Für ein paar Stunden rasten, einen Augenblick verschnaufen oder das wenige Süßwasser gerecht aufteilen können, all das wünschte sich wohl jeder in der Ausreißertruppe. Es war ein Höllenritt. Neben den Tieren litten auch die Reiter, die schon vor der Aktion, welche nun Tage zurück lag, nur sehr wenig zum Ausruhen gekommen waren. In den kurzen Schlafpausen, wachte immer ein Anderer. Es zehrte sie aus und die knappen Rationen verlangten äußerste Willensstärke. Die Männer wurden langsam unruhig, weil ihnen immernoch jemand zu folgen schien und keiner konnte ahnen, wie wenige es doch waren. So blieb ihnen nur die Flucht nach vorn und der eiserne Wille römisches Gebiet zu erreichen ohne weitere Verluste zu erleiden.
Der befreite Senator sah besonders schlimm aus. Zwar mußte er nicht wachen und auch seine Ration war etwas üppiger, doch von reichhaltiger und gesunder Kost konnte niemand sprechen. Wären sie in einer Oase gelandet, wie weit wäre das Vertrauen gegangen? Wüßten die Verfolger dann nicht ganz genau, wie schlapp ihre Flüchtigen waren und würde es ihnen nicht im Besonderen neue Kraft geben sie einzuholen? Sicher.
Die Tage fühlten sich ewig an. Die Nächte waren kurz und gezeichnet von Kälte, auffrischenden Winden und unersättlichen Viehzeug. Das Kleingetier krabbelte in jede Ritze, Ungeziefer stach sich ins geschundene Fleisch. Mit jeder Nacht und jedem darauf folgenden Tag brach die Moral der 'zugekauften' Söldner mehr ein und auch für die Römer unter ihnen stellte sich eine ganz harte Probezeit ein. Was sie an Essen bekamen, reichte oft nicht für alle. Mal war es eine Karawane, die ihren Ritt kreuzte, mal nur ein von Beduinen belagertes Wasserloch. Doch ihre Verfolger im Nacken spürend blieb nie wirklich Zeit zum Handeln, zum Essen oder wenigstens zum Schlafen. Nur die Wasserschläuche füllten sie immer auf, wenn sich die Möglichkeit ergab. Dazu bekamen die Tiere zu Trinken und etwas karges Gras. Die dürren Halme als Delikatesse anzusehen, war in solcher Not fast hämisch ausgedrückt. Ging es Mensch wie Tier doch ähnlich, fanden beide Lebewesen sich mit dem ab, was die Körper zum Leben fanden.
Mit dem zwölften Tag überraschte sie ein Sturm zwischen den Dünen.
Erst behallte ein fröhliches Gelächter die Truppe sah der Horrizont doch nach einem schwappenden Meer aus. Mit dem geraden Ritt kam es jedoch nicht näher, sondern flimmerte in gleichbleibender Entfernung und das erhoffte Ziel blieb eine Halluzination. Dann wurde der Himmel rasant zu einem Regen feiner und feinster Sandkörnchen. Die Männer stoppten und sprangen von den Tieren. Nur mit Mühe ließen diese sich zum Sitzen bändigen, fühlten auch sie eine Gefahr, die ihre Sinne dazu trieben davon zu rennen. Es wehte, es heulte der Wind und alle steckten den Kopf zwischen Tücher und Getier. Keiner wagte aufzuschauen und tat er es doch erblindete er sofort. Ein Jammern ein Klagen summte durch den Orkan und doch mußte ein Jeder stand halten und verharren wie er war, wollte er die Sonne wiedersehen.
Es war nicht ergründlich wie lange das Dünenmeer die wilden Winde aufpeitschte, aber genauso überraschend, wie es gekommen war, legte sich der Sand zurück auf die Erde. Es hatte den optischen Anschein, als wären die Sandberge um ein Stück gewandert...
Herius rappelte sich auf, klopfte den Sand aus dem Mantel und strich ihn von den Schultern. Er half danach seinem Kamel aufzustehen und blickte sich nach den Anderen um. Magnus hockte dreißig passus zu seiner Rechten und schützte den schwachen Bruder unter dem Mantel. Dem Söldnerhauptmann ging es ebenfalls den Umständen entsprechend gut. Er war auf den Beinen und klopfte ein Tier ab. Es war nicht seins. Von welchem jedoch jede Spur fehlte. Und auch sonst fehlten einige andere Männer. Im Bereich eines clima suchten sie alle Stofffetzen nach Leben ab. Was sie am Ende fanden, war erschreckend.
Im Stadium der größten Angst bei klarem Verstand zu bleiben, war nicht leicht. Doch in einem Sandsturm das Getier zur Flucht zu treiben, kam einem sicheren wie unbarmherzigen Tod sehr nah. Was geschehen war, würde nie die unwirkliche Welt der Wüstendünen verlassen. Es reihte sich in eine lange Ereignisfolge ein, die diese Landschaft prägte. Was sie mit nach Hause nahmen, war Unwissenheit darüber, genauso wie neben ihrem bisschen Leben das Gefühl Schuld zu haben.Dem Decimus Livianus, dessen Bruder Magnus, dem Söldnerhauptmann und dem Hadrianus Subdolus blieb jedem noch ein Kamel, zusammen drei Trinkschläuche mit Süßwasser, etwas Brot und nur eine Handvoll Früchte. Sie ließen die restlichen Söldner, Kamele, Packpferde und Ausrüstungsgegenstände, wie Kochutensilien und Feuerholz im Nirgendwo zurück. Was ihnen trotz dieser unheimlich schmerzenden Verluste weiterhin blieb, war das Wissen, das dieser Sturm all ihre Tritte der letzten Tage im Sand davon geblasen hatte.
Ein großes Opfer für eine knappe Handvoll Leben. Ohne sich davon losreißen zu können, setzten sie ihren Weg Richtung der Hafenstadt Elana fort. Erst auf dem arabicus sinus würden sie von dieser Sandhölle verschont bleiben... so hoffte er.