Officium - Iunia Axilla

  • Caius erklärte nichts weiter, und Silanus fragte auch nicht nach.
    »Sie hat es sicher nur vergessen. Du bist ja auch sehr beschäftigt und sie hatte mit ihrer...Krankheit zu kämpfen«, versuchte Caius zu beschwichtigen. Er wollte nicht, dass Axilla Ärger bekam deswegen. Silanus schien einen Moment nachzudenken und lächelte dann. Caius erwiderte das Lächeln.


    »Vielen Dank, Iunius! Es freut mich sehr.« Wie sehr, das zeigte er mit einem aufrichtigen Lächeln.
    »Wir wollen so schnell wie möglich heiraten und wollten deswegen unsere Verlobung dann direkt auf heute eintragen lassen. Ganz ohne Feier. Ich hoffe, du hast nichts dagegen«, sagte er dann. Axilla und er hatten zwar nicht über den Hochzeitstermin gesprochen, aber er glaubte, dass es angesichts der Umstände echt in ihrem Interresse lag, schnellstmöglich zu heiraten...

  • Krankheit? Welche Krankheit? Man hatte Silanus nichts darüber berichtet. Weder die Sklaven noch Axilla selbst und in diesem Moment merkte er, dass ihm das Ruder in diesem Haushalt wohl schon vor einiger Zeit entglitten war. Zu sehr hatte er sich auf seine Arbeit konzentriert und vermutlich hatte ihn auch seine Dienstzeit in Germanien dem Familienleben gegenüber abstumpfen lassen. Aver das war bestimmt keine Angelegenheit die er mit Archias klären konnte geschweige denn besprechen wollte. Doch gab es noch einen anderen Punkt, der ihn bei all diesen unausgesprochenen Überlegungen nicht los ließ und nun auch noch bestärkt wurde, als Archias eine Feier ausschloss und gleich zur Tat schreiten wollte.


    "Ich habe nichts dagegen, aber sag…. diese Decima…… welches Verwandtschaftsverhältnis hat sie zu Senator Decimus Livianus? Du weißt vielleicht, er ist mein Patron und ich möchte ungern unser bisher gutes Verhältnis trüben. Die Familien stehen sich seit jeher sehr nahe."


    Was vermutlich nicht ganz zu vermeiden war. Auch wenn Silanus nicht nachfragte, so konnte er sich denken, dass es nicht unbedingt ein gutes Bild bei den Decimern hinterließ, wenn Archias die Verlobung mit einer der ihren gelöst hatte und nach so kurzer Zeit die Verlobung mit einer Iunia bekannt gab. Silanus konnte sich da zwar rausreden, falls es zu einem unangenehmen Aufeinandertreffen mit seinem Patron kommen sollte, doch wollte er dann zumindest wissen woran er war.


    "Du hast doch mit den Decimern alles geklärt und das Verlöbnis im guten Einvernehmen aufgelöst, oder?"

  • »Sie ist seine Nichte. Und ich glaube nicht, dass die Lösung der Verlobung mit Seiana das Verhältnis zwischen euren Familien trüben wird«, sagte Caius überzeugt. Er kannte Seiana so gut, dass er das guten Gewissens behaupten konnte. Sie würde ihn bestimmt nicht schlecht machen vor den anderen. Dass Silanus der Klienten von diesem Senator Decimus war, hatte Caius bisher nichts gewusst. Das war schon seltsam, das Gefühl, aber er sagte nichts dazu. Vermutlich würden sie miteinander reden, aber er hatte die Angelegenheit ja geklärt.


    »Ich habe die Auflösung geklärt, ja.« Er sagte nur nicht dazu, dass er das lediglich mit Seiana ausgemacht hatte, aber seiner Meinung nach hätte allenfalls ihr Bruder noch Mitspracherecht gehabt, da Seiana sui iuris war. Gut, bei Axilla war es ja genauso, aber aus dem Theater mit diesem Livianus, das er über Seiana mitbekommen hatte, hatte Caius schließlich was gelernt.

  • Damit waren die zwei wichtigsten Fragen für den Moment geklärt, zumindest was Silanus betraf. Er nickte erfreut.


    "Gut. Dann kann die Gens Iunia gleich zwei Hochzeitsfeiern in naher Zukunft entgegensehen. Wie du vielleicht weißt wird auch unsere Verwandte Serrana demnächst heiraten. Vorerst ist zwischen uns also alles geklärt und du bist selbstverständlich jederzeit herzlich Willkommen in meinem Haus.“

  • »Oh, tatsächlich? Das wusste ich bisher nicht, nein. Serrana habe ich noch nicht kennengelernt. Axilla wollte uns aber bald einander vorstellen.« Caius lächelte.
    »Danke, das freut mich zu hören. Wenn ich dir irgendwann mal behilflich sein kann, sag mir einfach bescheid. Oder komm nach nebenan, wir sitzen ja nicht so weit voneinander entfernt. Ähm... Ich denke, wir werden uns bald wegen der Hochzeit Gedanken machen und dann noch mal auf dich zurückkommen«, sagte Caius und nickte.
    »Ich lass dich dann mal wieder allein, wenn du nichts mehr hast,«, wollte sich Caius verabschieden.

  • Nachdem Silanus ja schon lange nicht mehr hier war, hatte Axilla sein Officium in Beschlag genommen. Sie brauchte einfach einen Platz, um den ganzen Schriftverkehr vernünftig abarbeiten zu können, und ständig auf der Fensterbank des Tablinums zu sitzen oder im Cubiculum die Bettdecke mit Tinte einzuschmieren war einfach auf Dauer nicht tragbar. Also hatte sie das Officium nun endlich zu ihrem Privatreich erklärt und nutzte die vielen Regale dazu, auch ihre Unterlagen mit dazu zu sortieren.


    Unter anderem auch ihre gesamte geschäftliche Post. Jetzt, wo sie nicht mehr in Ägypten war, stapelte sich das irgendwie zusehends. Ihr Farbmischer stand noch immer in Alexandria, ebenso wie ein Großteil der Abnehmer dort unten war. Was bedeutete, wenn es etwas gab, erfuhr sie erst 2 Wochen später davon. Was wiederum bedeutete, dass sich die Kleinigkeiten sammelten. Auch wenn ihr Vorarbeiter ein sehr fähiger Mann war und das alles im Griff hatte, für manche Dinge brauchte es dann doch ihre Entscheidung. Und die wollte geordnet erfolgen.


    So saß Axilla heut eim Officium, als sie die Post durcharbeitete, die ihre Betriebe betraf. Darunter auch eine Tafel, die am Eingang abgegeben worden war und ihren Imker betraf.
    Axilla laß die Zeilen, las sie nochmal, und kratzte sich etwas undamenhaft am Kopf. Ihre Frisur bedankte sich damit, dass ein paar Haare sehr wirr aufgestrubbelt nun abstanden, anstatt brav in der Steckfrisur zu bleiben.
    Nach ein wenig überlegen hatte sie eine Antwort formuliert und gab diese dann wiederum Levi mit, damit er sie gleich überbrachte. Konsuln ließ man nicht warten, auch wenn der Brief von dessen Libertus nur unterschrieben war.

  • Der Auftrag, den Axilla ihren Sklaven gegeben hatte, war rasch und einfach gewesen. “Besorgt mir einen Schreiberling, der sich mit sowas auskennt und das formulieren kann.“ Mit 'sowas' war das Aufsetzen von Verträgen gemeint, und damit war 'der Schreiberling' einer der Anwälte, die am Forum für ein paar Silberlinge so ziemlich jeden Fall übernahmen. Niemand, mit dem Axilla ernsthaft vor Gericht ziehen wollen würde, aber ganz definitiv jemand, der ihre wirren Gedanken und die mündlichen Vereinbarungen in ein Stück Pergament verwandeln konnte, welches sie Tiberius Durus vorzeigen konnte.


    Und etwa eine Stunde später stand da auch ein dünner Bursche in ihrem Officium und ließ sich von Axilla kritisch beäugen. Er sah mager aus, und irgendwie schlacksig. Ganz und gar nicht kriegerisch, oder auch nur fähig, eine Waffe zu halten Aber seine Kleidung sah doch recht ordentlich aus, er trug eine Toga und schien Römer zu sein.
    “Und... wie heißt du?“ fragte Axilla schließlich etwas zweifelnd.
    “Aulus Durmius Niger, zur deinen Diensten, domina.“
    Axilla kaute ein wenig auf ihrer Unterlippe herum und überlegte. Eigentlich hatte sie keine große Wahl, als ihm zu vertrauen, aber es sollte nicht so aussehen, als würde sie ihm vertrauen. Dann würde er sie nur übers Ohr hauen und sie sich als totalen Trottel hinstellen lassen. Das galt es zu vermeiden.
    “Und du weißt, was ich von dir will?“
    “Deine Sklaven haben mir gesagt, du wünscht einen schriftlich ausformulierten Vertrag gemäß deinen mündlichen Anweisungen.“
    “Ja. Ja, stimmt. Ein Ehevertrag. Aber mein Mann ist schon tot. Du sollst vernünftig aufschreiben, was vereinbart war. Kannst du das?“
    Der Bursche nickte und sah dabei noch schlacksiger und hungriger aus als so schon. “Ja, das kann ich, domina.“


    Und Axilla blieb keine Wahl, als ihm zu vertrauen. Also schrieb er, erst auf Wachs, dann auf Pergament. Immer wieder stellte er Rückfragen, fragte irgendetwas, was Axilla schon vergessen zu haben schien, oder schaute komisch, wenn sie etwas sagte, was ihm unwichtig erschien, sie aber festgehalten wissen wollte. Am Ende also gab es folgendes Pergament:



    Pactum Nuptialium


    PARS PRIMA – Allgemeiner Eheteil
    (1) Dieser Vertrag ist eine schriftliche Aufstellung des mündlich geschlossenen, gültigen Ehevertrags zwischen den Eheleuten


    Caius Archias aus der Gens der Aelier, Sohn von Decimus Aelius Calvaster, im weiteren Vertrag als Ehemann, Bräutigam oder Mann bezeichnet;
    und
    Axilla aus der Gens der Iunier, Tochter von Atticus Iunius Cassiodor, im weiteren Vertrag auch als Ehefrau, Braut oder Frau bezeichnet.


    (2) Beide Parteien erklärten vor Eheschließung, dass
    alpha) sie sui iuris sind und keine anderen Rechte an ihre Person geltend gemacht werden können, die diese Ehe ungültig sein lassen könnten. Dies beinhaltet im Speziellen, aber nicht ausschließlich, patria potestas, Verlöbnisse oder bereits gültig geschlossene Ehen.
    Beta) sie und ihre Verwandten, insbesondere die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, keiner Infamie unterlegen waren. Weiter erklären sie, dass auch keine anderen Ehehindernisse vorliegen, die die Ehe für ungültig erklären könnten.
    Gamma) sie die Ehe aus eigenem Willen schließen.


    (3) Eine Sponsalia wurde nicht bekannt gegeben.


    (4) Die Ehe wurde sine manu geschlossen. Ein Gewaltübergang auf den Ehemann durch usucapio wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Selbst im Fall, dass das trinoctium nicht durchgeführt wurde, sollten dennoch keine Rechte, weder über Person noch über Vermögen der Braut, auf den Bräutigam übergehen.


    (5) Wohnsitz war derjenige Stammsitz, den der Bräutigam erwählte. Zur Zeit der Ehe war dies das Domus Aeliana im Palatium Augusti, in welchem die Ehefrau für die Dauer der Ehe Wohnrecht hatte.
    alpha) Die Braut behielt sich ein zeitweiliges Wohnrecht in der Domus Iunia in Roma vor, dessen Inanspruchnahme die Ehe weder auflöste noch unterbrach.


    PARS SECUNDA – Dos und donatio
    (1) Die donatio ante nuptias besteht aus Goldschmuck, Seidenkleidern und dem fortgeführten Recht auf Entscheidungsbefugnis bei den Betrieben des Caius Aelius Archias. Die Braut durfte diese nach ihrem Ermessen verwenden, aber nicht verkaufen oder verschenken. Auch durften nur solche Geschäfte damit getätigt werden, die das Vermögen des Ehegatten erhöhten. Bei Beendigung der Ehe durch Scheidung wären diese Geschenke in jedem Fall zurückzugeben gewesen, unabhängig von der Schuld einer der Parteien.


    (2) Die Dos wurde von der Braut selbst gestellt.
    alpha) Die Braut bewilligte dem Bräutigam Beteiligung an ihren Handelswegen. Sämtliche Vergünstigungen, Rabatte und Vorkaufsrechte bei ihren Geschäftspartnern gingen gleichermaßen in den Besitz des Caius Aelius Archias über. Dies schloss insbesondere den Handelsweg nach Germania zu den langjährigen Geschäftspartnern der Iunia Axilla, der Freya Mercurioque, ein. Auch hatte der Ehemann das Recht, ihre Sklaven und Dienstleister für sich zu beanspruchen, ebenso wie die Marktstände an den Absatzorten.
    beta) Ein Betrag von fünfzig Aurei ging als Dos in den Besitz des Caius Aelius Archias über. Das Geld wurde von Lucius Iunius Silanus zu diesem Zwecke bestellt und an Iunia Axilla hierfür übergeben. Die Übertragung erfolgte durch traditio.
    gamma) Bei Beendigung der Ehe durch Scheidung sollte die Braut den Teil ihrer Dos zurückerhalten, der ihr dem Gesetz nach zusteht, aber mindestens ein Sechstel des Geldes und vollumfänglich ihre geteilten Rechte aus Handels- und Absatzwegen. Aus der Dos kann kein fortführendes Anrecht auf Wege, Dienstleistungen oder Absatzplätze durch den Ehemann gestellt werden.


    PARS TERTIA – Kinder
    (1) Beide Parteien erklärten, dass sie fruchtbar sind und gemeinsam Nachkommen zeugen möchten. Bei Unfruchtbarkeit eines Teiles hätte der andere Ehepartner das Recht zur Scheidung gehabt, ohne dass ihm daraus Nachteile entsstanden wären. Dies schloss insbesondere eine Schmälerung bei Herausgabe von Dos oder Donatio mit ein.


    (2) Söhne aus dieser Verbindung sollten nicht nur, wie es Sitte und Brauch ist, den Ahnen der Aelii ihren Respekt und ihre Ehre erweisen, sondern auch denen der Iunii. Insbesondere sollten sie zu den Parentalia an den Gräbern der Iunii Opfer bringen und diesen Brauch auch an ihre Kinder weitergeben. Wäre die Ehefrau vor dem Ehemann gestorben, hätte dieser sich verpflichtet, dies auch dann zu erfüllen und seinen Söhnen zu befehlen, die Ahnen der Iunii zu ehren.


    (3) Der erste Sohn sollte den Beinamen Atticus erhalten, zu Ehren des Vaters der Braut. Über den Praenomen sowie über die gesamte Namensgebung aller weiteren Kinder hätte, wie es Brauch und Sitte ist, der Ehemann entschieden.


    (4) Der erste Sohn, der das Mannesalter erreicht hätte, sollte, so er tauglich ist, der Legion beitreten. Die Parteien verpflichteten sich, ihm nach Möglichkeit den Stand eines Tribuns zu verschaffen. Zu diesem Zwecke sollte er die Rüstung des Atticus Iunius Cassiodor erhalten, die im Eigentum der Iunia Axilla ist. Diese Rüstung soll sein gesondertes Erbe sein, das durch keine anderen Rechte eingeschränkt werden kann.


    (5) Über Maßnahmen zur Erziehung der Kinder bis zum Alter von sieben Jahren konnte die Ehefrau selbständig entscheiden. Der Ehemann erhielt bei allen Entscheidungen ein Einspruchsrecht. Dies schränkte seine Rechte durch Patria Potestas NICHT ein.


    PARS QUARTA – Eigentum


    (1) Jeder Ehegatte behielt sein Eigentum. Durch die Ehe finden keine Vermischungen der beiden Eigentumsteile statt.
    alpha) Die Betriebe, die jeder Ehegatte führte, waren trotz Abtretungen von Rechten stets vollumfänglich im Eigentum des jeweiligen Ehepartners und gingen als solches ausdrücklich nicht in den Besitz des anderen über. Sämtliche Gewinne und Verluste trägt nur derjenige Ehepartner, dessen Betrieb diese erwirtschaftet. Sie gehen in das direkte Vermögen nur jeweils eines Teiles über.
    beta) Jeder Ehepartner behielt seine eigenen Sklaven. Der andere Ehepartner konnte diesen zwar Befehle erteilen, ihre Treuepflicht galt allerdings nur demjenigen Ehepartner, dem sie gehören. Auch nur derjenige Ehepartner konnte sie bestrafen oder verkaufen.


    (2) Wie es Recht und Sitte ist, waren Schenkungen während der Ehe unter den Ehepartnern nicht zulässig und verblieben rechtlich im Eigentum des Schenkenden.


    PARS QUINTA – Rechtsklauseln
    (1) Sollten einzelne Bestandteile dieses Vertrages nicht, nicht mehr oder künftig nicht dem geltenden Gesetz entsprechen, so wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Vertragsbestandteile nicht berührt. Unwirksame Klauseln sollen durch solche ersetzt werden, die ihrem Sinn nach den jetzigen entsprechen und vor dem Gesetz Bestand haben.
    (2) Zeugen dieser Verbindung und einzelner Punkte dieser Vereinbarung waren:
    - Lucius Iunius Silanus, ehemaliger Procurator ab Epistulis
    - Iunia Serrana
    - Quintus Germanicus Sedulus, Senator Roms und Curator operum publicorum



    Als der Mann fertig war, gab er Axilla das Papier zu lesen. Bereits nach den ersten Zeilen schwirrte ihr der Kopf, was ein untrügliches Zeichen dafür war, dass dies in Rechtssprache verfasst war. Kurzum, es klang gewichtig genug, dass sie es vorzeigen konnte.
    Durmius Niger erhielt einen großzügigen Obulus aus der Hauskasse und Axilla versprach ihm sogar, sich seinen Namen zu merken, falls sie nochmal etwas ähnliches bruachen würde.


    Als der Mann gegangen war und Axilla den Vertrag zu Ende gelesen hatte, seufzte sie einmal. So viel, was hätte geschehen sollen, und nicht geschehen war, nie geschehen würde. Ja, sie hätte sich wegen seines Wahns von ihm scheiden lassen, und doch gab es Momente der Wehmut.
    “Levi, bring das doch bitte zur Villa Tiberia am Esquillin. Das ist fast beim Porticus Liviae.“ Sie hielt ihrem Sklaven das aufgerollte Stück Papier hin. Sie hatte Kopfweh vom vielen nachdenken, und mehr noch von der Erinnerung.
    “Ja Herrin, ich find's schon.“
    “Gut, und wenn man dich lässt, frag, ob du warten darfst, bis die Abschrift gemacht ist, falls Tiberius Durus zuhause ist. Aber geh ihnen nicht auf die Nerven damit.“
    “Ich doch nicht!“ Levi grinste seine Herrin frech an, und die grinste etwas traurig zurück, zumindest einen Moment.
    “Und benimm dich bitte. Das ganze ist wichtig, und ich will die Tiberier nicht verärgern.“
    Viel ernster verbeugte sich Levi also. “Ja, Domina.“ Er nahm das Schriftstück an sich, packte es sicher in eine Rolle aus Leder, und machte sich damit auf den Weg.

  • Wann hatten die Dinge angefangen, so erwachsen zu werden? Axilla saß über einem ganzen Stapel von Schreiben und wusste gar nicht, wie sie zu der Ehre kam. Da waren Bittschriften. An SIE! Und Empfehlungsschreiben. An SIE! Und Freundschaftsbekundungen. Für SIE! Und Axilla hatte keine Ahnung, wie sie zu der Ehre kam. Oder wie die ganzen Leute darauf kamen, dass sie ihnen helfen könnte!
    Die meisten schrieben ihr scheinbar auf bloße Vermutung, appellierten an den Namen der großen Gens Iunia und erhofften sich damit wohl Pluspunkte. Und wenn Axilla welche zu gewähren gehabt hätte, hätte sie vielleicht sogar welche verteilt. Aber was sollte sie denn machen? Was dachten sich diese Leute, indem sie ihr schrieben? Sie kannte diese Menschen ncihtmal, warum also sollte sie zu irgendwelchen Leuten gehen und etwas tun? Oder, wie einige vorschlugen, etwas in der Acta Diurna schreiben lassen. Sie war Lectrix, nicht Auctrix! Manche Leute hatten komische Ideen.


    Ladas, ihr Maiordomus, sortierte die Schreiben schon vor und sortierte so auch den gröbsten Unsinn aus. Der kam zwar auf einen Stapel, so dass Axilla nachschauen konnte, wenn sie wollte, aber eigentlich wurden diese Schreiben eher als Anzünder für die Kohlepfannen benutzt. Axilla hatte einmal spaßeshalber hineingesehen. Als sie dann aber gelesen hatte, sie solle doch den Zeugen Kemoschs beitreten, weil der große Gott so wundervoll und seine Rache bei Nichtbeachtung schrecklich sein würde, hatte sie den Stapel doch weiter von sich geschoben.


    Und so saß sie gerade an einer Antwort für ihre Farbmischerei in Alexandria mit weiteren Anweisungen. Wegen des schlechten Wetters waren wohl in Kreta die Purpurschnecken zum Teil verendet, die sie eigentlich immer kaufte, um daraus ihre Farben zu gewinnen. Und der indische Zuhändler auf dem Xenai Agorai meinte, frech werden zu können, und hatte den Preis für Drachenblut mal eben verdoppelt. Dafür aber hatte eine Kupfermine im Süden von Ägypten Türkise gefunden, und sie konnten dort günstig Steinsplitter und Steinstaub abkaufen. Doch das alles brauchte natürlich jede Menge Papier und noch mehr Geduld. Ersteres hatte Axilla in ausreichenden Mengen.


    Und just da kam Ladas mit noch einem Schreiben herein. Mit einem Gesichtsausdruck, der um einen Coup de grâce (so man diese futuristische Bezeichnung verwenden wollte) bettelte, sah Axilla dabei zu, wie er es ihr hinlegte. “Ein Bote der Flavier brachte das vorbei“, meinte er freundlich.
    Bei diesen Worten aber änderte sich Axillas Gesichtsausdruck doch recht schnell. Flavier. Bestimmt Piso! Was wollte dieses Würstchen denn noch von ihr, hatte sie sich nicht klar genug ausgedrückt? Hatte sie zu fest zugeschlagen und dabei seine Gedanken nachhaltig geschädigt?
    Fast wütend öffnete sie das Siegel und überflog die Zeilen.Es brauchte eine Weile, bis die Information in ihrem Gehirn angekommen war, dass der Brief von Flaccus war. Und noch eine weitere Weile, bis die Wut sich gänzlich verwandelt hatte in ein großes, unsichtbares Fragezeichen über ihrem Kopf.
    “Häh?“ fragte sie einmal das Stück Papier, aber es war Ladas, der antwortete.
    “Gibt es etwas, Herrin? Schlechte Neuigkeiten.“
    Sie sah auf in das treu dreinblickende Gesicht ihres Maiordomus und schüttelte dann den Kopf. “Nein, nein, alles in Ordnung. Du kannst dich ruhig deinen anderen Pflichten widmen, ich komm hier zurecht.“
    Ladas verneigte sich ganz leicht und verließ dann ohne ein weiteres Wort das Officium. Er kannte seine Herrin ja nun mittlerweile gut genug, um zu wissen, wann sie allein sein wollte.
    Axilla unterdessen las noch einmal die Zeilen vor ihr. Und noch einmal. Und noch ein viertes mal. Teile davon ergaben irgendwie immernoch keinen Sinn. Oder, doch, sie ergaben schon einen Sinn, rein vom Wortlaut her, aber nicht inhaltlich. Oder doch, auch inhaltlich, nur nicht so richtig. Dass sie sich eine Weile nicht gesehen haben, das war klar. Es war so, sie hatten sich eine Weile nicht gesehen. Die Einladung zu den Lupercalien, auch klar. Aber der Einwand, sie solle ihm sagen, ob sie seiner Gesellschaft überdrüssig wäre... und das, was zwischen den Zeilen ein wenig herausklang... das war... merkwürdig. Axilla hatte nicht das Gefühl gehabt, dass Flaccus ein tiefergehendes Interesse an ihr hätte, und sie hatte ihm da ja auch keine Avancen gemacht. Zumindest nicht bewusst, was Männer sich manchmal dachten, was Frauen meinten, war mitunter erstaunlich. Aber das hier, das klang so, als ob... das klang fast wie der Brief eines Liebhabers an seine Geliebte, die ihn ein wenig auf Abstand gehalten hatte... ein klitzekleines bisschen zumindest. Und Axilla wusste eine ganze Weile nun nicht, was, und vor allem wie sie darauf nun Antworten sollte. Stattdessen malträtierte sie wie üblich ihre Unterlippe mit den Zähnen, und erst, als sie den metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge hatte, nahm sie sich zusammen und nahm eine Feder in die Hand.

  • “Das ist doch wirklich zum Mäuse melken!“ schimpfte Axilla so vor sich hin, als sie eine Nachricht ihres Architekten Kephalos in Händen hielt. Er konnte – mal wieder – eine Baustelle nicht rechtzeitig abschließen, da er einfach nicht genügend Steine bekam.
    “Ich glaube nicht, Herrin, dass das jemand macht. Ich glaube auch nicht, das Maus-Käse besonders gut ist...“ meinte die Sklavin, die Axilla gerade mit dem Papierkrieg half, etwas einfältig.
    “Ach... das ist nur eine Redensart, Naitiri. Wobei.... wäre vielleicht sogar eine brauchbare Geschäftsidee. Wäre sicherlich exklusiv. Aber das behalten wir mal nur im Hinterkopf. Jetzt brauche ich erstmal Steine!“
    “Warum kaufst du keinen Steinbruch, Herrin, wäre das nicht auf Dauer günstiger?“


    Kurs stockte Axilla und dachte darüber nach. Sicherlich wäre das keine schlechte Idee. Sie hatte ohnehin erschreckend viel Geld – zumal, wenn man bedachte, dass sie kein regelmäßiges Einkommen hatte. Aber dann müsste sie einen ihrer Betriebe schließen, denn sie hatte schon vier. Mehr durfte sie nicht besitzen. “Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass der Senat dieses bescheuerte Marktgesetz kippt?“ fragte sie ehre rhetorisch.
    Naitiri nahm es aber wörtlich. “Ich weiß nicht, ob sie sich damit eher befassen wollen. Letztes Jahr haben sie ja noch nicht einmal gewollt, dass Aeditui auch Betriebe haben dürfen.“
    Axilla seufzte und ersparte sich eine Belehrung ihrer Sklavin.
    [color=blue]“Dann müssen wir wohl einen Aushang machen oder so. Vielleicht findet sich ja ein einigermaßen vertrauenswürdiger Geschäftspartner, der sich einen Steinbruch... 'schenken' lassen will. Oder so.“

  • Axilla saß gerade über ihrem alltäglichen Papierkram, als Begoas hereinkam. Der Junge war gerade zehn Jahre alt und – wie alle Jungen wohl in seinem Alter – ging nirgendwo hin, sondern rannte nur. “Domina...“ Allzu häufig vergaß er dabei allerdings – ebenso wie wohl alle Jungen in seinem Alter – die gebotenen Höflichkeitsregeln. Wie Klopfen beispielsweise, ehe man hereinkam.
    “Begoas. Anklopfen, dann reinkommen“, meinte Axilla nur mit einem halben Blick auf den Jungen, dem anderen halben Blick auf einer Tabula mit Zahlen zu ihrer Farbmischerei in Ägypten.
    Der Junge drehte nochmal um, klopfte hastig an den Türrahmen und kam dann nochmal hereingerannt, vor seine Herrin. “Domina... ein Bote von Senator Germanicus ist da und mag mit dir reden.“
    Jetzt ruckte Axillas Kopf doch hoch und sie sah den Sklavenjungen an. “Oh! Das ging aber schnell. Prima. Dann bring ihn doch bitte hier her – langsam aber! Nicht rennen! - und sag in der Küche eben Bescheid, sie sollen Wein und Wasser hochbringen.“
    “Ja, Domina!“ Sprach's – und rannte schon wieder los. Axilla schüttelte nur kurz grinsend den Kopf, schaffte auf ihrem Tisch die nötige Ordnung, und wartete dann auf den Boten.

  • Der Weg zum Ziel war kurz.


    "Salve ich bin im Namen meines Herren, dem Senator Germanicus, hier. Du hast bei ihm die Ware Steine angefragt, nun er ist im Stande sie im Zuge einer Lagerräumung zu liefern. Welchen Preis stellst Du Dir vor?"

















    SKLAVE - GENS GERMANICA

  • Da kam aber einer schnell zum Punkt! Axilla hatte sich schon auf die ein oder andere Höflichkeitsfloskel innerlich vorbereitet, als sie plötzlich das Gefühl beschlich, dass hier irgendwo eine Tür im Raum herumliegen müsste. Nach einer kurzen Orientierungssekunde merkte sie aber, dass es so eigentlich viel einfacher war.
    “Salve. Setz dich doch“, lud sie den Boten aber doch dazu ein, es sich bequem zu machen, während sie sprachen. “Und der Preis ist wohl auch abhängig von der Menge, die Senator Germanicus verkaufen würde.
    Generell aber – in Anbetracht der Tatsache, dass er diese Ware sonst auf den Märkten gar nicht verkaufen könnte und dies nur privat unter der Hand kann, ich ihn aber auch nicht übervorteilen will und ihm durchaus dankbar bin, überhaupt diese Gelegenheit wahrnehmen zu können – bin ich durchaus bereit, den üblichen Marktpreis von achtzig Sesterzen je Einheit zu bezahlen.“

  • "Das ist ein akzeptabler Preis. Die Vorstellungen meines Herren decken sich damit. Die Steine belaufen sich auf eine verfügbare Menge von einhundertachtunddreißig Blöcken. Sie sind in einem Lager an der Via Flaminia einhundertfünf gelagert. Ich weise den Lagervorsteher an sie an Deine Trupps heraus zu geben, wenn Du mit der Abmachung einverstanden bist."





    Sim-Off:

    Wism Angebot nutzen.








    SKLAVE - GENS GERMANICA

  • Einhundertachtunddreißig Blöcke, das ganze für achtzig Sesterzen pro Block.... Axilla zückte kurz den auf dem Tisch liegenden Abacus und schob ein paar Kugeln hin und her. Ein kurzer Blick auf eine Tabula, die am Rand lag...
    “Gut, ich nehme alle. Ich werde dann einen Trupp mit dem entsprechenden Geld am Nachmittag zur Casa Germanica schicken. Richte Senator Germanicus doch bitte auch noch einmal meinen persönlichen Dank aus, insbesondere für die unkomplizierte Abwicklung.“


    Sim-Off:

    Merci!

  • "Dann ist es das Beste ich lege das Lager auf meine Rückweg Route, damit Deine Leute nicht zu lange die Straße verstopfen müssen, während sie auf das Material warten."


    Das war nötig, denn viel Platz war an dieser Stelle nicht und für diese große Menge brauchte man schon etwas mehr als nur ein Ochsengespann.


    "Das werde ich machen. Ich bedanke mich für Deine Zeit und wünsche Dir noch einen guten Tag."


    Er schickte sich an zu gehen...







    SKLAVE - GENS GERMANICA

  • Auch dieser Tag brachte wieder eine Menge Post mit sich. Nach diversen Täfelchen kam auch eine Wachstafel aus Mantua hervor. Axilla brach das Wachssiegel und öffnete die Tafel. Von einem ehemaligen Signifer war das schreiben, der sich für ihren Aushang interessierte. Axilla strahlte. Als Angehöriger der Legion hatte der Mann schonmal von vornherein einen Vertrauensbonus, und Optio war der Mann auch noch gewesen! Da kannte er sich in der Tat damit aus, Leute herumzukommandieren.
    Axilla schnappte sich ein eigenes Wachstäfelchen – dieses wollte sie erst einmal aufheben, bis klar war, ob etwas hieraus werden würde oder nicht – und kritzelte mit dem Stylus kunstvoll los.



    Ad G. Tallius Priscus
    Mantua



    Iunia Axilla G. Tallio Prisca s.d.
    Gerne beantworte ich einem Veteranen der von mir höchst geschätzten Legion seine Fragen.


    Sofern die Qualität des abgebauten Steines stimmt, so dass dieser auch für größere Bauwerke oder Steinmetzarbeiten als Material taugt, stelle ich an den Ursprungsort des Steinbruches keine Anforderungen. Jeder Platz, der hinreichend große und stabile Steinblöcke, bestenfalls aus Granit oder Basalt, hervorzubringen imstande ist, ist mir recht.


    Ich benötige eine regelmäßge Menge von mindestens 24, besser noch 48 Steinblöcken der Maße 1 gradus x 1 gradus x 1 passus.


    Zur finanziellen Frage bin ich grundsätzlich bereit, ein zinsfreies Darlehen in der vollen Höhe der Anschaffungskosten zu gewähren. Solange ich die vereinbarte Menge an Stein kaufen kann, soll dieses Darlehen zinsfrei bleiben und flexibel zurückgezahlt werden können. Auch stünde es dir wahlweise frei, die Darlehensrückzahlung ganz oder auch teilweise durch Stein zu begleichen. Sollte ohne vorherige Absprache zu einem Zeitpunkt die Lieferung des Steines mehr als 2 Wochen in Verzug geraten, musst du aber verstehen, dass ich in einem solchen Falle eine Mahnung mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 5 % der Restdarlehenssumme erwirken würde. Bei länger ausfallenden Lieferungen ohne vorherige Absprache sähe ich mich auch gezwungen, beim Prätor Klage einzureichen und die Rückzahlung des restlichen Darlehens dann zu fordern.
    Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass es zu einem solchen Fall kommt, so dass das zinsfreie Darlehen bis zu seiner vollständigen Begleichung zinsfrei bliebe und wir hoffentlich auch lange darüber hinaus eine prosperierende Partnerschaft in dieser Causa führen könnten.


    Vale





    Gut gelaunt brach Axilla dann auch gleich das Siegel des nächsten Briefes. Kurz wunderte sie sich noch, dass es das Siegel der Flavier war. Sie glaubte nun eher weniger daran, dass sich Flavius Gracchus nach all den Jahren noch an ihr Treffen in den Lucullischen Gärten erinnerte – wenngleich sie bisweilen noch (teils peinlich berührt, aber doch gerne) daran zurückdachte. Und welcher andere Flavier sollte ihr weswegen schreiben?
    Nach den ersten paar Zeilen klärte sich die Frage aber auf. Der Brief war gar nicht an sie oder jemanden aus der Familie. Da hatte nur irgendjemand nicht richtig lesen können oder war sonstwie unaufmerksam gewesen.


    Axilla seufzte und zückte ein weiteres Täfelchen:



    Iunia Axilla M. Iulio Diviti s.d.


    Anbei übersende ich dir ein Schreiben von Flavius Scato. Ein Bote hat wohl unsere Domus miteinander verwechselt und den Brief hier abgegeben.
    Verzeih, dass das Siegel schon gebrochen ist, ich habe den Irrtum selbst erst bemerkt, als ich den Brief zu lesen begann. Auch wenn es nicht unbedingt die beste Möglichkeit ist, von der Sache zu erfahren, möchte ich dir an dieser Stelle auch mein Beileid zu deinem Verlust aussprechen.


    Vale




    Dann rief Axilla einen Sklaven, der diese Schreiben – mit diversen anderen – entweder ihrem Bestimmungsort in Roma zuführen sollte, oder aber zum Cursus Publicus bringen sollte.

  • Avianus fragte sich, was ihn wohl erwarten würde bei diesem absolut unumgänglichen Gespräch, auf welches er sich gleichzeitig alles andere als freute. Seitdem er Zeuge von Senecas Beichte geworden war, hatte er das Thema ganz bewusst nicht mehr angeschnitten. Er fühlte sich in einer Zwickmühle. Sehr wohl war ihm klar, dass er sich ganz einfach aus der Sache raushalten könnte, denn mit dem Konflikt zwischen Seneca und ihrer Cousine hatte er im Grunde nichts zu tun. Nur konnte er schlecht dabei zusehen, wie ein Familienmitglied das Leben eines anderen zu ruinieren drohte. Er hatte keine Ahnung, was Axilla konkret im Schilde führte und war nicht sicher, wie weit sie gehen würde, oder ob sie überhaupt etwas gegen die Decima unternehmen würde, die inzwischen ganz offiziell die Ehefrau seines Bruders im Geiste war. Vielleicht hatte er Glück und ihr Ärger war zumindest teilweise verraucht. Damit rechnete er definitiv nicht, aber hoffen konnte man es ja.
    Und er wusste nicht einmal, was er hier eigentlich vorhatte. Vermitteln ... irgendwie - zwischen zwei Parteien, von denen keine Nachgeben wollte und gleichzeitig jede sagte, sie wolle gar keinen Streit, sondern nur das Gegenüber. Aber gut, er würde einfach sein bestes versuchen. Was auch immer dabei rauskam, würde die Situation vermutlich nicht schlimmer machen, als sie es ohnehin schon war.
    Ursprünglich hatte er heute wegen Sibel der Domus einen Besuch abgestattet, aber wenn er schon einmal hier war und sich eventuell die Möglichkeit für ein Gespräch unter vier Augen bot, würde er diese nutzen. Leise seufzend klopfte er an der Tür zu ihrem Officium und so wie er auch hoffte, dass sie ihm nicht den Kopf dafür wusch, dass er Seneca und der Decima vertraute, hoffte er auch darauf, dass er sie in ihrem Arbeitszimmer antreffen würde.

  • Axilla saß auch im Inneren ihres Officiums. Sie hatte Antwort von dem Optio aus Mantua erhalten und gerade eine Antwort fertig gestellt. Diesen Brief würde sie allerdings einem Boten übergeben und nicht dem Cursus Publicus. Nicht, weil letzterer unzuverlässig war. Aber immerhin beinhaltete die Antwort auch einen nicht unerheblichen Wechsel über mehr als eintausend Sesterzen beinhaltete. Plus zusätzliche Wechselgebühr, die der Geldwechsler einbehalten würde, verstand sich. Da wollte Axilla nicht das Risiko eingehen, dass der Wechsel auf dem Weg verschwand, und sie wollte ihm auch keinem unbekannten in die Hand drücken und einfach darauf vertrauen, dass beim Cursus Publicus nur ehrbare Leute beschäftigt wären. Lieber wollte sie jemanden, bei dem sie wussten, wo dessen Kinder wohnten, so dass derjenige einen sehr guten Grund hatte, nicht einfach zu verschwinden.


    Kurz wunderte sich Axilla schon, als es auf einmal klopfte. “Ja? fragte Axilla unsicher, und als die Tür sich schließlich öffnete, war sie nicht minder überrascht, dass es offensichtlich Avianus war. (Noch mehr hätte es Axilla wohl nur verwundert, wenn Begoas endlich gelernt hätte, erst anzuklopfen und dann reinzukommen.)
    “Ah, Aulus, du bist es. Was gibt’s?“ fragte sie freundlich und versuchte nebenbei, noch ein wenig Ordnung in die verrutschenden Wachstäfelchen auf ihrem Schreibtisch zu bekommen.

  • Es dauerte gar nicht lange, da antwortete seine Cousine aus dem Inneren ihres Arbeitszimmers, und Avianus trat ein.
    "Axilla …", sagte er mit einem freundlichen Lächeln, solange er noch konnte, "Ich störe doch nicht …?" Da sie aber bereits dabei war, ihren Schreibtisch zu ordnen, war er einfach so frei, näher zu treten und sich einen freien Platz zu suchen. Dass seine Cousine ihn offenbar nicht erwartet hatte, verwunderte ihn dabei nicht im Geringsten. In letzter Zeit hatte er praktisch nur Augen für Sibel und sich selbst gehabt und es tat ihm nun sogar leid, Axilla nicht ein einziges Mal gefragt zu haben, wie es ihr zurzeit so ging. Doch selbst jetzt war er nicht deswegen hier sondern wegen Seneca und dessen Frau.
    "Dass Sibel ein Kind bekommt, war nicht die einzige wichtige Sache, die ich letztens mit dir besprechen wollte", begann er etwas ernster als zuvor, "Ich war bei Senecas und Seianas Hochzeit. Ich habe mit beiden gesprochen … über alles Mögliche. Und eben auch über dich." Lange um den heißen Brei herumzureden hätte wenig Sinn gemacht, also sprach er das Thema kurzerhand direkt an.
    "Ich frage mich seitdem, ob du deine Meinung inzwischen geändert hast, was die Ehe der beiden angeht. Und falls nicht ... ob wir wohl darüber reden können."

  • Kurz unterbrach Axilla ihre Tätigkeit, als Avianus meinte, er hätte neulich noch etwas anderes wichtiges besprechen wollen, was dann aber untergegangen war. Allerdings konnte sich Axilla kaum etwas vorstellen, das neben den Themen 'anstehende Hochzeit' und 'Schwangerschaft' noch hätte bestehen können. Als Avianus dann aber eben jenes Thema nannte, konnte man für einen kurzen Augenblick wohl die Enttäuschung in Axillas Gesicht ablesen. Er war also zu der sogenannten Hochzeit gegangen. Zwar hatte Axilla fast nichts anderes erwartet, aber dennoch versetzte es ihr natürlich einen Stich, dass sich auch ihr eigener Cousin gegen sie wendete, und das bei einer Sache, die eindeutiger gar nicht hätte sein können. Decima Seiana war eine Ehebrecherin. Das wurde noch nicht einmal mehr von der Gegenseite bestritten.
    Aber Axilla wollte sich nichts anmerken lassen, und Avianus aus Frust anzumaulen hätte wohl auch nur begrenzt Sinn gemacht. Nein, sie würde die Sache auf ihre Weise allein regeln, und damit hatte sich die Sache dann. Also nahm sie das Sortieren ihrer Täfelchen wieder auf und meinte nur recht trocken: “Eine persona infama kann keine gültige Ehe eingehen, wie du sehr wohl weißt.“ Und damit war von ihrer Seite aus eigentlich auch alles gesagt, was sie darüber dachte, dass Seneca es dennoch versucht hatte. Und ob sich ihre Meinung diesbezüglich geändert hatte.

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