Triclinum - Das Speisezimmer

  • Tiberius nickte zustimmend.


    "Das ist durchaus ein gangbarer Lösungsweg, den du da vorgezeichnet hast. Letztlich basiert deine Ansicht darauf, dass man wenn es quasi hart auf hart kommt, am besten das berücksichtigen kann, was man auch objektiv erkennen kann. Absolut sinnvoll In unserem Beispiel besonders gut für den Verkäufer. Und auch gut für den Warenverkehr auf den Markt. Die Leute auf dem Markt müssen sich ja darauf verlassen können, was geäußert würde. Sonst könne ja praktisch jeder kommen. So kann man keine Wirtschaft betreiben."


    Er dachte einen Moment nach.


    "So, nun, da wir uns ein bisschen mit dem juristischen Denken und dem Abwägen verschiedener Argumente - denn letztlich ist die Anwendung des Rechts of genau das - vertraut gemacht haben, können wir uns wenn keine Einwände oder Fragen bestehen ein bisschen der glorreichen Geschichte des römischen Rechtes zuwenden."

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  • Caesoninus dampfte immer noch das Hirn nach dieser abstrakten Spitzensportleistung seines Denkvermögens, doch er freute sich, dass Flaccus ihm grundsätzlich zustimmte. Was jedoch noch besser war, war der angekündigte Stoff, der als nächstes an die Reihe kommen würde. Ein wenig "Geschichte des Rechts"!


    Wenn das einmal keine Neuigkeit war! Er freute sich darauf, denn es versprach ein spannendes Thema zu werden. Wie wohl Flaccus beginnen würde? Und wie dann weitermachen? Caesoninus vermutete, dass er womöglich bei etruskischem Recht und Brauch beginnen würde, zusammen, oder getrennt vom 12-Tafel-Gesetz. Hinterher vielleicht eine Runde "Gesetzgebung im Königtum", bis es dann mit der Vertreibung der römischen Monarchen und der Ausrufung der Republik spannend zu werden versprach mit den Gegensätzen Patrizier vs. Plebejer und Senat vs. Volksversammlung/Zenturien/Komitien (also comitia tributa, comitia centuriata und comitia curiata) und ihren ewigen Kämpfen um Rechte, Privilegien und der Gesetzgebungskompetenz.


    So lehnte sich Caesoninus zurück, um darauf zu warten was da kommen würde und was neu und was ihm schon bekannt sein würde.

  • Na denn mal los. Immer wenn es um die Geschichte ging, war Tiberius etwas aus seiner Komfortzone. Schon deshalb, weil es mit seinem täglichen Geschäft nicht wirklich viel zu tun hatte. Trotzdem war es für das Verständnis des rechts enorm wichtig zu verstehen wo selbiges eigentlich her kam.
    "Prima. Vielleicht da Schwierigste für uns ist jetzt in der Geschichte den Anfangspunkt zu finden. Schon allein weil so viele der Usrprünge schlicht im Dunkeln liegen. Aber wir können zurück schätzen aus dem was wir heute haben und den Dingen die tatächlich überliefert sind, wie es ausgesehen hat.Teilen wir das Ganze zum besseren Verständnis auf. Wir nehemn einerseits die römicshe Staatskunst und wie die sich entwickelt hat und andererseits, soweit trennbar die Entwicklung des zivilen Rechts. Beginnen wir um eine solide Basis zu legen einmal mit dem römischen Staat und der Beziehung dessen zum Recht. Ich werde euch nicht mit dem langweilen, was allgemein bekannt ist. Jedes Kind weiß, dass Rom zu Beginn eine Königsherrschaft warund anders als Athen mit ihrem Solon oder Sparta mit Lykurgos haben wir keine Übergestalt, die die Gesetze und die Verfassung herunter dekretiert hat, Nein, der römische Weg der frühen Zeit ist der Weg der langsamen Entwicklung von Sitte und Gewohnheitsrecht. Darin ist der König der Vorsteher des Volkes. Und dabei kein unumschränkt herrschender von allen Einflüssen losgelöster Gottherrscher. Auch wenn ein paar Legenden das vielleicht suggerieren mögen. Im Gegenteil wissen wir, dass auch der König den Gewohnheiten und den sakralen Traditionen zu folgen pflegte. Und der Senat wird seine sicher damals schon mit autoritativer Stimme gesprochen haben. Trotzdem haben wir einige überlieferte Gesetze, die auf die Könige zurückgehen. Nehmen wir doch einmal das Tötungsgesetz des Numa.Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit patricidas esto.* Eine höchst interessante Vorschrift. Manche Gelehrte sage, dass hier das römische Volk die Schwelle von der Barbarei zur Zivilisation überschritten habe. Nehmt doch diesen Satz einmal auseienander und beleutet ihn von verschiedene Seiten. Was muss passieren, damit was was passiert und was bedeutet es?"


    Sim-Off:

    *Wer einen freien Menschen mit Vorsatz und wissentlich dem Tod gegeben hat, soll ein Vatermörder sein (Wie ein Vatermörder behandelt werden)

  • Caesoninus konnte schon spüren, wie der vor kurzem zusammengedrehte Hirnknoten sich langsam wieder zu lösen begann. Geschichte interessierte ihn über die Maßen! Besonders, wenn es RÖMISCHE Geschichte war.
    Er fand den Ansatz von Flaccus gelungen, dass er ihnen die ohnehin allgemein bekannten Ansätze ersparen wollte, so hatten sie viel mehr Zeit für die speziellen Dinge, um deretwegen sie ja immerhin heute hier waren. So lauschte er ihm mit Interesse und hin und wieder musste er auch schmunzeln.
    Wie recht er nur damit hatte, dass die römischen Könige keine Gottkönige gewesen waren, gleich einem Pharao, oder einem persischen König! Nicht umsonst waren sie ja am Ende vom eigenen Volk aus der Stadt gejagt worden und überhaupt, was hatte das wohl schon bedeutet, damals, König über so ein kleines und beschränktes Provinznest wie Rom mit seinen Lehmhütten, gewesen zu sein, wo doch direkt im Norden die großen und mächtigen Städte der Etrusker gelegen hatten? Der kleinste etruskische Stadtvorsteher war ja schon ein größerer Mann, als der römische König gewesen! In den Augen der Griechen waren Römer von damals jedenfalls Barbaren gewesen, doch wer war das nicht, der nicht Griechisch sprach?
    Flaccus hingegen behauptete, dass die Römer nach ihrer eigenen Ansicht nach den Barbarenstatus mit Verabschiedung des erwähnten Mordgesetzes abgelegt hätten; Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit patricidas esto.


    "Wer einen freien Menschen mit Vorsatz und wissentlich dem Tod gegeben hat, soll ein Vatermörder sein...mit anderen Worten also es ist ein Verbrechen einen freien Mann, oder eine Frau zu töten, jedoch geht es völlig in Ordnung einem unfreien Menschen das Leben zu nehmen, der doch genauso denkt und fühlt wie ein freier. Im Falle eines besitzfremden Sklaven also würde das ganze nicht auf Mord, sondern auf bloßen Schadensersatz hinauslaufen, weil man das Eigentum eines anderen "beschädigt" hat. Ein paar Münzen wechseln den Besitzer und fertig." antwortete Caesoninus. "Passiert das alles aber hingegen mit einem freien Menschen, so soll mit ihm nach dem Gesetze das gleiche passieren, wie mit Vatermördern, wohingegen ich diesen Nachsatz etwas unsinnig finde, denn wenn du deinen Vater ermordest, bist du des Mordes ja genauso schuldig, wie wenn du einen Fremden auf dem Gewissen hast und beide sind so oder so tot, weshalb ich wohl an dieser Stelle eher geschrieben hätte, was mit einem Mörder generell passiert, da Vatermord ja sowieso in die große Überkategorie "Mord" fällt, was natürlich so oder so ein riesengroßes, unentschuldbares Verbrechen ist und mit höchster Schande und Fluch beladen sein soll."

  • Die Lösung, die Caesoninus ihm da präsentiert hatte, war durchaus eine logische. Trotzdem entsprach sie nicht dem, was die Gelehrten als Motiv hinter den Tötungsgesetzen vermuteten. Die Gesetze waren in dieser Form nur verständlich, wenn man sich in die betreffende Zeit hinein dachte. Auch eine gute Übung. Erst der Kontext der Geschichte erweckte altes Recht zum Leben. Und da das römische Recht schon alt war und der römsiche Geist Innovationen vom als gut anerkannten - Tiberius Blick schweifte kurz zu seiner Cicero-Schriftrolle - ablehnte, kamen auch im Recht keine revolutionsartigen Änderungen vor.


    "Eine sinnvolle Antwort, Caesoninus, aber leider wohl nicht die richtige. Du siehst, wir müssen den Kontext beachten. Was meint Numa, wenn er sagt "der Mörder soll wie ein Vatermörder behandelt werden"? Das ist in der Tat entscheidend.


    Hierzu müssen wir uns die Situation vor diesem Gesetz ansehen. Man glaubt zu wissen, dass auch schon vor Numa der Mörder ein Mörder war und jemanden umzubringen nichts war, was im Gemeinwesen als eine prima Sache angesehen wurde. Nun müssen wir uns aber die Folgen ansehen, wenn jemand vor dem Gesetz des Numa einen anderen umgebracht hat - wohlgemerkt aus einer anderen Sippe, Familia, Gens, Clan, was du willst.


    Was dann einsetzte war das Racheprinzip. Ein Mord muss seinerseits mit einem Mord gesühnt werden. Und dieser wieder und immer so weiter. Das ist keine gesunde Entwicklung. Also stellt Numa den Mörder, der jemanden tötet, der nicht zu seinem besonderen Familienhaufen gehört, dem gleich, der jemanden aus seiner eigenen Familie ermordet hat. Und innerhalb der Familie gibt es keine Blutrache. Wir haben es also mit einer Abschaffung der Blutrache durch die Hintertür zu tun. Absolut brillant.


    Was will ich dir damit sagen? Der geschichtliche Kontext ist immer wichtig und wir müssen danach streben, diesen so genau zu kennen, wie wir können. Außerdem wollte ich euch das verschlungene Denken demonstrieren, dass der Rechtsanwender braucht. Und drittens die Weisheit des Königs Numa"


    Tiberius nahm noch einen Schluck.


    "Ist das verständlich?"

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  • Maximilla suchte Tiberius im ganzen Haus und fand ihn im Triclinum. Zögernd stand sie in der Tür. Sie hatte einen großen Wunsch, aber würde ihr Cousin sie für undankbar halten? Er hatte so viel für sie getan.
    Mal sehen, ob er Zeit hatte.

  • Es war unter den Cliquen der Advokaten und Gerichtsredner schöne Tradition*, dass man sich gelegentlich beieinander zuhause zum geselligen Treffen einstellte. Darauf legte man allgemein erheblichen Wert. Offiziell ging es darum, dass man trotz des Umstands, dass man sich tagtäglich im Gericht gegenüberstand trotzdem gute Beziehungen untereinander pflegte. Bei diesen Zusammenkünften konnte man dann bei einer unbescheidenen Menge Wein etwaige Missverständnisse ausräumen. Dies sollte dafür sorgen, dass sich die Herren nicht mehr in irgendwelche sinnlosen persönlichen Fehden verstrickten, als unumgänglich war. Solche waren für die Klienten schädlich, für die Iudices enervierend und für die Rechtspflege Gift. De fraglichen Leute ließen sich, wenn es um gesellige Runden ging. Und so war es heute wieder einmal bei Tiberius, dass sich eine kleine informelle Runde versammelt hatte. Dabei war neben Tiberius auch der alte Numerius Calvisius Tubero mit seinem Schüler Faustus Saltius Geminus, der angesehene Strafverteidiger Quintus Paeonius Melinus und der Gelehrte Decimus Cornificius Sabinus, der für Tiberius ein großes Vorbild war.


    Besagter Sabinus, der nicht nur Namensvetter des großen Sabinus des vorigen Jahrhunderts, sondern auch wie auch Tiberius und die anderen in der Runde entschieden zu den Traditionalisten in seinem Feld gehörte, war bereits in guter Stimmung und war auf sein Lieblingsthema gekommen.


    "Und dann vor ungefähr sechzehn Jahren kam der Senat und ist wie ein Wirbelsturm durch die Gesetze gefegt." Man merkte dem älteren Gelehrten die Indignation noch ziemlich an, selbst nach so langer Zeit. "Ohne größere Rücksicht auf Verluste. Wer hat sich diesen Codex Iuridicialis ausgedacht, ernsthaft Kollegen. Überhaupt die Form des Codex an sich, Kollegen. Der vergöttlichte Iulianus wird sich zwar sicher etwas dabei gedacht haben, als er diese Form vorschlug, aber die kaiserliche Grundidee, die ja durchaus gut gelingen kann, wenn man sie richtig anpackt."
    Tiberius wusste genau, dass Sabinus absolut nichts von Kodifikationen hielt, genau so wie der Rest der Anwesenden. Dass Sabinus die "Grundidee" lobte war bloß eine Ergebenheitsadresse an den vergöttlichten Kaiser, mehr nicht. Zu Sabinus Selbstverständnis, wie auch zu dem des Tiberius gehörte die Loyalität zum Kaiser ohne Diskussion und das wusste hier auch jeder.

    "Jedenfalls wurde die Idee im Senat nach und nach verschlimmbessert, wenn ihr mir diesen Ausdruck verzeihen mögt, Kollegen." Sabinus legte eigentlich stets Wert auf eine gepflegte Ausdrucksweise. Diesen Punkt machte Sabinus sehr gerne. Es war gewissermaßen sein "Delenda Carthago".

    Normalerweise hätte die Runde zustimmend genickt und wäre zu einem fruchtbareren Thema übergegangen. Weder Kaiser noch Senat waren dabei auch nur Anstalten zu machen, das traditionelle Recht zu restaurieren.


    Doch heute Abend hatte Tubero noch einen Einwurf zu machen. "Und sogar unserem lieben Valerius hier, sagt man ja nach, dass er durchaus an der neuen Lex Marcatus beteiligt war, die sicher ein Fortschritt darstellt, aber und du wirst mir verzeihen, nicht eben traditionell ist."
    Da hatte Tubero durchaus Recht. Die Lex Mercatus war nicht traditionell. Trotzdem.
    "Die Lex Mercatus so wie jetzt ist, ist ein guter Kompromiss, der sich bewährt hat will ich meinen." antwortete Tiberius. Doch Sabinus schnaubte nur. "Ja. Guter Kompromiss. Der arme Verkäufer wohl eher. Unser wunderbar ästhetisches, ausgeglichenes Prinzip, dass der Vertrag schon bei der Einigung perfekt ist, der Käufer das Risiko trägt und der Verkäufer dafür die Custodia zu tragen hat, ist vollkommen aus dem Gleichgewicht." Er seufzte vernehmlich.
    Tiberius hatte an sich keine Lust das hier auszudiskutieren. Dafür hatten alle Anwesenden schon zu viel getrunken. "So antwortete er. "Du übertreibst wie immer." Bevor er allerdings genötigt wurde, weitere Ausführungen zu machen, kam ihm Tubero zu Hilfe:
    "Kollegen, ich glaube wir sind uns in dieser Runde alle einig, dass manches zu jener Zeit mit gar zu großer... Entschlossenheit und Enthusiasmus geregelt wurde. Statt zu lamentieren, sollten wir darüber nachdenken, wie wir an den Stellen, an denen die ehrenwerten Senatoren seinerzeit etwas über das Ziel hinaus geschossen sind, ein paar Reformen anbringen können."


    Sabinus war amüsiert. "Ha. Da hast du recht Tubero. Schön gesagt. Dass ich mal drüber nachdenke, mich als Reformer zu bezeichnen. Deine Idee, Tubero läuft aber schon aus dem Grund vor eine Wand, dass du hier keine Senatoren oder sowas erblickst und weder du noch ich jemals einen Fuß in diesen erlauchten Kreis setzen werden. Völlig außer Reichweite, so wie deine Rechtsreform."


    Das war nicht zu bestreiten.
    Tiberius war nicht in der Stimmung den Herren seinen lang gehegten und gepflegten Plan, wenigstens in die Nähe dieser höheren Sphären aufzusteigen zu offenbaren.


    Deshalb sagte er nur. "Nun man wird sehen, nicht. Man wieß nie was einem Magistraten so einfällt. Was aber nicht außer Reichweite ist, Kollegen, ist der Falerner." Großzügig ließ er den anderen nachschenken. "Was sagt ihr eigentlich zu den Spielen neulich?`Ich muss ja sagen, Wagenrennen sind mir lieber."



    Sim-Off:

    *Dafür gibt es soweit ich weiß keine Belege, I'm making this up, aber von einer gewissen Geselligkeit innerhalb sozialer Zirkel kann man wie beim Rest der römischen Gesellschaft durchaus ausgehen. Deswegen scheint es mir zumindes nicht ausgeschlossen :D

  • Vom Atrium kommend, bot Tiberius seinem Freund eine Liege an und ließ sich dann gegenüber nieder.
    Er winkte die üblichen Kleinigkeiten herbei - besonders viele Früchte, aber auch gehaltvollere Sachen natürlich, die man durchaus auch als solide Unterlage für den Wein nutzen konnte. Eingelegte Datteln, mit reichlich Spreck umwickelt und dann gebraten. Davon konnte Tiberius nie die Finger lassen.
    Erund bedeutete dem Sklaven, großzügig einzuschenken.


    "Auf dein Wohl, Aulus. Schön, dass du wieder in Rom bist. Ich könnte mir vorstellen, dass du durchaus viel... Spaß haben wirst. Du sagtest, du wolltest in irgendeiner Form tätig werden?"

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  • Ich ließ mich auf eine der Klinen fallen. Natürlich hatte ich die Sätze über das Tätigwerden in der Welt, was mir eine besondere römische Tugend zu sein schien, nicht nur daher gesagt; ich wollte gerne wissen, an was Tiberius gerade arbeitete. Seine analytischen Fähigkeiten hatten mir in Athen schon imponiert, wenn er mir - zur nächtlichen Stunde wohlgemerkt - einen philosophischen Vortrag so durchgliederte, dass ich ihn endlich verstehen konnte.
    Ich nahm mir eine Dattel mit Speck umwickelt:
    " Auf dein Wohl Tiberius und auf die Freude, dich wieder zu sehen.
    Du kennst doch den Spruch: Das römische Schicksal - vor einem Schreibtisch zu stehen, der römische Traum, dahinter zu sitzen. Ich hatte auf einen Posten in der Verwaltung gehofft, und durch Vermittlung meines früheren Patrons bin ich zum Primicerius ab epistulis der kaiserlichen Kanzlei ernannt worden."

    Das sagte ich natürlich, weil ich Tiberius vielleicht einmal einen Gefallen tun konnte so wie er vielleicht einmal mir. Ich musste in das Austarieren, das in Roma so wichtig war, erst einmal wieder reinfinden. Wenn man es beherrschte, konnte man in der Tat viel Spaß haben.


    Nun trank ich einen Schluck von Wein mit Fruchtsaft vermischt:
    "Du hast recht, sehr erfrischend. Aus Hispania sagst du? Wenn man es noch gehaltvoller möchte, könnte man eventuell auch Früchte klein schneiden und darunter mischen. Dann fehlt nur noch ein anziehender Name, um das Getränk zu vermarkten."
    Das Getränk war wirklich lecker; die Schwere des Weines und die Süße des Saftes rundeten sich gegenseitig ab:
    "Ich war, als ich wieder zurückkam, erst einmal in Parthenope, um meine Ziehmutter zu besuchen. Ich bin daher nicht auf dem Laufenden, was die letzte Zeit in Roma los war, verzeih. Daher weiß ich nicht, an was du gerade arbeitest, würde es jedoch gerne wissen."

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  • Sim-Off:

    Sorry, komplett übersehen


    Früchte klein schneider und darunter mischen war eine hervorragende Idee
    "Tydeus, probier doch mal aus was Aulus gesagt hat. Geh in die Küche und mische noch ein paar klein geschnittene Früchte drunter, sei so gut." Und an Saturninus gewandt: "Wir müssen dieser Kreation noch einen Namen geben. Vorschläge?"


    Tiberius konnte nicht glauben, dass ihm diese Idee noch nicht gekommen war. Seine Devise lautete normalerweise, je mehr Frucht desto besser. er war überzeugt davon ,dass das auch gut für Körper und Geist war.
    "Primicerius ab Epistulis klingt hervorragend. Gute Aufstiegsmöglichkeiten im Palast, nicht wahr?"
    Im Palast tätig zu sein war natürlich auch immer ein Risiko. so schnell man dort aufsteigen mochte, soschnell konnte man sich auch wieder draußen finden. Oder schlimmeres.


    "Oh, du weißt wie Rom ist. Es ist immer etwas los hier. Ich bin bei den Pontifices uner gekommen. Natürlich nur als Pontifex Minor. Aber es ist eine gute Arbeit natürlich, wie du dir vorstellen kannst."

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  • Ich hielt meinen Becher so, dass ein Sonnenstrahl im Wein aufblitzte. Das Getränk war von blutroter Farbe, sah belebend und kräftigend aus:
    „Vielleicht etwas mit sanguis, sagte ich: „ Sanguinea? Sangea?“
    Ich war gespannt auf die Kombination mit Fruchtstückchen, die gerade in der valerischen Küche vorbereitet wurde.


    „Es war für mich eine Freude, ernannt zu werden.“, sagte ich: „Ich hoffe, ich kann mich bewähren.“
    Tigellinus, meinen ehemaligen Patron, erwähnte ich nicht. So etwas brachte nur Unglück.
    Zumindest so lange bis ich sicher wissen würde, in wie weit man mit Tiberius offen sprechen konnte.


    Pontifex minor, das ist eine große Ehre.“, sagte ich dann aber beeindruckt. Oft wurden diese Stellen nur an Angehörige der kaiserlichen Familie vergeben:
    „Das passt zu deinem phänomenalen Gedächtnis. Musst du nicht jedes Wort, jede Bewegung und jede Geste im Kopf haben?“


    Natürlich wollte ich wissen, wo Tiberius persönlicher Rekord für die Wiederholungen lag, die im Falle eines Formfehlers durchgeführt werden mussten. Aber die Frage wäre allzu salopp gewesen.

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  • "Sanguinea gefällt mir gut. Klingt irgendwie... tropisch? Auf jeden Fall fruchtig und frisch, so wie es ja auch schmeckt."


    Was Aulus über das Amt des Pontifex Minors gesagt hatte stimmte natürlich durchaus.
    "Deine hohe Meinung von meinem Gedächtnis in Ehren. Ich wünschte ich könnte dir da so vorbehaltlos zustimmen. Aber tatsächlich sind es vor allem Verwaltungssachen. Natürlich muss ich mich da auskennen, aber ich denke, man schätzt eher meine Arbeit auf dem Gebiet des Rechts, als meine rituellen Kentnisse."


    An denen arbeitete Tiberius immer noch. Da er gewissermaßen als Quereinsteiger in dieses Amt gekommen war, fehlte ihm etwas die lang eingeübte Expertise. Dafür konnt er dem Pontifex Flavius nun bei Rechtsfragen beraten und im römischen Cultus waren Rechtsfragen und Religionsfreagen ohnehin immer sehr eng verbunden gewesen.


    "Aber etwas überrascht es mich doch, dass es ausgerechnet dich in die Verwaltung verschlagen hat. Und dann auch noch an den Kaiserhof. Hätte ich wetten müssen, hätte ich gesagt, du suchst dir irgendwo ein ruhiges Plätzchen und stellst die Welt der Naturphilosophen auf den Kopf. Oder verwirrst die Ethiker.", meinte Tiberius mit einem Augenzwinkern.

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  • Ich hob meinen Becher.
    „Ein Prosit auf die Sanguinea!“, sagte ich: „Und auf die Rechtswissenschaft, die einzige Art Gelehrsamkeit, die wirklich originär von uns Römern stammt, würde ich meinen. Ich wage einmal zu behaupten, dass man sich an Römisches Recht noch erinnern wird, wenn Roma den Weg aller großen Reiche gegangen ist. Und auf Dich, Blüte der Rechtsgelehrsamkeit. Gibt es denn ein bestimmtes Thema, dem gerade deine Aufmerksamkeit gilt?“
    Das interessierte mich auch schon deswegen, weil es auch die Arbeit in der Kanzlei beeinflussen würde.
    Nun kratzte ich mich am Kopf:
    „Ich hoffe, irgendeinmal etwas bewegen zu können, vielleicht eine neue Politeia für unser Staatswesen verfassen. Aber im Moment ist die Kanzlei mein ruhiges Plätzchen, da ich nur das tue, was mir vom Caesar Augustus eindeutig befohlen wird. Es gibt keine Zweideutigkeiten, was einem am Kaiserhof durchaus den Kopf retten kann.“
    - und mir gerettet hat, dachte ich:
    „Doch unsere Gespräche in Athen vermisse ich sehr. Mir fällt gerade ein, wie bereichernd es doch wäre, unser liebes Athen nach Roma zu holen und ab und zu in heiterer Runde zu debattieren."

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  • "Ha. Athen nach Rom holen. Da würden unsere Philosophen, die vor der Konkurrenz aus Athen hier her geflohen sind aber sehe aufregen. Und Säulenhallen und Gärten gibt es hier ja durchaus, nicht wahr?"


    Schriftstellerische Ambitionen konnte er bei seinen Freunden nur befördern.
    "Sollte sich mal die Schreibader befeuern, ich kenne da einen wunderbaren Buchladen, wo du deine Sachen auch veröffentlichen könntest.
    Schreiben ohne gelesen zu werden, wäre ja doch Verschwendung.
    Und ich wäre sehr gespannt, was du zum Staatswesen zu sagen hättest. Und mit einem gelehrten Werk könntest du dich ja auch wunderbar hervortun."


    Wenn es den richtigen Inhalt hätte jedenfalls. Aber das brauchte er Aulus ja nicht extra dazu zu sagen.
    "Es würde zeigen, dass du nicht bloß ein Tabulakritzler bist, sondern dich auch für... höhere Aufgaben eignest. Also keine falsche Bescheidenheit. Mit Bescheidenheit kommt man hier nicht so weit. Aber das weißt du ja sicher. Wo einige Eigenschaften Tugenden sein mögen, sind sie es woanders schon wieder nicht. Prost."

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  • Ich lachte kurz auf, weil Tiberius mich vollkommen wörtlich verstanden hatte, was aber bei einem Juristen, der sozusagen jedes Wort auf die Goldwaage legte und das meinte ich durchaus in positivem Sinn, wohl natürlich war:
    "Nicht noch mehr Philosophen aus Athen hier in Roma bitte, wobei viele davon weder aus Athen stammen noch philosophisch gebildet sind, möchte ich meinen. Doch das wollte ich nicht anregen. Ich dachte eher an eine kleine, aber feine Debattierrunde über philosophische und staatsrechtliche Themen im Privaten, in einem lockeren Umfeld sozusagen, in dem man auch durchaus gewagte Thesen zur Diskussion stellen könnte."
    Unter "gewagt" verstand ich "nicht ganz staatstragend". Im öffentlichen Raum konnte man sich mit so etwas durchaus in die Nesseln setzen, weshalb der letzte flavische Augustus ja auch vor ungefähr zwanzig Jahren alle Philosophen, darunter meinen verehrten Epiktetos, aus der Urbs Aeterna verbannt hatte.*


    Sim-Off:

    Kaiser Domitian im Jahr 89 (oder 94)

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  • "Das ist eine hervorragende Idee." Es war vor allem das intellektuelle Leben in Griechenland, das Tiberius in Rom vermisste. Die wunderbare Sorglosigkeit einfach an einem lauen Abend irgendwo zu sitzen und über die Welt zu schwätzen. Wenn sie hier so etwas neu kreiieren wollten, wäre er der letzte, der nein sagen würde.
    Er überlegte im Hinterkopf schon herum, wer da infrage käme.
    "Wenn der Wein und die Geselligkeit und die Gedanken stimmen, werden wir auch keinen Mangel an Freunden haben, die gern dabei wären."
    Tiberius konnte sich nicht vorstellen, dass der gegenwärtige Kaiser etwas gegen Philosophen hatte. Jedenfalls waren ihm keine philosophiefeindlichen Äußerungen bekannt.
    "Und da sind auch sicher gewagte Thesen sicher kein Problem. Alaso sag doch mal was zu meiner These, die grad geäußert hab. Ist eine Tugend überall in jedem Kontext eine Tugend, oder sind auch Tugenden, wie sagt man, relativ?"


    Das war für sie beide eine gute Frage zum Beginn ihres philosophischen Zirkels, betraf sie doch Aulus und Tiberius beidermaßen. In Rechtsdingen wie am Kaiserhof (so stellte sich Tiberius das jedenfalls vor) wurde man gelegentlich in Versuchung geführt die Tugend zugusten der Zweckmäßigkeit aus dem Fenster zu werfen.

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  • "Meinst du die Tugenden im Sinne der arete, der Tauglichkeit für eine bestimmte Aufgabe, die erfolgreich zu Ende geführt wird so wie das Messer schneidet und das Pferd einen Mann in die Schlacht trägt? oder die Tugendlehre im Aristotelischen Sinne, die Tapferkeit, Besonnenheit, Freigebigkeit, Gerechtigkeit, Hochgesinntheit und Wahrhaftigkeit in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt?", fragte ich:
    "Wie sieht es mit dem.... ich möchte einmal sagen, politischen Zwang zum Bösen aus? Ist es noch tugendhaft, etwas nicht Tugendhaftes zu tun, das jedoch zum Erfolg des Staatswesens führt?"
    Ich trank noch einen Schluck Wein.

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  • Ah, die Frage war natürlich reichlich unkonkret gewesen.


    "Ich meinte Aristoteles Version der Tugendhaftigkeit."
    Er dachte kurz nach.
    "In der Frage nach der Staatskunst könnte man natürlich sagen: wie gut können Ziele schon sein, die nur mit dubiosen Methoden erreichbar sind. Wenn das der Fall ist muss man sich die Frage stellen, ob der Staat nicht eigentlich die falschen Ziele hat. Oder ob man selbst einfach nicht in der Lage ist, Gutes, also im Bezug auf den Staat für das Gemeinwohl nützliches, mit im aristotelischen Sinne tugendhaften Mitteln zu erreichen."

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  • Ich überlegte erst einmal auf die erste Frage nach den Zielen des Staates eine Antwort, obwohl mir unsere neue Erfindung, die Sanguinea, schon irgendwie zu Kopf stieg:
    „Heißt es nicht auch, der Zweck heiligt die Mittel?“, sagte ich:
    „Denk nur einmal an die Zeit zurück, als der göttliche Iulius Caesar unsere Provinz Gallien eroberte. Es war doch kein bellum iustum, der iustae causae hatte, im Gegenteil: Roma hatte mit den keltischen Stämmen Verträge, und es war auch ganz klar, dass sie sie gebrochen hat – nicht umsonst wollte ihn der Senat allen voran Cato, vor Gericht stellen, doch da die Strafe der Götter ausblieb, wurde aus Unrecht wohl Recht.“
    Das war vage formuliert; in Wirklichkeit hatte der göttliche Caesar die Armee im Rücken gehabt, und damit seine politischen Gegner nicht nur mundtot....nun was sollte es, ich wollte auf etwas anderes heraus:
    „Doch schau, wo unsere gallischen Provinzen: Gallia Lugdunensis, Aquitania und Gallia Narbonensis jetzt stehen. Während sich damals noch Römer über hosentragende Barbaren im Amt ereifert haben, sitzen deren Enkel gemeinsam mit den Enkeln edler Quiriten im Senat. Gallien ist befriedet und geordnet, eine der ältesten und treusten Provinzen, so römisch fast wie Roma.
    Wie würdest du diese Geschehnisse im Lichte der aristotelischen Tugenden beurteilen?“

    Bei dem Wort aristotelisch stolperte meine Zunge leicht.

  • Tiberius grinste und nahm selbst noch einen Schluck von der neuen Mischung.
    "Oh, ich garantiere dir, dass viele derjenigen, die von den edelsten Quiriten abstammen durchaus ihre Probleme damit haben können, neben den Nachfahren von hosentragenden Barbaren zu sitzen. Wobei ich mit ihnen da nicht übereinstimme. Je vielfältiger die Hintergründe der Leute, die auf ein Problem schauen, desto innovativer die Lösung. Aber das würde ich als Mitglied des Plebs natürlich sagen nicht wahr? Viele hohe Patres wohl eher nicht.
    Und es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Caesars Handlungen vielleicht letztendlich vorteilhaft für das römische Gemeinwesen gewesen sein mögen. Caesar in Gallia ist ein interessantes Beispiel. Hier würde ich verschiedene Punkte anmerken. was den Vergleich dieser Provinzen damals zu heute angeht, ist es dem historischen Glücksfall der insgesamt meistens hervorragenden Regentschaft der Kaiser zu verdanken. Konnte der göttliche Caesar dies bei seinem Kampf um Gallien voraussehen und war es überhaupt sein Ziel, nach den aristotelischen Tugenden zu handeln, oder hat er sich nicht in diesem Moment eher den römischen Kriegstugenden zugewandt mit denen er so reichlich begabt war? Ich glaube eher letzteres. Deswegen denke ich, dass sein Handeln in Gallien schon gar nicht den Zweck hatte im aristotelischen Sinne tugendhaft zu sein.Denn wie Cicero schon so prägnant anmerkt: Inter arma enim silent leges. Wenn wir mit Leges einmal die aristotelischen Tugenden gleichsetzen.
    Ich würde also auf deine Frage antworten, dass diese Tugenden auf der Krieg in Gallien gar nicht als Maßstab angewendet werden können."


    Es war wie früher. Je mehr er getrunken hatte, desto mehr neigte Tiberius zum mäandrierenden Schwätzen. Er hoffte, Aulus würde ihm überhaupt folgen können.

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