Am hellichten Tag und auf offener Strasse war er niedergestochen worden, und in der Gosse verblutet, Octavius Cato, ehemals Praefectus Castrorum der Vigiles und angehender Politiker mit einem verschlungenen Werdegang. Ermordet nach einer verlorenen Wahl, wahrscheinlich auf dem Nachhauseweg, soviel war leicht herauszufinden gewesen. Ob es 'nur' ein Raubmord gewesen war, bei dem die Täter zu früh das Weite suchen mussten, als dass sie ihn vollständig hätten ausrauben können, oder ob da mehr dahinter steckte, diese Frage stellte sich natürlich. Sein Vater hatte angegeben, Octavius Cato habe keine Feinde gehabt, und auch sonst war bei den ersten Ermittlungen nichts zündendes herausgekommen. Wahrscheinlich waren die Mörder längst wieder in den gesichtslosen Massen der Hauptstadt untergetaucht... - gingen mit frechem Schritte, durch der Römer Mitte, genossen ihres Frevels Frucht, während sie die Rache sucht... - und diese Bluttat würde sich einreihen zu den unzähligen, die hier in dieser Stadt, im diesem Sumpf des Verbrechens, ungesühnt blieben. Manchmal begann ich zu verstehen, warum viele von den älteren Kollegen so einen resignierten Eindruck machten. Es war ein täglicher Kampf, mit ungleichen Mitteln...
Jedoch - eine Spur gab es noch, und um diese zu verfolgen, waren wir hier, standen heute, an diesem kalten Herbstnachmittag, an dem es ausserdem schon viel zu früh dunkel wurde, mitten in der Subura vor einer heruntergekommenen Insula. Vielleicht war es nur das trübe Wetter, aber mir schien das Gebäude heute besonders trostlos: die fleckige Fassade, von der die rote Farbe abblätterte, brüchige Steine, beschmiert mit Kritzeleien, die Fensterhöhlen klaffende Löcher, die mich an starre Augen erinnerten, oder an weit aufgerissene Münder, die allesamt das selbe sagten: Urbaner, verpisst euch!
Aber hinter manchen dieser Löcher brannte Licht. Ich legte den Kopf zurück, zählte die Stockwerke ab, und tatsächlich, da wo - soweit ich mich erinnerte - die Wohnung lag, der wir einen Besucht abstatten wollten, drang durch Vorhänge gedämpftes Licht hervor, und vor dem Fenster standen bunt angemalte Blumentöpfe, wie ein vergeblicher Versuch die überwältigende Tristesse dieses Ortes zu überwinden.
"Da oben ist es, da wo die Blumentöpfe stehen", teilte ich den anderen mit gedämpfter Stimme mit. Ich hatte, um nicht unnötig für Aufsehen zu sorgen, nur vier weitere Soldaten mitgenommen, ausserdem Anweisung gegeben die Helme wegzulassen und die Paenulae über den Rüstungen zu tragen. Das mit den Mänteln war sowieso ganz gut bei der Kälte, und so konnte man uns wenigstens nicht schon von weitem erkennen. Silio, Rupus und Macro waren dabei, alte Kameraden denen ich absolut vertraute, und Redivivus, der ja den Wettschein gefunden hatte. Hoffentlich würden wir nicht mit einer der örtlichen Banden zusammenstossen, die hier in der Gegend galten als ziemlich rabiat.
"Der Mann ist ein Gauner, ich denke aber nur ein kleiner Fisch, er nennt sich Decius, und beschäftigt sich auch mit Wetten. Bestimmt kann er uns weiterhelfen, mit dem Wettschein... er hat auch eine Frau, die heisst Fabula. Wir versuchen es erst mal im Guten, aber wenn er uns keine Auskunft geben will, ziehen wir andere Seiten auf, und machen ihm klar, dass wir ihn ohne weiteres gleich mitnehmen können. Ich bin sicher er hat genug Dreck am Stecken. Rupus, Macro, ihr postiert euch hier unten am Eingang, Silio, Du oben im Flur." (Meine beiden - ehemaligen - Contubernales waren alle beide ziemlich reizbar, und ich wollte nicht, dass es sofort auf Möbel zertrümmern, rumprügeln und Frauen belästigen hinauslief. Wir waren ja nicht mehr in Parthien.)
Ich nickte den vieren zu. "Agite."
Der Eingang der Insula war eng und düster. Rupus und Macro blieben dort zurück, wir anderen stiegen die Treppen hinauf. Ich ging zuerst, und gab acht leise aufzutreten, nicht wie das Sturmkommando persönlich die Stufen hochzutrampeln und alle aufzuschrecken. Hier... das musste der richtige Treppenabsatz sein. Hoffentlich wohnte Decius überhaupt noch da, und hoffentlich war er zu Hause. Auch Silio bezog seinen 'Posten', von wo er die Treppe und die nächsten Wohnungen im Augen behalten konnte. Vielleicht war es übertrieben, aber hier in dem Viertel, als Urbaner, war ich lieber zu vorsichtig als zu sorglos.
"Redivivus." Ich wandte mich zu dem Miles, wies auf die Türe zu Decius' Behausung und bestimmte ganz zuversichtlich: "Für's erste übernimmst Du das Reden. Du machst das schon."
Decius hatte mich nie gemocht. Ich ihn auch nicht. Jemand anderes würde bestimmt bessere Chancen haben, im Guten eine Auskunft von ihm zu erlangen. So liess ich Redivus den Vortritt.
edit: Macro dazugeschrieben