Vertieft in eigenen Gedanken, die seine Konzentration, die schon Wein geschwängert war, noch mehr zerfaserte, aß Marcus von den vorzüglichen Nachspeisen, schon derenwegen es sich gelohnt hatte an diesem Abend die Gastfreundschaft des umgänglichen Tiberers zu genießen. Ein paar der Wortfetzen drangen bis zu ihm vor, von den Gesprächen der Anderen, doch wirklich dem roten Faden ihrer Unterhaltung folgte er nicht, so daß der Themenwechsel recht überraschend für Marcus kam. Irritiert blinzelte er einige Herzschläge lang und verfolgte das, was Corvinus äußerte mit wachsender Verwirrung. Die Nichte an irgendeinen Plebejer geben? Oh, sie waren beim alten Thema, was schon die Gemüter vor Jahrhunderten bewegt hatte- die Standesdünkel. Ein Thema, worin Marcus nicht unbedingt der beste Verteidiger des Patrizierstandes war, dafür hatte er zu lange in der Legion gedient; zudem je her eine eigene Meinung gehabt, die mit der seiner Mutter nicht konform ging, letztendlich hatte er sich immer dennoch ihren Wünschen gebeugt. Nicht unter Wert verkaufen? Marcus hielt seinen leeren Weinbecher einem Sklaven hin, der ihm auch prompt wieder nach schenkte und schluckte als Corvinus ihn dazu befragte. Ach herrje! Marcus spürte, daß er einen Stoß auf Glatteis bekommen hatte und sich auf solcher Materie immer schlecht bewegen konnte, meistens eine Landung auf der Nase absolvierte.
„Ähm...“
, begann Marcus und dachte einige Herzschläge nach, was jedoch nicht viel erhellendes brachte.
„Also...hm, ja...ich meine, nun, wenn man schon heiraten muß, dann doch wenigstens eine Ehefrau, mit der man gut zurecht kommt. Da wäre mir eine Plebejerin, die...“
Nein, Ausdrücke wie fesch, schnuckelig, gut bestückt und nicht so eingebildet verbot sich Marcus.
„...eben umgänglich ist, tausend Mal lieber als eine kalte Patrizierin. Da kann die Ehe wirklich zu einer Tartarusfahr werden, oh ja. Das habe ich bei meiner ersten Ehe genug erlebt. Aber Epicharis ist ein Goldstück in jeder Hinsicht, also hat sich die Frage natürlich nicht gestellt.“
Den Göttern sei Dank, denn im Grunde hatte Marcus sowieso keine Wahl gehabt, was er jetzt nicht in Deutlichkeit sagen würde, seine Mutter hatte es eingefädelt und dieser Frau widersprach Marcus nun mal nicht. Zumindest nicht länger als ein paar Herzschläge. Vielleicht hätte es Marcus dabei bewenden sollen, aber nach einem Schluck Wein brannte ihm noch etwas anderes auf der Zunge.
„Um ehrlich zu sein, ich würde meine Nichte, Tochter, oder Schwester – sofern ich eine hätte – aber auch nicht jedem daher gelaufenen Patrizier als Ehefrau geben. Mancheiner sonnt sich doch nur auf dem Glanz eines alten Namen ohne je wirklich in seinem Leben etwas geleistet zu haben; der sich nur von dem Erbe seiner Familie nährt.“
Aber Marcus würde sowieso eine nahe Verwandte gar nicht gerne überhaupt jemanden zu Heiraten geben, egal wie bekannt der Mann war, was bei seiner Tochter noch schlimmer gewesen war, egal ob ein Patrizier oder ein Plebejer; Marcus befand, daß kein Mann eine Flavierin verdient hatte, zumindest tief verborgen hegte er die Meinung, selbst wenn es ihm nicht ganz bewußt war.
„Die Zeiten der verstaubten Standesdünkel sind, meiner Meinung nach, schon lange vorbei, zumal sich wohl kaum einer der Familien noch darauf berufen kann, wirklich zu Zeiten der Stadtgründung schon in Rom gewirkt zu haben, keiner der Familien, die hier am Tisch vertreten sind, vermag dies.“
Womit Marcus die Aurelier, die Tiberier und auch seine Eigene damit meinte.
„Unsere – also die gens der Flavier - stammt auch von Rittern ab.“
, sprach Marcus ehrlich und in geradliniger Art aus, so war er nun mal und sich nicht zu schade, kein Blatt vor dem Mund zu nehmen.
„Wenn man es so betrachtet, hat eher Epicharis das schlechtere Geschäft gemacht. Als Claudia, einer der letzten wirklich alten Familien Roms.“
Nach den Worten verschwand ein letzter Happen vom Essen in Marcus' Mund.