Die Räume von Penelope

  • In einem Nebengebäude des Museions bekam Penelope ein eigenes Zimmer zugewiesen. Sie überlegte erst noch, abzulehnen, aber sie brauchte ja andererseits einen Raum, in dem sie interessierte Schüler unterrichten konnte. Der Raum war hoch mit großen Fenstern, die zum Park hin gingen und durch die man das satte grün sehen konnte. Lange, luftige Vorhänge konnten zugezogen werden, um etwas Abgeschiedenheit zu erhalten, aber Penelope mochte es gerne offen.
    Ein großer, dunkler Holztisch stand in dem Raum, ebenso wie ein Regal, das darauf wartete, mit Schriftstücken gefüllt zu werden. Auf ihren Wunsch hatte ein Sklave einige Wachstafeln herbeigebracht, die nun fein säuberlich aufgeschichtet auf einer Ecke des Tisches lagen und nur darauf warteten, benutzt zu werden. Ebenso wie der feine, weiße Griffel.
    An der Rückwand hatte ein kluger Mensch bereits einige Musikinstrumente aufgestellt. Penelope sah zwei Lyras und zwei Kitharas, ebenso ein Aulos – das sie nicht wirklich spielen konnte, aber es war da – und ein paar Flöten. Sanft strich Penelope über die einzelnen Instrumente. Sie waren nicht so edel wie ihre Harmonia, aber zum üben waren sie mehr als ausreichend. Erst einmal brauchte sie überhaupt einen Schüler, dem sie auch erstmal vielleicht nur die theoretischen Grundlagen beibringen sollte und der vielleicht gar nicht spielen wollte. Das wusste sie ja alles noch nicht.


    “Was soll auf dem Schild stehen?“ fragte ein Sklave von der Tür her.
    “Schild?“ Penelope kam zu ihm und schaute. Ja, da war ein Schild, das darauf wartete, eine Beschriftung zu erhalten und anzuzeigen, was in diesem Büro wartete.





    Penelope

    Philologos


    Lehrerin der Kunst der Musik, insbesondere an der Kithara


    Sprechstunden: Nach Absprache oder einfach anklopfen

  • Zufällig hatte Nikolaos davon erfahren, dass eine junge Frau namens Penelope in das Museion eingetreten war. Der Name war ihm, aus einer Begebenheit im Gymnasion, bekannt vorgekommen. So hatte er sich aufgemacht an diesem Nachmittag, ihr Quartier in den heiligen Hallen der Musen zu suchen. Ein Sklave hatte ihm den Weg richtig gewiesen, sodass die Suche eine recht kurze blieb.
    Nun stand er vor dem Eingang zu einem Raum, der sich, laut Schild, als der der Penelope ausgab.
    "Ist jemand da?", frug er durch die Tür.

  • Noch war nicht alles richtig so eingeräumt, wie Penelope es gerne haben wollte. Vor allem das Regal war noch so schrecklich leer. Aber sie wusste auch nicht, was sie da hineintun sollte. Sie konnte sich ja kaum einfach Schriftrollen aus der Bibliotheke schnappen. Aber vielleicht ein paar Abschriften davon?
    Penelope stand gerade grübelnd vor dem Regal und beobachtete es, als könne es ihr die richtige Antwort sagen, als jemand an der Tür war. Gedämpft drang die Stimme zu ihr, so dass sie sie nicht gleich erkannte. Ein wenig aufgeregt war die junge Griechin daher, immerhin könnte es ein möglicher Schüler sein.
    “Ja, komm herein“, sagte sie mit klarer und fester Stimme und drehte sich der Tür zu. Das Regal konnte erstmal warten.

  • Augenblicklich folgte Nikolaos der Einladung und - als er nun im Raum stand - erschrak beinahe. Es war tatsächlich diese Penelope.


    "Chaire, Penelope. Welche Überraschung, dich hier anzutreffen.", sagte er, nicht ohne einen salbungsvollen Ton in der Stimme. "Wie ich las, unterrichtest du das Spiel auf der Kithara? Dem Lieblingsinstrument unseres Apollons..." Oder war das die Lyra?

  • Das war der Gymnasiarchos. Welch Überraschung! Penelope hätte unter allen Möglichkeiten Nikolaos Kerykes vermutlich am wenigsten von allen erwartet.
    “Chaire, Gymnasiarchos. Ja, ich war selbst ein wenig überrascht, dass Sosimos von Korinth mich gleich eingestellt hat, obwohl ich die Ephebia noch nicht abgeschlossen habe. Oh, aber setz dich doch.“
    Penelope musste sich an ihr neues Arbeitszimmer erst noch gewöhnen. Sie hatte so beinahe vergessen, dass sie hier nicht stehen mussten sondern sie auch sehr bequeme Stühle hatte. Ein Sklave hatte sogar gefragt, ob sie einen gepolsterten Sessel haben wollte, aber sie hatte für sich auch nur einen einfachen Stuhl. Wenn man in seiner Sitzunterlage versank konnte man nicht richtig spielen.
    Also bot sie Nikolaos einen Stuhl an und begab sich selber auch zu ihrem Schreibtisch. Es war noch so ungewohnt alles, aber das würde sich schon noch alles ändern, wenn sie erst einmal ein paar Schüler hatte.
    “Und zum Unterrichten: Also, ich habe es vor. Noch habe ich keinen Schüler. Und ob nun die Kithara wirklich Apollons liebstes Instrument ist, darüber lässt sich wohl streiten. Immerhin war die Lyra ein Geschenk von Hermes an ihn, und so etwas hat dann vermutlich selbst für einen Gott einen besonderen Wert. Aber ich hatte ohnehin vor, beides zu unterrichten, von der Spielweise sind sich beide Instrumente doch sehr ähnlich, und auch vom Klang.“
    Penelope hoffte, sie redete nicht zu viel. Sie musste sich in die Rolle als Lehrerin erst noch richtig einfinden und hatte immer noch dauernd Angst, etwas zu vergessen oder falsch zu machen. Aber vermutlich würde sich auch das eines Tages legen. Hoffentlich.

  • Gerne kam Nikolaos der Aufforderung der reizenden jungen Frau nach.


    "Mein Kithara-Spiel könnte eine Auffrischung und eine Verbesserung gebrauchen, denn seit ich es als Knabe gelernt habe, hatte ich selten Gelegenheit, es fortzuführen. Es wäre mir eine große Ehre, mich von dir unterrichten zu lassen. Ferner möchte ich in einiger Zeit ein Fest geben, bei dem es mir eine Freude wäre, eine vortreffliche Musikerin zu gewinnen."


    Er lächelte. Dass er sich dies einiges kosten lassen würde, stand außer Frage.


    "Ich weiß nicht, ob du das schon erfahren hast, doch auch ich lehre in diesen heiligen Hallen und verrichte Tempeldienst für Apollon und seine Gefährtinnen, wenn auch auf eine andere Art, denn für die Musik bin ich weniger begabt als für Redekunst."

  • So schnell konnte es gehen, und schon hatte man einen Schüler. Und was für einen, gleich. Penelope fühlte sich geradezu geschmeichelt.
    “Selbstverständlich unterrichte ich dich liebend gerne. Die Ehre läge ganz auf meiner Seite, werter Gymnasiarchos.“
    Es wäre ihr tatsächlich eine sehr große Ehre, einer so hochgestellten Persönlichkeit noch etwas beibringen zu können. Sie hätte nicht geglaubt, dass sich auch ein gewählter Pyrtane für so etwas interessieren könnte. Sie hatte vielmehr mit jüngeren Knaben und Mädchen gerechnet, die von ihren Eltern dazu genötigt werden würden, es zu erlernen. Aber so war es ihr eine doppelte Freude.
    “Oh, und ob ich wirklich so eine vortreffliche Musikerin bin, muss ich erst noch beweisen. Aber dafür wäre ein Fest sicher eine gute Gelegenheit.“ Penelope konnte einfach nicht angeben. Ánthimos tadelte sie deswegen schon immer und meinte, sie stelle ihr Licht unter den Scheffel. Aber sie war einfach bescheiden und konnte da nicht aus ihrer Haut heraus.
    Dass Nikolaos selber unterrichtete, wusste sie so noch nicht. Sie hatte es sich denken können, als Gymnasiarchos gab er ja auch im Gymnasion Unterricht. Aber dass er sich hier auch noch betätigte, war ihr neu.
    “Nein, bislang wusste ich es noch nicht. Dann sind wir ja Kollegen, wenn auch nicht ganz auf gleichem Fach, wenn man auch für beides seine Stimme nutzbringend einsetzen sollte. Du scheinst ein Mann mit vielen Talenten zu sein. Ich hoffe, dir bleibt dann noch genug Zeit, zu üben, bei so vielen Beschäftigungen.“
    Es war nicht vorwurfsvoll gesprochen, Penelope machte sich nur wirklich darüber kurz Gedanken. Wenn man wirklich nicht nur ein bisschen auf der Kithara herumklampfen wollte, sondern vernünftig spielen, musste man Zeit investieren. Und wenn Nikolaos als Gymnasiarchos und Philosophos Pflichten hatte, war die wahrscheinlich begrenzt.

  • Schnell hatte er Penelopes Arbeitszimmer gefunden. Mit seinem Ellenbogen öffnete er die Tür und stapfte einfach mal so rein. Auf den Gedanken zu klopfen kam er nicht, er war es einfach nicht gewohnt bei Penelope anzuklopfen und auf die Idee, dass sie einen Schüler haben konnnt kam er auch nicht, schließlich war keine Musik zu hören.


    Also betrat er den Raum, hob die Blumen vor sich, damit man sie auch gut sehen konnte, er sah dabei jetzt leider nichts mehr, und begrüßte sie mit einem:
    "Hier habe ich Blumen für die schönste Blume des Museions und den Sonnenschein im Hause Bantotakis!"


    Irgend etwas stimmte odch da nicht: Er hörte Penelope nicht vergnügt jauchzen, sondern er hörte rein gar nichts-Stille. So hob er also die blumen ein wenig zur Seite und sein breites Grinsen verging ihm relativ schnell. Gegenüber von Penelope saß Nikolaos Kerykes, der Gymnasiarchos! Vor Schreck hätte Anthi beinahe die Vase fallen lassen, aber er faste sich relativ schnell. "Oh, ich hätte wohl anklopfen sollen.", meinte er zerknirscht.

  • Nikolaos wollte gerade Penelope etwas antworten, als jemand ziemlich unverschämt hineinplatzte, den Worten nach der Geliebte der jungen Frau, was dem zwar auch fast noch jugendlichen doch älteren Priester der Musen und des Apollons ziemlich sauer aufstieß. Da es aber der Arbeitsraum der Penelope war, hielt er sich mit Anmerkungen zurück und beschränkte sich darauf, den Jungen streng zu mustern, als dieser aufgehört hatte, sich hinter den Blumen zu verstecken.


    "Chaire, ehrenwerter Mann.", meinte Nikolaos höflich aber eisig. Dann wandte er sich wieder Penelope zu.
    "An Zeit, so muss gestehen und dir recht geben, mangelt es mir zuweilen leider. Und an Talent auch, sodass ich gar nicht daran denken sollte, über unterhaltsames, nettes Geklimper hinauszukommen. Ich hoffe, es ist dir nicht zu nieder und zu schäbig, jemanden zu lehren, der nicht viel mehr will und nicht viel mehr kann als dieses.
    Wie es für den Sohn eines Hellenen gebräuchlich ist, habe ich das Spiel auf der Kithara einst gelernt, doch die niederen Geschäfte, so der Handel, den ich betrieb, um mich ernähren zu können, haben mich einige Jahre lang davon abgehalten, es weiterzuführen. Was ich mir wünschen würde, wäre, dass ich es mir mit deiner Führung wieder ins Gedächtnis rufe, was ich einst gelernt habe.", meinte er, absichtlich in einer sehr gehobenen und umständlichen Ausdrucksweise. Sollte der unverschämte Kerl mit seinen Blümchen davon lernen. Da fiel Nikolaos ein, dass ihm der Junge bekannt vor kam. Richtig, das war der vermeintliche Ehemann von Penelope. Ein unterdrücktes Grinsen zeichnete sich auf des Gymnasiarchos Gesicht ab, wobei er es nicht Penelope zeigte, der er den Respekt eines Kollegens entgegenbrachte, sondern dem Jüngling.

  • Die Tür ging auf, und ein Blumenstrauß kam hereingelaufen. Unter anderen Umständen wäre Penelope vor Freude jauchzend zu Ánthimos hinübergelaufen, aber im Moment war sie da nun doch etwas perplex. Als Ánthimos meinte, er hätte wohl besser angeklopft, konnte sie sich ein verliebtes, kleines Lächeln in seine Richtung allerdings doch nicht verkneifen.
    Doch dann forderte Nikolaos sofort wieder ihre volle Aufmerksamkeit. Seine kleine Rede zeigte, dass er wirklich Philosphos und Lehrer der Redekunst war. Penelope konnte ihm zwar problemlos folgen, aber doch war das etwas anderes als der Plauderton, in dem sie gewöhnlicherweise sprach. Sie hoffte, der Gymnasiarchos war nicht enttäuscht, wenn sie dennoch bei ihrer normalen Redeart blieb, denn Pelo war sicher nicht wortgewandt genug, ihm in ebensolcher Art zu antworten.
    “Wie könnte es zu schäbig sein, jemanden die Kunst Apollos zu lehren? So schlecht kannst du gar nicht sein, werter Gymnasiarchos, als dass ich es dir nicht mit Freuden beibringen würde.“
    Penelope bemerkte das Grinsen, dass er ihrem Mann schenkte nicht. Sie hätte zwar vermutlich auch nicht anders reagiert, wenn sie es mitbekommen hätte, aber so war sie nur etwas nervös, ob das nun keine negativen Auswirkungen auf ihrer beider Ephebia haben würde.
    Sie warf noch einen Blick zu Ánthimos hinüber. Er hatte seinen Namen wirklich zurecht. Ánthimos, der Blumenreiche. Penelope hatte noch nie einen Blumenstrauß geschenkt bekommen, zumindest nicht von einem Mann und erst recht keinen so großen. Das war richtig süß.

  • Nikolaos winkte lächelnd ab.
    "Du hast mich noch nicht spielen gehört, werte Penelope... . Mein alter Lehrmeister würde weinen - oder mich gar verlachen, wüsste er, was aus seinen zahlreichen Mühen geworden ist, mich zu einem wenigstens anständigen und sicheren Musikanten zu erziehen."
    Er beachtete den Störer schon gar nicht mehr.
    "Ich hoffe, werte Penelope, du hast Geduld mit mir. Wenn es dir nichts ausmachen würde, hielt ich die Unterrichtsstunden gerne in meinem Haus ab, wo ich niemanden mit meinen jämmerlichen Versuchen belästige. Ich fürchte, würde ich im Museion spielen, fühlte sich Apollon beleidigt." Wieder lächelte er. Entgegen seines übrigen Verhaltens, das er in letzter Zeit an den Tag legte, war Nikolaos wieder elegant und durchaus charmant, wie er es früher häufiger gewesen war.
    "Meinst du, einmal wöchentlich Unterricht würde für den Anfang genügen?"

  • Werte Penelope, das hörte sich so ungewohnt an. Vielleicht hatte sie einfach nicht genug Selbstvertrauen, um so eine förmliche Anrede gelassen aufzunehmen. Für sie war das schon beinahe zuviel der Ehre, auch wenn den Griechen im Allgemeinen ja schon nachgesagt wurde, gerne zu übertreiben. Dass Nikolaos sie selber so über den grünen Klee lobte, wo er sie doch noch ebenso wenig hatte spielen hören, war ihr fast schon unangenehm. Aber sie ließ es sich nicht anmerken und durchdachte lieber seinen Vorschlag.
    “Nun, einmal in der Woche wäre für den Anfang und für das Ziel, das du dir gesetzt hast, sicherlich genug. Aber meinst du nicht, es könnte deinem Ruf abträglich sein, wenn jede Woche eine unverheiratete Frau für ein paar Stunden in dein Haus kommt?“
    Penelope wäre es lieber, sie würden den Unterricht im Museion abhalten. Natürlich würde sie es nicht wagen, dem Gymnasiarchos zu widersprechen, das lag nicht in ihrer Natur. Aber Nikolaos stand im öffentlichen Interesse, und wenn sie einmal die Woche in sein Haus gehen würde für mehrere Stunden, konnte sie sich das Getuschel schon vorstellen. Noch dazu, wo Ánthimos bei seinem Konkurrenten, Mitridates Castor, arbeitete. Nicht, dass es da zu Spannungen kam, oder Ánthimos noch böse auf sie wäre.
    Penelope fühlte sich ein wenig zwischen die Fronten geraten. Sie konnte nicht widersprechen, niemandem. Das war als Frau ihre größte Tugend und auch ihr schlimmster Fehler. Das Selbstvertrauen musste sie erst noch lernen.

  • Zum Glück saß Nikolaos mit dem Rücken zu Anthi, denn seine Worte ließen Anthi sofort die Zornesröte ins Gesicht schießen. Was dieser reiche Schnösel mit seiner zukünftigen Frau bei sich daheim machen wollte konnte sich Anthi schon denken. Er atmete dreimal tief durch-ruhig Blut. Zwar beruhigte er sich wieder und es gelang ihm eine gleichgültige Miene aufzusetzen, aber eines wusste er nun mehr denn je: Er konnte den Gynasiarchos nicht leiden!


    Ganz im Gegensatz zu Penelope, die sich wand wie ein Wurm an der Angel, um den Privatbesuchen bei Nikolaos zu entgehen. Da wurde es Anthi wieder warm ums Herz: Pelo würde ihn ganz sicher nicht betrügen.

  • Solange die Frau unverheiratet ist, kann das für meinen Ruf gar nicht abträglich sein., hätte Nikolaos beinahe geantwortet. Nur die Ehefrau eines anderen regelmäßig ohne den entsprechenden Ehemann im eigenen Haus zu empfangen, konnte gelegentlich Probleme bereiten. Hetären durfte jeder Hellene aushalten, soviele er mochte (und unterhalten konnte).
    "Ich denke, da können wir durchaus unbesorgt sein. Schließlich kommst du als Lehrerin, und jedermann weiß, welche Zurückhaltung jeder Lehrer seinen Schülern gegenüber an den Tag legen muss, auf das die Götter nicht um den Frevel an der heiligen Aufgabe des Unterrichts zornig werden.", antwortete er stattdessen.
    Dass Penelope selbst auch einen Grund hätte, um ihren tugendhaften Ruf besorgt zu sein, unterschlug Nikolaos wissentlich. Wer, noch nicht einmal volljährig, sich schon, vermutlich sogar ohne elterliches Zutun, als verheiratet wähnte, konnte doch gar nicht soviel Wert auf Tugendhaftigkeit legen... . So dachte zumindest Nikolaos. Besonders amüsierte ihn auch der Umstand, dass der vermeintliche Ehemann der Penelope dem Ganzen zuhörte... Er hätte gerne in sein Gesicht gesehen, doch das schien ihm zu auffällig, also wandte er den Blick nicht von Penelope ab.

  • Ohje, wie kam sie da nun raus? Sie konnte ja wohl kaum sagen, dass sie das als unanständig ansah, in das Haus eines fremden Mannes zu gehen. Und was Anthi davon hielt, brauchte sie gar nicht erst zu fragen. Da reichte ein Blick hin und wieder zu ihm, denn im Gegensatz zu Nikolaos sah Penelope sehr wohl seine Reaktionen. Ihm gefiel die Sache noch weniger als ihr. Aber er war doch der Gymnasiarchos! Dem konnte sie doch kaum „nein“ sagen? Oder doch?
    “Ja, gewiss weiß das jedermann, und dennoch wird immer geredet. Vor allem, da ich nun mal eine Frau bin, und du, werter Gymnasiarchos, auch nicht verheiratet. Ich habe noch nicht einmal einen Sklaven, den ich mitbringen könnte. Ich bin mir sicher, dass mir in deinem Hause keine Gefahr droht, werter Gymnasiarchos, aber für die Augen der Welt wäre das doch wohl sehr ungebührlich, wenn ich so völlig alleine zu dir in dein Haus käme und da allein mit dir wäre.“
    Hoffentlich überzeugte ihn das jetzt. Denn sonst fiel Penelope wirklich keine Ausrede mehr ein, warum sie nicht zu ihm gehen sollte und den Unterricht bei ihm abhalten. Und vor allem solange Ánthimos hier auch noch im Raum war, wollte sie vermeiden dem Gymnasiarchos da einfach leichtfertig zuzusagen.

  • Da hatte er eine Penelope vor sich, die ihren Namen alle Ehre machte, auch wenn er vom dazugehörigen Odysseus wenig hielt. Er dachte nach, was er antworten könnte. Gerne hätte er das Spielchen weitergetrieben, nur um förmlich zu spüren, wie hinter ihm jemand vor Wut rot anlaufen würde, der jährzornige und im Geist etwas schwache (doch zumindest äußerlich ansehnliche) Junge.
    Andererseits wollte er es sich auch mit Penelope nicht ganz verderben. Und das würde er, sollte er sie dazu zwingen, ihm eine deutliche Abfuhr zu erteilen, auf dass ihr Kettenhund nicht ansprang (was Nikolaos natürlich nur zu gerne gesehen hätte).
    So nickte er nur einsichtig, sah sein Gegenüber lange und nachdenklich an und antwortete dann.
    "Wenn du um deinen tugendhaften Ruf -" Das Objekt des Satzes betonte er überdeutlich. "-besorgt bist-" Er ließ die Stimme oben und legte eine Kunstpause ein. Penelope war schön und, ach! leider zudem klug und schien wirklich tugendhaft zu sein, warum also gab sie sich ... Nikolaos versuchte nicht daran zu denken, ... was ihm nicht gelang.... warum also gab sie sich mit einer groben, unflätigen Person wie ihrem Kettenhund ab? Ein Habenichts, ein Hungerleider, wohl kaum zu irgendwelchen höheren Aufgaben geschaffen... wer wusste, was für ein Ehemann der Kettenhund in dreißig Jahren abgeben würde! wenn Penelope nicht mehr von jugendlicher Schönheit gewissermaßen geschützt war, wenn dieser Barbar also nicht mehr fürchten musste, sie zu beschädigen - wie würde Ánthimos (welche Ironie, der Name!), welchen Mutwillen würde er mit seiner altgewordenen Frau treiben, wie würde er ihren wachen Geist verkrüppeln lassen. Auch wenn Nikolaos sich nicht eingestehen wollte, dass dieses gewiss begabte und geistreiche Mädchen, doch immerhin dieses junge Ding, diese Musikantin ihn den Kettenhund nicht nur auf eine für ihn selbst lustvolle (und durchaus amüsierliche) Weise verachten und ihm spotten ließ, sondern eine gar nicht lustige, gar nicht angenehme Abscheu in ihm aufsteigen ließ, die eine verzerrende Wirkung hatte....
    "-so will ich natürlich darauf Rücksicht nehmen. Wenn es dir lieber ist, können wir für den Unterricht selbstverständlich auch in diesen Hallen bleiben." Da musste eine weitere Spitze her! "Wenn dein zukünftiger Ehemann es wünscht, kann er dich dabei freilich beaufsichtigen oder von einem seiner Diener beaufsichtigen lassen.", fügte er in einem harmlosen Tonfall an. Leider war das Gefühl, das dieser Spott bei ihm selbst hinterließ, kein wohliges der Genugtuung, sondern ein bedrückendes... .

  • Normalerweise wäre Anthi wohl in die Luft gegangen, aber gerade der letzte Satz machte die Provokation nur allzu offensichtlich. Und weil der Gymnasiarchos das so offensichtlich wollte, blieb Anthi total ruhig. Es war genau die Ruhe, die sich seiner bemächtigte, bevor er einen Kampf in der Schwerathletik bestritt. Mochte Nikolaos auch denken, dass der junge Grieche ein gehobelter Klotz war, so war er das doch ganz und gar nicht. Außerdem fühlte er sich diesem mächtigen Mann überlegen, obwohl dazu momentan gar kein Grund bestand, schließlich war er nur ein kleiner Scriba, und Nikolaos war einer der mächtigsten Männer Alexandrias... Aber Anthis Selbstvertrauen und sein Narzissmus waren ein Panzer, den die Giftpfeile dieses Mannes nicht durchdringen konnten.


    Nein, Anthi wurde nicht wütend, vielmehr lächelte er. Penelope hatte ihrem Kollegen die Stirn geboten und so war er einfach nur Stolz auf seine zukünftige Frau.

  • Warum er gerade ihren tugendhaften Ruf so betonte, war Penelope schleierhaft. Er konnte ja nichts davon wissen, dass sie bereits schwanger war, und wohl auch nichts davon, dass sie schon mit Ánthimos zusammen wohnte. Wobei letzteres noch nicht einmal so schlimm war, viele Mädchen kamen schon vor der eigentlichen Ehe in den Haushalt der Familie des Ehemannes, um dort zu lernen. Nungut, diese Mädchen waren dann meistens elf oder zwölf Jahre alt… Penelope war da geringfügig älter. Dennoch nutzte sie die Sprachpause des Gymnasiarchos, sich genau über diesen Punkt Gedanken zu machen. Ihr Ruf war alles, was sie bislang hatte, und daher musste dieser untadelig bleiben. Solange sie keine weiteren Verdienste vorzuweisen hatte, war dies das einzige, auf das sie sich berufen konnte.
    Auf die anschließenden Worte des Gymnasiarchos hin wechselte Penelope einen kurzen Blick mit ihrem Mann. Sie war froh, dass Anthi ruhig war, er lächelte sogar. Warum genau wusste sie zwar nicht, denn sie fand die ganze Situation eher anstrengend, aber andererseits beruhigte es sie auch. Also fand auch sie ihr Lächeln wieder und wandte sich so Nikolaos zu.
    “Das wird nicht nötig sein. Ich denke, diese Mauern sollten genug Schutz für meinen Ruf bilden. Ich danke dir, werter Gymnasiarchos, für soviel Rücksichtnahme. Ich weiß es zu schätzen.“
    Die Modalitäten betreffend des Festes, zu dem Nikolaos sie engagieren wollte, wollte sie lieber ein andermal besprechen, deshalb fragte sie da nicht weiter nach. Die Unterrichtsstunden wären aber schon etwas, was geklärt werden sollte, damit sie auch die nötige Zeit hatte.
    “An welchen Tagen denkst du, dass du Zeit findest für den Unterricht? Schließlich möchte ich mir dann entsprechende Termine auch einrichten, damit ich es dich auch bestmöglich lehren kann.“

  • "Ich bin beinahe jeden Tag* in diesen heiligen Hallen zu finden. Selbst Unterricht gebe ich am letzten Tag der Woche nicht *². Doch natürlich kommt es auch darauf an, wann du Zeit für mich aufbringen kannst." Er lächelte. "Schließlich bin ich es, der von dir gelehrt werden möchte, und nicht du es, die mich um jeden Preis lehren will."



    Sim-Off:

    *Rl leider nicht jeden Tag.
    *² Ich würde vorschlagen, dass wir die Termine Rl flexibel handhaben.

  • Sim-Off:

    *weiß ich doch, ist doch net schlimm
    *² das sowieso, nur SimOn muss Pelo ja was wissen ;)


    Penelope musste sich eindeutig an ihre Rolle als Lehrerin noch gewöhnen. Es war vollkommen fremd für sie, dass sie über die Zeit eines anderen bestimmen konnte und damit eine gewisse Macht hatte. Sie hatte noch nie Macht über jemanden gehabt, nicht einmal ansatzweise. Da war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass ihre Schüler sich vielleicht nach ihr zu richten hatten und nicht umgekehrt. Ein wenig brachten sie die Worte des Gymnasiarchos daher in Verlegenheit.
    “Nun, da du mein erster Schüler bist, bin ich in meiner Zeit noch nicht eingeschränkt. Daher können wir den Unterricht gerne am letzten Tag der Woche halten.“
    Die Versuchung, einmal kurz ihre neu entdeckte Macht auszuprobieren, war groß, daher fügte sie nach einer kurzen Atempause ein bestimmt klingendes “Vormittags“ hinzu. Es war ein ungewohnt erhebendes Gefühl, dieses kleine bisschen Macht. Penelope fühlte sich fast schuldig deswegen. Aber nur fast.

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