Grundsatzdiskussion über die Delikte gegen Leib und Leben (Codex Iuridicialis - Pars Tertia)

  • “Versammelte Väter, ich möchte heute eine grundsätzliche Diskussion über die Delikte anregen, die sich gegen den Leib und das Leben richten und im Pars Tertia des Codex Iuridicalis zusammengefasst sind.


    Erlaubt mir, dass ich dazu etwas aushole.
    Wir Römer, sind von jeher ein starkes Volk gewesen. Wir waren und sind Stolz auf unsere Wehrhaftigkeit. Von einem römischen Mann erwarten wir, dass er sich und die Seinen selbst zu schützen weiß, mit eigener Hand, oder weil er Vorsorge zu treffen versteht. Dem Akt der Selbstverteidigung sprechen wir ein hohes Maß an Ehre und Achtung zu. So war es früher, so ist es heute. Das ist unser Wesen, unsere Tradition.


    Doch eine komplizierte Gesellschaft wie die unsrige braucht Regeln. Das Gesetz gibt sie uns und schützt uns. Es schützt auch das hohe Gut des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Daran ist nichts auszusetzen. Einer, der einem anderen das Leben nimmt, oder zu nehmen trachtet, muss mit aller Härte bestraft werden. Glaubt nicht, dass ich daran auch nur einen Deut rühren will.


    Aber ich frage, ob es nicht einen Unterschied macht, WIE und WOMIT er das zu bewerkstelligen versucht?
    Ein Mörder, der seinem Opfer mit dem Dolch in der Hand gegenüber tritt, Aug in Aug, bleibt ein Mörder. Doch handelt ein Meuchler, der aus dem Verborgenen tötet, nicht noch viel abscheulicher? Gibt es etwas ehrloseres, als einen Mann zu töten, und dabei nicht den Mut zu besitzen offen vor ihn hin zu treten? Und ist nicht das verwerflichste aller Verbrechen, der Mord mithilfe eines Gifttranks oder eines bösen Zaubers?


    Unser Gesetz, der Codex Iurdicalis, wie wir ihn heute haben, macht da keinen Unterschied. Es bleibt dem Gericht überlassen, die Schwere der Schuld zu erkennen. Ohne Zweifel wird jeder Richter diese Dinge in seinem Urteil berücksichtigen. Doch sind sie nicht zu wichtig, als das wir im Gesetz nicht zumindest einen Hinweis darauf geben sollten?
    Ich will die Gerichte nicht entmündigen. Aber zumindest sollten wir meiner Meinung nach einmal darüber nachdenken, ob unser Gesetz in diesem Punkt nicht doch zu allgemein gehalten ist.“

  • Auch dieser Themenkomplex beschäftigte den Tiberier schon eine ganze Weile, denn das Strafrecht bedurfte zweifelsohne einer Straffung, die sie den modernen Gegebenheiten anpasste. Und besonders das Thema des heimtückischen Mordes, denn schließlich war dies so ziemlich die einzige Möglichkeit, einen Senatoren, der praktisch ständig von Dienern, Klienten und Sklaven umgeben war, zu töten. Schon Gedanken daran mussten abschreckend wirken, daher war Durus nur zu gerne bereit, den Consul zu unterstützen.


    "Ja, der heimtückische Mord sollte in jedem Fall mit dem Tode bestraft werden, wobei ich der Meinung bin, dass jede vorsätzliche Tötung mit dem Tode zu bestrafen ist.


    Das Verwerflichste jedoch, das ich mir vorstellen kann und das bereits unsere Ahnen verabscheuten, war der Mord am eigenen Vater. Ich bin der Meinung, dass wir hierfür die traditionelle Hinrichtungsmethode wieder einführen sollten. Die Ehrfurcht vor dem Vater ist mindestens genauso wichtig, wie die Wehrhaftigkeit eines jeden Bürgers."


    Das Säcken war eine äußerst spektakuläre Strafe, wobei der Delinquent mit einer Schlange, einem Skorpion und einem Hund in einen Sack eingenäht wurde, woraufhin man ihn in den Tiber warf. Diese Methode war jedoch schon lange nicht mehr praktiziert worden - zumindest hatte Durus sie noch nie gesehen.

  • Wie so häufig bei solchen Debatten hatte Macer den Drang, das Thema gleich in seiner ersten Wortmeldung ein wenig auszudehnen oder umzuformen. Um nicht allzu unhöflich zu merken, legte er sich noch ein paar Worte zum Thema zu Recht und erhob sich dann.


    "Ich denke auch, dass ein etwas besserer Anhaltspunkt für die Gerichte hilfreich sein könnte. Allerdings sollte es wohl überlegt sein, wenn wir aus der derzeitigen Möglichkeit der Todesstrafe in bestimmten Fällen ein Pflicht machen, in anderen jedoch nicht. Wenn wir allerdings schon Morde nach der Frage der Ehrenhaftigkeit sortieren, dann sollte dies tatsächlich auch mit der Art der Todesstrafe passieren, denn auch dort gibt es ehrenhaftere und weniger ehrenhaftere Formen. Ein anderer Punkt erscheint mir in diesem Fall jedoch ebenso wichtig, nämlich der Paragraph über den Totschlag. Ich halte diesen nämlich schlicht für überflüssig und verweichlicht." Wobei letzteres ein Wort war, das Macer so gut wie nie in den Mund nahm. "Denn wenn wir über die Tugenden sprechen, die unser Reich groß gemacht haben, dann müssen wir auch anerkennen, dass sich ein Römer nicht zu etwas hinreißen lässt, schon gar nicht zu einem Mord, oder dass ein anderer dafür Verständnis aufbringen könnte."


    Nachdem Macer geendet hatte, hatte er das eindeutige Gefühl, dass das diesmal eine sehr pathetische Sitzung werden konnte.

  • “Ich gebe dir recht, Senator Purgitius Macer. Ich glaube auch nicht, dass es gut ist, wenn sich jemand der einen anderen getötet hat später herausreden kann, er habe es aus Versehen getan und sich dabei auf einen Paragraphen des Codex Iuridicalis beruft. Es ist der § 74, von dem wir da sprechen. Wenn es nach mir ginge, so könnten wir auf ihn verzichten.


    Auch den Vorschlag von Senator Tiberius Durus finde ich begrüßenswert. Vielleicht sollten wir über einen eigenständigen Straftatbestand des Elternmordes nachdenken. Denn auch der Mord an der eigenen Mutter ist abscheulich, kaum weniger als der am Vater.


    Immer den Tod als Strafe vorzuschreiben halte ich hingegen für zu weitgehend. Doch es gibt Verbrechen, auf die es keine andere Antwort geben kann. Das ist meine Überzeugung.“

  • "Natürlich kann nicht immer der Tod vorgeschrieben werden, doch bin ich der festen Überzeugung, dass derjenige, der andere tötet, auch selbst das Recht zu leben verwirkt hat. Es ergibt sich bei Tötungsdelikten vielmehr die Frage, auf welche Weise er ins Totenreich gelangen sollte.


    Wer als heimtückischer Giftmörder oder hinterhältiger Bandit ehrbare Bürger tötet, der verdient meiner Meinung nach eine Strafe, die seiner ehrlosen Tat entspricht.


    Wer hingegen etwa im Streit und ohne Absicht jemanden tötet, mit dem sollte der Staat meiner Meinung nach mehr Nachsicht haben. In diesem Falle käme meiner Meinung nach eher eine Relegatio, möglicherweise auch ein Verlust der persönlichen Freiheit im Dienste des Staates in Betracht, in der er Zeit hat, seine Tat zu bedenken, ohne eine Gefahr für die Bürger Roms darzustellen."


    bemerkte Durus. Selbstverständlich implizierte sein letzter Satz, dass einfache Bürger zu Servi Publici, Menschen edler Abstammung hingegen das Exil wählen sollten.


    "Die Ausweitung auf den Elternmord kann ich allerdings unterstützen."

  • Da habe ich auch noch eine Frage dazu.


    Meldete sich Sedulus zu Wort.


    Würden wir dann bei der Strafe auch unterscheiden ob ein Römer einen Römer oder ein Römer einen Ausländer oder ein Ausländer einen Römer getötet hat? Oder wäre dies im Auge des Gesetzes gleich?


    Fragte der junge Germanicer neugierig. Vielleicht wußte man hier zu ja auch noch Unterschiede zu machen...

  • "Da muß ich meinem Neffen bepflichten. Ein Mord an einem Römer durch einen Römer ist eine abscheuliche Tat und sie verlangt genauso nach der Todesstrafe in leidender Art, wie der Tod eines Römers durch nichtrömische Hand. Doch bin ich gewillt zu unterscheiden, wenn ein Römer einem Peregrinus das Leben aushaucht. Mit unter sollte er dabei ein Anrecht auf sein Leib und Leben haben, wobei man sich fragen möchte, ob nicht der Tod -in welcher Form auch immer- die einfachere Art ist, bestraft zu werden."


    Schloss Avarus noch an, denn Gefängnisse im alten Rom waren durchaus kein schönes Heim mit Badesee und Blick auf die Alpes.

  • “Ich finde die Frage auch sehr berechtigt. Ein Menschenleben ist ein Menschenleben, gewiss. Aber es ist dann doch ein Unterschied, ob das Opfer ein römischer Bürger ist oder nicht. Das römische Recht sollte das Leben und die Gesundheit von Römern besonders schützen und deshalb könnte ich mir durchaus vorstellen, dass es diesen Umstand zumindest im Strafmaß berücksichtigt. Ich halte diesen Gedanken für gerechtfertigt.“

  • "Dazu würde ich die Überlegung noch etwas weiter vertiefen wollen. Leib und Leben von römischen Bürgern stärker zu schützen, indem wir die Gesetze dahin gehend härter gegen Peregrini formen ist die eine Sache. Doch sollten wir weiterhin auch unsere Bürger mit milderen Urteilen abstrafen, die gegen Peregrini die Hand erhoben haben."


    Avarus wollte diesen Teil seiner Antwort nochmals unterstreichen, denn irgendwie hatte er das Gefühl Senator Quarto hatte eben diese Passage überfahren. Diskussionswürdig war es allemal.

  • "Wenn ein Peregrini einen Römer tötet gibt es nur eines, er muss am Kreuz sterben! Ein Römer sollte nicht zu fest für den Tod eines Peregrini bestraft werden, Verbannung oder eine Geldstrafe sollten meiner Meinung nach reichen."

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    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO PURPUREA

    SODALIS MAIOR - GERMANITAS QUADRIVII

    Stadtpatron - Tarraco

  • "Ich denke, wir sollten aber weiterhin darauf achten, dass wir gerecht sind. Wenn es als Bagatelle behandelt wird, wenn ein römischer Bürger einen Peregrinus ermordet, dann kann das leicht zu Unzufriedenheit in den Provinzen führen."


    gab Durus zu bedenken - nicht nur, weil er gern widersprach, wenn Avarus irgendwelche Anträge stellte, sondern aus Überzeugung. Gerade die Debatte über die Zivilisierung der Provinzen hatte das Augenmerk des Tiberiers wieder stärker auf die Einwohner des Reiches verschoben, die nicht im Genuss des Bürgerrechts waren.


    "Die Frage ist, was mit der Strafe erreicht werden soll - meiner Meinung nach soll sie vor allem abschrecken oder es dem Täter ermöglichen, seinen Schaden wieder gutzumachen. Ein einfacher Proletarier - ob mit oder ohne Bürgerrecht - wird sich jedoch kaum durch Nachdenken verbessern. Diese Schichten können nur durch Abschreckung davon abgehalten werden, Straftaten zu begehen. Also sind für sie härtere Strafen notwendig.


    Bei einem verdienten Senator oder Eques hingegen können in vielen Fällen sicher auch durch eine Relegatio zum Nachdenken angeregt werden - es wäre ein zu großer Schaden, sie dem Staat vollständig zu entziehen - so die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht überwiegt. In letzterem Fall könnten sie jedoch auch ins Exil geschickt werden, denn der Verlust ihres Vermögens und er Ausschluss aus der Bürgerschaft ist für sie eine Strafe, die wohl schlimmer ist als der Tod - ohne die gesamte Familie zu beschämen, indem sie auf unwürdige Weise zu Tode kommen."


    versuchte Durus, die Debatte in eine andere Richtung zu lenken. Der Unterschied zwischen Ständen war seines Erachtens wichtiger als der zwischen Bürgern und Fremden. Bei diesen Gedanken kam ihm jedoch noch ein weiterer wichtiger Aspekt:


    "Abgesehen davon ist es wichtiger, Senatoren und staatliche Amtsträger besonders zu schützen, da ihr Tod einen größeren Verlust für den Staat darstellt. In diesen Fällen müssen die Strafen also besonders hoch sein."

  • “Nein, eine Bagatelle sollte es niemals sein. Aber man könnte zum Beispiel die Höchststrafe gleich ansetzen, während man die Mindeststrafe differenziert. Damit hätte das Gericht bei der Ermordung eines Peregrinus einen größeren Ermessensspielraum.
    Bei bestimmten Amtsträgern darf es wiederum kein großes Ermessen geben. Wer zum Beispiel einen Volkstribun tötet, der unter besonderem Schutz stehen muss, der hat sein Leben verwirkt, da darf es kein Vertun geben.“

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