Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger, morgens lag hin und wieder schon Raureif auf den Dächern von Roms, ehe die Sonne kam und den kalten Frost weg schmolz. Doch mit der Kälte, die auch Einzug in Rom erhielt, wenn auch nicht so grausam wie im Norden des Kontinents, mit jenem eisigen Hauch näherte sich auch einer der beliebtesten Feste: Die Saturnalien. Andenken an ein goldenes Zeitalter und eine Zeit, in der es sich auch die Sklaven der Römer gut gehen laßen konnten. Marcus Flavius Aristides liebte die Saturnalien normalerweise, doch in diesem Jahr war es ganz anders; denn zu dieser Jahreszeit war es an ihn gefallen, die Feierlichkeiten zu organisieren; vorletztes Jahr hatte es noch Gracchus und sein treuer Sklave getan, letztes Jahr fiel das Los auf Aquilius und dieses hatte Marcus keine Entschuldigung mehr, sich vor der Pflicht zu drücken: weder Feldzug, noch Militärzeit in Germania. Verbummelt und vertrödelt hatte Marcus die leidige Pflicht, denn er feierte lieber und ließ es sich gut gehen, statt selber dafür zu arbeiten, dass das Fest gelang. Die Hoffnung, Hannibal würde all die Arbeit tätigen, hatte sich in den letzten Wochen zerschlagen, denn der Sklave tätigte nur das Notwendigste und wirklich auf ihn verlassen konnte sich Marcus nicht mehr; daß dieser seine Bemühungen sogar noch sabotieren würde, um sich zu rächen, daran glaubte Marcus durchaus. Lange Rede, kurzer Sinn: Marcus hatte es auf die letzte Minute verschoben; es war vielleicht sogar mehr die Aufregung der Sklavenschaft, einige Tage vorher, die ihm wieder vor Augen führten, daß doch einiges zu tun war. Und herrje, es war viel zu tun: Von der Dekoration bis hin zum Essen, es musste geplant, eingekauft und all die guten Rohstoffe, aus denen herrliche Speisen werden konnten, in die villa geschafft werden. Immerhin kam es Marcus zu Gute, dass er als ehemaliger centurio und lang gedienter Soldat Erfahrungen im Organisieren hatte. Soldatischer Manier hatte er sich eine Liste geschaffen, bestimmend die Sklaven herum gescheucht- denn noch konnte er das!-, war mit ihnen auf die Märkte marschiert, hatte gekauft, gefeilscht und alles zusammen getragen.
Im Flug war die Zeit vergangen, ein Punkt nach dem Anderen war auf der Liste abgehackt, sogar an manch ein Saturnaliengeschenk hatte Marcus gedacht, was ja schon ein Novum war, sonst pflegte er diese in Regelmäßigkeit zu vergeßen, darauf vertrauend, daß erneut sein Leibsklave sich um solche Angelegenheiten kümmerte, wie eben in all den Jahren sonst er es auch getan hatte. Und so brachen die Tag der Saturnalien an, an dem die Familie zusammen kommen würde, die Sklaven sich an dem Tisch versammeln und sie gemeinsam speisen würden. Gemeinsam? Nun denn, ein Problem tauchte dann doch auf…an jenem Morgen des Familienfestes.
Die Sonne war noch nicht wirklich hinter den Horizont gekrochen, der Nebel hing noch über den sieben Hügeln von Rom und den sanft geschwungenen Tälern, die doch die große Hauptstadt ausmachten. Nur langsam würden die ersten Sonnenstrahlen dieses feuchte Grau auflösen und ins Nichts schicken. Marcus war schon früh wach, denn er war aufgeregt wie ein Junge früher bei den Saturnalien. Es galt noch einiges zu tun, ehe er das Haus auch verlaßen konnte und an den Zeremonien in der Stadt teilnehmen würde. In seinen Morgensandalen und einer einfachen Tunika, den pilleus schon in der Hand haltend, schlurfte er noch etwas müde von der kurzen Nacht durch die villa und direkt zur culina, um einen Blick auf die Vorbereitungen zu werfen. Verblüfft blinzelte er und blieb am Eingang stehen. Die Küche war dunkel, das Herdfeuer in der Nacht erloschen und nur noch einige letzte Kohlereste glühten dort, verwirrt kratzte sich Marcus am Nacken und sah auf die leeren Arbeitsflächen. Ein Sklave schlurfte durch den Gang und warf Marcus einen müden Blick zu, denn heute waren ja Saturnalien.
„Warte mal…“
, hielt Marcus ihn auf.
„Ja?“
Kein Ja, Herr! das bemerkte Marcus schon.
„Sag’ mal, wo ist denn der Koch? Wo die Küchenmägde? Warum haben sie noch nicht angefangen?“
Der Sklave glotzte halb irritiert, halb amüsiert.
„Ähm, heute sind Saturnalien, wir müssen nicht arbeiten.“
„Ach ja…und wer kocht dann?“
Der Sklave zuckte mit der Schulter. Ihm war es egal, er wollte so schnell es ging zum Frühstück und danach in die Stadt, um die kostbare, freie Zeit zu nutzen.
„Wer hat das denn sonst gemacht?“
„Na, die Freien, die Deine Verwandten für die Saturnalien eingestellt haben.“
„Ach…wirklich? So ist das, hätte mir ja auch einer sagen können. Dann lauf' und organisier' ein paar von Solchen!“
„Ne, ne, ich hab schon anderes zu tun. Io Saturnalia!“
Schwupps, schon war der Sklave von dannen und ließ einen empört- verdutzten Marcus zurück, der leise fluchte und sich abwandte.
Eine hora später- Enttäusch, fassungslos und aus dem Konzept gebracht sank Marcus auf einen Holzschemel mitten in der culina, von Pontius zu Pilatus war er marschiert, auf der Suche nach diesen ominösen Freien, die sich an den Feiertagen anboten. Richtige Agenturen schien es zu geben, für die Vermittlung in reiche Haushalte, doch alle hatten nur müde mit dem Kopf geschüttelt, wenn man solche Bürger haben wollte, dann musste man schon Wochen vorher anfragen, Claudier, Cornelier, Tiberier, Aurelier, Aelier, Fabier, sie alle und aus noblen Hause schienen die Leute schon angeworben zu haben, zumindest hatte das ein älterer Mann ihm gegenüber behauptet. Die Sandkörner fielen einer nach dem Anderen in der nicht vorhandenen Sanduhr in das untere Stundenglas; Marcus schwieg und sah angestrengt auf den Steinboden, dachte nach, grübelte, verzweifelte schier, seine Vettern würden ihn lynchen, ganz sicher. Die Sonne hatte sich mittlerweile durch die Nebelschicht gefressen und warf helle Punkte durch die Fensterläden auf den Boden; Marcus dachte immer noch nach, aber man wusste ja, dafür brauchte er nun mal länger als andere; schließlich erhob er sich entschlossen und sah zu dem Klienten seines Vetters – Aquilius oder Gracchus, Marcus wusste es nicht mehr! – und nickte entschlossen.
„Wir werden das selber in die Hand nehmen. Komm, Du kannst mir helfen. Lauf’ und trommel alle freien Bewohner dieses Hauses zusammen, egal ob Flavier, Klient oder Freigelassener. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren. Age!“
Gewohnt befehlend klang die Stimme, aber es galt ein Fest zu organisieren, es musste gekocht, gearbeitet, geputzt und geschmückt werden, da blieb keine Zeit für zivile Umgangsformen. Marcus schob sich die nicht vorhandenen Hemdsärmel hoch und packte die ersten Holzscheite, um das Feuer wieder zu entfachen.