• Bei allen Göttern, was Maximilla da sagte, das stimmte! Natürlich war ich nicht darin geschult, das ziemte sich für eine Römerin eigentlich ja nicht, aber trotzdem kannte man einige der Grundlagen, wenn man römisch erzogen worden war.


    Du hast Recht! Natürlich kenne ich das genaue Vorgehen nicht, das ist eigentlich den Männern vorbehalten, den Haruspices, Auguri und Pontifices, aber dass Unglück von links kommt, das weiss ich auch. Daher soll man ja auch eine Türschwelle immer mit dem rechten Fuss zuerst überqueren!


    Ich konnte mein Glück kaum fassen, falls Maximilla wirklich richtig liegen sollte.
    Aber wenn Florus wirklich bald nach Roma zurückkehren wird, warum hat er mir dann noch nicht geschrieben?


    Ich erwartete nicht wirklich eine Antwort, aber wer wusste denn schon, was Maximilla sonst noch erspähen würde?


    Auf jeden Fall hob ich den Wickeldorn auf und legte ihn auf den Tisch.

  • Valeria Maximilla freute sich sichtlich, dass sie Iulia Stella eine Freude machen konnte.
    „Vielleicht hat er schon geschrieben.“, sagte sie: „Aber die Post ist, wenn man Pech hat , auch nicht schneller als unsereiner. Wenn der Herbstregen schon eingesetzt hat, sind die Wege ganz schlammig,. Dann kommt dein Florus noch vor seinem Brief an.“
    Sie warf Remigius einen strafenden Blick zu, weil er beim Bücken nach dem Wickeldorn nicht schneller als Iulia Stella gewesen war. Dann setzte sie ihm Graius auf den Arm.:
    „Trag ihn zurück in den Käfig“, befahl sie und sagte zu Stella: „Remi hat eine glückliche Hand mit Tieren. Aber ich befürchte, dass er ein wenig faul ist.“
    Sie lehnte sich zurück und trank einen Schluck:
    Auf jeden Fall haben die Götter etwas Besonderes mit Annaeus Florus vor.“, meinte sie: „Sonst machten sie sich nicht die Mühe, Zeichen zu schicken. Behalte das von heute aber lieber für dich. Nur deinem Verlobten darfst du es erzählen. Das neidische Geschick und so, du weißt schon.“

  • DAS wiederum war mir sehr bewusst. Wenn bei einem Haruspicium zur Geburt eines Kindes spezielle Zeichen vorhanden waren, dann konnte es schon auch vorkommen, dass eine ganze Familie zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet wurde und bei Todesstrafe versprechen musste, nicht einmal dem Betroffenen selbst etwas von den Zeichen zu erzählen. Die Götter konnten in der Tat äusserst eifersüchtig sein.


    Ja, natürlich, das ist klar. Und wenn Florus ein Schiff genommen hat, dann könnte er vielleicht schon in Rom sein, bevor die Post überhaupt die Grenze zu Italia erreicht hat!


    Doch warum hatte Iulius Dives noch nichts gesagt, wenn der Kaiser ihm die Rückberufung von Florus zugesichert hätte? Dabei fiel mir wieder ein, dass ich in den letzten Tagen fast nichts von meinem Cousin Iulius Dives gesehen hatte. Vielleicht hatte er ganz einfach keine Zeit gefunden, mir etwas zu sagen.


    Ach Maximilla, ich ging zu ihr hinüber und nahm ihre beiden Hände in meine Ich bin so froh, dass ich zu dir gekommen bin! Es tut wirklich gut wieder unterwegs zu sein und nicht den ganzen Tag im Haus zu verweilen!

  • „Ich bin auch so froh, dass du gekommen bist!“, sagte Maximilla aus tiefstem Herzen. Als Stella ihre Hände nahm, freute sie sich noch mehr:
    „Vielleicht ist dies ja der Sinn hinter allem: Nicht für sich zu leben, sondern für andere. Ihnen eine Freude zu machen, Gutes zu tun und so recht ein Segen für die Gens und die Freundinnen zu werden.
    Oder wie Cicero sagt: Non nobis solum nati sumus, wir sind nicht nur für uns allein geboren.“
    , meinte sie.


    Gerade kam der jugendliche Sklave Remigius zurück. Er hatte Graius in seinen Käfig gesperrt . Er rieb sich die frischgewaschenen Hände an seiner Tunika trocken.
    Wie freundlich der Junge immer war, und sie hatte ihn vorhin vor Iulia Stella „faul“ genannt.


    Iulia Stella, die nichts von Maximillas sprunghaften Gedankengängen ahnte, wurde nun mit einer völlig anderen Frage konfrontiert:
    „Man sollte doch auch zu seiner Familia gut sein, oder? Was meinst du, Stella, kann man Sklaven auch kränken so wie unsereins? Du hast mehr Erfahrung als Domina als ich, daher dachte ich, ich erkundige mich bei dir danach."

  • Auf jeden Fall! non nobis solum ... flüsterte ich, noch völlig benommen vom soeben Erlebten.


    Doch dann sprang Maximilla bereits wieder zum nächsten Thema, wie ich es schon mehrmals von ihr erlebt hatte und aus irgend einem Grund erstaunte es mich nun weniger als zuvor.


    Hmm, Sklaven sind schon etwas speziell. Auf der einen Seite sind es ja Menschen, aber für uns sind es Gegenstände. Zumindest rechtlich. Aber ich habe schon oft gesehen, dass sich auch Sklaven sehr gekränkt zeigen können. Auf jeden Fall haben sie Gefühle. Sie lieben, sie hassen. Also warum sollten sie nicht auch gekränkt sein können? Ich glaube fest daran, dass man auch Sklaven korrekt behandeln sollte. Wenn ich jemals eigene Sklaven habe, dann werde ich sie korrekt behandeln. Wenn sie gut arbeiten und treu sind, dann gibt es keinen Grund sie zu bestrafen.

  • „Das ihr Iulier eure Sklaven korrekt behandelt, weiß ich.“, sagte Maximilla. Sie dachte daran, wie freundlich Caesoninus damals ihr Gefolge bewirtet hatte:
    „Ich erinnere mich lebhaft daran wie Iulius Caesoninus dafür sorgte, dass meine Sklaven zu trinken und zu essen hatte. Was für ein feiner, großherziger Mann.“
    Wieder wurde Maximilla traurig. Schnell sagte sie:
    „Wenn er über dich wacht, freut er sich bestimmt über deine Vermählung. Meinst du, es freute ihn auch, wenn einer deiner Söhne Caesoninus mit Cognomen hieße? Ich glaube, ich werde eine Tochter Phoebe nennen . Dann vergesse ich sie niemals.“
    Maximilla war sprunghaft, aber sie meinte es gewiss gut. Sie spielte mit dem Wickeldorn.
    Dann hatte sie einen neuen Einfall:
    „Wenn du jetzt nach Hause kommst, ist vielleicht Post von deinem Florus da. Oder Florus selbst. Es muss doch einen Grund haben, warum die Götter gerade jetzt ein Vorzeichen senden. Das hätten sie doch schon die ganze Zeit tun können, schließlich ist ihnen nichts unmöglich. In Rom gibt es schließlich auch Raben. Und Krähen. Wobei ich den Unterschied nicht sehe, obwohl ich weiß, dass es einen gibt.“

    Aufmerksam schaute sie Stella ins Gesicht:
    "Du siehst etwas verwirrt aus. Möchtest du etwas Stärkendes? Heißen Mulsum?"

  • Nach allem was ich in den letzten Minuten erlebt hatte, war mir in der Tat nicht ganz wohl. Es lag ganz bestimmt nicht daran, dass Maximilla von einem Thema zum anderen sprach, das konnte Phoebe manchmal auch.


    Ja, ein heisser Mulsum wäre ganz toll, und ein Stuhl. Mir ist etwas schummrig.


    Bevor ich fallen konnte, wenn ich gefallen wäre, stand ein Stuhl genau da, wo ich mich hinsetzen würde.

  • „Remi, hol Domina Stella etwas warmen Mulsum aus der Küche.“, befahl Maximilla, und der Junge lief los.
    Die Valeria fächelte indessen mit ihrer Stoffserviette der Sitzenden Luft zu:
    „Geht es wieder?“, fragte sie: „Oder möchtest du dich etwas hinlegen?“
    Ein wenig machte sie sich Vorwürfe, dass der Rabe Graius die Iulia erschreckt hatte. Aber dann sagte sie sich, dass auch eine positive Nachricht Blässe und Ohnmacht auslösen konnte, wenn sie nur unerwartet genug kam.
    Remigius kam mit einem Becher heißen Gewürzweines zurück und stellte ihn vor Iulia Stella hin. Maximilla beschloss, Iulia Stella mit angenehmen Geplauder von ihrem Unwohlsein abzulenken:
    "Was wirst du als Allererstes tun, wenn du deinen Annaeus Florus wieder siehst?", fragte sie.

  • Ich setzte mich hin und Maximilla fächelte mir etwas Luft zu, was nicht nötig gewesen wäre, aber eine schöne Geste war.


    Ich griff zuerst nach dem heissen Mulsum und nahm vorsichtig einen Schluck, bevor ich mich im Stuhl entspannte und seufzte.


    Danke Maximilla, es geht schon wieder. Das war wohl etwas viel gerade.
    Dann überlegte ich kurz.
    Was werde ich als erstes tun? Ich glaube ganz ehrlich, ich werde mich in seine Arme werfen und ihn küssen. Hoffentlich passiert das in der Domus Iulia und nicht auf dem Forum irgendwo. Ich weiss nicht, ob ich mich so beherrschen könnte, wie es ein öffentliches Wiedersehen nötig macht.


    Ab dieser Vorstellung musste ich herzlich lachen und die Schwere des Momentes, nein die Schwere des ganzen Besuchen schien von mir abzufallen.

  • Maximilla errötete bis unter die Haarwurzeln, als Stella vom Küssen sprach, und sah mit großen glänzenden Augen die Freundin an:
    "Ooooo, wie romantisch.", sagte sie: "Wenn das Wiedersehen auf dem Forum stattfindet, musst du einfach nur vier Sklaven dabei haben, die sich mit den Rücken zu den Leuten stellen, um euch abzuschirmen. So habe ich es damals, als eure Iduna in Ruhe Aislin stillen wollte, auch gemacht."
    Die Vorstellung fand sie lustig:
    "Oder ein Sonnensegel aufspannen. Oder ich komme vorbei und rufe: Feuer! Feuer!, dann sehen alle Menschen zu mir hin, und du kannst ganz in Ruhe deinen Florus küssen."
    Sie wurde nachdenklich:
    "Wie ist es wohl, jemanden küssen zu wollen? Ich hatte noch nie den Drang, meine Lippen auf andere zu drücken. Ist das was Schönes?"

  • Bei diesem Thema fühlte ich mich plötzlich wieder nicht so wohl. Der Gedanke mit einem Mann zusammen zu sein, war mir nur in Kombination mit der Person Lucius Annaeus Florus Minor angenehm. Daher war ich mir ja so sicher, dass er der Richtige sein würde.


    Ich weiss nicht, wie ich dir das sagen soll. Also auf dem Forum wird es sicher nicht passieren und ich kann mir auch nicht vorstellen, solche Dinge mit irgend einem anderen Mann zu machen. Aber mit Annaeus Florus fühle ich mich so wohl, so glücklich, so frei, dass ich gar nicht darüber nachdenke. Ich bin mir einfach sicher, dass es passieren wird und dass es wunderschön sein wird, wenn es passiert.

  • "Ich mag Annaeus Florus jetzt schon gerne, weil er dich so glücklich macht, obwohl ich ihn nicht kenne.", sagte Maximilla:

    "Grüß ihn schön von mir, ich hoffe ihn, bald kennen zu lernen."

    Bei sich dachte sie, wie seltsam dieses Gespräch war. Vom Tod ging es zu einer Hochzeit. War denn so das Leben? Menschen

    wurden geboren, heirateten und starben? Wieder focht die Valeria eine innere Kälte an. Sie spürte ganz deutlich im Angesicht diese glücklichen, zukunftseligen Freundin, dass sie, Valeria Maximilla, ihren eigenen Weg nicht gefunden hatte.

    Und wenn sie den Valeriern Schande machte? Wenn sie irgendwie nicht normal war?

    Iulia Stella schien ihr mit ihrem Florus fast schon eine erwachsene Matrona zu sein.

    Und so fragte sie (Stella musste das sehr aus dem Zusammenhang gerissen erscheinen, denn Maximilla dachte ständig um irgendwelche Ecken herum):

    "Stella, wo siehst du mich denn in der Zukunft? Glaubst du, ich finde auch noch einen Platz?"

  • Manchmal waren die Gedankensprünge jeder Frau ziemlich schwer nachzuvollziehen. Es half oft, wenn man selbst Frau war, aber nicht immer und so erwischte mich der erneute Gedankensprung schon etwas auf dem falschen Fuss.


    Ähm, ... natürlich wirst du deinen Platz finden. Wir alle tun das irgendwann. Bei einigen dauert etwas weniger lange und bei anderen etwas länger. Manchmal geht es ganz schnell und man fällt wie ein Würfel plötzlich auf die richtige Seite und alles wird gut. Manchmal würfelt man aber auch gefühlte hundert Mal hinter einander eine 1.


    Fieberhaft hatte ich derweil versucht, während ich redete und versuchte eine einigermassen sinnvolle Antwort zu geben, auch auf die vorhergehende Frage noch eine Antwort zu finden. Wo sah ich eine junge und hübsche römische Frau in der Zukunft? Eigentlich konnte es darauf nur eine Antwort geben.


    Als junge, attraktive, nein sogar schöne Römerin, sehe ich dich nur an einem Ort. Du wirst deinen Mann finden und deine Pflichten als Ehefrau wunderbar erfüllen. Deine Familie wird stolz sein auf dich, egal ob das schon morgen, oder erst in einigen Jahren geschehen wird. Davon ist der Stolz einer Familie nur ganz selten abhängig.

  • "Ach, liebe Iulia Stella!", spontan umarmte Maximilla die Freundin: "Du hast für jeden und jede ein gutes Wort! Ich glaube, wenn du einmal Kinder hast, dass sie dich sehr lieben werden!"

    Sie ließ sie los:

    "Ich wünsche Dir gute Nachrichten, wenn Du nach Hause kommst! Ich wünsche Dir das Beste! Deine Familie wirst du schon jetzt mit Stolz erfüllen!"

    Der Gedanke an Caesoninus und Phoebe, die über Iulia Stella wachten, war versöhnlich. Er ließ das unwägsame, unbarmherzige Schicksal etwas von seinem Schrecken verlieren. Maximilla war froh, dass Stella gekommen war.

    Etwas erwachsener fühlte sie sich, und die Zukunft erschien ihr nun weniger furchteinflößend. Sie alle waren nur Glieder einer langen Kette, die aus der Vergangenheit stammte und in die Ferne führte; Stella von der Iulia, sie selbst von der Valeria.

  • "Nach Hause, ja, nach Hause würde ich wohl müssen, sollte mich mein Florus tatsächlich bald aufsuchen wollen" schoss es mir durch den Kopf.


    Liebe Maximilla, ich danke dir, dass ich heute zu dir kommen durfte! Ich hoffe, dass wir diese gegenseitigen Besuche weiter aufrecht halten können und uns gute Freundinnen sein können, egal was unsere Zukunft noch bringt. Ich bin jetzt zwar nicht so die, welche jeden Tag auf dem Forum einkaufen geht, ich arbeite lieber zu Hause, aber das macht ja nichts. Da weisst du auf jeden Fall, wo du mich finden kannst!


    Ja, der Besuch hatte gut getan. Doch nun musste ich mich wirklich langsam wieder verabschieden. Nicht nur wegen Florus, sondern auch deswegen, weil es unhöflich war, jemanden einfach so für längere Zeit zu belegen und ihn so von seinen eigentlichen Aufgaben abzuhalten.

  • Maximilla, die zwar den Besuch ihrer Freundin genossen, jetzt aber den Kopf voller neuer Gedanken hatte und gerne nachdenken wollte, erhob sich, um Iulia Stella hinauszubegleiten.

    "Vale bene", sagte sie: "Und ich habe dir tausendmal zu danken, dass Du zu mir gekommen bist, liebe Iulia Stella! Der Segen der Götter leuchte über deinem Glück!"

    Sie hatte das starke Gefühl, dass Iulia Stella glücklich werden würde.

    Und das starke Gefühl, dass ihr Glück nicht dem von Stella gleichen, sondern ein ganz anderes wäre.

  • Ich erhob mich und verabschiedete mich von meiner Freundin.


    Alles wird gut, da bin ich mir ganz sicher! Mögen die Götter dich und deine Familia beschützen, liebe Maximilla.


    So machten wir uns auf den Weg zur Porta, wo eigentlich meine Begleiter wieder warten sollten.

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