Eine Römerin, (kein Grieche), und ein Germane

  • Nun waren sie endlich auf dem Weg zur Regia. Nikolaos, der Grieche, war wirklich sehr nett zu ihm gewesen, aber Ragin war froh jetzt endlich zu Dagmar zu kommen. Außerdem konnte er nun auch ein wenig befreiter mit Axilla reden, die ihren Gast wie angekündigt begleitete. Er führte Helios am Zügel und Amala lief neben ihm.


    "Nikolaos ist ein sehr netter Mann. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, aber was ist den ein Gymonosiarchos? Sowas wie ein Duumvir?"


    Mit den griechischen Ämtern kannte sich der gute Ragin nun überhaupt nicht aus und den kleinen Griechen hatte er nicht fragen wollen.

  • Die Wachstafeln musste Axilla in den Händen tragen. So eine Tasche, die die Frau von Welt immer mit sich rumtragen könnte, wo dann alles wichtige drin wäre, das wäre doch mal eine Erfindung! Nichts großes, nur halt, dass man die Hände frei hatte. So eine Art Hand-frei-Tasche, sozusagen. Nur leider gab es sowas ja nicht, und so musste Axilla eben den kleinen Stapel Wachstafeln von Nikolaos in ihren Händen tragen, während sie Rufus zur Regia brachte.


    “Ähm… also… puh, gute Frage…“ Da fragte er ausgerechnet sie nach der Alexandrinischen Ämterlaufbahn, wo Axilla davon doch ungefähr soviel Ahnung hatte wie eine Schildkröte vom Fliegen. Aber sie versuchte mal, ihr ganz gefährliches Halbwissen zusammenzufassen und weiterzugeben. Immerhin war sie Scriba des Gymnasiarchos, da sollte sie eigentlich schon wissen, was der so macht.
    “Also, eigentlich ist der Gymnasiarchos ein bisschen was anderes. Hier gibt es sozusagen keinen Duumvir. Das macht eher der Praefectus, wobei der ja viel höher steht, der ist ja quasi der Stellvertreter vom Imperator persönlich.
    Ähm, also… der Gymnasiarchos ist schon so ziemlich der höchste Beamte in Alexandria. Er ist für das Gymnasion zuständig. Die Griechen legen ja da immer sehr viel Wert auf Sport. Und da macht er dann auch die Ephebia. Das ist so ein Test, ob man als erwachsen gilt oder nicht. Also, für die Griechen, da müssen die einen Test machen, auch mit Sport, bevor die wählen dürfen. Und er ist da dann auch zuständig für die Tempel von Mercur und Hercules. Wobei die hier ja alle griechische Namen haben, ist ja auch eine griechische Stadt.
    Oh, und er trägt noch ein, wer die Proxenie hat. Also, das ist für Römer, dann gelten die vor dem Gesetz als Alexandriner, weil Alexandria darf sich ja selbst verwalten und hat eigene Gesetze, obwohl es ja eigentlich zu Rom gehört…“

    Bei den Göttern, wenn man es sich so anhörte, war das Ganze ja noch viel verwirrender, als es in Axillas Kopf war. Sie überlegte, ob sie was wichtiges vergessen hatte und kaute dabei auf ihrer Unterlippe herum. Aber eigentlich war das so ziemlich alles, was sie wusste.
    “Und ja, Nikolaos kann richtig nett sein. Doch. Aber…“
    Nein, das sollte sie nicht sagen. Zum einen war Nikolaos ihr Chef, und zum anderen wollte sie Rufus ja nicht gleich verschrecken, indem sie ihn auf die Probleme zwischen Römern und Griechen so hinwies. Also Themenwechsel.
    “Und deine gens hat ein Gestüt? So ein richtiges, mit ganz vielen Pferden und allem, wo ihr auch selber zureitet und sowas?“
    Ihr Vater hatte nur zwei Pferde besessen, und sie hatten noch zwei Esel und ein Maultier gehabt. Aber das war es gewesen mit ihren Reittieren zuhause in Tarraco. Und das war auch schon so ewig lange her, dass es Axilla fast wie ein Traum aus einer anderen Zeit vorkam, als wäre das nie echt gewesen.

  • Ragins Kopf begann zu schwirren und er runzelte die Stirn. Ein Lehrer und Sportler war in Alexandria das höchste Amt? Was waren denn das für komische Sitten? Außerdem hatte er kleine Grieche gar nicht wie ein Athlet ausgesehen. Und dann war er auch noch der Priester dieser römischen Götter, die hier griechische Namen trugen? Irgendwie schien die Hitze den Menschen hier nicht gut zu tun... Er schüttelte ein wenig den Kopf. Das würde er sich nochmal aufschreiben müssen, denn so würde er es sich auf gar keinen Fall merken können.


    Der Themawechsel von Axilla kam ihm da gerade recht. "Ja, wir haben ein Gestüt mit drei Ställen. Einer für die Zuchttiere, einen für unsere Reittiere und einen für die Stuten samt Fohlen. Also als ich weg bin hatten wir ungefähr drei Dutzend erwachsene Pferde und drei Fohlen. Natürlich haben wir auch eine große Weide und eine Koppel wo sie ausgebildet und zugeritten werden. Meistens machen das unsere drei Stallburschen Pepino, Leif und Thorgall. Aber ich habe auch eine Weile dort gearbeitet. Der gute Helios hier", er strich dem Hengst über den Hals "ist auch aus unserer Zucht. Ich hoffe nur in der Regia gibt es einen guten Stall."


    So richtig konnte er sich die Regia noch nicht vorstellen, schließlich kannte er bisher nur die aus Mogontiacum.

  • Axilla ließ ihren Blick über das Pferd schweifen. Sie nahm ihre Wachstafeln so, dass sie eine Hand frei hatte, und fuhr dem Tier über das weiche Maul. Es hatte auf der Nase ganz leichte Stoppeln, die lustig kitzelten, und ganz sanfte Nüstern. Bestimmt war es ein liebes Tier. Weich im Maul, weich in der Seele, hatte ihr Vater mal gesagt. Auch wenn der keine Pferde gezüchtet hatte, sondern ihr nur beigebracht hatte, auf ihnen zu reiten.
    “Er ist wunderschön.“ Axilla merkte, wie verträumt sie wohl geklungen haben mochte, und nahm ganz ertappt die Hand wieder runter und konzentrierte sich mehr auf die Straße. Hilfe, heute war sie aber mal wieder peinlich.
    “Achja, die Regia. Also, die hat ganz bestimmt einen guten Stall. Ich meine, der Präfectus wird wohl auch ein Pferd haben. Und da sind ja auch ein paar Soldaten stationiert, die Pferde haben. Und wenn du ihn wirklich nirgends unterstellen kannst, dann… öhm… also, weißt du, mein Cousin Iunius Silanus ist jetzt nach Rom versetzt worden, und wir haben einen wirklich kleinen Stall bei uns am domus, wenn er von Nikopolis mit seinem Pferd gekommen ist, damit das unterstehen kann. Also, die Regia hat zwar ganz bestimmt einen Stall, wo man sich auch bestimmt ganz toll um Helios kümmern kann. Aber… du weißt schon… also… nur für den Fall… öhm…
    Hast du deinem Pferd den Namen wegen dem hellen Fell gegeben?“

    Kleiner Themenwechsel, aber entscheidend, bevor es noch ganz peinlich wurde. Heute hatte Axilla aber auch einen ungebührlich spendablen Tag, wenn man es so sah. Urgulania würde ihr noch den Kopf abreißen. Immerhin kannte sie Rufus eigentlich gar nicht.

  • "Das kann gut sein. Ich bin nicht sein erster Besitzer, und er hatte den Namen schon. Aber er ist ein sehr treues und sanftmütiges Pferd. Ich könnte mir kein besseres wünschen." Ragin freute sich, dass Helios ihr so gut gefiel. Und die Nachricht mit der Regia war auch eine gute. "Das ist wirklich sehr nett von dir. Ich weis gar nicht womit ich so viel Freundlichkeit verdient habe." Ein wenig verlegen kratzte er sich am Kopf. "Also wenn die dort wirklich keinen Stall haben, dann würde ich dein Angebot gerne annehmen. Und ob sie einen haben oder nicht, bin ich dir auf jeden Fall sehr dankbar." Dann kam ihm eine Idee. "Was hältst du davon, einfach aufzusteigen und ich führe dich dann? Du kannst mir gerne deine Wachstafeln geben, die trage ich dann. Du brauchst keine Angst zu haben Helios ist ganz zahm und sanft." Sie schien Pferde zu mögen, aber kein eigenes zu haben. So konnte er ihr vielleicht eine Freude machen und sich so für ihre Hilfsbereitschaft revanchieren.

  • Ohje, jetzt wurde Axilla aber ganz verlegen. Wenn sie die Wärmeentwicklung auf ihren Wangen richtig deutete, wurde sie sogar ganz leicht rot! Das war ja furchtbar! Ganz verlegen und für sie ungewöhnlich perplex schaute sie weg, auf die Häuser am Straßenrand, und suchte nach Worten. Da hatte Rufus sie jetzt wirklich eiskalt erwischt. Was sollte sie ihm jetzt sagen, dass er keinen falschen Eindruck von ihr hatte?
    “Ähm, also, ich glaub nicht, dass das so gut wäre. Also, hier in Basileia reiten. Wußtest du, dass es in Rom tagsüber sogar verboten ist, zu reiten?“
    Am liebsten hätte sie sich nach diesem Satz mit der Hand auf die Stirn geklatscht. Aber das ging nicht, da waren ja noch die Wachstafeln. Zum Glück, sonst hätte sie es vielleicht wirklich gemacht.
    Aber sie konnte ihm ja jetzt unmöglich sagen, dass sie nicht nur keine Angst vor Pferden hatte, nein, sondern dass sie richtig reiten konnte. Sogar völlig ohne Sattel und zur Not auch ohne Zügel, wenn das Pferd brav war. Sowas machte ein anständiges römisches Mädchen nicht. Wo doch noch nichtmal alle römischen Männer reiten konnten! Da war das doch vollkommen unangebracht. Warum erklärte sie ihm nicht auch gleich noch die Schlachtordnung der Schlacht bei Gaugamela von Alexander dem Großen, wie sie es bei Marcus Achilleos beinahe getan hatte, als der bei Urgulania zum Essen war? Oder noch besser, warum fragte sie ihn nicht gleich, ob er nicht mit ihr ein bisschen mit dem Gladius üben wollte, immerhin war sie da ziemlich aus der Übung, seit ihr Vater tot war und sie damit keinen Lehrer mehr hatte? Nein, das war ganz ausgeschlossen, sowas band man doch einem Römer nicht so auf die Nase? Was würde der von ihr denken?

  • "Reiten kann man das ja nicht nennen. Eher führen. Aber wenn dir das unangenehm ist, kann ich dir nur anbieten dass wir uns mal woanders treffen und du dort mal auf Helios reiten darfst. Ich pass auch auf, dass dir da nichts passiert. Ich würde mich gerne für deine Hilfe erkenntlich zeigen."


    Auf die Idee, dass es unangebracht für eine Römerin war zu reiten kam er nicht. Alle Frauen in seiner Familie ritten, aber sie waren ja auch Germanen und nur dem Namen nach Römer. Eigentlich hatte er sie noch etwas fragen wollen, aber so richtig traute er sich noch nicht. Nun ja, aber irgendwann musste er es tun und je weiter sie noch von der Regia weg waren, desto besser.


    "Es ist mir jetzt ja ein wenig unangenehm...aber...ich...", stammelte er "darf ich dich vielleicht noch um einen kleinen Gefallen bitten? Also ich weis das das jetzt ein wenig unverschämt ist...aber...aber ich kenne ja nur dich... und den Griechen...also den wollte ich nicht fragen." Wie sollte er das jetzt nur sagen?

  • Er wollte sich für ihre Hilfe erkenntlich zeigen, indem er dafür sorgte, dass alle Nachbarn sich das Maul über sie zerreißen würden? Oder war ihr Wunsch und ihre Sehnsucht so zu sehen gewesen? Bestimmt sogar, ganz bestimmt war das ihre Schuld. Sie sollte sich besser unter Kontrolle halten. Bestimmt hatte Rufus nur ihrer Stimmlage entnommen, dass sie gerne reiten würde, und es ihr deshalb überhaupt erst angeboten. Sie sollte da wirklich mehr aufpassen, was sie sagte.
    Seine Einladung aber nahm sie doch freudig auf, wenn sie ehrlich war. Sie wünschte es sich ja aber auch wirklich, mal wieder etwas zu tun, was einfach Spaß machte, ohne dafür einen Rüffel zu kassieren. Und Reiten machte ihr nun mal Spaß. Genauso wie Klettern. Warum nur war alles, was Spaß machte, immer nichts für Mädchen? Aber so einfach annehmen durfte sie die Einladung ja auch nicht, oder doch?
    “Vielleicht außerhalb der Stadt dann… also, wenn ich darf. Also, ich bin zwar sui iuris, aber… du kennst das ja…“ Hoffte sie zumindest.


    Dass er danach aber auch anfing, rumzustottern, verunsicherte sie dann doch noch etwas mehr. Er druckste herum, als hätte er vor, den Praefectus zu überfallen. Axilla bekam schon ein richtig ungutes Gefühl und malte sich schon aus, wozu er sie anstiften wollte. Aber andererseits wuchs im gleichen Maße auch ihre Neugier. Das klang ja auch schon geheimnisvoll. Und Axilla war schon immer mit einem herrlichen Maß an Unvernunft gesegnet gewesen.
    “Was denn für einen Gefallen?“ fragte sie also neugierig und sah Rufus schon ganz gespannt an.

  • Was hatte denn sui iuris mit dem Reiten zu tun? Irgendwie hatte er langsam das Gefühl, dass er nicht ganz so römisch war, oder besser gesagt doch nicht so viel über die Römer wusste, wie er gedant hatte. Aber er hatte jetzt auch gar nicht den Kopf dafür sich darüber Gedanken zu machen. Zu wichtig waren seine nächsten Worte. Also blieb er stehen und schaute sie an


    "Also vorhin als sie mich durchsucht haben...also da hast du ja gesagt ich sei dein Gast...und dann wollte ich nicht, dass du schlecht dastehst...und sie haben mich ja auch gar nicht danach gefragt...also habe ich nichts gesagt...weil ich wollte ja auch nicht, dass es weg ist, weil es viel wert ist. Aber ich denke wenn ich in die Regia komme, werden sie mich gründlicher durchsuchen. Also da hab ich gedacht, weil du so nett bist...und ich dir vertraue...also ob du..."


    Irgendwie hatte er jetzt den Faden verloren, und schaute ein wenig unsicher zu Boden, aber sie musste ja verstanden haben was er wollte.

  • Das verunsicherte Axilla jetzt doch. Vor allem, da sie keine Ahnung hatte, wovon er überhaupt sprach! Aber es war etwas verbotenes, und es war wertvoll, und die Wachen könnten deswegen Ärger machen! Ganz unsicher trat sie einen Schritt von Rufus zurück und sah ihn verunsichert an. Sie war naiv, das wusste sie selbst, aber bisher hatte ihre Menschenkenntnis sie noch nie ganz im Stich gelassen. Wobei, wenn sie so drüber nachdachte… Marcus Achilleos war vielleicht doch nicht so ganz nett, denn sonst hätte sie ihn ja auch nicht anschreien müssen. Und das mit Timos war auch sehr grenzwertig gewesen. Nicht, als sie mit ihm geschlafen hatte, eher, dass sie überhaupt erst mit ihm mitgegangen war. Aber woher sollte sie denn wissen, dass er sie abfüllte, unter Drogen setzte und mitnahm? Auch wenn dieser Gedanke etwas ungerecht und selbstsüchtig gedacht war.
    “Äääääähm…“
    Was sagte sie jetzt am besten? Wo war Urgulania, wenn man sie brauchte? Ihre Cousine wusste immer, was man sagen musste, und stotterte nie herum. Im Gegensatz zu Axilla, die versuchte, irgendwelche Worte zu finden, die dazu passen könnten.
    “Also, ich bin für dich verantwortlich! Also, ich meine, wenn die Wachen… also, dann krieg ich Ärger! Ich meine…“
    Ja, was eigentlich? Axilla hatte ja nicht einmal eine Ahnung, wovon sie hier sprachen! Wenn er vorhatte, den Präfekten zu erdolchen, würde sie sicher nicht mitmachen. Wenn er nur geschwindelt hatte mit seinem Namen, wär sie zwar böse auf ihn, aber das war verschmerzbar. Aber sie hatte ja keine Ahnung, wovon sie hier überhaupt redeten!
    “Wovon reden wir eigentlich?“

  • Offenbar schien er sie ein wenig erschreckt zu haben. Aber das lag vielleicht auch daran, dass sie offenbar nicht verstanden hatte, was er gerade hatte sagen wollen. Also versuchte er es einfach mal ganz von vorne.


    "Ähm also in Ordnung. Also ich bin ja ganz alleine aufgebrochen und weil das natürlich gefährlich ist und ich mich nicht nur auf Amala verlassen wollte, habe ich ein Sax mitgenommen. Nun, wie du weisst ist ein Sax natürlich sehr viel wert und ich möchte nicht, dass es bei den Legionären einfach verschwindet und ich wollte ja wie gesagt nicht dass du schlecht dastehst, weil du mich ja als deinen Gast ausgegeben hast. Aber in der Regia werde ich sicher noch besser durchsucht, und wenn sie es finden, denken sie vielleicht ich würde jemandem was tun wollen und du würdest dann vielleicht Ärger bekommen. Und da du ja nicht durchsucht wirst, wollte ich fragen ob du so nett wärst es mit zu dir nach Hause zu nehmen und dort für mich aufzubewahren. Also ich werde es ja sicher nicht so schnell brauchen und ich kann ja dann meine Cousine fragen was ich damit tun soll."


    Er scharrte ein wenig verlegen mit seinen Füßen, die er auch sehr genau mit seinen Augen fixierte.

  • Also, eigentlich hatte Axilla keine Ahnung, wie wertvoll ein Sax war. Sie überlegte sogar, was ein Sax denn war. Das Wort hatte sie schon irgendwo mal gehört, oder vielleicht auch gelesen, aber der Zusammenhang fehlte irgendwie, um ihr eine genaue Vorstellung zu geben. Aber je länger sie sienen Worten folgte, umso klarer war ihr, dass es sich um irgendeine Waffe handeln musste.
    Sie sollte es ablehnen. Axilla wusste, dass sie das ablehnen sollte. Wenn sie für einen Wildfremden Mann eine Waffe versteckte, das konnte doch nur Ärger geben! Und was für einen! Und er lief auch noch in Basileia damit rum! Ganz gewaltiger Ärger, aber riesig gewaltiger Ärger war das ganz sicher. Aber auf der anderen Seite konnte Axilla ihn irgendwie verstehen. Sie hatte das gladius und die Rüstung ihres Vaters damals ja auch in ihren unzähligen Truhen quasi hereingeschmuggelt, und sie hätte das sich auch nicht abnehmen lassen wollen, aus Angst, es könnte verloren gehen. Daher verstand sie das, zumindest genug, um nicht gleich abzulehnen.
    Sie rang kurz mit ihren Händen und überlegte, was sie machen sollte. Sie wollte Rufus ja auch nicht so stehen lassen. Dass er es ihr gestanden hatte, war ja auch ein Zeichen von Ehrlichkeit. Und dass er ihr so vertraute, ehrte sie ja auch. Wenn sie sich vorstellte, das Schwert ihres Vaters jemandem zu geben… nein, da vertraute sie gar niemandem auch nur ansatzweise genug. Aber vielleicht war dieses Sax, was immer das auch genau war, auch nicht ganz so wertvoll wie für sie dieses Schwert.
    “Ähm, also, weißt du, sowas darf ich eigentlich nicht. Also, ich meine, weißt du, da könnte ich ärger kriegen, weil du ja nicht zur Familie gehörst. Ich glaub, die Iunier haben bisher keine Verbindung mit den Ducciern, oder? Also, ich meine, das könnte ja Ärger geben oder falsch verstanden werden, wenn ich von dir was aufbewahre, oder?“
    Sie sah seine Gestalt, wie er dastand und seine Füße anschaute, und dann konnte sie einfach nicht so sein. Er war doch ihr Gast! Und außerdem mochte sie ihn ja eigentlich gern, sofern man das nach einer Stunde sagen konnte. Und sie wollte ja auch mit ihm noch den Ausflug mit dem Reiten machen. Und überhaupt…
    Sie trat einen Schritt näher an ihn. Dann noch einen. Schließlich noch einen dritten, dass sie so dicht vor ihm stand, dass er ihre Füße auch sehen musste, wie er so nach unten schaute. Sie versuchte, in seine Augen zu schauen, und beinahe fielen ihr bei dem Versuch die vermaledeiten Wachstafeln runter.
    “Ich werd’s machen. Ich werd’s in die Truhe mit den Sachen meines Vaters tun, da ist es sicher.“ Wenn es da reinpasste. Sie hatte ja keine Ahnung, wie groß so ein Sax war. Aber zu groß konnte es nicht sein, sonst hätten die wachen es gefunden.
    “Aber nur, wenn wir Freunde sind.“
    Hatte sie das jetzt wirklich gesagt? Verdammt! Ja, hatte sie. Jetzt schuate sie auch ganz verlegen zu Boden. Aber Axilla wünschte sich so sehr einen Freund, und Rufus war der einzige Mensch in ihrem Alter, der wenigstens ein paar Interessen mit ihr gemeinsam hatte.

  • Ragin fiel ein Stein vom Herzen. Das Sax in Sicherheit zu wissen bedeutete ihm viel und gerne ging er auf Axillas Angebot ein. "Es wäre mir eine Ehre, jemanden wie dich einen Freund nennen zu dürfen.", erwiederte er beinahe feierlich und ein wenig gerührt.


    Sie wollte das Sax in die Truhe ihres Vaters räumen? Also wenn es da nicht gefunden werden sollte, dann war der Vater entweder weiter weg oder tot. Sie hatte ja gesagt, dass sie aus Tarraco kam, also warum sollte sie dann hier eine Truhe mit Sachen ihres Vaters haben. Und da sie auch noch sui iuris war, tippte Ragin eher auf letzteres. Die Arme, sofort hatte sie sein Mittleid, denn Ragin wusste nur zu gut was es hieß nahe Verwandte zu verlieren, schließlich hatte er alle verloren-Vater, Mutter und zuletzt seinen Bruder.


    "Es tut mir leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe.", stammelte er daher nur.


    Anschließend schaute er sich kurz um, ob sie auch niemand sah und zog dann sein Sax aus dem Gebäck. Vorhin als er bei Nikolaos schnell seine frische Kleidung geholt hatte, hatte er es so platziert dass er schnell herankam. So hielt er nun das Sax in den Händen, allerdings sah man nicht viel von dem germanischen Schwert, denn es war wegen der Überfahrt in wachsüberzogenes und zugeschnürtes Leder geschlagen, damit die Klinge von dem Wasser und dem Salz keinen Schaden nahm. So überreichte er das Paket dann auch an Axilla.

  • Sie hatte einen Freund! Es war zwar noch alles ein wenig arg seltsam, aber Axilla wollte da mal nicht so kleinlich sein. Allerdings hatte sie schon ein etwas merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und wusste eigentlich gar nicht so recht, was sie jetzt sagen oder tun sollte. Und Rufus’ etwas bedrückt klingende Entschuldigung machte sie zusätzlich noch ein wenig verlegen.
    Allerdings kramte der Germane gleich in seinen Sachen auf dem Pferd und holte ein längliches, in Wachs eingeschlagenes etwas hervor, in etwa von der Länge eines Gladius, vielleicht ein bisschen länger. Auf jeden Fall klein genug, um in die Truhe zu passen. Als er es ihr dann aber so hinhielt und ihr beinahe schon feierlich übergeben wollte, musste Axilla doch etwas dumm dreinschauen. Sie sah auf die Wachstafeln in ihren Händen, die sie ja auch nicht einfach fallen lassen konnte. Wie machte sie das jetzt?
    “Ääähm…“
    Sie stapelte die Wachstafeln eben in ihren Händen etwas stabiler, so dass sie diese in den Händen halten konnte, und streckte dann die Arme so vor, dass er ihr das eingewickelte Sax dahinter auf die Unterarme legen konnte. So konnte sie es dann am Ellbogen einklemmen, und nichts würde runterfallen. War ja auch nicht so weit, bis zu ihrem Haus. Dass er es ihr auch erst da dann hätte geben können, soweit dachte Axilla natürlich nicht.

  • Manchmal war Ragin auch ein Trampel und das wurde ihm in diesem Moment bewusst. "Wo habe ich nur meinen Kopf. Sollen wir erst noch schneii bei dir vorbeigehen? Dann kannst du dort die Wachstafeln ablegen und das Sax schonmal wegpacken und musst das nicht den ganzen Weg über tragen." Schnell steckte er das Sax wieder in sein Gepäck. "Ist es weit bis zu eurem Haus? Darf ich dir die Wachstafeln abnehmen? Sonst bekomme ich jetzt noch endgültig ein schlechtes Gewissen und muss mich wegen meiner schlechten Manieren schämen.", meinte er ein wenig geknickt und lächelte dabei schüchtern. Wahrscheinlich hätte Albin ihm für so viel Dummheit die Ohren lang gezogen.

  • “Achwo, das geht schon mit den Tafeln.“
    Sie konnte ihn doch nicht ihre Wachstafeln tragen lassen. Die waren ja nichtmal schwer, die waren nur doof zum Rumtragen, weil sie die Eigenart hatten, sich selbständig machen zu wollen. Aber das ging schon mit dem Tragen, und Axilla war ja kein Schwächling. Außerdem war das ja ihre Arbeit, das musste sie schon allein hinbekommen. Da ging es sozusagen um den Stolz!
    Sie behielt also ihre Tafeln, die sie jetzt aber wieder bequemer nehmen konnte und gegen ihre Brust fallen lassen konnte beim Tragen. So ging das wirklich um einiges einfacher, als wenn sie versuchte, das Ganze irgendwie auszubalancieren. Sie sah sich kurz um, als müsse sie sich ernsthaft orientieren.
    “Nein, ist nicht weit. Da drüben das Haus. Also, das da mit der Tür, die so ein bisschen versteckt ausschaut. Das ist das Domus Iunia.“
    Wenn man seine Hände nicht frei hatte zum zeigen, sondern nur mit der Nase in die Richtung nicken konnte, war das Erklären gar nicht so einfach, merkte Axilla. Aber sie hoffte, er hatte dasselbe Haus nun im Blick wie sie. Und wenn nicht, würden sie da ja jetzt hingehen. Dann konnte sie Leander auch die Wachstafeln erstmal in die Hand drücken und sie nachher wieder holen, bevor sie zum Gymnasion ging. Vielleicht konnte sie ihm auch aufs Auge drücken, den ein oder anderen Brief schon mal zu schreiben.

  • Schade, er hätte sich gerne ein wenig erkenntlich gezeigt, aber wenn sie nicht wollte, würde er sie sicherlich nicht dazu zwingen. Zuerst wusste er nicht, welches Haus sie meinte, allerdings war die Auswahl ja nicht allzu groß, so dass er das richtige Haus schnell nach dem Ausschlussverfahren ermitteln konnte. Es war groß und es war römisch, soviel konnte Ragin mit seinen beschränkten Architekturkenntissen noch erkennen. Und es sah aus, als hätten die Bewohner Geld.


    "Ein schönes Haus. Ich warte besser hier draußen, damit du wegen mir nicht noch mehr Schwierigkeiten bekommst. Soll ich dir das Sax jetzt geben oder willst du erst die Wachstafeln reinbringen?"

  • “Jetzt sei nicht albern, bis zur Haustüre kannst du doch mitkommen. Oder hast du etwa Angst vor unserem Ianitor?“
    Allein die Vorstellung, jemand könnte vor irgendeinem ihrer Sklaven Angst haben, war amüsant. Nungut, bei Psammitychus vielleicht, aber der war auch riesig und dem sah man seine Kraft auch an. Aber ansonsten hatten sie fast nur ältere Sklaven, die nicht besonders gefährlich wirkten, selbst wenn sie es versuchen würden.


    Also begleitete Rufus sie zur Haustüre, wo Axilla schnell anklopfte. Wie sehr häufig in letzter Zeit machte der alte Leucos dieselbige auf, dem Axilla auch sofort und ohne lang zu zögern die Wachstafeln in die Ahnd drückte.
    “Gib die doch bitte Leander und sag ihm, ich hol sie gleich wieder ab, er soll sie bitte ins tablinum legen. Ich bin nur kurz in meinem Zimmer. Das da ist übrigens Duccius Rufus.“
    Und schon wäre Axilla beinahe an dem völlig überrumpelten griechischen Sklaven vorbeigelaufen, wäre ihr nicht noch rechtzeitig eingefallen, dass sie das Sax ja vielleicht noch mitnehmen sollte. Sie ließ es sich von Rufus schnell geben und hetzte dann schnell an Leucos vorbei, der hinter seiner jungen Herrin nur etwas perplex hinterherschaute. Offenbar hatte der Mann in seinem Leben doch noch nicht alles erlebt und gesehen.


    Axilla hetzte durchs Haus die Treppe hoch zu ihrem Cubiculum und zu der Truhe mit den Sachen ihres Vaters. Wie immer öffnete sie behutsam den Deckel und schaute liebevoll auf den Brustpanzer und das in seiner Scheide steckende Gladius hinunter. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, es wie üblich herauszuholen, blank zu ziehen und die Lichtreflexe auf der Klinge einen Moment zu bewundern. Sie wollte Rufus ja nicht zu lange vor der Tür warten lassen. Also legte sie das Bündel mit dem Sax ganz vorsichtig oben auf, verschloss die Truhe wieder und hechtete auch schon wieder nach untem zum Eingang, wo Leucos noch immer mit den Wachstafeln in der Hand stand und sie ein wenig sprachlos anschaute.
    “Alles in Ordnung, Leucos?“
    “Gewiss, domina, gewiss. Ich gebe die tafeln dann mal an Leander.”
    Axilla strahlte den alten Griechen kurz an und gesellte sich dann auch schon zu Rufus. Darüber, was Leucos denken mochte, dachte sie gar nicht erst nach. Sie freute sich über die gerade wiedererlangte Armfreiheit und schnwang, wie um es zu feiern, leicht mit den Armen, als sie sich schnell wieder zu Rufus gesellte, damit sie weitergehen konnten.
    “Ich hoffe, ich hab dich nicht zulang warten lassen? Bis zur Regia ist es auch nicht mehr weit. Nur da vorne nach rechts und dann die Strasse ganz runter.“

  • Kaum war sie im Haus verschwunden, war sie auch schon wieder da. Die Zeit hatte gerade mal gereicht dem verdutzten Sklaven einmal freundlich zuzunicken.


    "Nein nein, es war wirklich sehr schnell. Danke, ich bin dir wirklich etwas schuldig. Ziere dich bitte nicht einen Gefallen von mir einzufordern, wenn du einmal meine Hilfe benötigen könntest."


    Er war der jungen Iunierin wirklich dankbar und das konnte sie ruhig wissen.


    "Ihr habt ein schönes und großes Haus. Wie war das, du lebst dort mit deinem Cousin? Ich wohne in Mogontiacum nämlich auch bei meinen Cousins und Cousinen."

  • Sie setzten also ihren Weg in Richtung Regia fort, und Axilla verfiel ihn leichte schlendern und wiegte ihren Körper dabei unbewußt ein wenig hin und her. Aber sie hatte schon so ewig keinen neuen Freund mehr gehabt, und es war auch grade ein schöner Tag und sie hatte die Arme frei, da dachte sie sich nichts dabei, wenn ihr Körper etwas beschwingter war und nicht so steif und förmlich, wie es eigentlich sein sollte.
    “Danke. Aber nein, mein Cousin wohnt nicht mehr hier. Er ist vor ein paar Wochen abgereist, nach Rom. Er wollte zu den Prätorianern und hat sich daher versetzen lassen.“
    Hatte sie das vorhin nicht schon Nikolaos erzählt? Vielleicht auch nicht, sie erzählte das in letzter Zeit so oft, da vergaß sie schon mal, wer das nun schon wusste und wer noch nicht. Aber sie erzählte es auch gerne derselben Person mehrfach, sie konnte es sich ja ohnehin nicht merken, und konnte daher auch keinem böse sein, wenn er sie noch mal fragte.
    “Jetzt wohnen nur noch ich und meine Cousine Iunia Urgulania hier. Sie ist Exegetes, kannst du dir das vorstellen? Obwohl sie eine Frau und eine Römerin ist, haben sie sie gewählt. Die letzte Amtszeit war sie schon Eutheniarche, aber jetzt sogar Exegetes… also, ich finde das richtig toll.“
    Als sie so von ihrer Cousine schwärmte, vergaß sie vollkommen, dass Rufus ja nichts von den einzelnen Ämtern wusste. Also erklärte sie dann gleich ziemlich verlegen, als sie ihm ins Gesicht schaute und ihren fehler bemerkte.
    “Ähm, also der Eutheniarchos ist für die Kornspeicher verantwortlich und dass genügend Getreide nach Ostia verschifft wird. Und der Exegetes ist ein höheres Amt, da kümmert sich Urgulania nun um die Tempel der Stadt und das Grab von Alexander, und um die religiösen Feste und all sowas.“

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