Inhapy - Hebamme und Freizeitseelsorger

  • Jetzt hatte Ánthimos es geschafft. Inhapy saß einen Moment sprachlos da und schaute ihn an. Und Inhapy war nie sprachlos und wusste sonst immer etwas zu sagen. Bis sie sich gefangen hatte, dauerte es einen Moment.
    “Du willst Hebamme werden? Aber du… du bist ein Mann! Männer verstehen nichts von den Vorgängen… also…“
    Verwirrt schüttelte Inhapy den Kopf und stand auf. Sie ging die paar Stufen der Treppe hinunter und lief auf der sandigen Straße ein wenig auf und ab. Sie musste das kurz überlegen.
    “Ich werde dir nichts über die Geheimnisse bei der Geburt erzählen. Du bist ein Mann!“
    Sie drehte sich und stapfte wieder in die andere Richtung.
    “Höchstens, was so grob passiert, aber denk gar nicht dran, bei einer Geburt ins Zimmer zu wollen. Männer haben da nichts zu suchen.“
    Und wieder Richtungswechsel, diesmal wieder auf Anthi zu.
    “Bei den Kräutern kenn ich nur die ägyptische Medizin, nicht was die Griechen im Museion machen.“
    Und wieder auf dem Absatz kehrt und weitermarschiert.
    “Natürlich könnte ich dir das beibringen, aber das wird dir im Mueion wohl nicht viel nützen dann. Die machen das meiste doch etwas anders.“
    Und wieder auf ihn zu.
    “Ich meine, die versuchen immer hinter den Sinn und Zweck des Ganzen zu kommen und alles haarklein aufzuspalten. Und ich kann nicht mal lesen, um das ganze aufzuschreiben.“
    Jetzt blieb Inhapy vor Ánthimos stehen und sah ihn streng an.
    “Was ich mache, ist sehr altes Wissen. Über Generationen erlernt und weitergegeben. Das lernt man nicht einfach eben mal so schnell. Also, wenn du das willst, muss es dir damit auch wirklich ernst sein, weil ich hab nicht so viel Zeit, als dass ich die sinnlos verschwenden möchte.“
    Wenn Anthi das wollte, konnte sie ihm die Heilpflanzen beibringen. Auch wenn er ein Mann war. Und noch schlimmer, ein Grieche. Aber dann musste es ihm wirklich ernst sein und nicht nur eine spontane Idee, denn Inhapy hatte Männern gegenüber nur eine begrenzte Geduld.

  • Nun sie schien ihm nur teilweise zugehört zu haben. Er wollte ja auch gar nicht bei einer Geburt dabei sein. Er war ja nicht verrückt! Es gab einfach Sachen, die wollte man(n) nicht wissen... Aber ihre restlichen Antworten stellten ihn voll zufrieden.
    "Nein, das ist keine Sache die mir einfach nur so eingefallen ist." Er erhob sich ebenfalls. "Ich bin Athlet, und daher kenne ich den Körper sehr genau. Ich kenne die Muskeln und was sie bewirken und ich kenne schon einige Behandlungsmethoden bei Verwundungen. Gerade was die Schwerathletik betrifft, kommt man damit zwangsläufig in Berührung. Augerenkte Finger, Platzwunden oder blaue Augen gibt es da ja ständig. Gerade aber was die Kräuterkunde und die Behandlung von Krankheiten betrifft kann ich sicher viel von dir lernen. Also ich versichere dir, dass es keine verschwendete Zeit sein wird, wenn du mich lehrst. Dass du nicht schreiben kannst ist kein Problem, ich kann das. Wenn du magst kann ich es dir beibringen, oder deinen Söhnen. Du musst mir auch nicht jetzt sofort eine Antwort geben. Ich will dich ja nicht überfahren."

  • “Oh, nein, fang du nicht auch noch damit an.“
    Beinahe resignierend nahm Inhapy einmal ihre Hände hoch, als wolle sie die Götter anflehen. Ánthimos bekam auch gleich die Erklärung für ihre Geste.
    “Neuerdings ist hier in Rhakotis schon ein verrückter Grieche, der alle Eltern überreden will, die Kinder zu ihm zu schicken, damit sie lesen lernen. Ich meine, sind die jetzt alle verrückt geworden? Natürlich würde ich ihm meine Kinder schicken, aber die großen müssen arbeiten. Hatnofer geht bei mir in die Lehre, Hay und Bay arbeiten beim Ziegelmachen. Wer kann sich so einen Blödsinn schon erlauben? Zum Lesen lernen…“
    Inhapy hatte da wohl herzlich wenig Verständnis dafür. Natürlich war es für das ein oder andere Kind die Möglichkeit, mehr aus seinem Leben zu machen. Aber welche Familie konnte es sich schon leisten, auf eine Arbeitskraft zu verzichten? Erst recht bei den Ägyptern, die auch wenn sie lesen konnten selten so gute Arbeit bekamen wie ihre griechischen Mitbürger. Die Kinder, die jetzt bei diesem seltsamen Griechen waren, stammten also ausnahmslos aus Familien, denen es ohnehin schon besser ging als den meisten. Wer wirklich arm war, konnte es sich nicht erlauben, ein arbeitsfähiges Kind nicht arbeiten zu schicken.
    “Ich musste in meinem ganzen Leben noch nichts lesen. Alles, was ich wissen muss, ist hier drin“, und bei diesen Worten tippte sie sich gegen den Kopf, “und ich muss nicht erst irgendwo nachschauen, weil ich es vergessen hätte. Wenn man etwas kann, kann man es auch ohne es zu lesen. Und wenn du von mir lernen willst, dann musst du es auch auswendig lernen, ohne vorher nachschauen zu müssen.“
    Inhapy war der festen Überzeugung, dass die Griechen nur deshalb alles im Museion aufschrieben, weil sie es sonst gleich wieder vergessen würden. Daher hielt sie auch nicht so viel davon. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Ánthimos streng.
    “Na gut, versuchen können wir es ja mal.“

  • Alexandria war wirklich ein kleines Dorf. Aber er verstand Inhapys Situation voll. Allerdings war sie da auch ein wenig kurzsichtig: Wenn eines oder zwei ihrer Kinder bei ihm und Pelo lernten, könnte das bald die ganze Familie versorgen.
    "Sag mal Inhapy, was verdienen deine Söhne denn so in der Woche? Ich verdiene als Scriba 30 Drachmen die Woche, und das eigentlich nur damit, dass ich schreiben kann. Überlege mal, was das bedeuten würde, wenn deine Söhne das auch schaffen würden. Findest du immernoch es ist blöd lesen und schreiben zu lernen? Ich mache dir ein Angebot: Dafür dass du mich lehrst und dich um Penelope kümmerst, bezahle ich dir 10 Drachmen die Woche. Im Gegenzug werden ich und Penelope deine drei Jungs zwei bis drei mal pro Woche im Lesen und Schreiben unterrichten. Ob sie sonst noch arbeiten gehen, ist natürlich deine Entscheidung. Wenn du sagst, dass nur dein jüngster Sohn lesen und schreiben lernen soll, bin ich damit auch einverstanden. So können wir alle von der Sache profitieren. Ihr habt mehr Geld und deine Söhne eine bessere Aussicht für die Zukunft und ich werde ganz sicher sehr von deinem Wissen profitieren." Dann hob er abwehrend die Hände. "Und fang jetzt bitte nicht damit an, dass du keine Almosen annehmen willst. Ich stehe tief in deiner Schuld, denn du hast Pelo geholfen als es ihr schlecht ging. Und bei diesem Geschäft können beide Seiten nur profitieren, also ist das auf gar keinen Fall als Geschenk oder gar Almosen zu sehen. Also was sagst du?"

  • “Ánthimos, du bist auch Grieche. Sag mir, wer stellt einen Ägypter als Scriba ein?“
    Inhapy schien über seinen Vorschlag nicht wirklich glücklich zu sein. Man konnte ihr richtig zusehen, wie sie das Für und Wider gegeneinander abwog und versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Offenbar war es alles andere als einfach, denn es dauerte eine ganze Weile.
    “Zwei mal die Woche, höchstens, und ich werde meine Jungs nicht zwingen, es zu lernen. Wenn die vom arbeiten heimkommen sind sie müde oder wollen spielen, wenn du ihnen das Lesen beibringen willst, dann versuch dein Glück.“
    Natürlich barg das eine Chance, das verstand Inhapy sehr wohl. Aber sie konnte nicht überzeugend gegen ihre eigene Meinung sein und ihre Jungs da zwingen. Hay und Bay waren kluge Burschen, aber sie wollte ihnen ein bisschen Kindheit gerne noch geben. Wenigstens in den stunden, in denen sie nicht arbeiten mussten, durften sie machen, was sie wollten. Natürlich würde sie Ánthimos auch ein wenig unterstützen, aber sie würde die Jungs nicht zwingen.

  • Nun sie wollte die beiden Jungs trotzdem noch arbeiten schicken? Das verstand er zwar nicht, aber das war ja ihre Sache...


    "Kennst du Cleonymus? Der ist ebenfalls Ägypter und ist Strategos. Also kann es daran sicher nicht liegen. Wie gesagt, das ist ein Angebot und ich denke gerade auch deinem jüngsten Sohn wird das sicher viel Spaß machen. Das ist es ja: kinder wollen lernen, du wirst schon sehen. Er ist ungefähr im gleichen Alter wie ich, als ich angefangen habe diese Sachen zu lernen."

  • So ganz war Inhapy immer noch nicht überzeugt, aber wenn dieser verrückte Grieche hier sie dafür bezahlen wollte, dass er ihre Kinder an zwei Abenden die Woche beaufsichtigte und sie nur die Mädchen dahatte, wollte es ihr recht sein. Wenn sie sicher wüsste, dass das Lesen ihren Jungs so viel einbrachte, hätte sie sie auch zuhause gelassen. Aber wenn diese nicht arbeiten gehen würden, hätte der Jude, für den sie arbeiteten, schnell zwei andere gefunden. Und diese Arbeit war zu gut, um sie zu riskieren.
    “Nagut, wie du meinst. Sollen meine Jungs dann zu euch kommen, oder willst du ihnen das hier beibringen?“


    Zu Cleonymus enthielt sich Inhapy. Sie mochte die gesamte Stadtwache nicht besonders, da hatte Cleonymus auch keinen Bonus, nur weil er Ägypter war.

  • Anthi überlegte kurz.


    "Am Besten bei uns. Da haben wir Wachstafeln zum Üben. Sonst müssen wir das jedes Mal hieher bringen. Ich komme hierher zum Lernen und sie kommen zu uns. Wenn es nachher schon dunkel ist, bringen wir sie selbstverständlich nach Hause, damit ihnen nichts passiert."

  • Inhapy nickte stumm und wackelte dabei leicht überlegend mit dem Kopf. So ganz verstand sie noch nicht, worauf sie sich hier eigentlich grade eingelassen hatte, aber sie war der Überzeugung, dennoch alles unter Kontrolle zu haben. Penelope würde den Jungs dann schon was zu Essen geben, wenn es wirklich spät werden sollte, da hatte Inhapy gar keine Bedenken. Eigentlich war das wirklich eine Situation, in der sie beide nur profitieren konnten. Und gleichzeitig würde ihre Haushaltskasse einen kleinen Schub bekommen.


    Hinter Inhapy flog die Haustüre auf und ihre kleinste, die dreijährige Nebet, kam weinend auf ihre Mama zugelaufen. Sofort waren alle Gedanken an Lesen und schreiben vergessen und die Mutter kümmerte sich einfach um ihr Kind. Sie nahm das Mädchen gleich in die Arme und hoch und redete beruhigend auf sie ein und fragte, was passiert war.
    Zwischen den Schluchzern, und den hohen Schreilauten, die kleine Kinder beim Weinen nun mal von sich gaben, kam etwas raus, das so klang, als wäre sie dem Ball hinterher gerannt und dabei hingefallen. Jetzt war natürlich ein Knie aufgeschürft und blutete ein bisschen. Nicht schlimm, aber natürlich schlimm genug, dass es sofort von Mama verarztet werden musste.
    “Nun, Ánthimos, dann komm mal mit rein, dann bring ich dir gleich was über Schürfwunden bei.“

  • Der große Grieche folgte Inhapy ins Haus. Leider hatte er nicht seine Wachstafel dabei. Er würde sich das wohl bis später merken müssen um es aufzuzeichnen. Aber das sollte ja kein Problem sein.



    Das schrille Weinen der kleinen schmerzte in Anthis Ohren. Das war ja furchtbar! Aber sein Mitleid ergriff schnell die Oberhand. Und so blickte er hilflos zu Inhapy. Er selber würde sich wohl die Wunde mit Wasser auswaschen. Eventuell würde er noch etwas Salz hinzugeben. Sein Vater hatte es immer so gemacht und dann gesagt: Je mehr es brennt, desto besser heilt es!


    "Ich würde die Wunde mit Salzwasser auswaschen. Zur Not würde es wohl auch normales Wasser tun. Dann sollte sie sich nit entzünden. Sie scheint ja ziemlich oberflächlich zu sein."

  • Was waren das denn für barbarische Methoden, die Ánthimos da vorschlug? Vor allem bei einem so kleinen Kind! Nein, nein, gut, dass er zu ihr gekommen war, um was zu lernen, Penelope hätte sonst wohl einige Diskussionen führen müssen bei aufgeschürften Knien oder Händen. Salzwasser, auf was für Ideen die Griechen so kamen!
    Nebet hatte natürlich das mit dem Salzwasser gehört und weinte nun noch ein paar Oktaven höher, weil sie Angst bekommen hatte. Inhapy versuchte, sie durch ein bisschen streicheln wieder zu beruhigen, während sie sie auf die Tischkante setzte. Es brauchte ein wenig, bis sie ihre Tochter loslassen konnte, damit sie die nötigen Mittel holen konnte.
    Sie zog Ánthimos einfach ungefragt mit sich zu ihrem Kräutergarten und hielt ihm die jeweiligen Sachen immer unter die Nase, damit er sie sich auch genau anschaute.
    “Zunächst mal sollte Medizin zwar unangenehm sein, aber nicht mehr weh tun als das, was du behandelst. Salzwasser…. Griechen…
    Wir müssen die Wunde erstmal sauber machen. Hier, Zwiebel. Zerkleinern und ins Wasser damit. Und dazu noch Honig.“

    Während sie Anthi beobachtete, wie er die Lösung zusammenmixte, winkte sie aufmunternd zu ihrer Tochter herüber und lächelte sie an. Dem Mädchen war das alles nicht ganz geheuer, warum da jetzt noch ein Fremder da war, und sie weinte noch immer. Inhapy allerdings schenkte ihr nicht zuviel Mitleid, wohl wissend, dass dadurch das Weinen nur schlimmer würde. Stattdessen erklärte sie Ánthimos lieber, was es damit auf sich hatte.
    “Die Zwiebel hat reinigende Kräfte. Wenn du etwas mit Zwiebel einreibst, entzündet es sich nicht. Aber es brennt. Deshalb nicht den bloßen Zwiebelsaft, sondern mit Wasser verdünnt. Und den Honig, weil Honig ist mild und verklebt die Wunde. Dann hört sie auch sogleich auf zu bluten.“
    Bei dem bisschen Knie ihrer Tochter hatte es zwar schon längst aufgehört zu bluten, aber wenn Inhapy etwas beibrachte, dann richtig.

  • Zwiebeln und Honig? Das hörte sich eher nach einer ägyptischen Zwiebelsuppe an. Ob er das Pelo und seinen Brüdern mal als Frühstück vorsetzen sollte? Bei dem Gedanken musste er breit grinsen. Doch das verging ihm schnell, denn durch die dämpfe der Zwiebel begannen seine Augen zu tränen. Trotdem hörte er Inhapy aufmerksam zu.


    "Gut, Zwiebeln zum Reinigen und Honig zum verkleben. Funktionier das auch ohne Wasser? Also wenn der Patient nicht gerade ein kleines Mädchen ist."


    Immer wieder musste er sich über seine Augen wischen, weil ihm die Tränen die Sicht nahmen.

  • Offenbar hatte Inhapy eine scharfe Zwiebel erwischt und Ánthimos kochte wohl nicht häufig. Sonst hätte er bestimmt den Trick gekannt, einfach durch den Mund solange zu atmen, damit die Augen nicht brannten.
    “Wie willst du den Zwiebelsaft denn aus der Zwiebel bekommen ohne Wasser, und mit Honig vermengen? Das gäbe ja dann eher eine zähe Pampe als etwas, mit dem man Wunden waschen kann. Wenn du eine Salbe zum Auftragen machen willst, machst du das ohne Wasser, aber zum Auswaschen immer sauberes Wasser dazu. Oder Wein, das geht auch, ist aber teuer.“
    Nachdem Ánthimos alles fertig verrührt hatte und der Honig aufgelöst war, nahm Inhapy die Schale entgegen. Mit einem sauberen Lappen widmete sie sich dann dem töchterlichen Knie, das machte sie lieber selber. Bei dem Griechen würde ihre Tochter wohl schreien, und außerdem kam da bei Inhapy ganz einfach der Mutterinstinkt durch.
    Schnell war das Knie gewaschen und versorgt, und auch bald schon hörte das Weinen ganz auf.
    Als Inhapy schließlich fertig war, bekam die Tochter noch einen Kuss auf die Stirn und wurde von der Mama vorsichtig auf den Boden wieder runtergelassen. Aus dem Hinterhof drang das Freudenschreien der Geschwister, und schnell machte sich Nebet wieder auf, dem Ball wieder hinterherzuhetzen.
    Inhapy blieb zurück und wandte sich ihrem neuen Schüler wieder zu.
    “Das wichtigste ist, immer ruhig zu bleiben und immer dem Patienten das Gefühl geben, man hat alles unter Kontrolle. Angst macht viele Verletzungen schlimmer, als sie eigentlich sind. Und du musst immer den ganzen Menschen behandeln, nicht nur die Krankheit oder die Beschwerde.“

  • Das war für Anthi wohl kein Problem. Ruhig konnte er gut bleiben. jemand der leicht in Panik geriet, würde beim Pankration wohl schnell den Kürzeren ziehen.


    "Ruhe bewahren, ist klar. Damit habe ich kein Problem. Wenn du häufig jemandem im Kampf gegenüber stehst, dann lässt du dich von so etwas nicht aus der Ruhe bringen. Ich denke man sollte dem Patienten zeigen, dass man immer alles unter Kontrolle hat."

  • Na, offenbar war der Grieche doch einigermaßen Lernfähig. Wenn Inhapy der Vergleich mit einem Kampf bei der Patientenbehandlung auch nicht ganz gefiel. Man arbeitete ja mit dem Patienten und nicht gegen ihn.
    “Genau. Und streich den Satz „Ich weiß es nicht“ am besten gleich aus deinem Wortschatz. Kein Patient will hören, dass sein Helfer keine Ahnung hat.“
    Inhapy räumte wieder alles fein säuberlich auf. Die meisten der Pflanzen hier wurden ebenso zum Kochen benutzt wie für ihre Medizin, daher wollte Inhapy aus beiden Gründen immer alles akkurat und sauber haben.
    “Die meisten Krankheiten kommen vom Essen. Schlechtes Essen, schlechtes Wasser, schlechte Geister. Und weil die meisten Krankheiten daher kommen, kann man die meisten auch mit anderen essbaren Sachen heilen. Zwiebel hilft bei Krankheiten des Blutes, Koriander bei Magenschmerzen, Bohnen und Linsen dienen zur Stärkung des Geistes…“
    Inhapy zeigte dabei immer auf die einzelnen Dinge.
    “Aber fürs Erste reicht das heute denke ich.“

  • Da rannte Inhapy offene Türen ein. Anthi achtete schon immer sehr genau was er aß. Das musste er auch als Athlet, schließlich merkte man nur allzu schnell das manche Speisen einen brutal bestraften, wenn man am nächsten Tag trainierte.


    "Da hast du recht. Das hab ich an mir auch schon gemerkt. Muss ich bei Pelo auf irgendwas achten. Braucht sie eine besondere Ernährung jetzt wo sie für zwei isst? Ich weis ja was ich essen muss um gesund und stark zu bleiben."

  • Na, endlich mal ein Mann, der vernünftige Fragen stellte. Die meisten anderen interessierte nur, was die Frau essen sollte, damit es auch ja ein Junge würde. Aber Ánthimos sorgte sich anscheinend nur um ihre Gesundheit.
    “Nein, sie sollte nur genug essen, sie isst ja immer wie ein Spatz. Später wird ihr Körper einfordern, was sie gerade braucht. Mach dich schon mal darauf gefasst, dass sie mitten in der Nacht auf einmal aufsteht, um Feigen und Trockenfleisch zu essen, oder einen Heißhunger auf Fisch mit Honig entwickelt. Gib ihr dann einfach, was auch immer sie haben möchte, ihr Körper weiß dann schon, was er braucht. Da musst du dir keine Gedanken machen.“

  • Anthi war heute fröhlich, denn er freute sich schon wieder etwas von Inhapy zu lernen. Die letzte Lektion hatte er daheim fein säuberlich aufgeschrieben, und heute hatte er auch eine Wachstafel dabei.
    Kaum war er angekommen, klopfte er auch kurzentschlossen an.
    Keine zwei Augenblicke später offnete Inhapy auch schon die Tür.
    "Anthi, du bist es, komm rein." Sie begrüßte ihn jedes mal freundlicher. Wenigstens hatte er sie dieses Mal wohl nicht bei der Verrichtung ihrer ehelichen Pflichten gestört.
    Sie gab ihm zu verstehen, dass er sich setzen solle, genau das machte er dann auch und blickte sie neugierig an

  • Inhapy hatte zwar nicht wirklich eingeplant, dass Ánthimos heute kommen würde, aber dennoch hatte sie für seinen Unterricht ein wenig vorgesorgt. Er würde dasselbe erzählt bekommen wie ihre Tochter Hatnofer, die Hebamme werden würde, und daher hatte Inhapy schon ein wenig Erfahrung mit dem Lehren. Deshalb ging sie gleich zu ihrem Kräutergarten im Fenster herüber und holte ein paar Dinge herüber, damit es anschaulicher war. Immerhin war Ánthimos ein Mann, da war etwas veranschaulichungsmaterial vielleicht gar nicht schlecht. Und da er Grieche und kein Ägypter war, musste Inhapy ihn erst einmal über ein paar Grundlegende Dinge aufklären. Den Kopf in ihren Kochsachen vergraben begann sie also, Anthi aufzuklären.
    “Also, da du Grieche bist, fang ich vielleicht besser ganz am Anfang an. Bei euch sind eure Götter immer für sich stark und einzigartig und gewaltige Mächte, jede für sich allein. Einige sind verheiratet, einige haben Nachkommen. Wenige haben Nachkommen mit ihren Ehefrauen, soviel weiß ich schon.
    Bei Ägyptischen Göttern ist das anders. Fast jede männliche Gottheit hat eine weibliche Gottheit, die ihm zur Seite steht. Zur Seite, nicht untergeordnet. Denn in der Zahl zwei steckt große Macht, und nur ein Mann oder nur eine Frau sind nicht vollkommen. Auch die Götter nicht. Erst, wenn das männliche und das weibliche Prinzip aufeinandertreffen und sich harmonisch vereinen, entsteht perfekte Eintracht und etwas Vollkommenes.“

    Offenbar hatte sie alles gefunden, was sie gesucht hatte, denn sie drehte sich wieder zu Ánthimos um.
    “Und dieses Prinzip, von dem Zusammenspiel von männlichem und weiblichen Kräften, durchzieht ganz Ägypten. Deshalb sind unsere Frauen ihren Männern auch nicht untergeordnet, sondern gleichgestellt. Und es findet sich auch in unserer Medizin. Denn eine Krankheit entsteht dann, wenn es ein Ungleichgewicht im Körper gibt. Wenn wir etwas schlechtes gegessen haben, werden wir krank. Und wenn wir daher den Körper mit dem richtigen Essen behandeln, wird er wieder gesund. Soweit alles klar?“

  • Anthi war schon ein wenig darüber überrascht, was sie da sagte. Wobei er eher überrascht war wie offen sie das sagte. Eigentlich dachte er ebenso. Seine Mutter war eine starke frau gewesen und eigentlich mit seinem vater gleichberechtigt gewesen. Sich und Penelope sah er ähnlich, auch wenn er sie im Moment noch bei manchen Sachen etwas an die Hand nehmen musste. Aber das so offen zu sagen, hätte er sich nie getraut. Schließlich stand da sein Ruf auf dem Spiel! Wenn öffentlich bekannt werden sollte, dass er so dachte würde er sich einen Posten in der Stadtverwaltung abschminken können.


    "Ich verstehe. Ein Gleichgewicht. Mann und Frau. Mhhh. Und das mit dem Essen hatten wir schonmal." Er notierte sich schnell etwas auf seiner Wachstafel.

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