| Aedituus Caecus Niger
Die Auswahl des Ochsen war gut getroffen worden, die äußere Vitalität und Kraft spiegelte sich auch im Inneren des Tieres wider, in gesunden, makellosen Organen. Einen kleinen Flecken glaubte Caecus Niger auf der Niere zu entdecken, doch als er den Klumpen in seinen Händen wandte, war es nur ein Schatten, den das Feuer in seiner Unbeständigkeit geworfen hatte. Als die letzte vitalia vor ihm sich klaglos darbot, hob er den Blick zu der Opferherrin hin und verkündete: "Litatio! Dis pater, der dunkle Fürst der inferiores, ist gewillt, diese Gabe anzunehmen!"
Während der Aedituus sich in einer Schüssel voll eisig kaltem Wasser das rötlich-braune Blut von seinen Händen wusch, wurden die Organteile in einen Topf voll siedend heißes Wasser, der über einer der Feuerschalen am Rande aufgestellt war, geworfen und gekocht. Das Flötenspiel der tibicines war in ein leises Säuseln übergegangen, welches nurmehr dazu diente, die Zeit zu überbrücken, bis ein popa mit einer breiten, löchrigen Kelle die Fleischstücke aus dem Wasser fischte und sie auf einen silbernen Teller legte. Caecus Niger bat die Opferherrin Iunia Axilla an seine Seite hinter das flackernde Feuer neben dem steinernen Altar und ließ sich die vitalia anreichen. Mit einer flachen Zange nahm er Stück um Stück und übergab es den Flammen, dass diese die Transformation des Materiellen in das Immaterielle, aus den hiesigen in die göttlichen Gefilde vollziehen konnten.
"Wie dir versprochen, Dis pater, die Gabe der Iunia Axilla zu deinem Wohle!", repetierte er zu jedem Stück Fleisch, das sich in beißenden, dunklen Rauch wandelte, der träge gen Himmel mäanderte gleich dem Tiber in den Sommermonaten durch Rom.
Als auch der letzte Klumpen durch die Flammen verzehrt war, wurde dem Aedituus noch einmal eine kleine Schale mit Wasser und der Pinsel aus Ochsenschwanzhaar gereicht, mit welchem er die Anwesenden unter leisem Gemurmel rituell reinigte von dem düstern Hauch des Pluto, der während des Ritus über sie hinweg gezogen war. Damit war das Opfer vollendet.
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