Nacht. Zu beiden Seiten der Strasse ragten hohe Häuser auf, zwischen ihnen ging ich, wie in einer Schlucht, umweht von einem kalten Wind, der welke Blätter durch die Strassen trieb, und Fetzen von Abfall. Feine Regentropfen fielen, und legten sich feucht auf meine Stirn. Zu meinen Füssen - eine Pfütze, in ihr spiegelte sich blass, wie verwaschen, die Sichel des Mondes. Ich hob den Blick, und sah den Mond hinter der schrägen Silhouette eines Daches, von Wolken umgeben, ganz schmal, in kränklichem Weiss... Das Heulen eines Hundes liess mich zusammenzucken. Da, wieder. Ich ging schneller, sah über die Schulter, sah nur die Gasse, das schmutzignasse Pflaster. Ein kalter Schauder rann mir über den Rücken. Die Hunde... Ich hatte wieder von ihnen geträumt, war zitternd erwacht, war den Träumen und der Castra entflohen. Mitten in der Stadt war ich jetzt, irgendwo; ich hatte nicht auf den Weg geachtet, mich trieb die Unruhe und eine Angst, die ich nicht begreifen konnte. Gründe mir Sorgen zu machen, die hatte ich natürlich, seitdem man bei den CU auf den Blödsinn aufmerksam geworden war, den ich früher veranstaltet hatte - und Grund zu Zweifeln und Liebesqualen allemal... - aber diese Angst war irgendwie anders, tiefer, schlimmer... Unergründlich.
...brech ich den Rudergriff,
fahr ich zur Unterwelt
ruh ich mich endlich aus...
Ein Refrain, der mir die ganze Zeit im Kopf herumging. Ich schüttelte den Kopf, ich versuchte die Worte fortzuschütteln, umsonst, sie blieben haften.
Ruderhand, Totentanz...
Dieses seltsame Lied, das hatte mir mal ein Seemann beigebracht, ein Ägypter, mit dem ich früher, also eine Zeit lang, öfter zusammen gewesen war. Der war ganz nett gewesen. Sein Name wollte mir aber nicht mehr einfallen. Seit langem hatte ich nicht mehr daran gedacht.
Die Strasse spuckte mich aus, ich trat auf einen Platz, hatte mit einem Mal Weite um mich. Langsam überquerte ich ihn, und sah auf den Boden, wo sich im schwachen Mondlicht mein Schatten abzeichnete, nur schemenhaft, und jeder meiner Bewegungen folgte. Ein Schrein stand da, am Rande des Platzes, wurde deutlicher als ich näher kam, und aus der Dunkelheit schälte sich die Gestalt eines kleinen Kultbildes - Victoria, mit Siegeskranz, den Palmzweig erhoben. Sie war geschmückt, und frische Opfergaben lagen zu ihren Füssen. Da erst fiel es mir auf - ich war beschäftigt gewesen, heute, und hatte überhaupt nicht drangedacht - es war der Tag der Victoria!
Es war der Jahrestag der Schlacht.
Camerinus.... - Lucullus! Ich schloss die Augen, und hörte ihn wieder meinen Namen rufen. Aus weiter Ferne. "Faustus! Faustus." Unter meinen geschlossenen Lidern sickerten Tränen hervor. Der Wind zerrte am Saum meiner Paenula. Ich zog den dicken Stoff eng um mich und verharrte vor dem Schrein. Die Augen blicklos auf die Göttin gerichtet, sah ich die Gesichter meiner vielen, vielen gefallenen Kameraden, und unter ihnen immer wieder das von Lucullus.