Mons aventinus | Eine Hochzeit oder: Auf in den Hafen der Ehe

  • Als Aristides sprach, wandte ich erstaunt den Kopf und drehte ihm mein Ohr zu. Entgegen meines Glaubens, ihm bisher noch nicht begegnet zu sein, kannte ich diese Stimme und damit auch den dazugehörigen Mann. Es ist natürlich ein Irrglaube, dass Blinde sich jede einmal gehörte Stimme merken und sie später immer wieder erkennen würden. Allerdings hatte ich in Rom noch nicht viele neue Stimmen und die dazugehörigen Menschen kennen gelernt, und wenige Zusammentreffen waren so einprägsam gewesen wie das mit ihm.


    "Kennen wir uns nicht bereits? Aus dem Marcellustheater. Das Theaterstück zu den Megalesia, Kresh, erinnerst du dich? Das warst doch du?" Ich musste lachen. Der mürrische Kommentator heiratete also heute meine Nichte oder Cousine irgendeines Grades - ich war mir nicht sicher, ob der Vetter des Vaters wirklich der Großonkel war,allerdings hatte ich für diese Familienbezeichnungen noch nie genügend Geduld aufgebracht, um darüber nachzudenken.
    "Ach, hätte ich das gewusst, die ganze Sache wäre mir nicht halb so unangenehm gewesen. Ein Mann, der eine Claudia heiratet, der muss viel mehr als ein paar Füße in seinem Rücken aushalten."


    Am Abend nach den Spielen hatte ich mich noch eine ganze Weile über diesen pampigen Kerl geärgert, aber mittlerweile hatte ich es längst vergessen. Nach dieser unerwarteten Wendung war es eher amüsant. Trotzdem konnte ich mir nicht ganz vorstellen, dass dieser Mann ein Flavier war. Aus den damaligen Kommentaren zum Theaterstück hätte ich eher auf einen Neureichen getippt. Aber irgendwie passte es zu dieser Centurionen-Sache. Flavius Aristides schien ein ziemlich interessantes Exemplar der Sorte Flavius zu sein.

  • Jetzt aus der Nähe betrachtet, sah die Braut wirklich noch umwerfender aus! Der Schleider, die grandiose Frisur! Einfach göttlich. In ein paar Tagen, wenn die Feierlichkeiten beendet und wieder Ruhe eingekehrt war, wollte ich mir für die Claudia etwas mehr Zeit nehmen und sie besuchen. "In der Tat, das müssen wir! Aber ich bin sicher, in den nächsten Tagen wird sich eine Gelegenheit finden. Doch nichts desto trotz möchte ich dir meine herzlichsten Glückwünsche überbringen. Möge dir und Aristides viel Glück beschert sein." Sie war eine sehr angenehme Zeitgenossin und liebend gerne hätte ich mich länger mit ihr unterhalten. Doch ich war nicht die Einzige an diesem Tag, die der Braut ihre Glückwünsche entrichten wollte. Dafür hatte ich vollstes Verständnis! So trat ich etwas zur Seite und ließ mir von einem der Sklaven ein Getränk reichen.


    Unversehens stand Antonia in Begleitung eines jungen Mannes vor mir. Sie stellte uns gegenseitig vor. Auf diese Weise erfuhr ich, daß es sich bei ihm um einen ihrer Verwandten handelte. "Claudius Tucca! Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite." Ich musste gestehen, er war mein erster männlicher Claudier, den ich seit meiner Ankunft kennen gelernt hatte. Wenn ich mich recht entsann, war Antonia bis zu diesem Moment auch die einzige Claudia, die mir begegnet war. Interessant, befand ich. Gab es nur so wenige Claudier, oder waren sie derzeit alle absent, da sie aus irgendeinem Grund, Rom den Rücken gekehrt hatten? Ein Phänomen, dem man noch auf den Grund gehen sollte, allerdings nicht heute! Nun, dann begnügte ich mich mit den Claudiern, die anwesend waren. "Mein lieber Tucca, in welcher Beziehung stehst du zum einen zur Braut und zum anderen zu unserer lieben Antonia hier?"

  • Einem Donnerschlage mit Wolkenbruch gleich kam die Umarmung Epicharis' über Gracchus, welcher dem eben so schutzlos war ausgeliefert wie einem plötzlich über ihm auftauchenden Wetterphänomen. Als wäre sein Körper zwischen zwei Brettern festgeklemmt, stand er steif und unbeweglich, ließ die Freude der Braut über seinen Nachwuchs um sich herum aufbrausen und konnte dem nicht mehr entgegen setzen denn das freudige Lächeln, welches ohnehin von ihm hatte Besitz ergriffen, gleichsam es in der Irritation der plötzlichen Aktion an Intensität verlor und sukzessive einem leichten Ausdruck von Konfusion wich. Es kostete ihn einiges an Mühe und Konzentration, seinen Geist und Körper hernach zu einer Einheit zu sortieren, die Claudia zu Aristides zu geleiten, noch immer in Gedanken um den emotionalen Ausbruch Epicharis' kreisend. Da er eben jene bei ihrem künftigen Gemahl alsbald in guten Händen sah, murmelte er undeutlich einige Worte bezüglich des Opfers, die nicht nur zerstückelt, sondern gleichsam mehr oder minder verschluckt und darob in ihrem Wortlaut von marginaler Relevanz nur waren, und verließ die Brautleute, noch ehe Celerina und seine Gemahlin samt des ihm fremden Claudius zu diesen stießen. Die Zeremonie würde vermutlich nicht allzu lange noch auf sich warten lassen, so dass die letzten, gleichsam eminent wichtigen Vorbereitungen nicht mehr durften aufgeschoben werden, um den Garant des Erfolges zu mehren.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Nachdem Aristides die Gruppe der Soldaten ob des Eintreffens der Braut verlassen hatte wandte Licinus seinen Blick auf das Brautpaar und war mit einem Blick überzeugt, dass bei dieser Hochzeit die Politik, wenn überhaupt eine nur marginale Rolle gespielt hatte, und freute sich doppelt für seinen alten Kameraden.
    Als er den Blick wieder zu seinen Kameraden wandte bemerkte er ein Mädchen, dass gerade eifrig dabei war den jungen Valerier auszufragen.
    Und einige Schritt weiter entdeckte er ein Gesicht, dass er ewig der prima zuordnen würde, auch wenn es schon lange nicht mehr dort zu sehen war.
    Licinus schob sich vorsichtig durch die Menge, bis er Avitus erreicht hatte und räusperte sich:


    "Salve tribunus. Wie geht es dir?"

  • Zitat

    Original von Caius Valerius Tacitus
    ...


    Boah! Der Soldat hatte aber einen ordentlichen Händedruck, der Dido ganz schön staunen ließ. Dido war ja jetzt keine zimperliche Sklavin, aber so fest war ihre Hand noch nicht gedrückt worden (Beim Gruß wohlgemerkt, wenn sie zur Strafe gezerrt wurde, dann war es deutlich fester, wie sie an der Hand gehalten wurde!) Und dann meinte Didos Hand zudem noch Schwielen bei Tacitus zu entdecken, wohl vom Waffentraining und dem täglichen Kampftraining. Fazit: Dido war gehörig beeindruckt. Was wohl wenige Menschen bei der Sklavin vermochten und Tacitus war es schon innerhalb kürzester Zeit gelungen. "Genau! Dido!", bestätigte Dido mit einem breiten Lächeln. Etwas auf den Fußballen auf und ab wippend betrachtete Dido den Soldaten ganz gespannt und neugierig. Aha! Ganz passabel? Das klang doch wunderbar. Denn dann konnte er deutlich besser kämpfen als sie, Dido. "Wenn Du bei der Prima dienst, dann bist Du bestimmt ein sehr guter Soldat. Ich habe gehört, es gibt ein paar Legionen, die sollen besonders gut sein. Und die Legion in Mantua gehört auch dazu." Dido, die ja aufmerksam zu Tacitus hoch sah, registrierte, dass es ihm etwas unangenehm zu sein schien. Warum, das konnte Dido nicht ganz nachvollziehen. Aber da sie es gewohnt war, die Regungen der Römer zu beobachten (schließlich hing Wohlwollen und Zufriedenheit der Herrschaften oft davon ab), bemerkte sie es schon.


    Erneut legte sie ihren Kopf etwas zur Seite, so dass eine blonde Strähne an ihrer Schläfe kitzelte. "Natürlich darfst Du das fragen, Du darfst alles fragen, was Du willst..." Ein gewitztes Funkeln trat in Didos Augen. "Vielleicht antworte ich aber nicht auf alle Fragen. Du kannst es jedoch gerne ausprobieren." Dido kräuselte ihre Nase und dachte über die Frage nach. "Woher ich meinen Namen habe? Na, von den Flaviern natürlich. Das ist so Tradition bei uns. Ich komme aus einer alten Linie von schon vielen Generationen und wir alle sind nach den Königen und Feldherrn von Karthago benannt. Oder nach deren Töchtern. Aber für mich wurde der Name der Königin gewählt, da ich schließlich mit dem Enkel der Herrin aufwachsen sollte.", sprach Dido mit deutlich hörbarem Stolz. Sie waren eben so was wie die Patrizier unter den Sklaven, zwar immer noch Sklaven, aber eben loyale und verlässliche Sklaven. Womöglich mit dem Hang zum Wahn, aber dafür bis in den Tod treu...oder der Tod kam schneller als sie blinzeln konnte. "Hast Du eigentlich schon den Garten gesehen, Valerius Tacitus?" Dido wollte ja noch länger die Aufmerksamkeit des Soldaten behalten, damit dieser ihr noch ein paar Dinge erzählen oder gar zeigen konnte. "Ich war schon den ganzen Vormittag hier. Die Krokodile könnte ich Dir zeigen. Oder auch den schwarzen Löwen ohne Mähne! Denn hier..." Dido deutete mit ihrer Nase auf die ganze Versammlung vor sich. "...wird es gaaaanz schrecklich öde bleiben. Magst Du die Tiere sehen? Ja?"

  • Ein wenig entfernt konnte Epicharis Gracchus erspähen, wie er scheinbar den Haruspex gefunden hatte und nun mit ihm sprach. Dann wandte sie sich wieder Celerina zu und nickte erfreut. "Ich danke dir von ganzem Herzen, Celerina", erwiderte sie. Fiona und Minna schienen inzwischen Siv gefunden zu haben, wie Epicharis nun bemerkte. Und dann fiel ihr siedendheiß ein, dass sie vollkommen und ganz und gar vergessen hatte, Antonia zu gratulieren! Mit einem Mal schoss die Röte ihr ins Gesicht. "Antonia, ach!" klagte sie. "Es tut mir so leid, ich habe ganz vergessen... Ich meine... Ich gratuliere dir ganz, ganz herzlich zu deinem kleinen Manius!" Und wie schon damals auf dem Forum Romanum musste Antonia sich in einer überschwänglichen Umarmung wiederfinden. "Tucca, du musst wissen, dass Antonia einen gesunden Jungen zur Welt gebracht hat", erklärte sie ihrem Verwandten nach der Loslösung von Antonia und strahlte danach wieder Antonia an. "Gracchus hat mir schon gesagt, dass du ihn nicht dabei hast. Das ist sicher auch besser so, ich glaube, sonst würde ich meine eigene Hochzeit verpassen, weil ich den Kleinen ständig halten wollen würde", plapperte Epicharis drauflos, bis ihr erneut etwas einzufallen schien. "Achje. Ob Aelia und Lucilla noch rechtzeitig kommen?" fragte sie unbestimmt in die Runde, es schien gar, als rede sie mit sich selbst. Kurz erschien eine Falte auf der Stirn der Braut. Dann ließ sie den Blick erneut schweifen und schmiegte ihre Hand wieder in die von Aristides.


    Mehr und mehr Gäste waren anwesend. Fast schien es, als wären mehr als die Hälfte von ihnen Soldaten. Nicht einen Moment lang hätte Epicharis daran gezweifelt, dass ihr Zukünftiger die halbe Legion eingeladen hatte, doch ahnte sie, dass Gracchus seinen Verwandten letztendlich etwas zur Vernunft gebracht hatte. Ein wenig zaghaft drückte sie schließlich Aristides' Hand und neigte sich ihm leicht zu, auf die Zehenspitzen erhoben. "Mein Liebster, du hast doch sicher eine kleine Rede vorbereitet, hm? Ich glaube, die meisten sind nun da. Das wäre sicher ein guter Moment. Ehe das Opfer beginnt." raunte sie ihm zu. Ganz sicher hatte er sich ein kleine Begrüßungsrede ausgedacht. Da war sie ganz zuversichtlich, so etwas vergaß man schließlich nicht als Gastgeber. Sie lächelte einem der ihr unbekannten Soldaten ins Gesicht, als dieser gerade her sah, und wartete dann darauf, dass Aristides offiziell die Gäste begrüßte.

  • Mit stillem Lächeln hatte Antonia die beginnenden Unterhaltungen verfolgt, hatte sich, wie es sich ihrer Ansicht nach für die Pronuba geziemte, im Weiteren zurückgehalten und lediglich zwischen den einzelnen Personen hin und her gesehen. Das einzige Geräusch, das hierbei von ihr ausging war das leise Klingeln der filigranen Ohrringe, die sie heute, da kein kleines Kind daran ziehen würde, einmal angelegt hatte.
    Mit Erstaunen vernahm sie, dass Tucca und Aristides sich offenbar bereits einmal begegnet waren. Und dies auch noch bei den Megalesia, bei dem Theaterstück, das Gracchus hatte aufführen lassen und bei dem sie unweit von Aristides gesessen hatte. Damals war ihr nicht aufgefallen, dass scheinbar nur eine Reihe hinter ihnen einer ihrer Verwandten gesessen hatte. Was ihr Vetter bezüglich der claudischen Frauen und ihrer Angetrauten zu bemerken hatte entlockte ihr ein Stirnrunzeln. Doch andererseits, wenn sie bedachte was ihr armer Gemahl alles durch ihre Schuld hatte erdulden müssen – beziehungsweise was sie glaubte, das er hatte erdulden müssen – so konnte man jener Aussage wohl doch nur zustimmen. Sie tat es trotzdem nicht.
    Epicharis‘ Stimme war es, die die Claudia wieder zu ihrer Verwandten sehen ließ, die, trotz Schleier, recht gut erkennbar errötete. Fragte sie sich zunächst noch, was diese Reaktion verursachte, fand sie sich allzu schnell in einer stürmischen Umarmung wieder, die Antonia ebenso außer Gefecht setzte, wie sie es zuvor bei ihrem Gatten getan hatte. Doch die Irritierung war schnell vergeben und vergessen, fröhlich strahlte sie übers gesamte Gesicht.
    „Danke, ach, du ahnst ja nicht wie froh wir sind.“
    Vermutlich würde kaum jemand nachvollziehen können, was jene Geburt letztlich im Leben der stolzen Eltern ausgelöst hatte. Und doch konnte man es sehen, allein in den Gesichtern der beiden. Unbewusst glitt Antonias Blick hinüber zu Gracchus, versonnen weiter lächelnd, bis doch die Gegenwart sie wieder einfing.
    „Ja, der kleine Schatz liegt zu Hause in seiner Wiege und kann es vermutlich kaum erwarten, seine neue Tante in seinen Bann zu ziehen.“
    Schmunzelnd zwinkerte Antonia Epicharis zu, war der kleine Manius doch vielmehr ein Vetter dritten Grades durch claudische und wohl ein angeheirateter Vetter zweiten Grades durch flavische Verwandtschaft.
    Wer nun Aelia und Lucilla waren, die ihre Verwandte erwähnte wusste Antonia nicht und so zuckte sie lediglich leicht mit den Schultern. „Vielleicht sind sie bereits hier und du hast sie nur noch nicht gesehen. In all dem Trubel gut möglich.“, mutmaßte sie stattdessen. „Aber allzu lange solltet ihr nicht mehr auf Nachzügler warten, denke ich.“

  • Was für ein Pech! Er war doch von dem Claudier erkannt worden. Zerknirscht und verlegen, selbst bei dem Lachen von Tucca, sah er zu Epicharis' Verwandten. Marcus' Mundwinkel hoben sich ein klein wenig, selbst wenn er immer noch keinen freudvollen Ausdruck hin bekam, färbte sich sein Gesicht wieder ganz normal. Daß der Claudier das nicht zu sehen vermochte, daran dachte er eigentlich gar nicht, aber jeder andere hätte aus Marcus' Gesicht lesen können wie auf ausgebreiteten Schriftrollen.
    „Ah ja, das Theater, ja...das kann sein...ähm...“
    Marcus wußte es ganz genau, aber er war immer noch zu verlegen, um ein klares Wort faßen zu können. Marcus überlegte hin und her, was er denn sagen konnte, doch etwas paßendes fiel ihm nicht ein, so meinte er lahm:
    „Mhm, wirklich unglücklich verlaufen ist das im Theater...äh ja...“
    Am Liebsten wäre Marcus immer noch im Boden versunken und sah sich suchend nach etwas um, womit er sich entschuldigen konnte. Dankbar sah Marcus zu seiner Verlobten, die mit ihrer ungestümen Art durchaus die Aufmerksamkeit auf sich zog und auch von ihm selber weg. Insbesondere, indem sie auf den frischen flavisch-claudischen Nachwuchs zu sprechen kam. Marcus flüchtete sich in Schweigen und dem Nippen an seinem Weinbecher, während er die Menschen um sich herum über den Rand hinweg ansah. Lucilla? Meinte Epicharis etwa...? Nein, unmöglich.


    Der kurze Friede war ihm jedoch nicht lange vergönnt, verdutzt sah er zu Epicharis. Eine Rede? Wieso eine Rede halten und warum?
    „Ähm, nein...“
    Marcus schüttelte andeutungsweise den Kopf, an eine Rede hatte er nicht gedacht und weder sein Sklave Hannibal – wo der auch immer wieder war!- noch sonst jemand hatte ihn daran erinnert oder überhaupt auf die Idee gebracht, selber war Marcus jedenfalls nicht auf den Gedanken gekommen. Himmel, noch nicht einmal verheiratet und Epicharis schmiß ihn bereits ins erste kalte Wasser. Marcus seufzte leise auf und Unbehagen stieg in ihm hoch. Er haßte es, Reden zu halten, schlicht, weil er meistens nicht wußte, was er sagen sollte. Insbesondere in einer solchen Gesellschaft, die Eloquenz und Bildung als eine höchste Tugend hielt, etwas, was er nicht im Geringsten besaß – vielleicht mal von einer rhetorisch gut geschulten Stimme abgesehen. Mit einem gequälten Blick reichte er den Becher an einen Sklaven weiter und räusperte sich leise – wobei Antonia noch einen leidenden und vorwurfsvollen Blick erntete, als sie Epicharis auch noch damit unterstützte, daß er wohl jetzt etwas anzufangen hatte.


    „Werte Gäste!“
    Marcus' Stimme erhob sich ein wenig, damit auch die Anderen ihn hörten. Einfach wie bei Soldaten, Du hast doch schon oft genug dort Reden gehalten, Marcus, dachte er . Aber er konnte wohl kaum im Kasernenton mit den Gästen hier sprechen.
    „Werte Gäste, es freut mich sehr, euch alle heute hier in dem Garten begrüßen zu dürfen an dem Tag von Epicharis und meiner Hochzeit.“
    So, reichte das? Ein Blick in Epicharis' Gesicht zeigte Marcus jedoch, daß sie wohl eine etwas längere kurze Rede erwartete. Herrje!
    „Da dies einer der wichtigsten Tage in unserem Leben ist, macht es uns besonders glücklich, diesen mit der Familie und guten Freunden feiern zu dürfen. Und da die Götter uns bisher auch mit der Sonne gesegnet haben, wollen wir auch mit dem Opfer an sie beginnen.“
    So, das reichte jetzt aber. Marcus wandte sich an Antonia.
    „Dann übergebe ich Dir vorerst meine Verlobte, Antonia!“
    Marcus lächelte Epicharis noch einmal an, ehe er ihre Hand zurück gab und Celerina, Gracchus, aber auch Tucca – der das freilich nicht sehen konnte - kurz zunickte, um in die Richtung der Terrasse zu laufen, an der das Opfer zelebriert und ihre Ehe beschloßen werden sollte.

  • Es war keine eminent eloquente Rede, mit welcher Aristides offiziell den zeremoniellen Ritus einläutete, doch sorgten jene Worte dafür, dass die Gäste sich an der Terrasse einfanden, obwohl die Zeremonie nicht wie durch den Bräutigam angekündigt mit dem Opfer an die Götter würde beginnen, sondern zuvor mit dem Lesen der Eingeweide, um noch einmal den Tag und das allgemeine Wohlwollen der Götter zu bestätigen. Gracchus gesellte sich kurzzeitig wieder zu seiner Gemahlin, obgleich er nach dem Haruspex bereits wieder ihre Seite würde verlassen, um die Opferung zu leiten. Zur Leberschau hatte man eigens einen Haruspex aus dem Collegium eben jener beauftragt. Es war eine alte Kunst, älter noch als Rom selbst, doch über all die Jahrhunderte hinweg galt die Kunst der Haruspices noch immer als unrein, gleichsam boten zu viele Scharlatane, selbsternannte Haruspices, diesbezügliche Dienste, so dass der einzige Garant für saubere Arbeit ein Mitglied des offiziellen Collegium war. Gracchus erinnerte sich, dass bereits bei seiner eigenen Hochzeit der Haruspex Sethre Velathri die Leber hatte gelesen, ein Tag, welcher ihm nicht nur im Angesicht der deutlichen Furchen im Gesichte des Divinators bereits Ewigkeiten zurück zu liegen schien. Obgleich die milden Sonnenstrahlen den Garten in ein prächtiges Licht tauchten, die Hochzeitsgesellschaft von aller Lebendigkeit der Natur war umgeben, so schien es, als trage Sethre Velathri stets einen Mantel aus Schatten um sich herum. Blitzend funkelte sein Messer als das leise blökende Lamm zu ihm wurde herangeführt, ein schneller Schlag mit dem Griff auf dem Hinterkopf des Tieres jenes betäubte, nur um dann in stumpfem rotfarbenen Blut seinen Glanz zu verlieren. Routiniert öffnete der Haruspex den Bauch des Tieres, um die Leber daraus heraus zu schneiden, während das rotfarbene Leben aus dem kleinen Körper wich, den Boden zu Velathris Füßen mit dunkelfarben gerinnendem Blut bedeckte. Haus um Haus, Sitz um Sitz der Götter sondierten seine geschulten Augen, während die Hochzeitsgesellschaft still, tuschelnd allfällig, auf sein Ergebnis wartete.
    "Die Göttersitze sind von Ruhe und Glanz umgeben, aus ihnen spiegelt sich Wohlwollen und Zustimmung, doch keinerlei Ablehnung für die Zukunft."
    Gracchus wusste, dass dies tatsächlich den Tatsachen entsprach, denn er selbst hatte den Haruspex bezahlt, nicht dafür, dass er die Wahrheit würde schön reden, sondern dafür, sie in aller Reinheit und Güte auszusprechen, gleich welcher Art sie würde sein. So unglücklich, blamabel bisweilen fehlende Zustimmung der Götter zum Zeitpunkt der Hochzeit auch würde sein, um so drängender wollte Gracchus seinen Vetter vor einer weiteren zum scheitern verurteilte Ehe bewahren, obgleich er kaum sich konnte vorstellen, dass Epicharis als Teil einer solchen würde enden können. Die Worte des Divinators waren kaum verklungen, als auf dem kleinen Opferaltar die Räucherkohlen wurden entzündet. Mit einem unscheinbaren Lächeln zu Antonia hin verabschiedete Gracchus sich kurzzeitig wieder von seiner Gemahlin, um mit einem flauen Gefühl im Magen seinen Anteil am Opfer zu übernehmen, welchen er den ganzen Tag bereits hatte zu verdrängen gesucht.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    Licinus schob sich vorsichtig durch die Menge, bis er Avitus erreicht hatte und räusperte sich:
    "Salve tribunus. Wie geht es dir?"


    Wie er befürchtet hatte fühlte sich Avitus unwohl inmitten der patrizischen Rudel. Aber das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. Er hatte nicht viel für Patrizier übrig, sie nicht viel für ihn. Damit konnte er leben. Dennoch freute er sich, ein bekanntes Gesicht zu sehen.
    "Salve, Iulius"
    Licinus war also extra aus Mantua angereist.
    "Den Umständen entsprechend, denke ich"
    sagte er leise.

  • Tacitus huschte erneut ein Lächeln über sein Gesicht. Ihm war nie sehr wohl dabei, wenn andere ihm komplimentierten, aber der Eifer, mit dem die junge Frau ihn ausfragte, ließ ihn dies kurze Zeit vergessen. Während er sich seine Antwort zurecht legte, merkte er das Dido ihn genau betrachtete. Was sie wohl dachte?
    Nun ja, man tun halt was man kann um Rom zu dienen, und besonders die Prima hat eine sehr vorteilhafte Stellung.
    Er wusste selber wie gehoben das sich anhören musste, aber ihm vielen auf Komplimente einfach keine besseren Antworten ein. Oder er war einfach zu lange nicht mehr außerhalb des Lagers gewesen.
    Tacitus sah sich ein wenig unruhig um. Seine Kameraden würden wahrscheinlich vor Lachen umfallen, wenn sie ihn so reden hörten. Tacitus richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Dido.
    Tscitus hörte den Stolz in Dido's Stimme. Er war schließlich schon lange genug von Leuten umgeben, die gerne mit überschwelligen Stolz über den Campus stampften, weil sie der Prima angehörten. Er selbst war es schließlich auch.
    Der Name einer Königen passt zu dir, da haben die Flavier wohl die richtige Wahl getroffen.


    Den Garten hatte er noch nicht gesehen. Und einen Löwen? Er hatte nur einmal ein solches Tier gesehen, nähmlich als ein Schiff, dass allerlei Tiere nach Rom lieferte, einen Tag lang in Ostia- seiner Heimatstadt- angelegt hatte. Lächelnd blickte er in Dido's Gesicht. Gerne! Es wäre mir wirklich eine Freude!
    Und Dido hatte recht, er war nicht sonderlich erpicht darauf, den Rest der Versammlung schweigend zu betrachten, obwohl er sich eigentlich schon darauf eingestellt hatte.
    Doch gerade nachdem er seinen Satz beendet hatte, gab der Gastgeber seine Ansprache...

    Nur die Römische Republik gab uns Schutz
    Heil der Republik!

  • Obgleich die confarreatio nach altem Brauch die Anwesenheit nicht nur des höchsten Priesters überhaupt bedingte, sondern gleichsam auch des Flamen Dialis, so war keiner dieser beiden an diesem Tage anwesend. Längstens war dies nicht mehr üblich, dieser Tage gerade zu unmöglich gar, denn Rom war nicht mehr jenes klein Reich, in welchem der Pontifex Maximus jeder Eheschließung konnte beiwohnen, nicht einmal obgleich jene besondere Form der confarreatio nurmehr selten wurde gewählt. Während der Kaiser in seiner Funktion als oberster Priester nur äußerst selten sich auf Hochzeiten zeigte, war es im Falle des Flamen Dialis dessen Alter und Krankheit, welche immer öfter ihn von dieser Pflichterfüllung abhielten. Das Collegium Pontificium war froh, solange der Flamen seinen öffentlichen, kultischen Pflichten noch konnte nachkommen, so dass zu Anlässen der Eheschließung das Collegium die Zeremonie durch Pontifices in Vertretung durchführen ließ. Als dies Aristides war mitgeteilt worden, hatte jener sogleich der Vertretung zugestimmt, gleichsam seinen Vetter hierfür erbeten, immerhin war es seit jeher Tradition in der Flavia, wie in allen alten Familien, stets einen Vorteil aus den Positionen der Verwandtschaft zu ziehen. Gracchus indes, welcher deplorablerweise längstens sich nicht in der Verfassung sah, seiner kultischen Pflicht gänzlich und in aller Fülle nachzukommen - nicht, so lange dies öffentliche Pontificatshandlungen betraf -, hatte letztlich dennoch dem eingewilligt, denn niemals hätte er seinem Vetter einen Wunsche abschlagen können. Dennoch hatte er dafür Sorge getragen, dass nicht die zeremoniellen Worte, deren korrekter Laut essentiell für diesen Ritus war, durch ihn würden zerstückelt werden, sondern hierfür einen der Herolde des Collegium verpflichtet, was zugegeben in Anbetracht der geringen Anzahl der Gäste ein wenig übertrieben schien, von Seiten des Cultus aus betrachtet jedoch durchaus legitim war. Als nun der Augenblick war gekommen, trat er langsam hinter den kleinen foculus, welcher eigens in dem Garten zwischen einem Beet voller Hyazinthen und einem Malvenstrauch war errichtet worden und auf welchem bereits die Statuen der Schutzgötter der Ehe - Iuno, Tellus, Ceres, Pilumnus und Picumnus - um eine eiserne Schale voll glimmender Kohle herum aufgestellt waren, und hatte ein wenig Mühe, mit der Rechten, welche nicht die Stoffmassen der Tunika zu halten hatte, sich eine Falte eben jener über den Hinterkopf zu ziehen. Vorsichtig griff Gracchus nach der Räucherung und streute bedächtig ein wenig davon über die Kohle, so dass weißfarbener Rauch in einem süßlichen, schweren Duft sich langsam zum Himmel empor erhob, von dem lauen Hauch des kaum vorhandenen Windes durch den Garten wurde getragen. Zur rechten trat ihm hernach der Herold, zur linken ein junger Camillus, welcher die Opferkuchen auf einem Tablett anreichte, von denen Gracchus mit zittriger Hand den ersten aufnahm. Unmerklich war das Nicken, welches den Stimmgeber des Cultus Deorum aufforderte, den ersten, rituellen Gebetstext von einer alten Schriftrolle zu verlesen.
    "Mutter Iuno, wir bitten Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Kuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seiest diesem Paar, Marcus Flavius Aristides und Claudia Epicharis, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deinen Schutz gewährst."
    Nachdem der erste, der größte Opferkuchen war platziert, folgten jene weiteren für Tellus, Ceres und ein gemeinsamer für Pilumnus und Picumnus, währenddessen der Herold die Worte wiederholte für eben diese Götter. Der junge Camillus brachte schlussendlich das leere Tablett hinfort und ein Popa trat an seine Stelle mit einem mit Kalk eingeriebenen, weißfarbenen jungen Schwein, welches nach ritueller Art mit infulae und vittae um den Kopf und der dorsule über dem Rücken war geschmückt. Noch einmal erhob der Herold seine Stimme, sprach die rituellen Bittworte an die Göttin Iuno, währenddessen Gracchus die Hände sich in einer Schüssel klaren Wassers reinigte. Langsam, beinahe vorsichtig, strich der Pontifex die mola salsa über die Stirn des Tieres, tropfte einige Tropfen weißen, süßen Weines hernach darauf, bevor er schlussendlich das Opfermesser ergriff, es über den Rücken des Tieres zog, die Hand zitternd, verkrampft in ihrem Griff, um nicht den Halt zu verlieren. Noch einmal folgten Gebetsworte aus dem Munde der Stimme des Cultus, sodann wandte der Popa sich an den Pontifex, in Erwartung seine Pflicht zu erfüllen.
    "Agone?"
    Der junge Mann blickte Gracchus erwartungsvoll an, doch jener wandte nach Sekunden des Zögerns den Blick ab, zu dem Tier selbst hin. Er wusste, dass eine Antwort von ihm wurde erwartet, und obgleich er genau wusste, sie in ihrem vollständigen Laut eingeübt zu haben, sie gleichsam schon hunderte Male zuvor gegeben zu haben, so fehlte sie in diesem Augenblicke in seinem Geiste, so schien es ihm, als wäre sie niemals in seinem Geiste gewesen. Unwillkürlich sog er seine Unterlippe zwischen die Zähne, entließ sie nur langsam wieder nach vorn, suchte in seinem Inneren nach der Antwort auf jene Frage, welche er bereits hatte vergessen. Es war ein kultisches Wort, bezüglich des Opfers, Teil eines uralten Ritus, fester Bestandteil des römischen Lebens, seines Lebens, essentiell. Er konnte es nicht vergessen haben und dennoch war es fort, und je mehr er suchte sich darauf zu konzentrieren, desto wirrer wurden die Worte in seinem Geist, desto unmöglicher verbanden sie sich zu alten und neuen Kreationen.
    "Agone?"
    fragte noch einmal der Popa nach einem leisen Räuspern und ohne noch darüber nachzudenken, nickte Gracchus, in Gedanken weiter dem fehlenden Worte hernach jagend. Ein wenig erleichtert beinah nahm der Opferhelfer die stumme Geste zur Antwort, betäubte das Tier mit einem Schlage und schnitt die Kehle ihm auf, dass das rotfarbene Blut das Gras zu seinen Füßen tränkte. Während noch Gracchus in Gedanken versunken nach jenem verlorenen Worte forschte, entfernte der Popa die vitalia, die Innereien aus dem Tier und reichte sie schließlich dem Pontifex zur Begutachtung, welcher sich endlich seiner Pflicht besann und seine Konzentration hin auf die Prüfung der Eingeweide wandte.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ja das war tatsächlich Siv. sie gesellte sich gleich zu den beiden Sklavinnen. Minna und sie unterhielten sich erst in ihrer eigenen Sprache, wechselten jedoch schnell ins Lateinische, damit auch Fiona sie verstehen konnte.
    Fiona organisierte drei Becher mit Getränken und reichte sie an Siv und Minna weiter. Freudig lächelnd wandte sie sich an die aurelische Sklavin."Siv, wie geht es dir? Wir haben uns ja schon so lange nicht mehr gesehen!" Jul oder die Saturnalien, wie es die Römer nannten, war scheinbar so lange her gewesen. Fiona hatte Minna damals zu dem germanischen Julfest begleitet, das sie in einem Wäldchen außerhalb Roms gefeiert hatten. Sie hatte dunkle Erinnerungen daran. Damals wollte sie ihr Leben wegwerfen, weil sie es nicht mehr ertragen konnte. Doch den letzten Schritt hatte sie nicht machen können. Nun war sie heute hier, an diesem strahlenden Tag und die Gedanken von damals hatten anderen Platz gemacht. Fiona hatte es Minna noch nicht erzählt, was sie bewegte. Die Hochzeit und all die Vorbereitungen hatten sie davon abgehalten. Vielleicht nach der Hochzeit, wenn wieder Ruhe eingekehrt war, wollte sie es ihr sagen.
    "Ist Cadhla auch mit dir gekommen? Und Tilla? Sag, wie geht es euch allen? Wir haben schon so lange nichts mehr von euch gehört!" Seitdem die Verlobung von Corvinus und Deandra gelöst worden war, war auch der Kontakt zu den beiden Familien unterbrochen, was Fiona als sehr schade empfand. Seitdem war es trist in der Villa Claudia geworden. Doch nun war diese großartige Hochzeit gekommen, die allerhand Leben in Minna und Fionas Dasein zurückbrachte.

  • Flavia Celerinas Stimme war mir recht sympathisch, hoch, aber nicht unangenehm, und ich mochte ihre offene Art auf Anhieb. Das Alter einer Person anhand ihrer Stimme zu bestimmen, ist nicht gerade einfach, so belief sich meine grobe Schätzung sie betreffend auf zwischen 15 und 40.


    "Antonia ist meine Cousine", beantwortete ich ihre Frage, "und Menecrates, Epicharis' Vater, ist mein Vetter."


    Ich musste mich selbst dazu beglückwünschen, wie meisterlich ich durch diese Beschreibung der Tatsachen die Groß- oder Kleinonkel-Sache umschifft hatte. Und noch mehr Glückwünsche waren angebracht, wie Epicharis soeben verriet. Allerdings brachte der Grund, Antonias Sohn, schon wieder diese Verwandtschaftsbeziehung ins Spiel. War ich nun Großonkel oder Großcousin geworden? Da ich vor hatte, noch eine Weile in Rom zu verweilen, nahm ich mir fest vor, mich mit Stammbäumen und der korrekten Bezeichnung all meiner hier lebenden Verwandten auseinander zu setzen. Allerdings nicht an diesem Tag, und in Erwartung eines langen Abends auch nicht am nächsten. Ich würde Antonia irgendwann in nächster Zeit besuchen müssen. So ein Ereignis konnte ich nicht einfach ignorieren, wenn ich schon in der Stadt war.


    "Ist das wahr, Antonia? Dann gelten meine Glückwünschen natürlich auch dir und deinem Ehemann. Ebenso wie meine guten Wünsche für die Zukunft deinem Sohn."


    Flavius Aristides war nicht ganz so gesprächig. Er schien außerdem ein bisschen nervös, was ich ihm an diesem Tag allerdings auch nicht verdenken konnte. Für ein weiteres Gespräch war erst einmal sowieso keine Zeit, immerhin sollte heute noch eine Hochzeit stattfinden. Die Gäste wurden zur Terasse gebeten (die Dimension des Gartens wurde in meinem Kopf immer größer) und irgendwie kam auch ich dort an, ohne noch einen Überblick zu haben, wer wo und vor allem, wer noch in meiner Nähe war. Doch erst einmal galt es zu schweigen, um die ganze göttliche Konsultation nicht zu stören. Der Duft von Weihrauch stieg mir in die Nase, viel zu hören gab es vom Opfer außer den Gebetsworten jedoch nicht. Da Warten nicht zu meinen Stärken gehörte - umgeben von Dunkelheit gibt es beim Warten nicht viel Ablenkung - begann ich, in die Umgebung zu lauschen, auf die Geräusche der Natur und der Gäste um mich herum und natürlich auch auf das leise Flüstern, das hier und da erklang.

  • Selten war die Abhaltung eines Hochzeitsritus der confarreatio geworden, und eigentlich nur mehr von gesellschaftlich wirklich hochstehenden Brautleuten bzw von deren Vätern gewählt und selbst dann nur, wenn der Bräutigam ein Amt erlangen wollte, in dem diese Form der Heirat Voraussetzung war, um eben jenes Amt zu erlangen. Iuno war sich selbstverständlich der Seltenheit bewusst, allein: es kümmerte sie nicht.


    Etwas pikiert war sie aber über die Unfähigkeit des Pontifex', ein einfaches Wort auszusprechen. Ebenso davon, dass die Brautleute nicht die fleißigsten waren, wenn es darum ging, ihr zu opfern. Daher rollte sie die Liste auf - DIE Liste - und verzeichnete mit flinken Fingern einen entsprechenden Vermerk in der richtigen Spalte und der richtigen Zeile, kurz: der richtigen Stelle.


    Deswegen hielt Iuno es auch nicht für nötig, dem an sich gesunden Schwein nachträglich Knötchen oder Geschwulste angedeihen zu lassen.

  • Akribisch prüfte Gracchus Organ um Organ auf Form und Farbe, Qualität und Beschaffenheit, Struktur der Oberfläche und Güte des Gewebes, ganz so als suche er geradezu nach einem Makel, welchen er der versammelten Gesellschaft präsentieren und vor Augen halten konnte. Doch nichts Abnormes, nichts Widernatürliches, nicht die geringste Abweichung der Vollkommenheit zeigte sich an den vitalia des Schweines, welche denen eines Menschen so ähnlich waren, und selten zuvor hatte Gracchus ein solches Tier, ohne auch nur den geringsten Anschein eines Knötchens im Gewebe, im Opferritus erlebt.
    "Litatio"
    , verkündete er schließlich wie schon ungezählte Male zuvor, nicht laut, doch keinesfalls leise, erleichtert über die nicht zu bezweifelnde Gunst der Götter, ihr Einverständnis bezüglich der Ehe und deren Gelingen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Zitat

    Original von Caius Valerius Tacitus
    ...


    Oha, vorteilhafte Stellung, das klang sehr gewählt und doch dabei noch bescheiden. Nicht "Wir sind nun mal die Besten!" oder "Die Prima nimmt nur die allergrößten Soldaten" (Wobei Tacitus schon sehr groß war, wie Dido fand!), aber Dido hatte nicht viel übrig für Bescheidenheit, wie sie aber auch Prahler anstrengend fand, Dido konnte man es in vielen Dingen nicht Recht machen, aber heute und hier war sie einfach nur beeindruckt. Von dem Soldatentum von Tacitus, von seinem sehr militärischen Auftreten und dass er überhaupt mit ihr sprach. "Oh!" Dido sah ihn ganz groß an. "Findest Du?" Das war ihr erster Impuls und Dido folgte stets jenem. "Danke schön!" Dido strahlte vom ganzen Gesicht und freute sich mächtig, sie hielt sich zwar schon unter den Sklaven als was Besseres (auch wenn die Wenigsten das überhaupt bemerkten in der flavischen Sklavenschaft und sie in der Hierarchie und Hackordnung eher ganz unten stand), aber so etwas von einem taffen und großen Soldaten zu hören, war natürlich etwas ganz anderes.


    "Fein!" Vielleicht fand es Tacitus auch so öde zwischen all den wie zu einer Parade aufgetackelten Herrschaften. (Mal von den wenigen interssanten Exemplaren abgesehen und dies waren in Didos Augen nur die Soldaten.) Gerade wollte sie auf dem Absatz kehrt machen und Tacitus zu den Tieren führen und zu den Teilen, wo sie ungestört ihn ausfragen konnte als schon der Vater ihres Herrn das Wort ergriff. Dido blieb stehen, um nicht unangenehm aufzufallen. "Moment noch! Wir können uns verdrücken, sobald die Gäste sich nach vorne bewegen!", raunte Dido verschwörerisch als sie mit halbem Ohr den Worten lauschte. Ah, schon setzte sich die Gäste in Bewegung und strömten dorthin, wo wohl ein Opfer stattfinden sollte und noch die Lesung der Innereien. "Komm'!", flüsterte Dido und huschte flink wie eine Gazelle hinter einen Busch und aus der Sichtweite all jener, die ihr noch einen Befehl hätten zurufen können. Irgendetwas von Göttersitzen wurde in der Ferne geraunt als Dido den Kieswege folgte, der von Jasminsträuchern umrahmt war. Erst am Rande eines Beckens blieb sie stehen. Einige Schritte unter ihnen und in dem Becken, wo ein kleiner Weiher in der Mitte lag, sonnten sich drei Krokodile, so lang wie ein Mann groß war. Eines öffnete träge sein Maul und zeigte eine lange Reihe von sehr scharfen Zähne. Fasziniert und von den Raubtieren angezogen, starrte Dido hinunter. Zu schade, dass sie diese nicht anfassen durfte. "Das sind die Krokodile! Hast Du schon mal welche gesehen? Die sollen aus Ägypten kommen. Warst Du schon mal in Ägypten? Ich nicht, aber es soll dort auch Löwen und Hyänen geben." Fast ohne Punkt und Komma strömten all die Worte, Fragen und Kommentare aus dem Mund von Dido. Mit fröhlich funkelnden Augen spähte sie zu Tacitus hoch.

  • Zitat

    Original von Lucius Artorius Avitus
    Wie er befürchtet hatte fühlte sich Avitus unwohl inmitten der patrizischen Rudel. Aber das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. Er hatte nicht viel für Patrizier übrig, sie nicht viel für ihn. Damit konnte er leben. Dennoch freute er sich, ein bekanntes Gesicht zu sehen.
    "Salve, Iulius"
    Licinus war also extra aus Mantua angereist.
    "Den Umständen entsprechend, denke ich"
    sagte er leise.


    Na, das war ja eine Antwort, Licinus musste erst einmal über ihre Bedeutung nachdenken: Hieß das jetzt, dass es ihm schlicht ging und die Umstände nicht besser waren oder ging es ihm gut und die Umstände waren es auch?
    Einen Augenblick später flüsterte er dann zurück:


    "Das freut mich. Ich denke wir unterhalten uns besser später." da in diesem Moment die Opferung begann und es war Schweigen angesagt.


    Viel konnte Licinus nicht sehen, aber die Zeit zog sich schier endlos hin, bis das erlösende "Litatio" ausgesprochen wurde.

  • Auch Tucca wurde für seine Glückwünsche gedankt, als schließlich Aristides zu seiner Rede ansetzte. Täuschte sie sich, oder hatte er sie zuvor noch böse angesehen? Nein, gewiss die Nervosität. Antonia hatte jedoch keine weitere Gelegenheit darüber nachzudenken, fand sie sich doch recht schnell an Epicharis’ Seite wieder und folgte den anderen Hochzeitsgästen, welche die Eingeweideschau betrachten wollten.
    Irgendwoher glaubte die Claudia den Haruspex zu kennen, doch wollte sich weder ein Name, noch ein Ort finden, zu welchem der Mann zugeordnet werden konnte. Ein innerliches Schulterzucken war die Folge, stattdessen beäugte sie akribisch jede Bewegung des Mannes, der endlich verkündete, die Götter seien der Vermählung wohlgesonnen. Aufmunternd lächelte sie ihrer Verwandten zu, die nun nur noch einige Rituale und Worte davon getrennt war, ebenfalls eine Ehefrau zu sein.
    Und weiter ging das Opfer, weiter, sodass sich ihr Gemahl nur zu schnell wieder von ihrer Seite stahl, um seinen Platz als Pontifex einzunehmen. Es schmerzte tief, ihn nicht selbst die Bitten an die Götter und Göttinnen vortragen zu hören, ebenso wie es schmerzte, ihn ansonsten sprechen zu hören. Warum nur war ausgerechnet er mit dieser Bürde belastet worden? Doch sie lächelte. Lächelte ununterbrochen, allein um nicht zu zeigen, wie sehr es ihr Leid tat, wenngleich sie wohl kaum etwas für jenen Umstand konnte. Ihre Augen indes folgten nachdenklich den Rauchschwaden, die sich in undefinierbaren Formen gen Himmel schlängelten. Verloren in einer anderen Welt, bemerkte sie erst beim zweiten ‚Agone’, dass das Opfer bereits weiter fortgeschritten war – und dass es stockte. Einige Sekunden geschah nichts. Was war nur los? Stimmte mit dem Tier etwas nicht? Warum zögerte Gracchus nur? Doch ehe sie den Sinn hätte ergründen können hatte er bereits genickt und das Tier sank zu Boden. Endlich ließ die Claudia die Luft aus ihren Lungen entweichen, die sie bis zu diesem Zeitpunkt unbewussterweise angehalten hatte.
    Litatio. Sie begann zu strahlen. Litatio. Doch weniger der Umstand, dass die Göttin das Opfer angenommen hatte verursachte jene Reaktion, nein, Gracchus hatte es ausgesprochen. Ein ganzes Wort. Ein komplettes Wort, ohne Stottern, ohne Verdrehung. Sie hätte in diesem Moment stolzer nicht sein können. Rechtzeitig besann sie sich jedoch, war nun schließlich sie an der Reihe, ihre Pflicht zu erfüllen.
    Nicht ohne Nervosität trat sie vor die beiden Brautleute, blickte von Epicharis zu Aristides und schließlich auf deren Hände, von denen sie jeweils eine ergriff und nach einem kurzen Zucken der Lippen – Lächeln oder Grinsen? – ineinander legte. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf den Bräutigam, welcher nun sein Sprüchlein aufzusagen hatte.

  • Es war Epicharis nicht viel Zeit geblieben, dem Kribbeln in ihrem Innersten Ausdruck zu verleihen, als Aristides gestand, keine Rede in petto zu haben. Dennoch gelang es ihr, einen winzig kurzen Moment panisch zu schauen, dann überspielte sie alles mit einem unsicheren Lächeln. Es wäre gewiss nicht schlimm, wenn keine Rede gehalten werden würde... Dass würde dem Glück an diesem Tage doch keinen Abbruch tun? Doch Aristides schien sich ein wenig zu straffen und Worte zu sammeln, und so blieb Epicharis noch ein wenig Zeit, um Antonia dankbar zuzulächeln, da sie ihr prompt beigepflichtet hatte. Aristides hielt kurz darauf seine kleine holprige Rede, wenn man die paar Worte denn so nennen mochte, und als er einmal kurz zu ihr sah, nickte sie ihm aufmunternd zu.


    "Ich bin ja so aufgeregt!" wisperte Epicharis Antonia zu, als sie dann gemeinsam hinüber gingen zu der Terrasse, auf der das Opfer abgehalten werden sollte. Und gewiss konnte Antonia Epicharis' Aufregung auch allzu deutlich spüren, war ihre Hand doch kalt wie die einer Toten. Aristides strebte davon, hielt sich in der Nähe seiner Kameraden, und Epicharis ließ sich von Antonia begleiten, ihrer Pronuba. Nach der Leberschau und dem Opfer würde es dann soweit sein und ihrer beider Part an die Reihe kommen. Epicharis war aufgeregt wie nie zuvor. Ständig hatte sie das Gefühl, sie müsse einen Abort aufsuchen, ihr war kalt und heiß zugleich, doch Antonias Ruhe half ihr ein wenig, sich zusammenzureißen.


    Den Haruspex kannte Epicharis nicht, war es ihr doch nicht möglich gewesen, auf Antonias Hochzeit anwesend zu sein, da sie die Tante in Spanien gepflegt hatte. Doch er schien ruhig und gewissenhaft bei seiner Arbeit zu sein, und gelegentliche Blicke in Gracchus' Miene beruhgten Epicharis auch in Hinsicht der Korrektheit all dessen, was der Mann dort vorn tat. Epicharis sah ab und an zu Aristides hin, doch vermochte sie nicht so recht aus seinem Gesicht abzulesen, was er wohl dachte. Und schließlich verkündete der Haruspex, dass die Götter keinen Einwand gegen die Eheschließung erhoben. Epicharis schloss einen Moment die Augen und dankte ihnen im Stillen dafür. Sie wagte nicht, etwas zu sagen, weder etwas, das für der Götter Ohren noch für die von Antonia bestimmt gewesen wäre, um nur ja nicht den Ritus zu stören, der nun folgte: Das Opfer.


    Gracchus' Bewegungen waren so flüssig, als wäre er niemals krank gewesen, auch wenn man bei dem Gebet, das seine Handlungen begleitete und das von jemand anderem gesprochen wurde, durchaus ahnte, warum er nicht selbst das Wort an die Göttlichen richtete. Während Gracchus den Ritus vollzog, gedachte Epicharis im Stillen dem jeweils Genannten. Es war perfekt. Es war einfach alles perfekt. Wie Gracchus das Opfer leitete, die melodische Stimme des Betenden, das weiße Schwein... Epicharis sah zu Aristides hinüber. War das eine Falte auf seiner Stirn? Hatte er es sich gar in letzter Minute anders überlegt? Epicharis' Hand drückte die von Antonia ein wenig fester, während sie versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen. Sie hielt den Atem an, als Gracchus sich schließlich über die Eingeweide beugte und sie mit spitzen Fingern behutsam untersuchte.


    Da! Das ersehnte Wort fiel, er verkündete es selbst, und Epicharis, die ihn die ganze Zeit über bang angesehen hatte, fiel ein Stein vom Herzen, ja ein ganzer Felsen purzelte hinab. Sie hatte das Gefühl, sehr viel leichter zu sein, und als Antonia sich nun in Bewegung setzte, zitterte die kalte Hand vor lauter Aufregung ein wenig, und Epicharis fühlte sich, als würde sie nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit schweben. Viel zu plötzlich waren sie bei Aristides angekommen, Epicharis' Griff verstärkte sich noch einmal um Antonias Hand, dann sah sie ihre Verwandte atemlos an - Schmunzelte sie da etwa? Antonia legte Epicharis' Hand in die von Aristides, und jetzt hob auch Epicharis den Blick und sah zu Aristides auf. Sie glaubte, in jedem Augenblick vor Nervosität zu vergehen. Er musste ihr Zittern doch spüren! Epicharis gab sich wirklich die größte Mühe, konnte es jedoch nicht kontrollieren. Eine warme, willkommene Bö bauschte kurz den Schleier der Braut auf. Es war Epicharis, als seien die Götter selbst anwesend, als sei die Welt stehen geblieben und alle Augen nur auf sie und Aristides gerichtet. Sie selbst war von einem einzigen Gedanken beseelt. Wenn er nur nicht los ließ. Wenn er nur ihre Hand nicht fallen ließ, und sie selbst damit ebenso. Lass nicht los...

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!