Siv war aufgeregt. War sie nicht. War sie irgendwie doch. Nicht wirklich aufgeregt, immerhin würde sie nichts neues, nichts ungewohntes, nichts außergewöhnliches erleben, nein, es war nur… Unterricht. Bei den Flaviern. Wie die letzten Wochen schon. Aber irgendetwas wie Aufregung war doch da, freudige Aufregung, einfach weil sie doch einige Hoffnungen in das Treffen jetzt setzte. Ihre Fortschritte, Latein betreffend, ließen zu wünschen übrig in den letzten Wochen, um genau zu sein, sie waren praktisch nicht mehr vorhanden. Schreiben und Lesen, das ging vorwärts, aber Reden? Sie konnte die Sprache der Römer inzwischen gut genug, um sich jederzeit und in fast allen Lagen verständlich zu machen, aber sie konnte sie nicht gut genug, nicht für ihren Geschmack. Sie machte noch viel zu viele Fehler. Aber die bekam sie einfach nicht raus, egal was sie tat, und sie hatte die Lust verloren zu lernen – was logischerweise nicht dazu führte, dass sich etwas an ihrer Situation änderte. Allerdings nagte es an ihr, dass sie nicht weiterkam. Und so hatte sie beschlossen, Cassim zu fragen, oder eher: zu bitten, ob er ihr nicht Unterricht geben könnte. Zusätzlich zu dem normalen Unterricht, und zwar nur ihr. Wenn ihr die Lust am Lernen abhanden kam, dann musste sie eben dafür sorgen, dass sie wieder Spaß daran hatte, und sie hatte definitiv den nötigen Ehrgeiz – der sich in der letzten Zeit noch einmal drastisch verstärkt hatte. Sie wollte Latein endlich fehlerfrei sprechen können.
Mit den besten Voraussetzungen kam Siv mit ihren Sachen also an diesem Nachmittag in die Villa Flavia, um sich mit Cassim zu treffen. Der Nachmittag als Zeitpunkt war absichtlich von ihr so gewählt worden – je weiter der Tag fortschritt, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass ihr schlecht wurde. Dafür stieg zwar die Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendetwas Seltsames essen wollte, an, aber das konnte sie eher unterdrücken. Und es fehlte ihr gerade, dass Gerüchte über eine mögliche Schwangerschaft ihrerseits in der Villa Flavia die Runde machten, wenn es noch nicht einmal bei den Aureliern wirklich bekannt war. Was auch wieder eines der Dinge war, die sie angehen wollte. Es gab doch einige in der Villa, denen sie es sagen wollte – nicht warten, bis sie es sahen. Allerdings war das nichts, worüber sie sich im Augenblick Gedanken machte, vielmehr war sie schon gespannt darauf, was sie erwarten würde. Nachdem Cassim zugestimmt und sie den Zeitpunkt für das erste Treffen ausgemacht hatte, hatte sie nicht weiter nachgefragt, was dazu führte, dass sie keine Ahnung hatte, was – ob – er etwas geplant hatte. Schwungvoll öffnete sie die Tür, die zu dem Gemeinschaftsraum der flavischen Sklaven führte, in dem der Unterricht immer stattfand.