Habitatio - Centurio Faustus Decimus Serapio und Ziaar

  • Ahura Mazda! Hol Wasser, bring was zu Essen! Verdammt, war er Sklave oder was?! Einen halben Wimpernschlag später verwarf er die Frage. Gefügig wie er nun mal war, räkelte sich Ziaar kurz, knackte mit den Nackenwirbeln (beim Thema Überarbeiten hatte der Decimer völlig Recht, Ziaar hatte sogar die Zeit gefunden in dem Hühnerstall kleine Ornamente einzuschnitzen, wodurch er doch schon sehr orientalisch aussah) und verschwand nach draußen, um einen Krug mit Wasser ab zu füllen. Dann machte er noch im Vorratsraum eine Art kleine kalte Platte zu recht. Etwas Oliven, Brot, Käse und Trockenobst sollte den feinen Herrschaften wohl genügen. Dabei trödelte er nur etwas länger als gewöhnlich in der Hoffnung, dass sich der Decimer seine Gedanken darüber machte, ob er vielleicht etwas Gift beigemischt hätte. Hatte er natürlich nicht. Er hatte einen Pakt mit Ahura, und zum Sterben war es für den Römer einfach noch zu früh.


    ~"Darf es sonst noch etwas sein?"~


    Fragte Ziaar mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Spätestens jetzt sollte jemand der Ziaar auch nur etwas kennt, Angst bekommen.

  • Nun, offensichtlich war es nicht gerade einfach den neuen Befehlshaber der CU einzuschätzen und daher drang Licinus nicht mehr weiter auf Serapio ein.


    "Werd ich weitergeben." antworte er, als der Decimer das Lob auf die Schreibstube der prima aussprach.
    "Tja, man müsste halt mal einen alten Soldaten auf den Stuhl des procurators setzen, dann würden die notarii ihre Hintern auch schneller hochkriegen als bisher." Obwohl ein Procurator natürlich nie die Möglcihkeiten zur Disziplinierung haben würde, die ein centurio zur Verfügung hatte, da machte Licinus keine Illusionen


    Was genau Serpio zu seinem Sklaven sagte (zumindest vermutete Licinus, dass es sein Sklave sei) konnte er nicht verstehen, aber er war sich fast sicher, dass es griechisch war.
    Licinus seufzte innerlich, irgendwann würde er mal Zeit finden, sich diese Sprache anzueignen, zumindest in rudimentären Grundkenntnissen.
    Gleichzeitig registrierte er auch, dass sich nicht nur in der angewandten Sprache etwas geändert hatte, sondern auch in ihrer Anwendung. Serapio klang, in Licinus Ohren, für seine Verhältnisse außerordentlich scharf und auch die Stimme des Sklaven klang nicht besonders freundlich.


    Als Ziaar das Zimmer wieder verlassen hatte, fragte Licinus vorsichtig:
    "Nicht gerade der einfachste Fall, dein Sklave?"


    Kurze Zeit später sollte Licinus erfahren, was Serapio offensichtlich gesagt hatte, als der Sklave zurückkehrte und ein paar Kleinigkeiten zu Essen brachte. Licinus bedankte sich bei seinem Gastgeber und nahm sich etwas von dem Trockenobst.
    "Nicht besonders lange, da ich nicht gerade viel Urlaub eingeräumt bekommen habe. Du kennst doch den legatus.
    Allerdings würde ich für die kurze Zeit dein Angebot sehr gerne annehmen.
    Du musst wissen, die Casa Iulia ist derzeit ziemlich verlassen, daher zieht es mich da nicht unbedingt hin."

    Allerdings würde er wohl mal trotzdem dort nach dem Rechten sehen müssen, das verlangte die Familienpflicht von ihm.
    "Umso lieber würde ich hier unter Freunden bleiben. Außerdem ist hier mehr Leben."
    Immerhin war man in einem Militärlager, da kam eigentlich nie Ruhe rein, nicht mal während der Nachtwache. Und mittlerweile war Licinus einfach zu sehr daran gewohnt um es sich noch anders vorzustellen.

  • ”Soweit ich weiss...”, überlegte ich, und kratzte mich dabei am Kopf, ist der Procurator ein alter Soldat... Ein Prätorianer!” Ich grinste spöttisch - in der Hinsicht hatte mich eben die Prima geprägt, wo die Rivalität zur Garde stets gepflegt wurde.
    Mein Sklave war heute so gehorsam! Ich war richtig erstaunt wie gut er spurte, auch wenn er natürlich in seiner ganzen Haltung immer so was latent aufsässiges hatte. Licinus war das nicht entgangen.
    ”Das kannst Du laut sagen! Er ist ein Nichtsnutz und ein Galgenstrick!”, klagte ich, ”Ich hab schon oft darüber nachgedacht, mir einen anderen zu kaufen, aber, naja, ich finde es geschieht ihm einfach recht, dass er mir dienen muss. Ich hab ihn doch in Edessa eingefangen, er war einer von diesen verfluchten Partisanen, die mein Contubernium beim Requirieren aus dem Hinterhalt angefallen haben. Drecksparther! Davor war er schon in Gefangenschaft gewesen, da hab ich ihn gekauft, nach der Schlacht, aber, hm, ich war zu betrunken an dem Abend, da ist er mir gleich wieder abgehauen... ist also eine lange Geschichte.”
    Ich trank noch ein paar Schluck, beschloss dann aber auf das Wasser zu warten. Der Wein so ganz unverdünnt, das war mir zu unzivilisiert. Und tatsächlich, Ziaar brachte das Verlangte, aber mit so einem unguten Lächeln, dass mir ganz ungemütlich wurde. Er würde es doch nicht wagen, uns zu vergiften? Ich war versucht, ihn selbst vorkosten zu lassen, aber dann kam mir das zu albern vor. Natürlich würde er es nicht wagen, es wäre ja auch sein Ende... Aber während ich mir den Becher mit Wasser auffüllte, bedrängte mich die Vorstellung, er könne da reingespuckt haben... ich habe einfach eine zu lebhafte Phantasie.


    Licinus stimmte zu, was mich wirklich freute. O ja, ich kannte den Legaten, und wenn ich so recht darüber nachdachte war es schon erstaunlich, dass Licinus überhaupt in Rom war.
    ”Gut!”, meinte ich, und kommandierte meinen Sklaven weiter herum: ~”Ja, noch zwei Dinge: bereite ein Nachtlager für meinen Gast, und geh auf den Markt und besorge etwas zur Cena... hm...”~
    Ich wandte mich an Licinus und erkundigte mich: ”Was hältst Du von gebratenem Thunfisch zur Cena?”


    Nachdem die Essensfrage geklärt war, stellte ich sicher, dass die Becher gefüllt waren, lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und streckte die Beine von mir.
    ”Erinnert mich gerade irgendwie an früher. Man, so lange ist das doch noch nicht her, aber ich bin manchmal ganz nostalgisch. - Und wie steht es so bei Dir, in Mantua und überhaupt? Schindest Du immer noch die Probati? A propos, wie macht sich eigentlich mein Cousin Vestinus? - Oder absolvierst Du den CRV, um ins öffentliche Leben einzusteigen, und ganz neue Wege zu gehen?” Letzteres war ein Schuss ins Blaue, den ich eher scherzhaft abgab - Licinus ausserhalb der Prima, das konnte ich mir nur sehr schwer, eigentlich gar nicht, vorstellen.

  • "Soooo...?" fragte Licinus "Das war mir neu. Dann hat er seine Leute wohl nicht so unter Kontrolle, wie er es haben sollte."
    Wer wollte konnte Licinus hier durchaus unterstellen, dass er der Meinung war, dass dies bei den Gardisten normal war. Oder aber, dass ihm der Ex-Soldat Leid tat, sich jetzt mit den Notarii herumschlagen zu müssen.
    "Hoffe mal, dass die da oben Kontrolle reinbekommen. Sollte verdammt noch mal nicht vorkommen!"


    Licinus erinnerte sich an die Geschichte, die sich in dem Dorf zugetragen hatte, zwar war er nicht selbst Mitglied des Trupps gewesen, aber natürlich wusste er dennoch über die Ereignisse Bescheid, die Aristides letzten Endes seine Militärzeit und vor allem seine Gesundheit gekostet hatten.
    "Diese unrühmliche Geschichte." meinte er leicht betrübt:
    "Hast du eigentlich nochmal was von deinem alten centurio gehört? Meine lezte Information war, dass er geheiratet hatte. Weißt du, wie es ihm seit dem ergangen ist?"
    Als der Sklave das Wasser brachte bedachte Licinus ihn mit einem kritischen Blick. Irgendwie war er ihm suspekt. Oder lag dies womöglich nur daran, dass er ein Parther war, fragte sich Licinus, ein Mann, der zusammen mit seinen Kameraden, die seine eigenen getötet hatte? Oder gab es womöglich doch einen Grund dafür.
    "Thunfisch ist in Ordnung." antworte Licinus leichthin. Was das Essen anging war er spartanisch genug, freute sich über feine Speisen, war aber ebenso mit puls und posca zufrieden.


    "Nicht lange her? Ja vielleicht, wenn du die Zeit nimmst. Aber viel passiert ist dennoch! Sieh nur uns beide an, wir sind centurionen geworden. Du zwar nur bei den CU." fügte er schelmisch hinzu
    "Aber das ist doch auch was Wert.
    Ja, ich jage sie noch immer von früh bis spät über den Campus. Und ich glaube fast, das einige doch nicht ganz hoffnunglos Fälle sind.
    Eben dein Cousin zum Beispiel. Er macht sich ganz ordentlich und bald wird seine probatio wohl beendet sein, denke ich.
    Werde dafür sorgen, dass er fest in meine centuria kommt. Du weißt ja, wie das läuft."
    Schließlich musste ein centurio dem anderen kaum klar machen, dass man vor allem diejenigen behielt, in denen man das meiste Potential sah. Und damit die gesprochenen Worte ein großes Lob waren.


    Bei den nächsten Worten bekam Licinus, der grade einen Schluck getrunken hatte, einen deutlichen Hustanfall.
    "Öffentliches Leben?! Neue Wege?! Auf was für Ideen kommst du?" Licinus sah Serapio überrascht an, als er sich wieder gefangen hatte.
    "Nein, ich bleibe der legio sicher noch eine Weile erhalten.
    Aber, um ehrlich zu sein, habe ich für den Fall einer Verletzung und Dienstunfähigkeit vorgesorgt und Tiberius Vitamalacus zu meinem Patron gemacht."
    Licinus glaubte nicht, dass Serapio ihm unterstellen würde diesen Schritt getan zu haben um in der Karriere voranzukommen und ging daher auf diese Möglichkeit auch gar nicht ein:
    "Er wird dafür sorgen, dass ich über die Pension hinaus versorgt bin, sollte mir jemals etwas zustoßen.
    Denn die allein ist zwar am Ende ganz ordentlich, aber du weißt ja selbst wie das ist, wenn einem frühzeitig etwas passiert.
    Man bekommt einen winzigen Teil und das war's."

  • ”Er ist in die Politik gegangen”, begann ich zu erzählen, was ich so von meinem früheren Centurio mitbekommen hatte, ”und wurde zum Vigintivir gewählt. Ich war bei den Spielen, die er zum Wahlkampf veranstaltet hat, die waren wirklich gut gemacht. Vor allem ist da so eine wilde Amazone aufgetreten, ich kann Dir sagen, die hatte Kampfgeist!” Ich erhob mich, kramte in einer Kiste, und zeigte dann Licinus den Becher, den ich mir von dort als Souvenir mitgenommen hatte. Wählt M'. Flavius Gracchus und M. Flavius Aristides! , war dort eingebrannt.
    ”Die haben wirklich in die Vollen gegriffen. Sogar einen Pudelkampf gab es. Und eine grosse Verlosung...” Nur nicht an Hannibal denken... dort auf der Tribüne... einfach nicht dran denken. Ich setzte ein schiefes Grinsen auf und erzählte trocken: ”Ich hab auch was gewonnen, ein romantisches Treffen mit der Hetäre Euphrosyne, sehr exclusiv. Ja, bei sowas hab ich immer Glück... - Seit den Spielen habe ich Flavius aber nicht mehr gesehen. Ich schätze, er wird wohl bald Senator sein.”


    Da Licinus keine Einwände hatte, trug ich Ziaar auf: ~”Also, kauf frischen Thunfisch und Artischocken, und, ähm, Knoblauch und Petersilie. Und Garum und Pomeranzen.”~ Die Namen der Kräuter kannte ich allerdings nicht auf Griechisch, also gab ich ihm ausser einem Beutel mit Sesterzen auch eine Einkaufsliste mit, auf eine Wachstafel geritzt, die konnte er ja dann beim Händler vorzeigen. ”~Na los!~ Age!”


    Licinus hatte recht, es war viel passiert seitdem... Nur CU? Nur CU?!
    ”Hey!”, fuhr ich auf ”Hast du noch nie von den hochelitären Stammeinheiten gehört, die die grosse Ehre haben, hier im Herzen des Imperiums Dienst zu tun, anstatt in so einem götterverlassenen Kaff wie Mantua Steine zu klopfen! Ich glaubs nicht! Ne, und so was nennt sich Centurio!” Ich schüttelte breit grinsend den Kopf, Licinus würde mir diese Kabbelei hoffentlich ebensowenig übel nehmen wie ich ihm.
    Über das Lob für Vestinus dagegen freute ich mich sehr. ”Das ist gut zu hören!” Licinus war ja eher nüchtern von seiner Art her, da war ‘ganz ordentlich’ schon eine richtige Auszeichnung. Meine nächste Frage erschreckte ihn offenbar, ich klopfte ihm freundlich auf den Rücken bis der Hustenanfall vorbei war. ”Hätte auch nichts anderes gedacht. - Mhm, ist vernünftig... Ja... da kann’s einem echt dreckig gehen. Weisst Du, neulich hab ich an den Tibertreppen einen Krüppel gesehn, der da gebettelt hat, und ich glaube ich hab ihn wiedererkannt, das war ein Kamerad aus der zweiten Cohorte gewesen, ich hatte mal in Zeugma mit ihm zu tun... wenn ich mich recht erinnere. Naja, er hat sich dann so weggedreht, als ob er nicht erkannt werden wollte.”
    Im Nachhinein dachte ich natürlich, dass ich ihn trotzdem hätte ansprechen sollen, aber in dem Moment war ich einfach weitergegangen. Bedrückt stellte ich meinen Becher zur Seite, brach mir ein Stück Brot ab und tunkte es in das Olivenöl.
    ”Hast Du es eigentlich... jemals bereut?”, fragte ich dann nachdenklich, und wies dabei mit dem Brot in Richtung des Teils der Castra, in dem die Garde ihre Quartiere hatte. ”...die Entscheidung damals.”

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    Klient - Decima Lucilla

  • "Politiker? Aristides?" Licinus guckte ungläubig drein. "Ernsthaft? Wäre ich nie drauf gekommen. Andererseits, wenn man an seine Familie denkt, dann gab es wohl nicht viel andere Möglichkeiten."
    Ein weiter Gedanke kam ihm, den er aber nicht aussprach. Ob es wohl eine freiwillige Entscheidung war?
    "Eine Amazone und eine Pudelkampf? Sowas kriegen wir natürlich nicht so oft zu sehen. Um ehrlich zu sein ist es schon eine ganze Weile her, dass ich das letzte Mal bei öffentlichen Spielen war."
    Genau genommen war er noch nie bei einem Pudelkampf gewesen. Ob man bei da von den hinteren Rängen der Arenen überhaupt noch etwas mitbekam, fragte er sich. In den kleinen Theatern mochte das ja noch gut möglich sein, aber im Kolosseum oder des circus maximus?
    Während er der Erzählung von Serapio weiter lauschte setzte trat ein leicht anzügliches Lächeln auf sein Gesicht.
    "Ein romantisches 'Treffen', soso..."
    Licinus pfiff zwischen zwei Zähnen und hob seinen Becher auf dein Glück, möge es dich niemals im Stich lassen.


    "Also, was Mantua angeht hast du ja Recht. Aber Steineklopfen?! Da haben wir nun wirklich besseres zu tun. Beispielsweise Steine zu verarbeiten.
    Gerüchten zufolge steht demnächst wieder ein Arbeitseinsatz für einen Teil der legio an. Irgendwelche Straßen müssen wohl ausgebessert werden."

    Die übliche Routineaufgaben für eine legio im Alltagsdienst eben, wobei für eine legio?
    "Sag mal, wie ist das eigentlich in Rom. Werdet ihr hier auch für Bauarbeiten herangezogen, oder hat die Stadt ihre eigenen Leute dafür?"


    "Ja, es ist hart sowas zu sehen." meinte Licinus nun leicht bedrückt, während er an die Männer dachte, die er manchmal auf Patroullie in Mantua sah.
    "In Mantua gibt es ja die kleine Veteranensiedlung, da können die Männer noch Unterstützung finden. Aber viele der Verkrüppelten wollen dann auch nicht von den Almosen ihrer ehemaligen Kameraden leben. Für sie wäre das demütigend."
    Natürlich gab es immer wieder Möglichkeiten, einigen Männern etwas gutes zu tun, an Festtagen beispielsweise, aber vielen blieb nichts üborg als zu betteln. Was eben der Grund für Licinus schritt gewesen war.


    Licinus schob sich zwei Oliven in den Mund, während er darüber nachdachte. Hatte er es jemals bereut?
    "Ich glaube", begann er nachdenklich, "ich habe es manchmal bereut nicht zu den Prätorianern zu gehören. Leichterer Dienst, mehr Sold und so weiter. Aber ich bereue es nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht gewechselt habe. Es war mitten im Feldzug, ich hätte meine Freunde verlassen müssen und in eine fremde Einheit wechseln sollen.
    Ich verstehe bis jetzt nicht, warum sie das Angebot zu eben jenem Zeitpunkt gemacht haben und nicht bis zum Ende des Feldzuges gewartet haben. So hoch waren die Verluste der Garde doch gar nicht, oder?"

  • ”Ja, ich auch nicht. War schon ein herber Verlust, dass er den Dienst quittieren musste.”, meinte ich mit gerunzelter Stirn. Verdammte Parther, blöde Quacksalber.
    Mantua schien laut Licinus’ Äusserung noch ebenso verschlafen zu sein wie ich es kannte, und wieder mal war ich froh, in Rom Dienst zu tun, wo ständig was los war - wirklich ein Privileg. Als Licinus auf mein Glück trank, wurde mein Grinsen immer schiefer, bis es ordentlich Schlagseite hatte. ”Und auf Deins!”, prostete ich zurück. (Das ‘romantische Treffen’ war nicht sehr erbaulich gewesen. Ich war ja auch nur notgedrungen hingegangen, damit es niemandem auffiele, dass ich nicht hinginge.)
    Strassenbau - puh, ich war froh dass wir davon verschont blieben, auch wenn ich natürlich wusste wie essentiell unsere guten Strassen für das Imperium waren. ”Nein, da haben wir Glück, solche Arbeiten müssen wir nicht machen. Aber wir haben auch so jede Menge zu tun, es gibt immer genug Arbeit um nicht auf dumme Gedanken zu kommen.”


    Die Veteranensiedlung in Mantua kannte ich nur von ferne. ”Kann man ja irgendwie verstehen, das...” meinte ich leise, beklommen bei der Vorstellung dass ich selbst, oder Licinus, wenn wir im Krieg weniger Glück gehabt hätten, jetzt in der selben Lage sein könnten. Wobei - ich war ja seit kurzem, seit Tante Lucilla mir diese ganzen Ländereien vermacht hatte, auf einmal richtig reich... in dem Moment schämte ich mich fast dafür... lebendig, unversehrt und reich, wer von den Kameraden konnte das schon von sich behaupten. Ich sollte unbedingt etwas an einen der Veteranen-Vereine spenden, das könnte mein Gewissen erleichtern.


    Ich steckte das Brot in dem Mund und kaute, während ich Licinus lauschte, nickte dann heftig.
    ”Genau! Du bringst es genau auf den Punkt. Es wäre treulos gewesen, zu dem Zeitpunkt zu gehen. Ihre Verluste können gar nicht so hoch wie unsere gewesen sein...” Zahlen kannte ich natürlich keine, die wurden bei so was ja grundsätzlich unter Verschluss gehalten.
    ”Aber naja, später habe ich dann ja gesehen, dass in der Prima auch nicht alles Gold ist was glänzt, da hab ich dann schon manchmal gedacht... also, eben genau das was Du eben formuliert hast.” Und die schönen Garderüstungen... die waren sowohl farblich als auch in ihrer leicht archaisierenden Formensprache sehr ansprechend für einen ästhetisch empfindsamen Menschen wie mich. ”Aber, auch wenn ich früher nie gedacht hätte, dass ich mal bei den Urbanern landen würde - die Arbeit hier liegt mir. Und sie ist gar nicht so ruhmlos wie ich anfangs dachte. Neulich war sogar jemand von der Acta bei mir, um über uns zu berichten.”


    Wir sassen noch eine Weile gemütlich zusammen und plauderten über dies und das und die alten Zeiten. Ich krönte den Abend mit einem leckeren Thunfischgericht, denn ich koche ja gern, bloß lohnt es sich für gewöhnlich nicht, nur für eine Person. (Ich kann ja schlecht meinen Sklaven bekochen.)


    Der nächste Tag war der, an dem ich die unglaubliche Neuigkeit von Livianus’ Rettung erfuhr. Wie berauscht von diesem Glück überfiel ich meinen Gast sofort damit, als er des abends zur Türe hereinkam.
    ”Licinus! Du glaubst nicht was ich heute erfahren habe. Livianus lebt, irgendwie ist er den Parthern entkommen, und er ist schon auf dem Weg hierher, angeblich schon in Ostia! Unglaublich, nicht?!” Ich strahlte bis über beide Ohren und liess den Freund gar nicht zu Wort kommen. ”Wir, also wir Decimer werden anlässlich seiner Rückkehr ein Fest geben, in unserer Casa, und dazu möchte ich Dich auch herzlich einladen!”

  • Noch eine Weile plauderten sie, dann ging es über zum Essen und Licinus musste feststellen, dass er lange nichts mehr derart wohlschmeckendes zu sich genommen hatte. Nicht mal bei seinen Besuchen im praetorium. Einen entsprechenden Kommentar ließ er natürlich auch fallen.


    ~~~


    Licinus hatte an jenem Tag die Prüfung für den CRV abgelegt und dann in die castra zurückgekehrt um einige Schreibarbeiten zu erledigen. Daher war er noch nicht mit der Neuigkeit vertraut gewesen.
    Als die Türe aufkrachte drehte sich Licinus erschreck um. Wer würde so die Räume eines centurios betreten. Im nächsten Moment war es dann auch klar: der centurio selbst.
    Die Nachricht ließ Licinus erst mal stauen, ungläubig blickte er seinen Freund an. Damit hätte er nie gerechnet, lange hatte er seinen ehemaligen legatus tot gewähnt.


    "Unglaublich! In der Tat, einfach unglaublich" murmelte er leicht geistesabwesend. Nachdem er sich wieder gefangen hatte sprach er weiter:
    "Danke für die Einladung. Wann sagtest du nochmal findet das Fest statt?"

  • ”Ähm… bald, sobald die ganze Sippschaft eingetroffen ist.“ Das war nicht sehr präzise, musste ich zugeben. Licinus würde ja sicher um Urlaub ersuchen müssen. In meinen Augen überstrahlte die welterschütternde Nachricht von Livianus‘ Rückkehr alles andere, aber beim Militär musste eben alles seine Ordnung haben. Das brachte mich auf einen anderen Gedanken.
    “Oh, und kannst Du mir einen Gefallen tun?! Ich hab ja zwei Vettern in der Prima, Vestinus und Celsus, könntest Du, ähm, vielleicht ein gutes Wort für sie einlegen, damit sie auch kommen können?“

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    Klient - Decima Lucilla

  • Es war höchste Zeit, mich mal wieder bei meiner Tante zu melden. Sie hatte mir praktisch den Hals aus der Schlinge einer öffentlichen Blamage gezogen – da sollte ich mich wenigstens bedanken. In meinem Arbeitszimmer nahm ich Papyrus und Schreibzeug zur Hand, und verfasste einen Brief nach Hispania:



    An
    Decima Lucilla
    Casa Decima Lucilla
    Tarraco
    Hispania



    Liebe Tante Lucilla, hochverehrte Patrona,


    ich schulde Dir großen Dank! Durch Dein Eingreifen in dieser unsäglichen Germanicer-Geschichte, hast Du es verhindert, dass ich in den Prozess mit hineingezogen wurde. Es kam gar nicht bis zur Hauptverhandlung. Livianus und Mattiacus haben vorher beschlossen, den Zwist mit dem Germanicer öffentlich beizulegen. Er hat sich auf der Rostra bei Livianus entschuldigt, dann haben sie gemeinsam im Concordia-Tempel ein Opfer dargebracht. Es ist gut, und ich bin froh, dass es so ausgegangen ist, auch wenn dieser Germanicer deswegen keinen Deut weniger ein niederträchtiger Lump ist. Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass er bei Livianus Kandidatur vor den Senat auch völlig haltlose Lügen über mich verbreitet hat, um Livianus anzuschwärzen. Jetzt noch packt mich die Wut, wenn ich diese Worte niederschreibe. Dir zuliebe will ich versuchen, die Germanicer insgesamt differenziert zu betrachten, aber dieser eine Germanicer hat wirklich nichts als Verachtung verdient. Und Livianus hatte gar keine andere Wahl als ihn anzuzeigen, immerhin hatten seine Verleumdungen Livianus' Ehre in Frage gestellt.
    Wirklich tausend Dank für Deine Hilfe, dank der ich glimpflich davongekommen bin! Den Advocaten Tiberius musste ich so zum Glück nicht bemühen. Es war so eine Erleichterung, Deinen Brief zu bekommen! Eine Zeitlang hat mich diese Sache echt mitgenommen – schon zu wissen, dass man damit nicht alleine gelassen wird, tut dann einfach sehr gut.


    Wie geht es Dir? Und Cossus? Viele Grüße zurück an meinen kleinen Großneffen! Ihr könnt froh sein, den Sommer bei Tarraco zu verbringen. Hier über Rom liegt mal wieder die Gluthitze und lässt allerhand Gerüche aufsteigen. Ein frischer Seewind wäre da das höchste der Gefühle.


    Es gibt noch eine große Neuigkeit. Stell Dir vor, Livianus hat sich entschieden, mich als seinen Sohn anzunehmen! Obwohl er vor kurzen erst Flavus kennengelernt hat. Er meinte, er habe diese Entscheidung schon vor längerem getroffen, und es sei im Sinne meines verstorbenen Vaters. Als Praetor hat Livianus die Zeremonie selbst durchgeführt. Es war sehr feierlich, und Du kannst Dir sicher denken, dass ich überglücklich bin. So lange habe ich geglaubt, dass es mir nie gelingen wird, seinen Erwartungen Genüge zu tun. Wenn ich nur daran denke, wie er in Zeugma, in dem großen Heerlager damals, herausfand, dass ich sub aquila gegangen war, und - anstatt erfreut zu sein worauf ich ja hoffte - ausser sich vor Wut war. Das ist jetzt anders geworden. Es ist sehr ungewohnt, ihn mit 'Vater' anzusprechen, aber ich gewöhne mich daran.
    Auch wenn ich nun unter seiner Patria Potestas stehe, an unserem Patronatsverhältnis ändert sich nichts. Ich habe Livianus vor der Adoption um Erlaubnis gefragt und er ist einverstanden, dass ich Dein Klient bleibe. Ich könnte mir auch keine bessere Patrona vorstellen!


    Kannst Du mir vielleicht einen Rat geben? Es geht um Flavus. Er scheint es nicht gut aufzunehmen, dass ich jetzt sein Adoptivbruder bin. Aber er ist sowieso ein arroganter Schnösel, unheimlich strebsam, aber ohne sich die Sachen ehrlich zu erarbeiten. Zur Zeit ist er auch noch Tribun bei den CU. Wie zu erwarten hat er keine Ahnung von nichts und trägt bloß seine Rüstung spazieren um die Mädchen damit zu beindrucken.
    Was mich aber ernsthaft stört: er spricht schlecht über seinen – unseren Vater, und würdigt Livianus' Leistungen für das Imperium gnadenlos herunter. Ich finde, Livianus sollte wissen, wie respektlos und undankbar sich Flavus hinter seinem Rücken aufführt, damit er das endlich unterbinden kann. Aber ich habe Bedenken, dass es seltsam aussehen könnte, wenn ich es ihm sagen würde - eben so als ob ich Flavus anschwärzen wollte. Hast Du vielleicht eine Idee, wie man es Livianus neutral wissen lassen könnte?


    Übrigens habe ich seit einiger Zeit eine Scria personalis, die mir bei der Verwaltung Deiner Ländereien hilft. Sie heißt Celeste und ist sehr gescheit und gewissenhaft. Durch sie bin ich darauf aufmerksam geworden, dass der Gutsverwalter der Terra viridis, Hostius, sich mit imaginären Ausgaben immer wieder was beiseitegeschafft hat! Stell Dir das mal vor. Ich glaube, er dachte, dass er es bei mir ja mal versuchen kann. Aber ich habe ihn rausgeworfen und Stertinianus an seine Stelle gesetzt, der ist zwar jung aber er erscheint mir zuverlässig.


    Der Familie geht es soweit gut. Bei der Fiesta zu Livianus' Rückkehr haben wir ausgelassen gefeiert. Ich habe da zum ersten Mal auch Magnus' Frau Venusia kennengelernt, die mit ihren Zwillingen nun auch hier in der Casa wohnt. Das sind aufgeweckte Kinder, und Tante Venusia ist eine sehr würdevolle Matrona, gar nicht so wie ich mir eine Germanin vorgestellt hätte. Es war sehr schön so viele Verwandte hier versammelt zu haben, und vielleicht nimmst Du beim nächsten Mal ja auch die weite Reise auf Dich.


    Vale, und meine besten Wünsche für Dich und Deinen Sohn!
    Grüß mir Tarraco!


    Dein Faustus

  • An dem großen Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer sitzend, öffnete ich den Brief, der soeben von einem Boten aus Misenum überbracht worden war. Ich las – zuerst erfreut, dass mein germanisches Tantchen mir geschrieben hatte... dann weniger erfreut... dann ein wenig beunruhigt. Der Tonfall war doch sehr resolut. Hatte ich was angestellt? Ich war mir keiner Schuld bewusst, jedenfalls keiner, deren Fama bis nach Misenum gereicht hätte. Vielleicht lag dieser bestimmte Ton daran, dass meine Tante Venusia eine der Frauen war, die hohe Ämter innegehabt hatten, damals als das noch nicht unüblich gewesen war. Wenn man sie so mit ihren kleinen Zwillingen sah, konnte man das kaum glauben, aber sie war ja sogar Comes gewesen. Solch ein Amt machte wahrscheinlich mit der Zeit ein bisschen herrisch.
    Ganz pflichtbewusster Neffe griff ich nach Papyrus und Tinte und schrieb unverzüglich eine artige Antwort, damit ich sie gleich dem Boten mitgeben konnte. Er sollte den Brief in die Casa Decima bringen und bei dieser Gelegenheit auch das Hauspersonal vorwar... will sagen informieren.


    An
    Duccia Venusia
    Casa Decima



    Liebe Tante Venusia,
    es ist schön, dass Du wieder einmal nach Rom kommst, ich freue mich schon sehr auf Deinen Besuch. Sicher findest Du hier alles was das Herz begehrt um euer Quartier weniger spartanisch zu machen.
    Leider kann ich mich ANTE DIEM IV NON IAN nicht vom Patrouillendienst freimachen, aber tags darauf, zu den Compitalia hätte ich nachmittags Zeit. Wenn es Dir genehm ist würde ich vorschlagen, dass wir zur hora nona gemeinsam das Fest in unserem Stadtteil besuchen?


    Viele Grüße,
    Dein Neffe
    Faustus

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    Klient - Decima Lucilla

  • ... fragte ich. Hannibal lächelte rätselhaft. Wir standen am Meer. Der Apoll räkelte sich auf einem Felsen. Er strähnte sein goldenes Haar, und in seinem Antlitz stand nur selbstverliebte Leere.
    Nichts. verriet mir Hannibal. Höchstens wann er von diesem Felsen wieder heruntersteigen kann.
    Wir gingen am Wasser entlang. Hand in Hand. Der Pfad wand sich auf hohe Klippen. In der Tiefe brauste das Meer, aber vielleicht kam das Geräusch auch von den Tieren, die im Gesträuch raschelten. Mohnblumen wuchsen dort und Hyazinthen. Ein Hund mit roten Lefzen streckte den Kopf aus dem Gebüsch. Schnell wandte ich den Blick ab, doch auch so wusste ich, dass er scharfe weiße Reißzähne hatte.
    Was bedeuten die Hunde? In luzider Klarheit war mir bewusst, dass ich träumte. Und dass ich etwas vergessen hatte. Irgendetwas wichtiges.
    Was fragst du mich? Hannibal schien belustigt. Faustus, schöner Faustus, vielleicht will er dich fressen!
    Ich beschleunigte meine Schritte. Die Felsen flogen nur so an uns vorüber. Doch dann konnten wir nicht mehr weiter. Chrysanthemen überwucherten den Pfad. Ihre Stengel verflochten sich zu einem undurchdringlichen Dickicht, Büschel saftgrüner Blätter versperrten den Weg, schwellende Blüten ballten sich zu obszön grellen Farbklecksen.
    Ich wendete mich Hannibal zu. Sein Bild verschwamm vor meinen Augen, und seine Hand in meiner verflüchtigte sich... wie Nebel in der Morgensonne.
    Habe ich dich jemals gekannt? Die dritte Frage.
    Seine Antwort konnte ich schon nicht mehr hören. Aber sehen, wie er den Kopf schüttelte. Und sein sarkastisches Lächeln. Dann tat er einen Schritt zurück und stürzte von den Klippen. Und während er fiel, fiel es mir wieder ein, was ich nicht mehr gewusst hatte, dass er ja tot war, dass sein Herr ihn gekreuzigt hatte, und auch dass ich ihn schon viel früher verloren hatte... soweit man etwas verlieren kann, das man nicht gehabt hat.


    Ich erwachte, mit dem letzten Traumbild vor Augen – er trieb in den Wellen, das Meer nahm ihn mit sich fort. Es sah ein bisschen so aus wie bei der Najade, die ich neulich aus dem Tiber gefischt hatte. Mit weitgeöffneten Augen starrte ich an die Decke meines Schlafzimmers. Hannibal, "mein Erastes"... Ich wollte nicht mehr an ihn denken, und ich wollte schon gar nicht von ihm träumen. Viel schöner wäre es doch, zum Beispiel an den aufregenden Sonnengott von den Meditrinalia zu denken, als an diesen verlogenen Sklaven. Unwirsch wischte ich mir die Tränen weg, die sich so penetrant in meinen Augen sammelten. Dann stand ich auf.
    Es war kurz vor der Morgendämmerung. Ich machte Feuer im Ofen, dann nahm ich eine Wachstafel zu Hand und begann darauf herumzukritzeln. Viel zu viele wiederstreitende Empfindungen spukten in mir herum, Seelenregungen die für einen römischen Soldaten nicht statthaft waren... um sie zu bannen, hatte sich für mich die Poesie bewährt. Ich schrieb die Wachstafel voll. Dann verschloss ich sie sorgfältig in der schweren, eisenbeschlagenen Truhe, in der ich eine ganze Menge unstatthafter Dinge aufbewahrte. Da war die Tabula in guter Gesellschaft.



    meum savium


    Hab ich jemals dich gekannt?
    Niemals, nimmer, kennst du mich.
    Wars dein Blick, der mich gebannt?
    Augen, Lippen, fesseln dich.


    Sklave, will dich rasend lieben,
    Sklave, der mir fremd geblieben,
    Du hast diese Welt verlassen.
    Muss dich lieben, will dich hassen,


    Will dich rächen, will verfluchen,
    Was dein Herr dir angetan! -
    Will mich rächen, und versuchen
    Zu verstehn, wie's dazu kam,


    Dass du mich verraten hast!
    Lügen, Küsse, Messer, Last
    Des Verbor'gnen lockte mich.
    Bloß die Leiber fanden sich.


    Flosculus, der Narr, der Tor,
    Wähnt sich einen deiner Träume
    Doch du hieltest ihm nur vor
    Einen Spiegel: blanke Räume,


    Leer. Die hat er angefüllt
    Mit der Wünsche Irrlichtbild.
    Wie soll ich dich nennen?
    Lieben heißt nicht kennen.


  • Als ich des Abends in meine Unterkunft kam, hatte mein Bursche die Post schon ordentlich auf den Tisch gelegt. Ich seufzte leise, als ich mich auf Berichte von den Landgütern gefasst machte, lange Listen, Zahlen und Fragen die mich überforderten. ("Winterweizen, Emmer oder eine Jahreszeit brachliegen lassen?" Oder: "Sollen wir es mit Perlhühner versuchen, oder bleiben wir bei den Hausgänsen?")
    Aber zu meiner Freude sah ich, dass zuoberst ein Brief von Lucilla lag! Lächelnd nahm ich das Schreiben zur Hand, aber der Vorfreude wegen zögerte ich das Lesen noch hinaus, erst machte ich mir eine Tasse heißen Melissensud mit Honig (der tat der Stimme gut), dann setzte ich mich gemütlich neben den Ofen, legte die Füße hoch, nippte an meiner Tasse und brach das Siegel.
    Mein lieber Faustus! begann es, immer so energisch, dachte ich lächelnd, und dann gefror mir das Lächeln im Gesicht, mit jeder Zeile die ich weiterlas, bis ich nur noch fassungslos auf den Brief in meiner Hand starrte. Nein. Nein. Nein. Das konnte doch einfach nicht wahr sein...


    Centurio Faustus Decimus Serapio
    Cohortes Urbanae,
    Roma


    Mein lieber Faustus!


    Es ist ungeheuerlich, ja geradezu skandalös, was mir da aus Rom berichtet wird! Also wirklich, Faustus, dass du dich auf ausschweifenden Orgien und ausgelassenen Gelagen herumtreibst, das kann ich dir noch verzeihen. Wir waren doch schließlich alle einmal jung, ich denke da nur an die Nacht, als ich mit Hungi. Dass du dich aber einem Senator an den Hals wirfst, wirklich Faustus, das enttäuscht mich zutiefest! Schätzt du meinen Einfluss wirklich so gering, dass ich (gemeinsam mit meinem Patron) nicht alles für dich erreichen könnte? Was ist es, das du dir mit deinem Körper zu erkaufen versuchst, was ich dir nicht auf anderem Weg hätte beschaffen können? Ausgerechnet auch noch dieser Senator! Spekulierst du etwa auf ein Amt in einem kultischen Kollegium? Auch wenn ich immer dafür bin, dass meine Männer sich andere Aufgaben suchen und das Soldatenleben sein lassen - es muss doch nicht auf diesem Weg sein! Gerade bei diesem Senator habe ich noch einen Trumpf im Ärmel und wenn du Septemvir werden willst, oder Augur oder was auch immer, dann brauchst du mir das nur schreiben und es wird geschehen! Aber ich bitte dich, Faustus, beschmutze nicht deine, meine und meines Patrons Ehre, in dem du deinen Körper verkaufst! Ist dir etwa nicht klar, zu was für einem Gerede das führt? Ich kann den Artikel in der Acta schon förmlich vor mir sehen - „Einfluss der Decima Lucilla und ihres Patrons Vinicius in Rom schwindet - Klient der Decima muss sich nach oben schlafen!“ - Bona Dea, zum Glück habe ich noch gute Kontakte zur Redaktion! Also bitte unterlasse solche Aktionen und wende dich lieber gleich an mich, und denk immer daran, die Parzen sind unbestechlich!


    Caius und mir geht es hier in Hispania fabelhaft. Habe ich dir schon von der Casa Lucilla erzählt? Ich habe über das vergangene Jahr hinweg einen wunderschönen kleinen Garten angelegt, beziehungsweise anlegen lassen, so dass wir auch in den trockensten Zeiten immer eine blühende Oase vor der Haustür haben. Cossus weiß das natürlich nicht so sehr zu würdigen, wie jeder kleine Decimus streunt er viel lieber mit seinen Freunden in der Stadt oder im Hinterland herum. An manchen Tagen weiß ich von morgens bis abends nicht, wo er steckt. Daher bin ich doch ganz froh, dass er in Tarraco aufwächst, und nicht in Rom. Auch wenn ich selbst die Hauptstadt natürlich jeden Tag vermisse.


    Pass auf dich auf, mein lieber Faustus, und wenn du etwas brauchst, dann melde dich [strike]gefälligst[/strike]!


    Deine Tante
    Lucilla


    Bei allen Göttern. Wie in aller Welt hatte sie davon erfahren?! Die Parzen sind unbestechlich... Die Parzen! Diese drei verrückten Weiber, die mir dunkle Prophezeiungen ausgesprochen hatten! Sie mussten die Quelle von Lucillas Informationen sein!
    "Ich fasse es nicht! Ich fasse es einfach nicht!! Die PEST über diese Klatschweiber!!! Oh Pluto, brate sie auf glutroten Kohlen!"
    Die Teetasse flog quer durchs Zimmer und zerschellte an der Wand, der Brief flog zerknüllt hinterher, ich raste, ich tobte!!
    "Gare sie in einem Sud von Schwefel und... und... rostigen Schuhnägeln! Reiß diesen Aaskrähen jede Feder einzeln aus! Die falschen Parzen haben mich verraten! Oh, ooh... das sollen sie büßen, an ihren eigenen LÄSTERZUNGEN SOLLEN SIE ERSTICKEN!!!

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    Klient - Decima Lucilla

  • Doch ich war alleine, niemand war Zeuge meines Wutausbruches, niemand ließ sich von meinen Verwünschungen beindrucken, und so schnappte ich mir zornentbrannt ein Stück Papyros und begann mit wilden Federstrichen eine geharnischte Antwort zu verfassen! Lucilla war schockiert?! Sie sollte noch ganz anderes zu hören bekommen!! Ich würde meine gute Tante so schockieren, dass sie nicht mehr wusste wo oben und wo unten war! Voll gerechtem Zorn siegelte ich das Schreiben, und schickte den Brief dann auch sofort los. (Keine gute Idee.)



    An
    Decima Lucilla
    Casa Decima Lucilla
    Tarraco
    Hispania



    Salve Lucilla,


    wie, beim Geifer des Cerberus, kommt Du drauf, ich würde mich verkaufen?!! Wie, bei den klaffenden Mäulern der Hydra, kannst Du so was von mir denken?! Glaubst Du etwa wirklich, dass ich mich für ein schnödes Amt, für so profane Dinge wie Geld und Karriere, wahllos irgendjemandem hingeben würde?!
    Beim Stachel des Mantikor, scheint die Sonne in Tarraco diesen Winter etwa so heiß, dass sie Dir den Geist getrübt hat, dass Du mir solch schändliche Motive unterstellst, dass Du mich, Deinen Neffen, der es Dir gegenüber nie an Achtung hat fehlen lassen, derart beleidigst?!


    Ich will weder Augur noch Septemvir werden, Mars bewahre, ich bin Soldat und werde es auch bleiben! Aber ich will Dir sagen, warum ich mich "diesem Senator" an den Hals geworfen habe, wie Du es nennst! "Dieser Senator" ist, nur zu Deiner Information, ein ausgesprochen attraktiver Senator! Er ist ein schöner Mann, elegant und leidenschaftlich, gutaussehend und geistreich, distinguiert und witzig, mit wundervollen braunen Augen, in deren goldener Tiefe ich mich für immer verlieren möchte
    und er hat eine unvergleichliche Art, die Worte zu so kunstvollen Satzgebilden zu formen, zu verführerischen, in der Vergänglichkeit des Momentes strahlenden Klangkunstwerken, dass es für jeden Menschen, der auch nur einen Hauch ästhetischer Empfindsamkeit in sich trägt, einfach bloß zum Dahinschmelzen ist!


    Liebe Lucilla, auf die Gefahr hin, Dich noch viel mehr zu schockieren, ein Mann wie dieser, mit Geist und Größe, und Charme und Stil, ist mir ungefähr tausendmal lieber als die kichrigen Mädchen in meinem Alter, die ausser Kleidern, Schmuck und Männerjagd rein gar nichts in ihren süßen kleinen Köpfchen haben.
    Ausserdem ist jener Senator ein göttlicher Liebhaber. Er hat es wahrlich nicht nötig, mit Posten zu winken! An die Nacht mit ihm werde ich mich immer mit Genuß zurückerinnern!
    Aber Du musst Dir keine Sorgen wegen dieser Schlagzeilen machen, von denen Du so fürchtest, dass sie Deinen Einfluss untergraben könnten. Es war nur die eine Nacht, eine Orgienbekanntschaft, die, so schön sie auch sein mag, mit Sonnenaufgang dann eben auch wieder vorbei ist. (Leider.) Ausserdem war ich verkleidet. Woher weißt Du eigentlich überhaupt so gut über mein Liebesleben bescheid? Hast Du etwa die Parzen ausgesandt, damit sie mir hinterherspionieren?! Wenn hier jemand Grund hat, enttäuscht zu sein, dann bin ich das!


    Vale.
    Faustus



    PS. Bitte sag Livianus nichts davon.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Hinter meinem überladenen Schreibtisch sitzend, lehnte ich mich zurück, und betrachtete skeptisch den Brief, der da eben für mich abgegeben worden war. Er trug keinen Absender. Seit dem bösen Schreiben von Lucilla (ich wünschte, ich hätte meine unbedachte Antwort zurückholen können!) misstraute ich meiner Post instinktiv. Und ein anonymer Brief, der brachte bestimmt nichts gutes. Vielleicht war es ein Erpresserschreiben. Der Torwächter hatte gesagt, der Bote habe ziemlich dubios ausgesehen. Aber halt – das Siegel! Eine Sonne! Wenn ich Sonnen sah, musste ich, seit den Meditrinalia, immer an Aton denken... Könnte es sein, wäre es möglich, dass.... - Nein, sagte ich mir streng, hör auf solchen romantischen Unsinn zu träumen, Faustus!
    Aber doch, mein Herz schlug schneller, als ich das Siegel vorsichtig ablöste, und das Schreiben entrollte....
    Es war von Aton! Ein erstauntes Lächeln begann sich auf meinem Gesicht auszubreiten, wurde zu einem breiten, beglückten Strahlen.
    "Aton...", seufzte ich schwärmerisch, und verschlang die Zeilen mit den Augen, einmal, und noch einmal, und immer wieder....


    Centurio Faustus Decimus Serapio, Cohortes Urbanae



    Von düsteren Wolken verdeckt wird die göttliche Sonne Aegyptens, tagtäglich versinkt sie des Abends im Meer der Tristesse, da ihr nicht vergönnt ist, über dem herrlichen Heroen Makedoniens zu scheinen.


    War es nur Traum, den die Götter träumten, nur Taumel des Dionysos in Fortunens Hand? So lösche diese Zeilen, vergib des hitzig Glühenden seine Worte und lasse den Träumer erwachen.


    Doch war dies mehr, so lasse nicht die Sonne nach dem Tage dürsten, verwehre nicht ihr den güldenen Glanz da ihre Strahlen deinen Leib liebkosen, so sende dein Wort - und ich werde den Horizont verrücken, über deinem Antlitz zu erstrahlen.




    Wie schön... Und wieder stand die Erinnerung an die Nacht der Götter und Heroen, an unsere flüchtige, aber so herrliche Begegnung, leuchtend vor meine Augen, nein vielmehr, alle meine Sinne erinnerten sich, und ein leises Beben überlief mich, halb war es Sehnsucht, halb seliges Schwelgen...
    Ich sprang auf, und trat mit dem Brief in der Hand zum Fenster, sah hinaus in den trüben und grauen Wintertag... und spürte doch auf meinem Gesicht ganz deutlich den wärmenden Schein einer goldenen Sonne.
    Den Horizont wollte er verrücken. Ich war selig. Man muss dazusagen, ich war es nun mal gewöhnt, Pech in der Liebe zu haben. Jemanden zu finden, um schnell und unverbindlich Spaß zu haben, das war nie ein Problem, aber die Männer, für die ich ein tiefergehendes Interesse entdeckte, die hatten entweder seltsame Neigungen zur Frauenwelt und wollten nichts von mir (wie zum Beispiel Priscus), oder sie waren fiese Typen, die mir über kurz oder lang das Herz brachen. Wie Hannibal.
    Aber Aton... Aton war einfach... traumhaft! Beschwingt begann ich Pläne zu schmieden, wie ich mich ihm nähern könnte. Zurückschreiben wäre schwer, denn ich kannte von seinem sterblichen Namen nur das Nomen Gentile... und soweit mir bekannt war, gab es zwei "Senatoren Flavius", und es wäre fatal, wenn der falsche von beiden mein Brieflein bekäme. Aber ich würde schon einen Vorwand finden. Oder nein - ich hatte sogar schon den perfekten Vorwand, um meinen Fuß in die Villa Flavia zu setzen...

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  • ... und dann stand Celsus vor der habitatio centurionis.


    Ein seltsames Gefühl überfiel ihn. War der Empfänger des Schreibens zwar auch ein Decimer, also ein Verwandter. Aber er kannte ihn lediglich dem Namen nach. Wie sah er aus? Wie sollte er sich ihm gegenüber verhalten?


    Dies und noch mehr ging ihm durch den Kopf.


    Bevor jedoch dieses seltsame Gefühl immer mehr Macht von ihm ergriff gab er sich innerlich einen Stoß, atmete ein paarmal tief durch und klopfte an die Tür.


    *** Klopf *** Klopf *** Klopf.

  • In der Diele meiner Unterkunft, direkt genüber der Türe, stand ein riesiger massiver Eichenschrank, ein echtes Ungetüm, das wahrscheinlich schon seit der Erbauung der Castra dort sein Dasein fristete, und Generationen von Centurionen zur Aufbewahrung ihrer Sachen gedient hatte.
    Und neben diesem Monstrum stand ich, auf den Zehenspitzen, auf einem Stuhl balancierend, und versuchte den Seesack zu erhaschen, den ich irgendwann mal da oben auf dem Dach des Schrankes deponiert hatte. Das kräftige Klopfen an der Türe durchbrach meine angespannte Konzentration, ließ mich sogar ein wenig zusammenzucken, was in der Situation fatal war! Ich geriet ins Schwanken, und konnte gerade noch ein ersticktes "Herein!" von mir geben, während ich mit den Armen rudernd, um meine Balance kämpfte – doch vergeblich. Der Stuhl krachte zu Boden, und ich konnte mich gerade noch am Schrank festhalten, da hing ich dann, den Oberkörper auf dem Riesenmöbel, die Beine in der Luft hängend, zwischen Himmel und Erde...

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    Klient - Decima Lucilla

  • Celsus vernahm ein lautes Poltern, dann ein gequältes "Herein!" und dann nichts mehr.


    Ohne lange zu zögern riß er die Türe auf, erfaßte schnell die Lage, die sich ihm bot, warf die Briefrolle zur Seite, faßte mit beiden Armen die Schenkel des am Schrank Hängenden und rief.


    "Laß` dich einfach über meine Schulter fallen, centurio."

  • Ach Herrjeh, schoss es mir da oben, in meiner unwürdigen Lage, durch den Kopf, als die Türe aufgerissen wurde, hoffentlich nicht einer meiner Soldaten!
    Es wäre sicher ein gefundenes Fressen für die ganze Baracke. Doch der tatkräftige Besucher war ein Fremder, da wollte ich mich mal nicht beschweren. Er packte meine Beine, so stabilisiert konnte ich wieder festen Halt gewinnen.
    "Uff... ja... äh... nein... lass mich einfach langsam runter, bitte..."
    An den ausgestreckten Armen hängend, liess ich mich dann herunter, und erreichte mit Hilfe des Fremden sicher wieder den Fußboden. Puh! Ich räusperte mich, strich mir das Haar zurecht, und versuchte tapfer ein wenig Würde zurückzugewinnen.
    "Danke, Soldat! Aber sag, wer bist du und was führt dich hierher?"

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    Klient - Decima Lucilla

  • Celsus mußte ein Lachen unterdrücken. Auch das aufkommende Grinsen drückte er tapfer beiseite. Er zwang sich regelrecht, die prikäre Situation zu übergehen.


    Statt dessen sah er seinen ein wenig mitgenommenen Gegenüber mit verfassungsbejahendem Blick an.


    Ohne sich jedwede weitere Regung anmerken zu lassen nahm er Haltung an, grüßte und beantwortete die ihm gestellten Fragen in der Reihenfolge ihrer Stellung.


    "Eques Decimus Celsus, LEG I TRAIANA, turma I, bittet um die Erlaubnis ein Schreiben des centurio Iulius Licinus übergeben zu dürfen, centurio."

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