Ja, grausig war es da im hohen Norden, keine Frage, und ich bedauerte alle, die es dort länger aushalten mussten.
Obgleich mich eine entspannte Stimmung erfasst hatte, und auch Celeste nicht mehr ganz so fluchtbereit erschien, fühlte ich mich irgendwie... beobachtet. Sehr genau beobachtet von meiner reizenden Begleitung. Wie - ‘keine kleine’? Ich machte ein verdutztes Gesicht, lachte dann amüsiert auf, so dass der Wein in meinem Glas ins Zittern geriet und kleine Wellen über den schimmernden Weinspiegel liefen, gegen gläserne Gestade anrollten.
”Reizvoll und wild...”, wiederholte ich gedankenvoll die Worte Celestes, wobei ich ihr über den Rand meines Glases einen tiefen Blick zuwarf. Silio wäre stolz auf mich gewesen, und auf eine gewisse Weise war es schon spassig, dieses Spiel. Aber einfach war es nicht - wirklich interessant, das fiel in die selbe analytische Kategorie wie beflissen, zugleich jedoch kicherte sie völlig un-analytisch... - ich meine, wie in aller Welt soll man so was verstehen?
Ob eine Frau auf der Hut sein müsste? Ich beugte mich ein wenig vor, blitzte Celeste feurig an, sog mit bebenden Nasenflügeln leidenschaftlich die Luft ein, legte all die Glut, die man den Bravos von Tarraco nachsagte in meine Augen und ein markiges Tremolo in meine Stimme - und so sprach ich, sie wild mit den Augen verschlingend, als die pure Persiflage des heißblütigen Südländers nur ein einziges, bedeutungsvolles Wort:
”Gewiss.” (Gewissss.)
Dann musste ich selbst lachen. Nein, prusten, das traf es besser. Ich trank schnell noch einen Schluck, um mich wieder zu fangen, und stimmte Celeste mit einem energischen Kopfnicken bei ihrem Urteil über die Poesie zu. Jetzt fühlte ich mich bemüßigt etwas vorzutragen, und Aufmerksamkeit heischend hob ich den Finger, und begann, beinahe so feurig wie eben:
”In jener finstren Nacht, Dein Kuss! - Er wärmt
Noch immer, keltert edelsüsse Bilder,
Vielleicht im Abgang ausgereift und milder,
Ins Mondlicht, das durch stille Strassen schwärmt...”
Genussvoll nahm ich einen weiteren Schluck, kostete liebevoll das besungene Aroma, und fuhr, erst mit einem unterdrückten Grinsen, dann selbst im Bann der Worte, seelenvoll fort:
”Nur purpurpralle Beeren, handverlesen,
Umhaucht von Frucht, die Lippen, die sich weich
Mit meinen treffen, hier im Schankhaus - so reich
Verwebt sich kühle Frische, klares Wesen.
Ein Ranken, Kosen, Lösen - fein und pur
Rinnt Rebensaft, fließt, labt, es hallt wider
Im Raum, der sich zu dehnen scheint - ein Schwur
Trägt durch die Zeit der Reife - Reinheit! Sieh, der
Große Gott des Weins, er trinkt Natur:
So küss mich wieder, küss mich, schliess die Lider...”
Ach, wenn ich doch selbst auch so dichten könnte! Ich lehnte mich zurück, senkte das Glas und liess die Worte dieser Ode an den Wein langsam in mir verhallen.
”Aber mich würde es ja interessieren, nach welchen, ähm, Kriterien Du Deine Sammlung zusammenstellst, Celeste.”