Immer schneller löste sich die Haut des Apfels in einem langen, hauchdünnen Band von der sich drehenden Frucht. Entweder Achilleos' Worte verliehen Alsuna diese Präzision, oder die wunderbare Schärfe des Messers, oder die Sklavin hatte in ihrem Leben bislang nichts anderes gemacht als Obst zu schälen. Die Form der in der Natur gewachsenen Kugel wurde fast vollkommen beibehalten, allerdings sah es mehr als einmal so aus, als müsste die Germanin sich im nächsten Augenblick die Klinge tief in den Daumen schneiden. Doch nichts dergleichen geschah, nichts tat sich, außer dass wieder ein Apfel aus seiner Schale trat als bestünde sie aus feiner Seide.
Ohja, seine Worte beruhigten sie wirklich unglaublich. Jetzt fühlte sie sich in dieser arenagleichen Anlage gleich um ein Vielfaches sicherer, wenn ihre Augen alle paar Herzschläge die Mauern abspähten auf der Suche nach Eindringlingen. Trotzdem, eine zu niedrige, ungesicherte Mauer war eine Sache, ein beständig offen stehendes Tor eine völlig andere. Mochte es mit ihrem Stand zusammenhängen, doch ein derartiges Zeichen der 'Ehre' empfand Alsuna vornehmlich als Einladung für herumlungernde, gelangweilte Diebe und Schläger. Und davon gab es doch gerade in dieser Gegend mehr als genug. Es musste noch nicht einmal etwas Spektakuläres sein; betrunkene Obdachlose oder neugierige Störenfriede genügten bereits vollkommen. Die standen dann plötzlich mitten im Hof oder in den Waschräumen oder im Schrein. Man musste ständig über die Schulter schauen. Da sollte man nicht paranoid werden!
Aber sollten sie nur kommen, so wie ihr werter Herr sie gerade herausforderte. Wenn sie Glück hatten, befanden sich er und sein Schwert auch gerade gar nicht zu Hause, sondern im Museion oder in der Stadt oder bei der Erwiderung hübschen Damenbesuchs. Dann hätten sie es gleich noch eine ganze Ecke einfacher, wenn sie nämlich nur auf eine einsame Sklavin trafen, der so langsam die Obstmesser ausgingen.
Ihre Kiefer pressten sich fast schmerzhaft aufeinander und ihre Schälgeschwindigkeit schien sich flüchtig noch einmal zu erhöhen, ehe das Messer am Stiel der Frucht angekommen war und die feine Schale zu ihrem Vorgänger auf das Tuch fiel. Kurz hielt Alsuna inne und umfasste den Griff in ihrer Hand so fest, dass die Fingerknöchel hervortraten, ehe sie sich wortlos auch dem letzten Apfel zuwandte. Solange sie mit etwas arbeiten könnte, wäre hoffentlich alles wunderbar.
Das dachte sie zumindest. Als Achilleos dann aber plötzlich meinte, eine 'galante' Themenänderung herbeiführen zu müssen, merkte Alsuna gerade noch rechtzeitig, dass dies in Kombination mit dem Fruchtsaft am Messer keine gute Ausgangslage darstellte. Und bevor sie sich vor seinen Augen doch noch tölpelhaft in die Finger schnitt, ließ sie die kleine Klinge lieber mit einem leisen Fauchen in den Apfel eindringen, wo sie auch noch steckte, während die Germanin sich mit nun betont langsamen Bewegungen die Hand am Tuch abtrocknete.
Nach einem tiefen Atemzug glaubte sie, relativ sicher sprechen zu können, wobei sie nicht umhin kam, eine kleine Nuance Schärfe in die gewohnte Unterwürfigkeit einfließen zu lassen.
"Deine Worte mögen richtig sein, Herr, aber mir bereitet der Gedanke Sorge, dass Eindringlinge womöglich dein Eigentum entwenden oder zerstören könnten, wenn sie auch nicht dich direkt angreifen. Und du verstehst sicher wenn mir, die ich dein Eigentum bin, eine solche Vorstellung Angst einjagt. Natürlich wird es mir helfen, mich an diesen Satz 'Wer unbedingt sterben will, der möge sterben.' zu erinnern, wenn ich mit aufgeschnittener Kehle hier im Staube des Hofs liege oder auf meinem Lager neben dem offenen Tor oder im Badezimmer, wo man mich zuvor noch geschändet hat, aber nichtsdestotrotz werde ich gleich nach dieser wertvollen Erinnerung vermutlich tot sein und dir nicht mehr dienen können."
Da sie sich während jenes über ihre Lippen floss nicht groß mit dem Füllen ihrer Lungen beschäftigt hatte, benötigte Alsuna im Anschluss daran erneut ein tieferes Luftholen, ehe sie das Messer wieder mit einem entschlossenen Ruck aus dem Apfel zog und mit dem Schälen fortfuhr, welches nun aufgrund des Schlitzes ein wenig komplizierter ausfiel.
Wieder in ihrer normalen Tonart fügte die Germanin endlich noch hinzu:
"Mein Flötenspiel ist wahrscheinlich nur durchschnittlich und nicht mit dem deinen zu vergleichen."