu.
    "Hm, zwei Männer also - eher gross, oder eher klein? Dunkel oder hellhaarig? Weisst Du ungefähr was sie anhatten?"
    Aber meine Fragen überforderten die Zeugin wider Willen, und förderten nichts mehr zu tage. Ich hatte die arme Frau jetzt auch genug ausgequetscht, und winkte einen Miles herbei.
    "Danke Lusca, Du hast uns sehr geholfen. Das hier ist Miles Pontius, er wird Dich nach Hause begleiten."
    Ich wollte nämlich wissen wo sie wohnte, falls doch noch Fragen auftauchten, und so verstört wie sie war hätte ich es ihr durchaus zugetraut uns da zu beschwindeln. Beinahe entschuldigend kündigte ich an: "Es kann sein, dass wir nochmal mit Fragen auf Dich zukommen. Tja, ist nun mal notwendig, schliesslich wollen wir ja die Mörder erwischen. Danke nochmal."


    Pontius befahl ich die Zeugin nach Hause zu bringen und die Personalien aufzunehmen. Kaum war er mit ihr zusammen losgezogen, wurde Redivivus bei der Spurensuche fündig.
    "Oh, interessant. Dort lag er? Mhm. Zeig mal her."
    Kurzerhand nahm ich dem tüchtigen Probatus den speckigen Beutel aus der Hand. Mein erster Gedanke war gewesen, dass die Mörder das Geld aus dem Beutel des Octaviers genommen hatten, und ihn dann weggeworfen hatten, um nicht verräterisches bei sich zu behalten - aber das verwarf ich wieder, denn der Beutel hatte etwas Gewicht, und es klimperte leise in ihm. Komisch. Ich zog die Lederschnur auseinander und öffnete den Beutel, hielt ihn auf meiner Handfläche, so dass auch die Milites um mich herum reinsehen konnten. Darin waren nur ein paar lumpige Asse, drei abgegriffene Sesterzen, und ein zerknitterter Zettel.
    "Hmm", machte ich wieder, "mir scheint, das könnte eher einem der Angreifer gehören. - Falls ihn nicht zufällig jemand verloren hat, natürlich. Vielleicht hat der Octavier sich gewehrt, und dabei ist dem Mörder der Beutel abgerissen. Die alte Frau sagte, die zwei Männer hätten etwas auf der Strasse gesucht, vielleicht war es dieser Beutel."
    Spekulationen natürlich, aber ich mochte diese Theorie, und entfaltete neugierig den kleinen Zettel, oder eigentlich mehr ein Fetzen. Darauf stand, in schludriger Handschrift:


    II.Kampf
    Cerberus vs. Ultor
    Quote III zu V
    VIII Sesterzen u. II Asse auf Ultor
    gez. DD


    Ein Wettschein! Meine Augen begannen zu funkeln. Das war doch mal eine Spur, vielleicht eine falsche, aber auf jeden Fall etwas Handfestes. Ich reichte Redivivus Beutel und Zettel zurück.
    "Nimm das wieder, Probatus. Wir nehmen hier noch die Aussagen auf, dann machen wir einen Abstecher in die Subura rein, ich weiss da jemand der sich mit Wetten auskennt."


    Sonst hatte die Spurensuche nichts ergeben. Naja, bis auf einen Apfelbutzen, eine tote Ratte und eine kaputte Sandalen-Sohle. Natürlich könnte alles wichtig sein, aber ob das wichtig war? (Vorsichtshalber nahmen wir den Apfelbutzen mal mit.)
    Als nächstes machten wir uns daran die Bewohner der Strasse zu befragen, dazu teilte ich die Soldaten wieder ein, je zwei für einen Abschnitt der Strasse. Die beiden Probati nahm ich mit zu der interessanten Zeugin, sie sollten ja was lernen.
    "Artorius, Redivivus, kommt, wir befragen die alte Frau."
    Eine dunkle Stiege ging es hinauf, in dem krummen Haus, und durch einen Gang, so schmal dass ich, der ich ja nun kein Hüne bin, rechts und links mit den Schultern die Wand streifte. Es roch nach Erbsensuppe. Ich klopfte an der Türe, die wohl zu der Wohnung führte wo die Frau gerade aus dem Fenster gesehen hatte.
    "Pulicia? Hier ist Princeps Prior Decimus. Bitte mach auf, wir möchten nochmal hören was Du gesehen hast."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Es war das energische Ruhe, das dem Schimpfwortball mit Wörtern wie bardus, blatera, amens, fungus einhalt gebot, der die Fronten der Nachbarschaft in lautem Zetern hin und her wechselte. Die alte Frau verstummte, ebenso auch der andere Mann, auch die Schaulustigen schwiegen für den Moment, die vorher murmelnd und schwatzend um die Soldaten standen, es wurden auch immer mehr, schließlich hatte sich hier ein Spektakel abgezeichnet und so etwas lockte Römer an wie der Misthaufen die Schmeißfliegen. Neugierig spähte die Alte von oben als der Beutel geöffnet wurde. Sie versuchte das Geschriebene zu entziffern, aber ihre Augen waren zu schlecht. Auch andere Hälse wurden ganz lang, aber auch sie konnte nichts erkennen.
    „Ja, ja, kommt nur rauf, junger Soldat. Ich helfe den Urbanern immer sehr gerne.“
    „Weil Du Dich nur wichtig machen willst, garrula!“
    „Mußt Du grad sagen, asellus!“
    Derart tönte es bereits als sich Serapio wieder an die jüngere Zeugin wandte, die sich verlegen um geschaut hatte und einmal dem Artorier schüchtern zu gelächelt hat, das erste Lächeln, was sich auf dem Gesicht der jungen Frau zeigte.
    „Was?“
    , meinte sie deswegen verwirrt. Sie blinzelte und zuckte ratlos mit der Schulter, erleichtert darüber, noch mal befragt zu werden, war sie nicht und insgeheim bereute sie es bitter, einmal eine gute Tat begangen zu haben, in dem sie den Mord den Soldaten gemeldet hatte. Sie folgte stumm dem Soldaten, blinzelte noch mal zu Menas und verschwand dann jedoch zwischen den Schaulustigen.


    ....


    Knarrend öffnete sich die Tür zu der Wohnung und die Alte spähte zwischen dem Türspalt hervor, ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus, das einige Zahlücken vorne offenbarte, aber Pulicia hatte noch genug Zähne für das eingekochte Gemüse und den Getreidebrei, den sie sich zu machen pflegte. Sie winkte freundlich den Soldaten zu, doch in ihre bescheidene, kleine Wohung zu treten. Es war eigentlich nur ein Raum mitsamt einer Nische, in der sie schlief. Keine Küche hatte die Alte, das Risiko, daß die insula abbrannte, war dafür zu groß. Obwohl der Raum doch recht klein war, so war er über und über mit Sachen voll gestopft. Alten Tontöpfen, in denen Lumpen und Fetzen heraus quollen, Tand aus bunten Tonperlen, hölzerne Tierfiguren, die auf schäbigen Regalbrättern standen, es waren einige Katzenfiguren darunter. Ein Katzenbaum aus Holz und Leder - erst kürzlich erstanden von so einem seltsamen Kauz in einem Kärmerladen-, auf dem sich auch eine bunt gescheckte Katze grade ausgiebig kratzte. Hölzerne Kisten standen überall, aus dem verschiedenstes – wenn man es nett bezeichnen würde – Antiquarzeug herum lag. Ein Stuhl war am Fenster, auf dem wohl die Alte geseßen hat.
    „Hier...hier sitze ich, den ganzen Tag lang, wenn ich nicht Sachen verkaufen gehe. Da sehe ich alles, ALLES! Aber kommt herein, kommt herein, junge milites. Ach, wie schön, wenn Rom von so schneidigen Männern beschützt wird.“
    Sie lächelte von Serapio zu Menas und Tychicus.
    „Möchtet ihr etwas trinken...Milch vielleicht?“
    Schon suchte Pulicia nach Tonbechern in all dem Grümpel.



  • Tychicus fühlte sich nicht wohl in diesem Zimmer.
    Es roch nach verschiedenstem Zeug, von Gemüse über feuchtem Ton bis hin zu Dingen, über die der Probatus lieber nicht zu eingehend nachdenken wollte...
    Die Kammer war mit Tychicus, Menas und dem Decimer schon fast überfüllt. Der Rediviver zwang sich ein Lächeln aufs Gesicht und versuchte, sich nicht zu genau unzusehen - wer weiß, was er entdecken würde...
    Das Lächeln wich jedoch schlagartig von seinem Gesicht, als die alte Frau ihnen etwas zu Trinken anbot.
    "Ääh...", Tychicus winkte ab und schüttelte vielleicht etwas zu energisch den Kopf, "...Nein, vielen Dank, ich habe keinen Durst."
    Wer wusste schon, wie alt diese Milch war... Außerdem sah er hier nirgendwo etwas, womit man etwas wie Milch hätte kalt halten können. Und lauwarme Milch war schon immer etwas gewesen, womit man Tychicus durch das halbe Imperium hätte jagen können.


    Der junge Mann hoffte nur, dass die Befragung hier nicht zu lange dauern würde, denn er sehnte sich jetzt schon wieder hinaus auf die Straße.

  • "Nnnein, vielen Dank, sehr freundlich, aber das ist wirklich nicht nötig", fiel ich in die ablehnenden Worte Redivivus' ein. Brr, Milch, wir waren doch keine Barbaren. Oder Katzen.
    Vorsichtig ging ich etwas tiefer in das Zimmer hinein, bewegte mich langsam, denn es war so vollgestopft mit Trödelkram, dass ich Angst hatte, irgendwas umzuwerfen und zu zerbrechen. Dann bemerkte ich, dass die Katze - die sehr so aussah als ob sie Flöhe hätte - auf einem richtigen kleinen Baum hockte. Ein künstlicher Baum in der Wohnung! Schon verrückt sowas, irgendwie musste ich gleich an Optio Appius 'Schreckschraube' denken, mit seiner schönen Drusilla und ihrem Katzenkörbchen mit den vielen Kissen drin. Manche Leute sind schon wunderlich mit ihren Viechern.
    Ich erreichte das Fenster und blickte hinaus, um zu sehen wie gut man von dort die Gasse im Blick hatte. Wirklich, man sah direkt auf die Blutlache. Ich nahm den Helm ab, fuhr mir durch die verschwitzten Haare, und wandte mich wieder der Alten zu.
    "Nun, Pulicia", begann ich, und lächelte sie dabei honigsüss an - so wie alte Damen das mögen - "jetzt sind wir ganz Ohr. Bitte berichte uns doch einmal ausführlich und von Anfang an, was Du alles gesehen hast."
    Dem Rediviver reichte ich eine Wachstafel rüber, an der an einer Schnur der Stylus baumelte - seit meiner Tesserarius-Zeit hatte ich immer eine dabei, es war sehr praktisch. "Probatus, Du machst Notizen."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Etwas enttäuscht blickte die Frau von der Kanne, die sie bereits in den Händen hielt, zu den jungen Soldaten, doch mit einem Schulterzucken stellte sie das Tongefäß mit der verdächtig dicklichen Milch zurück in das Regal, direkt neben zwei grobe Bürsten auf Schweinsborsten gemacht, mit denen sie das Fell ihrer Katzen pflegte. Und natürlich wirkte der Lächeln auch auf diese ältere Frau, die es mit ihren Zahnlücken zeigend erwiderte.
    „Ach, es ist doch eine Freude, so eifrige junge Soldaten zu treffen, da fühle ich mich schon gleich viel sicherer.“
    Obwohl noch ein Toter unter ihrem Fenster lag, aber diese Tatsache ignorierte Pulicia gekonnt. Sie hatte das Talent vieler Römer, die nur das wahr nahmen, was sie auch wollten und den Rest einfach ausblendeten.
    „Aber sicher...sicher...ganz von Anfang an, ich verstehe...nehmt, doch bitte Platz, bitte!“
    Einladend deutete sie auf einen Hocker, der mit einer groben Decke bedeckt war, die ganz nach einer Flohdecke aussah. Auf eine geschlossene Kiste, auf der ein alter Napf stand, und auf einen Korbstuhl, der mal bessere Tage gesehen hat und mehr Löcher als Sitzfläche aufwies. Als sich Pulicia der ganzen Aufmerksamkeit sicher war, setzte sie zum sprechen an.
    „Also, ich war gerade dabei eine Decke auszuschütteln als ich die Schritte in der Gasse vernahm. Ich bin ja nicht neugierig...“
    Gelogen.
    „...darum habe ich nicht sofort hin geschaut. Aber zufällig sah ich dann doch hin. Es war der Mann, der da jetzt tot liegt. Er ging ganz in sich gekehrt die Straße lang, als ob ihn ein schweres Kümmernis plagte. Dann hörte ich noch mehr Schritte. Zwei üble Gesellen, man sah sofort, dass es Mordgesindel war...“
    Gelogen, Pulicia hatte sich gar nichts dabei gedacht.
    „...und sie folgten dem Mann. Sie riefen ihm üble Beschimpfungen hinter her. Du, wir bringen Dich um. Bleib stehen, Geld oder Leben. Ja, das riefen sie ihm hinter her.“
    Auch gelogen.
    „Er drehte sich darauf hin um...“
    Stimmte auch nicht, aber Pulicias Wangen röteten sich als sie die Geschichte vor ihren Augen neu ersponn.
    „...und sprach: Niemals, eher stürze ich mich in mein Schwert.“
    Ihre Hände wedelten theatralisch in der Luft.
    Das sollst Du haben?, erwiderten sie. Sie drangen auf ihn ein und stachen und stachen immer wieder zu. Bis das Blut des Pflasters sich von seinem Blut tränkte und er mit einem letzten Seufzen auf den Boden sank. Die Männer ergriffen die Flucht...naja, sie suchten erst noch was auf dem Boden, aber dann flohen sie. So war es.“
    Pulicia nickte eifrig.



  • Tychicus, der sich auf der Kiste niedergelassen hatte, notierte sofort die Angaben der Frau, wie der Decimer es ihm gesagt hatte.
    Schnell huschte seine Hand mit dem Stylus über die Tafel, wärend der Redivivier, die abenteuerliche Geschichte Pulicias festhielt.
    Seine Augenbauen schossen, ohne dass er es unterdrücken konnte, mehrmals leicht erstaunt in die Höhe, vor allem an der Stelle, an der die Frau behauptete, die Mörder hätten "immer wieder zugestochen". Schließlich hatte ihre Untersuchung der Leiche kurz zuvor ergeben, dass sich nur zwei Stichwunden am Körper des Octaviers befanden...
    Trotzdem schrieb Tychicus alles so auf, wie Pulicia es berichtete, obwohl er Gewisse zweifel an der Wahrheit ihrer Worte hegte. Alles konnte später noch wichtig sein, und es war schließlich anzunehmen, dass die Ausführungen der Frau zumindest einen wahren Kern hatten.

  • Ganz vorsichtig setzte ich mich auf den löchrigen Korbstuhl. Er sah zwar aus, als könnte er sich jeden Moment in seine Bestandteile auflösen, aber ich wollte ja nicht unhöflich sein, und schon gar nicht wollte ich auf der ranzigen Decke Platz nehmen, und mir daran meine blitzsaubere Uniform beschmutzen.
    Die Alte hatte ein Talent, gut zu erzählen. Allerdings schien es mir, als sähe sie das ganze mehr unter dem 'narrativen' Aspekt, weniger unter dem 'ermittlerischen'... Geld oder Leben! - Eher stürze ich mich in mein Schwert!
    Ja nun. Ich rieb mir etwas ratlos das Kinn. Eine wilde Geschichte, eine bühnenreife Szene - aber ganz abtun konnte man es auch nicht. Die Frage war nur, wie sollte man auseinanderhalten was stimmte und was nicht?


    "Ähm. Pulicia, es ist hierbei wichtig dass wir uns ganz auf die Fakten konzentrieren. Also nur auf das, was ganz sicher, ohne Zweifel und, ähm, möglicherweise Ausschmückungen, dort unten vorgefallen ist", mahnte ich, höflich da ich ja die Zeugin nicht vergraulen wollte, aber doch bestimmt. "In wieweit konntest Du die beiden Angreifer denn sehen? Waren sie vermummt oder nicht? Wie gekleidet?"
    Nach und nach stellte ich ihr dann langsam diesen ganzen Haufen Fragen. "Eher gross oder klein - im Vergleich zu mir zum Beispiel? Dunkel oder hellhaarig? Hatten sie irgendwelche auffälligen Merkmale? Und... Du sagst sie haben gesprochen, wars eher eine tiefe oder helle oder, naja, eben unauffällige Stimme, oder war da ein besonderer Akzent? Oder ist Dir sonst etwas aufgefallen?"
    Und so weiter, es war das Schema aus dem Handbuch an dem ich mich entlanghangelte, soweit ich das gerade im Kopf hatte. Gut dass der Probatus mitschrieb, so konnte ich mich ganz aufs Befragen und Zuhören konzentrieren.
    "Und von wo sind sie gekommen und in welche Richtung sind sie verschwunden?", wollte ich zuletzt noch wissen

  • Verwirrt runzelte die alte Frau die Stirn, auf die Fakten konzentrieren? Was meinte der junge Soldat damit? Sie hatte doch alles so berichtet, wie sie es in ihrer Erinnerung hatte und da sie nun mal eine blühende Phantasie besaß, unterschied sie zwischen denen und dem Ersponnenen schon nicht mehr, doch sie nickte brav, sie wollte ja gerne noch ein wenig sich in der Aufmerksamkeit der Soldaten sonnen, so schien sie zumindest an diesem Tag wichtig zu sein, sonst interessierte sich ja niemand mehr für sie, selbst ihre zwei Söhne nicht, die schon seit Monaten nicht mehr aufgetaucht waren, diese Taugenichtse.
    „Aussch...was? Nein, ich halte mich nur an die reine Wahrheit, so schwöre ich bei Iuppiter.“
    Ohne Arg und Zaudern sprach die Frau den Schwur, sie war sich auch schon gar nicht mehr bewußt, wieviel sie dazu gedichtet hatte.
    „Wie sie aussahen, aber natürlich, das weiß ich noch ganz genau. Also, der eine hatte braune Haare...oder Moment, waren sie eher blond, ja, blond, doch. Und er war sooo groß!“
    Sie deutete auf einige Zoll über ihren Kopf und ließ die Hand gleich bis zu ihrem Kinn runter wandern.
    „Nein, ich glaube doch eher so groß. Der Andere war mächtig dick oder er trug einen Umhang, ja, doch einen Umhang.“
    Ähnlich waren auch die anderen Angaben, die außer Zweifel ließen, Pulicia hatte nicht mehr den blaßesten Schimmer, wie die Kerle eigentlich ausgesehen haben.
    „Aber sie sind wieder die Gasse zurück gelaufen, da hoch.“
    Sie deutete in die Richtung, die mehr zur Curiagegend führte. Fieberhaft überlegte die alte Frau, ob sie noch etwas anbringen konnte, womit sie die Soldaten da behalten konnte, um noch etwas mit ihnen zu plauschen und weiterhin Gesellschaft zu haben, doch Pulicia fiel nichts mehr ein, so verstummte sie schließlich und lächelte verlegen.
    „Ich hoffe, ich habe euch doch etwas helfen können und hoffentlich findet ihr das Mordgesindel, denn das geht ja nicht so weiter...hier im Viertel, man ist sich seines Lebens nicht mehr sicher, ja, ja...“





  • Die Befragung nahm ihren Lauf, aber als ergiebig konnte man das nicht bezeichnen. Ich wurde immer ratloser, und verstand überhaupt nicht. War die alte Frau nicht mehr ganz richtig im Kopf? Machte sie sich einen Spass mit uns? Wie konnte man sich nur so unsicher sein, bei zwei Personen die man gerade vor kurzen gesehen hatte?
    Später, als ich mit der Zeit erfahrener in der CU-Arbeit wurde, sollte mir aber klar werden, dass das eher die Regel als die Ausnahme war. Es ist verrückt, wie unterschiedlich die Leute ein und die selbe Person, oder Situation gesehen zu haben meinen und beschreiben. Besonders wenn sie in dem Moment um den es ging aufgeregt waren, oder Angst hatten. Nicht unbedingt aus böser Absicht, eher so als gäbe es für jeden eine ganz eigene "Wahrheit"... Was natürlich Quatsch ist, es gibt nur die Fakten, einen wahren Sachverhalt, den es aus den verfälschten Erinnerungen heraus zu extrahieren gilt.


    "Ja." Ich sah in die Richtung, in die sie zuletzt gedeutet hatte, eine einzige klare Aussage zuletzt. Dann erhob ich mich, und verbarg meine Verwirrung wieder hinter einem verbindlichen Lächeln, denn ich hatte schon den Eindruck dass sie versucht hatte uns zu helfen.
    "Danke für Deine Zeit und Deine Hilfe.", verabschiedete ich uns, drückte ihr die Hand und versprach schneidig: "Wir tun unser Bestes!" Das klang wesentlich zuversichtlicher als ich mich fühlte.
    "Vale Pulicia! - Probati, Abmarsch."
    Wir verliessen den engen Raum, die dunkle Stiege, und kehrten in die Gasse zurück. Eine Zeitlang gingen wir dann alle noch herum und befragten die Leute die da wohnten, oder herumlungerten, aber von denen wollte keiner was gesehen haben. Schliesslich rief ich die Patrouille wieder zusammen. Mit ein paar Eimern Wasser beseitigten wir noch die Blutlache, dann führte ich die Männer zu Castra zurück. Dort würden wir die spärlichen Erkenntnisse zusammentragen, und unser weiteres Vorgehen planen.

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