Cursus Continuus - De imperatore Tiberio

  • Da Varus ein paar Jahre in Alexandria verbracht hatte, war es unumgänglich die große Bibliothek dort zu besuchen und doch das ein oder andere Wissen anzueignen. Zwar hatte Varus nicht direkt nach solch einem Papyrus gegriffen und es studiert, doch er war der Meinung davon schon gehört zu haben und ergriff das Wort, nachdem die Frage in den Raum gestellt wurde. Ich erhob mich nachdem Modestus die Frage schon beantwortet hatte, nickte Modestus zustimmen zu und schaute abwechseln zu dem Decimer und Ursus.
    "Zwei Jahre, nachdem die Feldzeichen verloren gingen, standen die römischen Truppen wieder am Euphrat und siegten. Dies war jedoch nicht die Beendigung des Krieges. Auf beiden Seiten wurden mehrere kleine Schlachten mit einigen Jahren Abstand gewonnen, ohne nennenswert einen Vorteil daraus zu schlagen, geschweige die verloren gegangenen Feldzeichen wieder zurück zu erobern. Im Jahre 37 v. Chr. wird Phraates IV. König der Parther. Als nach innenpolitischen Problemen der parthische Gegenkönig Tiridates Augustus im Jahre 23 v. Chr. aufsucht, um sich als rechtmäßigen Machthaber einsetzen zu lassen und als Geisel den Sohn des Phraates mit sich führt, erscheint auch eine Gesandtschaft des Phraates bei dem römischen Kaiser. Dieser jedoch, da er einen Krieg verhindern will, stellt sich auf keine der beiden Seiten, entscheidet jedoch, Phraates seinen Sohn wieder zugeben, wenn er im Gegenzug die Feldzeichen und Kriegsgefangenen zurück erhält. Bis 21 v. Chr. änderte sich die Situation nicht, die Feldzeichen blieben trotz Verhandlungen in den Händen des Feindes. Als jedoch Augustus mit der Unterstützung seines 22-jährigen Stiefsohnes Tiberius in diesem Jahr selbst in den Orient zog, erzielte er ein Bündnis des dauerhaften Friedens." Ich holte kurz Luft und fuhr dann weiter fort. "Schon durch den bloßen Aufmarsch der Legionen an der Ostgrenze hatte also Augustus das Ziel erreicht und die Feldzeichen zurückerobern können. Sie wurden im Tempel des Mars Ultor in Rom aufgestellt, den Augustus selbst erst wenige Jahre zuvor hatte neu bauen lassen. Diese mögen keinen hohen materiellen Wert gehabt haben, waren für die Römer in ihrer Bedeutung trotzdem unglaublich kostbar. Denn sie versinnbildlichten die Macht und Unbesiegbarkeit Roms."
    Nach meinen Ausführungen nahm ich wieder Platz und wartete die Reaktionen ab.

  • Ursus legte den Kopf leicht schief, als Modestus antwortete. Die Antwort war nicht falsch, aber nicht vollständig. Denn der eigentliche Knackpunkt fehlte hier noch. Doch direkt darauf brachte Varus diesen dann doch zur Sprache. Und so blieb ihm nur noch, annerkennend zu nicken. "Besser hätte ich das auch nicht erklären können." Dieser Sonderpunkt ging ganz klar an Varus.


    "Also, morgen sehen wir uns hier wieder, dann werde ich den zweiten Teil des Vortrages halten." Er wünschte den Anwesenden noch einen guten Heimweg, packte seine Aufzeichnungen ein und verließ dann den Raum.

  • Aufmerksam lauschte ich den Antworten. Ach so, durch Verhandlungen war das geschehen, mit schlagkräftigen Legionen im Rücken. Das war wohl die einzige Weise mit den Dreckspartern zu sprechen. Ich war beeindruckt von dem Wissen der beiden Sprecher, aber bei dem zweiten irritierte mich, dass er, nach der Sprechweise zu schliessen, offenbar die ganze lange Passage wortwörtlich aus einem Buch zitierte. So wie er über 'die Römer' und unser Verhältnis zu unseren Feldzeichen sprach, musste der Autor dieses Werkes aus einem anderen Volk stammen, bestimmt ein Grieche oder so. Ich wandte den Kopf und blickte den Mann ganz erstaunt an - aber nein, er las nirgendwo ab. Alles auswendig! Was für ein erstaunliches Gedächtnis.
    Ich stapelte meine Tafeln, packte sie ein und machte mich auf den Heimweg, mit dem festen Vorsatz heute noch sehr viel nachzulesen.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Ein wenig war ich doch über mich erstaunt. Zwar hatte ich während meines Studium´s in Alexandria eine Schriftrolle über besagtes Ereignis in die Hände bekommen und mit großem Interesse studiert. Jedoch waren mir die meisten Details noch im Gedächtnis, als wäre es erst gestern gewesen. Nach einem Lob von Ursus, was mir dann doch sichtlich etwas unangenehm war. Beendete Ursus auch den ersten Teil seines Vortrages. Nachdem Ursus allen Kursteilnehmern einen guten Nachhauseweg gewünscht hatte, erhob ich mich auch und verließ den Raum.

  • Am nächsten Tag fanden sich wieder alle pünktlich ein, wie Ursus erfreut feststellte. Dann war sein Vortrag hoffentlich nicht zu schlecht gewesen. Oder sie waren auf den Abschluß angewiesen, das konnte natürlich auch sein. Aber er wollte dann doch lieber die erste Möglichkeit annehmen.


    "Salvete", grüßte er die Anwesenden in freundlichem Ton. "Heute folgt nun der zweite Teil des Vortrages. Ich hoffe, ihr seid alle gut ausgeruht und bereit für eine weitere Vielzahl von Jahreszahlen und Namen." Er lächelte. Bei einem reinen Überblick, wie er ihn bot, war es eben normal, daß es vor Jahreszahlen und Namen nur so strotzte.


    "Herrschaftsübernahme


    An Tiberius als Nachfolger von Augustus schien es nicht den geringsten Zweifel zu geben. Er übernahm noch im August 14 den Prinzipat. Die Consuln zögerten nicht, ihm den Gefolgschaftseid zu leisten und ebenso der praefectus praetorio L. Seius Strabo. Die Ermordung des Agrippa Postumus, die kurz nach der Regierungsübernahme des Tiberius erfolgte, führte zu Spekulationen, Tiberius hätte dahinter gesteckt, was jedoch kaum als sicher angesehen werden kann. Die Provinzen leisteten den Huldigungseid auf Tiberius. Trotzdem brach eine Meuterei der Legionen in Pannonien und Untergermanien aus. Tiberius blieb dennoch in Rom, er schickte seine Söhne Drusus und Germanicus, um diese Probleme zu lösen.


    Tiberius widmete sich derweil den Regierungsgeschäften. Er beachtete dabei streng die Normen der Nobilitätsherrschaft und bezeichnete sich selbst als Diener des Senates und der Gesamtbürgerschaft. Er war konservativ und bemühte sich darum, den von Augustus vorgezeichneten Weg einzuhalten. Sein Hauptaugenmerk lag darauf, die Finanzen im Rahmen zu halten, was ihm den Ruf übertriebener Sparsamkeit einbrachte. Gute Statthalter behielt er lange in den Provinzen. Außenpolitisch versuchte er, das Reich so zu erhalten, wie es war. Es weiter auszudehnen, lag nicht in seiner Absicht. Auch Germanicus, der in den Jahren 15 und 16 verlustreiche Feldzüge in Germanien durchführte – und dies ohne endgültige Erfolge verbuchen zu können, wurde schließlich von Tiberius zurückgerufen. Er gewährte ihm zwar einen Triumph, schickte ihn dann aber im Jahr 17 in den Osten, um dort die Verhältnisse zu ordnen und Kappadokien als Provinz dem Reich anzugliedern. Im Jahr 18 war Tiberius Consul, gemeinsam mit Germanicus.


    Als dieser im Jahr 19 infolge einer Krankheit in Syrien starb, nachdem er ohne Erlaubnis des Kaisers Ägypten bereist hatte, wurde dem Statthalter von Syrien, Cnaeus Calpurnius Piso, aufgrund der schweren Anschuldigungen, ihn vergiftet zu haben, die Germanicus noch auf dem Sterbebett gegen ihn erhoben hatte, der Prozess gemacht. Dieser entzog sich dem Urteil durch Selbstmord, um seine Familie zu schützen. Die Unparteilichkeit des Tiberius während des Prozesses gegen Piso wurde besonders hervorgehoben.


    Im Jahr 21 war Tiberius Consul, gemeinsam mit seinem Sohn Drusus. Tiberius zog sich, mit der Begründung seine Gesundheit festigen zu müssen, nach Campanien zurück, wodurch sein Sohn Drusus praktisch allein das Consulat ausführte. Von Campanien aus traf Tiberius die Maßnahmen zur Niederschlagung eines Aufstandes in Gallien, der in Rom große Wellen geschlagen hatte.



    Aufstieg und Fall des Seianus


    Lucius Aelius Seianus, Sohn des Lucius Seius Strabo, adoptiert von Lucius Aelius Gallus, war zunächst Praetorianerpraefekt neben seinem Vater Strabo. Als dieser jedoch zum Preafectus Aegypti ernannt wurde, blieb Seianus allein auf dem Posten des Praetorianerpraefekten. Er schaffte es, immer größeren Einfluß auf Tiberius zu gewinnen und unterhielt, natürlich ohne Wissen des Kaisers, eine ehebrecherische Beziehung zu Livia (auch Livilla genannt), der Ehefrau des Drusus. Im Jahr 23 starb Drusus, der Sohn des Tiberius, infolge eines Giftanschlages. Dieser war von Seianus angestiftet und von Livilla ausgeführt worden, was natürlich erst viel später bekannt wurde. Tiberius versagte es dem Seianus im Jahr 25, Livilla zu ehelichen.


    Tiberius verließ Rom im Jahr 26, wohl auf Betreiben des Seianus hin, und ging über Spelunca und Tarracina nach Capri, das er im Jahr 27 erreichte. Auf dem Weg gerieten sie während einer Rast in einen Steinschlag, wo Tiberius von Seianus vor herabstürzendem Gestein beschützt wurde, was sein großes Vertrauen in diesen Mann mit erklären mag. Tiberius blieb auf Capri. Auch als 28 Livia starb, verließ er es nicht. In Rom baute Seianus derweil seine Macht immer weiter aus und wandte sich vor allem gegen die Familie des Germanicus, Agrippina und ihre Söhne Nero und Drusus, die verbannt oder inhaftiert wurden.


    Wohl plante Seianus auch eine Verschwörung, um selbst zum Prinzipat zu gelangen, doch Tiberius erfuhr davon. Auf welchem Wege, ist nicht vollständig bekannt, doch wird vermutet, dass Antonia, die Witwe von Tiberius’ Bruder Drusus, ihm davon berichtete. Tiberius ernannte daraufhin Naevius Sertorius Macro zum Praetorianerpraefecten und verfasste eine Anklage gegen Seianus, die er an den Senat sandte. Seianus wurde verhaftet und vom Senat zum Tode verurteilt. Noch am gleichen Tag wurde er hingerichtet. Das gleiche Schicksal erlitten seine Kinder. Seine Ehefrau, von der er sich schon Jahre vorher getrennt hatte, wurde verschont. Sie berichtete Tiberius in einem Brief von dem Giftmord des Seianus und der Livia (Livilla) an Drusus und nahm sich selbst daraufhin das Leben. Viele Vertraute des Seianus verloren kurz darauf noch ihr Leben, unter ihnen auch Livia (Livilla). Dies geschah im Jahr 31 n. Chr.



    Die letzten Jahre und Tod des Tiberius


    Tiberius betrat Rom nicht mehr. Doch half er mit großzügigen Mitteln bei einer Wirtschaftskrise im Jahr 33 und bei einer schweren Feuersbrunst im Jahre 36. Im Jahr 35 griff er energisch in Thronstreitigkeiten im Partherkrieg ein. Er machte Tiridates II. zum König von Armenien und setzte Lucius Vitellius als Statthalter in Syrien ein. Dieser zwang den Partherkönig Artabanos zur Anerkennung dieser Maßnahme. Dies war aber nicht von langer Dauer, denn Artabanos verbündete sich mit den Skyten und trieb seinen Rivalen ohne große Mühe wieder aus dem Land.


    Im Jahr 37 begab sich Tiberius wieder in die Nähe Roms, betrat die Stadt aber nicht. Auf der Rückreise kam er nur bis zum Kap Misenum, wo er, bereits sehr krank, starb. Trotz seiner Krankheit gab es Spekulationen, ob seinem Tod nicht etwas nachgeholfen wurde, zumal sein Nachfolger Gaius Iulius Caesar Germanicus (Caligula) anwesend war. Doch bewiesen werden konnte dies nicht.


    Der Leichnam des Tiberius wurde in Rom auf dem Marsfeld verbrannt und die Asche im Mausoleum Augusti beigesetzt.



    Allgemeines zur Person des Tiberius


    Die Quellen sprechen sich unterschiedlich über Tiberius aus. Sicher scheint zu sein, dass es sich um einen ausgesprochen verschlossenen, am Ende seines Lebens sogar menschenscheuen Mann gehandelt hat, der seine Gefühle und Absichten niemals zu erkennen gab. Dem Augustus gegenüber war er treu und gehorsam, er gab dem Reich Stabilität durch gezielte militärische Maßnahmen und durch sparsamen Umgang mit den Staatsfinanzen. Doch es wird auch berichtet über eine Vielzahl von Prozessen, die aufgrund unbewiesener Anschuldigungen geführt wurden. Sogar von hohen Belohnungen für Ankläger wird berichtet. Selbst die Nachkommen der Angeklagten wurden demnach in vielen Fällen nicht verschont, sondern auf grausame Weise ums Leben gebracht. Vor allem für die letzten Jahre seines Lebens wird von Tyrannei, Ausschweifungen, Grausamkeiten und Schändlichkeiten berichtet. Inwieweit diese Anschuldigungen zutreffend sind, beziehungsweise jene Prozesse tatsächlich auf Tiberius zurückzuführen sind, ist allerdings ungewiß.


    Es ist bekannt, daß er kein Vergnügen an Schauspielen oder gar Gladiatorenspielen hatte, besuchte sie nur ausgesprochen selten und veranstaltete selbst keine. Er war nichtrömischen Religionen gegenüber tolerant, wenn sie sich in erträglichen Grenzen hielten und nicht zu öffentlichen Skandalen führten. Zweifelsohne war er ein hervorragender Feldherr. Einige Quellen sprechen davon, dass er den Prinzipat nicht angestrebt hat, andere, dass er dies nur vorgetäuscht habe.


    Die Persönlichkeit Tiberius bleibt somit für die Nachwelt im Dunkeln, da kaum festgestellt werden kann, welche der Beurteilungen übertriebener Bewunderung oder übler Nachrede zuzuschreiben sind. Doch immerhin regierte er Rom dreiundzwanzig Jahre lang und ist dabei sicherlich erfolgreich zu nennen." Damit endete der heutige Vortrag. Wieder griff Ursus als erstes nach dem Wasserglas, um seine Kehle anzufeuchten. Und auch, damit sich bei den Zuhörerern das Gehörte erst einmal setzen konnte.



    Sim-Off:

    Quellen:


    Der kleine Pauly, Lexikon der Antike; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München; März 1979


    Publius Cornelius Tacitus; Sämtliche erhaltene Werke; Unter Zugrundelegung der Übertragung von Wilhem Bötticher neu bearbeitet von Andreas Schäfer; Magnus Verlag, Essen 2006


    Cassius Dio; Römische Geschichte Band IV (Bücher 51 – 60), übersetzt von Otto Veh; 2007 Patmos Verlag GmbH & Co. KG Artemis und Winkler Verlag, Düsseldorf


    C. Suetionius Tranquilius; Sämtliche erhaltene Werke; Unter Zugrundelegung der Übertragung von Adolf Stahr, neu bearbeitet von Franz Schön und Gerhard Waldherr; Magnus Verlag 2004


    Ingemar König; Kleine römische Geschichte; 2001, 2004 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart


    Geschichte 9/07; Roms Kaiser von Tiberius bis Nero; Johann Michael Sailer Verlag GmbH & Co. KG, Nürnberg

  • Auch ich hatte mich wieder in der Räumlichkeit eingefunden. Mit einem "Salvete" in die Runde hatte ich es mir auf demselben Platz wie am Vortag gemütlich gemacht und wartete gespannt auf den zweiten Vortrag. Sicherlich hatte ich schon einige Fakten bezüglich des Thema´s vorher gewusst, doch vieles war dann doch Neuland für mich, was mein Wissensspektrum noch einmal erweiterte.
    Ursus hielt sich auch nicht lang mit der Begrüßung auf und als alle Kursteilnehmer den Weg hierher gefunden hatten, begann er auch schon.


    Da es sich nun doch um einige Jahreszahlen und die dazugehörigen Fakten handelte, griff ich zu meinem mitgebrachte Schreibutensilien und notierte die Dinge, die ich glaubte wieder zu vergessen.

  • Am ersten Tag hatte Seiana sich zurückgehalten. Im Grunde hatte sie nur da gesessen und gelauscht, während Faustus neben ihr saß. Zum Teil lag das sicherlich daran, dass es ihr einfach in den Fingern juckte, so wie früher dem Hauslehrer Streiche zu spielen oder wenigstens ihren kleinen Bruder abzulenken. Aber er sah recht konzentriert aus, und davon abgesehen hatten sie beide diesen Kurs diesmal selbst bezahlt und nicht auf Kosten ihrer Mutter Unterricht bekommen… Und sie wollte ja bestehen. Es war wohl besser, wenn sie aufpasste und keinen Unsinn anstellte. Dennoch wurde ihr Blick immer wieder angezogen von Faustus’ Kritzeleien. Was bei allen Göttern schrieb er da nur ständig auf? Sie schrieb ebenfalls mit, aber immer nur das Nötigste, das in ihren Augen Nötigste. Früher hatte er doch auch nicht so viel mitgeschrieben… Und es hatte trotzdem immer irgendwie gereicht. Seiana seufzte und konzentrierte sich endgültig auf den Vortrag, wohlwissend, dass sie zu Hause wohl etwas nachzuholen haben würde.


    Am nächsten Morgen war sie wieder da, nicht gerade überpünktlich, aber doch zeitig genug, und ließ sich mit einem Grinsen wieder neben Faustus sinken. „Na?“ murmelte sie ihm zu. „Wie lang hast du gestern noch gelernt?“ Viel Zeit sich zu unterhalten hatten sie allerdings nicht, denn schon kam der Aurelier herein und fuhr, nach einer kurzen Begrüßung, mit seinem Vortrag vom vorigen Tag fort. Seiana lehnte sich zurück, um zu lauschen, während ihre Finger mit dem Stilus spielten und sie sich hin und wieder Notizen machte.

  • Marcus brummte der Schädel, ach herrje, warum mußte man im Leben nur so viel lernen und wißen, warum so viel studieren und sich so viele Details in den Kopf hämmern? Während er so in den Reihen saß und immer wieder zu seinem Nachbarn gespäht hatte, war ihm dieser leidige Gedanke gekommen. Er war eine marmorne Schreibtafel und der Lehrer meißelte mit einem eisernen Werkzeug die Zahlen und Orte, Namen und Geschehnisse in ihn hinein. Aber Marcus war nun mal ein sehr brüchiger Marmor in Dingen der Gelehrsamkeit, die Fakten ließen sich schlecht auf ihm Schreiben und verwitterten sofort wieder. Er nickte jedoch und versuchte den Eindruck zu zeigen, daß er bei allem mitkam und alles sofort verstand. Den anderen gelang es doch auch? So wie sie Fragen stellten und sich regsam an der Diskussion beteiligten, Marcus seufzte frustriert und spähte zu Modestus, hoffentlich würde er bei ihm abschreiben können später noch, denn Marcus kam gar nicht mit dem selber schreiben hinter her, zumal er nicht genau sortieren konnte, was wohl bedeutsam sein könnte oder was nicht. Grübelnd hob Marcus die Hand und kratzte sich am Kinn. Aber der Aurelier war auf jeden Fall deutlich besser als sein letzter paedagogus in der Kindheit – das letzte Mal, daß Marcus etwas mit einer vergleichbaren Lehre zu tun hatte – denn Marcus fielen nicht die Augenlider herunter, noch sank sein Kinn auf die Brust, auch begann er nicht Wälder zu sägen mit seinem Schnarchen, was schon ein äußerst gutes Zeichen war. Marcus nickte hin und wieder und kritzelte auf seiner Wachstafel herum.


    Selbiges Bild fand man dann auch am nächsten Tag. Einige sehr eindeutige Wachsbilder zierten mittlerweile die ganze Tafel, umrahmt von seltsamen Gekritzel, aber Marcus hatte – entgegen seinem Bruder – keinerlei künstlerische Begabung, mal von seinem Instrument abgesehen, daß er mehr mit Leidenschaft als Virtuosität spielte. Unter der Tafel hatte Marcus noch einen Spickzettel eingepackt, den er schon bei dem dritten Examen der Militärakademie gebraucht hatte, damals ging es ja auch um die Kaiser, vielleicht würde er ihm ja auch hier nützlich sein. Eine nackte und schwer erkennbare Frau gewann durch seinen stylus an Form im Wachs, während er lauschte. Ach herrje, dieser Tiberius schien ein echter Langweiler zu sein, so sein Gedanke, kein Vergnügen am Amüsement. Doch was der Aurelier über den Aelius Seianus berichtete, das geisterte tatsächlich länger in Marcus' Kopf herum, die Aelier, die Aelier, langsam hatte Marcus das Gefühl, irgendetwas stimmte da nicht, aber er kam noch nicht ganz darauf...Marcus sah sich derweil um und sagte nicht, denn sicherlich würden noch schlaue Fragen kommen, Marcus fühlte sich nicht in der Lage, solche zu bringen, seine wären wohl eher simpler Natur.

  • Ursus wartete noch einen Moment, ob noch Fragen gestellt würden. Doch das war offensichtlich nicht der Fall. "Nun, wie ich sehe, ist soweit alles klar. Wir sehen uns dann morgen zur Prüfung und ich wünsche allen viel Erfolg!" Er blickte noch einmal in die Runde, lächelte aufmunternd und packte dann seine Unterlagen zusammen, um zu gehen. Morgen würde dann die Prüfung abgehalten werden. Er hoffte, daß alle Teilnehmer bestehen würden.

  • Zitat

    Original von Decima Seiana
    Am nächsten Morgen war sie wieder da, nicht gerade überpünktlich, aber doch zeitig genug, und ließ sich mit einem Grinsen wieder neben Faustus sinken. „Na?“ murmelte sie ihm zu. „Wie lang hast du gestern noch gelernt?“ Viel Zeit sich zu unterhalten hatten sie allerdings nicht, denn schon kam der Aurelier herein und fuhr, nach einer kurzen Begrüßung, mit seinem Vortrag vom vorigen Tag fort. Seiana lehnte sich zurück, um zu lauschen, während ihre Finger mit dem Stilus spielten und sie sich hin und wieder Notizen machte.


    "Och, schon ziemlich lang...", meinte ich leise, und etwas leidend zu meiner Schwester. Dabei machten wir das hier ja freiwillig. "Aber bis ich erst mal dazu kam, mich überhaupt in Ruhe hinzusetzen mit den Schriftrollen, war's schon spät." Ich dämpfte meine Stimme noch weiter, damit mein Centurio - mein ehemaliger Centurio - nichts davon mitbekam und klagte Seiana mein Leid.
    "Ich hab immer soo viel zu tun! Und noch viel mehr seitdem Centurio Flavius den Dienst quittiert hat - das ist übrigens der, der dort drüben sitzt, der, mhm, bisschen Kräftigere mit dem Gehstock, der war mein Centurio von Anfang an. Also, die Soldaten wollen dies, wollen das, wollen frei, wollen Dienst tauschen, oder sich vor den unangenehmen Aufgaben drücken, oder prügeln sich wegen irgendwelchem Blödsinn, und ich muss das dann klären, und überhaupt alles irgendwie im Auge behalten... Da kann ich mich ganz schlecht nur aufs Lernen konzentrieren, weisst Du."
    Mein Jammern war aber nicht ganz ernst gemeint, und ich grinste dabei so halb, denn ich war natürlich auch mächtig stolz auf diese ganze, bedeutsame Verantwortung. Ausserdem war die Lektüre an vielen Stellen recht unterhaltsam gewesen, vor allem das mit den zügellosen Ausschweifungen, die dem Tiberius da nachgesagt oder vielleicht unterstellt, jedenfalls genüsslich kolportiert wurden, das war schon ziemlich heftig!
    "Und Du, Schwesterherz, warst bestimmt auch seehr fleissig, so wie ich dich kenne?", neckte ich Seiana, "Oder was hast du sonst gestern noch gemacht?"
    Aber dann begann wieder der Vortrag, und ich hielt den Mund und machte mir wieder viele Notizen - um nichts zu verpassen. Morgen war also die Prüfung... Nachdem unser wirklich freundlicher Dozent den Raum verlassen hatte, wandte ich mich wieder zu meiner grossen Schwester, und fragte schamlos: "Du Seiana, wegen morgen, legst du Deine Tafeln mehr so in die Mitte, dass ich auch draufschauen kann? Nur für den Notfall natürlich!"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Am nächsten Tag fackelte Ursus nicht lange und gab die Fragen bekannt und auch die Frist zur Abgabe. Er war schon sehr gespannt, wie die Teilnehmer sich schlagen würden. Waren die Fragen zu schwer? Zu leicht? Hatten sie genug Zeit? Es war schwer, so etwas einzuschätzen. Doch er hoffte, die richtige Menge und eine gute Mischung aus leichten und schwierigen Fragen hinbekommen zu haben.


    Gespannt beobachtete er die Teilnehmer, während sie schrieben. Natürlich mußte er auch aufpassen, daß nicht abgeschrieben wurde. Aber das nahm er bei erwachsenen Menschen, die herkamen, um etwas zu lernen und nicht, weil sie von jemandem gezwungen wurden, eigentlich nicht an.

  • Am nächsten Tag hatte ich mich ebenfalls wieder hier eingefunden. Heute stand laut Ursus die Prüfung auf dem Plan. Zwar hatte ich mir zuhause das von mir notierte noch einmal angesehen, doch so richtig konzentrieren konnte ich mich nicht mehr. Also verließ ich mich auf das, was ich durch mein zuhören behalten hatte und machte mich an die Arbeit, nachdem Ursus die Fragen bekannt gab.


  • AN DER


    SCHOLA ATHENIENSIS



    FAND FOLGENDER KURS STATT:


    CURSUS CONTINUUS - DE IMPERATORE TIBERIO



    ABGEHALTEN VON:


    TITUS AURELIUS URSUS



    MIT AUSZEICHNUNG BESTANDEN HABEN:

    Decima Seiana
    Decimus Annaeus Varus
    Faustus Decimus Serapio
    Marcus Flavius Aristides


    DER KURS WURDE BESTANDEN VON:

    Caius Redivivus Evander
    Kaeso Annaeus Modestus
    Lucius Artorius Avitus


    DER KURS WURDE NICHT BESTANDEN VON

    Caius Flavius Aquilius
    Tiberius Prudentius Balbus



    [Blockierte Grafik: http://img81.imageshack.us/img81/8400/siegeltauwj6.gif]


    ~ROMA~


    ANTE DIEM XVI KAL DEC DCCCLVIII A.U.C.
    (16.11.2008/105 n.Chr.)


  • Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio


    Seiana grinste ihrem Bruder zu, während er sich darüber beklagte, wie schwer sein Leben doch geworden war. „Oh, ich bin mir sicher, du kriegst das alles großartig hin“, meinte sie, halb neckend, halb ernst. Nicht zuletzt Faustus’ Grinsen zeigte ihr, dass er es selbst nicht ganz so ernst meinte. „Ich? Oh, ehm, ja… Also… Na ja du kennst mich“, sie grinste breit, „gelernt hab ich schon, aber ob man das wirklich fleißig nennen kann, ich weiß nicht.“ Weiter unterhalten konnten sie sich nicht, weil der Vortrag begann, dem Seiana wie schon am Tag zuvor schweigend lauschte, bis der Aurelier den Raum erneut verließ und ihr Bruder sich wieder ihr zuwandte. „Für den Notfall, ja? Klar, wenn du das Gleiche machst.“


    Lange Zeit zum Unterhalten hatten sie an diesem Tag nicht mehr, weil sie beide los mussten, und der nächste Tag war der Prüfung gewidmet – außer einem kurzen „Viel Glück“ gab es nicht viel Gelegenheit zum Reden, zumal Seiana beinahe zu spät gekommen war. Als die Prüfung dann aber vorbei war und der Dozent den Raum verlassen hatte mit ihren Werken, lehnte Seiana sich zurück, streckte ihre Beine aus und überkreuzte die Füße leicht, und blinzelte zu Faustus hinüber. „Und? Wie ist es bei dir gelaufen? Weißt du, wann wir kriegen die Ergebnisse? Heute noch oder müssen wir dafür wieder kommen?“ Zu ihrer Schande musste Seiana gestehen, dass sie darauf gar nicht geachtet hatte. „Mmh… Was hast du noch vor, heute? Musst du gleich wieder zurück?“

  • "Ich glaub das dauert noch, bis er sich das alles durchgelesen hat. Aber" - ich war vollinformiert - "es gibt dann einen Aushang."
    Ausgiebig reckte ich meine Arme, war guter Dinge und erleichtert die Prüfung hinter mir zu haben, und den Notfallplan gar nicht gebraucht zu haben.
    "Ja, ich hab schon ein gutes Gefühl, nur am Ende, so für die beiden letzten Fragen, hatte ich zuwenig Zeit... Und bei Dir, auch gut gelaufen?" Natürlich war es das, Seiana machte solche Sachen schliesslich mit Links.
    "Mmh... naja eigentlich... - ach doch, lass uns doch noch zusammen was essen gehen, oder? Komm schon!"
    Ich packte mein Schreibzeug ein, und schlenderte Seit an Seit mit Seiana hinaus aus dem Unterrichtsraum, über Flure und Treppen und durch die ehrwürdigen Säulengänge der Scola Richtung Ausgang - unentwegt und fröhlich plaudernd.
    "War doch wirklich interessant, nicht? Ich finde das total faszinierend, dass jemand solche Widersprüche in sich vereinen kann wie Tiberius, und in seinen Taten so geradezu, ich sag jetzt mal existentiell gespalten, sein kann. Aber bestimmt ist es unheimlich schwer, auf dem Boden zu bleiben wenn man über die ganze Welt herrscht... also die ganze zivilisierte. Wenn man das mit all diesen üblen Prozessen hört, kann man doch echt froh sein, dass wir in unseren Zeiten leben, und nicht damals... -"
    An der Stelle unterbrach ich meinen Gedankenfluss, stiess Seiana in die Seite und neckte sie lachend:
    "Aber sag mal, Seiana, was würdest denn Du eigentlich machen, wenn Du Gardepräfektin und Schattenherrscherin von Rom wärst, hm?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • „Ein Aushang“, seufzte Seiana. Sie hatte ja schon befürchtet, dass es dauern würde, bis die Ergebnisse kamen. Na gut, daran ließ sich wohl kaum etwas ändern. Ein Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht, als sie ihren Bruder die Arme strecken sah, verzichtete aber darauf, ihn hier vor allen anderen zu kitzeln. Stattdessen wackelte sie kurz mit den Zehen und deutete, immer noch grinsend, ein Achselzucken an. „Doch, lief ganz gut, denk ich.“ Ein Moment verging in Schweigen, dann lächelte sie erfreut. „Ich hab gehofft, dass du das sagen würdest.“


    Nicht lange, und sie gingen nebeneinander durch die Schola, die vermutlich nicht häufig so muntere Gespräche und sogar ausgelassenes Gelächter zu hören bekam wie an diesem Tag. „Oh, faszinierend ist er, auf jeden Fall – ich hab den Eindruck, dass der Aurelier die interessantesten Sachen noch unterschlagen hat, jedenfalls hat er das nur ganz kurz am Schluss erwähnt. Aber existentiell gespalten, meinst du nicht du übertreibst da ein bisschen? Ich glaub der Mann war einfach ein Politiker, die sind doch alle irgendwie… na ja, etwas paranoid, etwas schauspielerisch veranlagt…“ Verdutzt sah sie Faustus dann an, nur um im nächsten Moment zu lachen, während sie das Gebäude verließen. „Ich? Als Gardepräfektin und Schattenherrscherin? Ich würd den Laden erst mal auf Vordermann bringen, das kannst du mir glauben. Halt, nein, zuallererst würde ich dich befördern und dich zu meiner rechten Hand machen, und dann würde ich mit dir für Ordnung sorgen…“ Der Rest ging in Gelächter unter, während sie sich auf die Suche nach einer kleinen Taverne machten.

  • Es wurde gehörig geschwitzt, gebangt und geschrieben, Marcus hatte sich freilich auch an dem nächsten Tag in der schola eingefunden und nahm nun an der Prüfung teil, ach herrje! Warum konnten sie die Aufgaben nicht einfach zu Hause lösen? Marcus starrte auf die Fragen und verlor jede Hoffnung, die Prüfung zu bestehen, denn im Grunde war alles sehr schleierhaft, was dort gefragt wurde. Marcus hob die Hand und kratzte sich lange und ausgiebig am Nacken, starrte auf sein Pergament und kritzelte einige Antworten dahin, die er nicht als richtig erachtete. Zudem war natürlich jede Antwort mit einem Haufen von Rechtschreibfehlern gespickt. Und wie die Zeit verflogt, grade eben war noch die Glocke für den Beginn geläutet worden und schon wurden die Antworten eingesammelt. Ächzend lehnte sich Marcus zurück, ganz als ob er gerade ein schweres Gefecht durchstanden hatte, was er wohl auch getan hatte. Er sah sich noch um, musterte die anderen Prüflinge, die alle doch recht entspannt wirkten. Die würden bestimmt alle bestehen; Marcus erhob sich, nickte Modestus noch mal zu, von dem er natürlich auch versucht hat abzuschreiben, ohne sich dabei zu genieren. Dann lief er hinaus.


    Etwas später...mit einem Sklaven im Schlepptau kam Marcus zu dem Anschlag an der schola. Und suchte nach seinem Namen; jetzt, wo er so viel Schweiß darin investiert hatte, und das war nicht nur bildlich zu verstehen, wollte er auch wißen, was dabei herum kam.
    „Dominus, Du hast bestanden. Hier! Hier ist Dein Name!“
    „Wo?“
    , fragte Marcus und spähte auf die Bestanden-Liste.
    „Na, da oben! Bei dem diploma-Teil.“
    Irritiert runzelte Marcus die Stirn, Tatsache, da stand sein Name, Marcus schüttelte verwirrt den Kopf, das konnte nicht sein, so ein Gekritzel wie von ihm war bestimmt noch nicht mal das Siegel: Bestanden wert. Dann wanderten seine Augen zu einem Namen ganz weit unten: Caius Flavius Aquilius...nicht bestanden? Nein, das konnte nicht sein. Grübelnd sah er wieder hoch, dann wieder runter. Und einem Geistesblitz kam ihm die Erleuchtung! Natürlich! Ihre Namen waren verwechselt worden, vielleicht hatten die tabulae beim Transport gelitten, womöglich waren die Namen verschmiert, so daß man nur noch das Flavius A zu erkennen war und dann waren die Antworten vertauscht worden; nur so und nicht anders konnte es möglich sein, denn schließlich war sein Vetter der Klügere von ihnen beiden und Marcus nicht gerade die hellste Leuchte. Marcus seufzte und wandte sich um, ob er den Irrtum aufklären sollte...? Marcus rieb sich verwirrt den Nacken, schweigend und in sich gekehrt machte er sich auf den Rückweg.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!