Abgebrüht waren viele Römer mittlerweile, aber Soldaten waren nun mal ein ganz besonderer Schlag, einerseits töteten sie, ohne mit der Wimper zu zucken – meistens jedenfalls – dann wiederum waren sie abergläubischer als jede Waschmagd vom Aventin. Und Marcus war in dieser Hinsicht nicht anders, denn er hatte seinen Weg wie jeder andere Soldat gemacht, über den campus und durch die Kasernen – wie es eben zu seiner Zeit sowohl für Patrizier und auch für Plebejer üblich gewesen ist und er damals keine Ausnahme gebildet hatte. Heutzutage – und es waren nur wenige Jahre seit seinem Eintritt vergangen – schien das ganz anders zu sein, Marcus war jedoch froh um all diese Erfahrungen. Nun, sie haben ihn jedenfalls geprägt, wenngleich nicht ganz so sehr, wie manch einen der Mitsoldaten.
„Wenn ein Römer friedvoll verstirbt oder eines natürlichen Todes, dann ist es auch etwas anderes, als wenn eine ruchlose Tat ihn ins Elysium reißt. Dann sind die Geister sicherlich zorniger und schwerer zu besänftigen, hm? Ich bin auf jeden Fall froh, daß Du das Ritual vollführt hast.“
Und sogar sehr gut, Marcus hatte sich danach wirklich sicher gefühlt und gemerkt, daß der Aurelier wußte, was er tat und ein tiefes Verständnis für die Mysterien besaß.
„Ja, in der Tat, er wurde identifiziert. Es handelt sich leider um einen Mann aus gutem Haus, Octavius Cato, der bei den letzten Wahlen angetreten ist. Er schien wirklich vom Unglück verfolgt zu sein, denn am selben Tag als er seine Niederlage im Senat erfuhr, wurde er heimtückisch ermordet. Hoffentlich hat seine Seele in die elysischen Felder gefunden.“
Marcus schwieg einen Moment als er daran dachte, daß er dem Vater die Nachricht überbringen mußte, er haßte diese Aufgaben und fand sie zunehmend belastender. So sah er sinnend auf den Fisch, der ihm bereits mundgerecht zerteilt wurde und nickte dem Sklaven, der das tat, nur zerstreut zu. Erst als der Honigwein, den er auch von einem Sklaven bekommen hatte, seine Lippen benäßten, holte dies ihn wieder in das Weltliche zurück und zu den wunderbar duftenden Speisen.
„Eine tragische Angelegenheit!“
, fügte Marcus an und ließ einen Happen von dem Fisch mit der Pastete in seinen Mund wandern. Hm, man konnte ja den Tiberiern viel nachsagen – oder auch nicht – aber auf jeden Fall nicht, daß sie keinen Geschmack hatten oder ihren Koch falsch gewählt. Marcus ließ die Speise auf seiner Zunge zergehen, ganz langsam und genußvoll – er hatte in den letzten Tagen auch bittere und harte Askese leben müssen, so jedenfalls nach seinem Empfinden – dann nahm er gleich noch einen zweiten Bißen und einen Dritten hernach.
„Wundervoll und absolut vorzüglich die Vorspeise, werter Tiberius.“
, erwiderte Marcus mit ehrlichem Ton. Ehe er sich wieder seinem Tischgenoßen zuwandte.
„Darf ich fragen, warum Du den Weg in den cultus deorum gewählt hast, Aurelius?“