[Probatio] Grundausbildung Caius Decimus Celsus

  • Endlich kam er ersehnte Befehl.


    Mit einem Schlag trafen die scuta und pila auf dem Boden auf.


    Es war Celsus` erste Übung in der Grundausbildung, die schon einiges von ihm abverlangte. Mit Mühe hielt er sich aufrecht. Aufrecht, das schien ihm wichtig.


    Er atmete einige Male tief und sah flüsternd zu seinem Nebenmann.


    "Du kennst dich hier schon aus, was kommt nun, Pino?"

  • Der Nebenmann zuckte mit den Schultern. "Immer dasselbe und doch jeden Tag was anderes", antwortete er.


    Und damit hatte er völlig recht, denn Priscus variierte das Programm der Ausbildung von Tag zu Tag. Exerzieren, Schwertkampf und Pilumwurf waren das Standardprogramm, nach Bedarf und Lust kamen Schwimmen, Laufen oder Paradedrill hinzu und natürlich die regelmäßigen Übungsmärsche. Heute hatte er sich für den Schwertkampf entschieden.


    "Probatus Celsus, progredde! Schonmal gesehen, wie ein Legionär mit einem Schwert umgeht?"


    Er fragte erst gar nicht, ob er schonmal ein Schwert in der Hand hatte oder gar schon damit kämpfen konnte. Alle jungen Männer, die zur Legion kamen, würden das von sich behaupten. Und bei den wenigsten stimmte es.

  • Die Antwort seines Nebenmanns besagte nichts und doch alles.


    Und auf die Frage des optio gab Celsus ohne zu zögern wahrheitsgemäß zu.


    "Wie ein Legionär mit einem Schwert umgeht habe ich noch nicht gesehen, optio."


    Weitere Erklärungen ersparte er sich; nach denen wurde er nicht gefragt.

  • "Gut. Dann pass' jetzt auf", stellte der Optio fest und zog seinen Gladius. "Das ist ein Schwert. Vier Dinge sind für dich erstmal wichtig. Erstens: es hängt an der rechten Seite deines Körpers. Zweitens: du führst es mit der rechten Hand. Drittens: es ist einen Hieb- und Stichwaffe. Viertens: es ist dazu da, deinen Gegner zu töten. Soweit klar?"

  • "Sehr schön. Dann übst du jetzt gleich erstmal ohne das Scutum", antwortete der Optio und wandte sich wieder an die gesamte Gruppe.


    "Scuta et pila deponite! * Übungswaffen aufnehmen und an den Pfählen Aufstellung nehmen." Dabei deutete er auf eine Reihe von dicken Holzpfählen, die am Rande des Exerzierplatzes standen. Daneben standen ein paar flache Verschläge, in denen Weidenschilde und Holzschwerter gelagert wurde. Sie waren weniger gefährlich als die echten Waffen, dafür aber deutlich schwerer, um die Soldaten noch besser zu trainieren.


    Als alle Soldaten in Position waren, erteilte Priscus das Kommando zum Anfangen und wandte sich dann wieder an den Neuen, der noch gar nicht wusste, was er nun tun sollte. "Du fängst jetzt erstmal ganz klein an. Hier stehen, Ausfallschritt mit rechts auf den Pfahl zu und dabei mit der Schwertspitze den Pfahl treffen. Dann wieder zurück in die Grundstellung. Und dann von vorne." Er machte die Bewegung zweimal vor, dann trat er zur Seite. "Ausführen."


    * lat.: Schilde und Speere ablegen!

  • Celsus nahm sich seinen "Gegner" vor und fing an ihn zu bearbeiten, wobei er darauf achtete, die Stöße stets aus der Grundstellung zu führen und dann wieder in diese zurückzukehren.


    Im Gegensatz zu einigen der anderen, die die Pfähle eher liebkosten als sie zu bearbeiten, hing bald sein gladius fest. Er ruckelte ein paar Mal hin und her um es wieder frei zu bekommen. Das gelang auch, doch war der den Ruck, bei dem sich das Schwert löste, zu kräftig und der gladius glitt aus seiner Hand und sauste neben seinem Nebenmann in den Boden.


    "'Tschuldigung!" Celsus hob bedauernd die Schultern. "War keine Absicht!" Der Probatus winkte ab und fuhr dann mit seiner Übung fort.


    Celsus zog seinen gladius aus der Erde. Während er wieder auf den Holzpfahl losging, schielte er zum optio in der Hoffnung, daß dieser das kleine Intermezzo zwar gesehen hatte, es aber nicht sehen wollte.

  • Priscus hatte zunächst die ersten Übungen von Celsus beobachtet, bevor er von einem zum anderen Rekruten ging. Trotzdem bekam er das verlorene Schwert sofort mit und stand Augenblicke später direkt vor dem Rekruten.


    "Was war denn das? Schwert verloren? 10 Liegestütze!"

  • ... natürlich war dem optio Celsus` Mißgeschick mit dem gladius nicht entgangen. Wie hätte es auch! Zum Glück ließ es der optio dabei bewenden, es bei 10 Liegestütze zu belassen. Schuldbewußt begann der probatus.


    Während Celsus zu Boden fiel, federte er seinen Körper mit den Armen ab und begann, laut mitzählend, mit den Liegestützen.


    "Unus, duo, tres,"


    Er stemmte sich hoch und tippte kurz mit der Brust den Boden an ...


    "quattuor, quinque, sex,"


    ... gleichmäßig und ohne Hast pumpte er weiter ...


    "septem, octo, novem, decem."


    Celsus nahm Haltung an. "Befehl ausgeführt, optio."

  • "Beim nächsten Mal gibt's 20 Liegestützen. Und dann 40. Und jetzt zeig' mal, ob du nicht nur kräftig zustechen kannst, sondern auch gezielt."


    Der Optio ging einen Schritt zur Seite. "Grundstellung. Hier stechen." Mit seinem Optiostab zeigte er auf eine Stelle am Pfahl. Nachdem der Rekrut zugestochen hatte, wechselte er die angezeigte Stelle. "Hier." Stich und wieder Wechsel. "Hier." So ging das eine Weile weiter.

  • Celsus hatte keine Schwierigkeiten gehabt, den Holzpfahl zu treffen. Nun kam das Treffen auf ein Ziel.


    Die 10 Liegestütze hatten Celsus gutgetan. Er fühlte sich so richtig in Fahrt.


    Zielangabe, Grundstellung, Stich, daneben
    Zielangabe, Grundstellung, Stich, wieder daneben
    Zielangabe, Grundstellung, Stich und Treffer
    Zielangabe, Grundstellung, Stich und wieder ein Treffer ...


    Celsus sah nur noch die vom optio angezeigten Stellen auf dem Holzpfahl. Auf die Ziele konzentriert nahm er seine weitere Tätigkeiten schon nicht mehr wahr.


    Zielangabe, Grundstellung, Stich und Treffer.


    Der optio zeigte an und Celsus traf.

  • Als der Rekrut über eine längere Zeit eine zufriedenstellende Trefferquote erreichte, beendete der Optio seine Zielangabe. "Für den Anfang nicht schlecht. Aber im Kampf reicht das nicht. Du brauchst noch deinen Schild. Hol' dir mal einen von den Übungsschilden."


    Als der Rekrut mit einem der geflochtenen Weidenschilde zurück war, gab er wieder einige Erklärungen ab. "Den Schild hältst du mit der linken Hand. Im Kampf hältst du ihn so, dass die Oberkante deine Nasenspitze noch abdeckt. Dann sitzt die untere Kante vor deinem Schienbein. Du stehst in leichter Schrittstellung mit dem linken Fuß vorne, so dass die linke Schulter links oben im Schild liegt. Wie das in Formation aussieht, kommt später. Erstmal Grundstellung alleine. Du stichst dann über die obere Schildkante hinweg oder rechts dran vorbei oder auch mal unten drunter durch, wenn du dich duckst und den Schild etwas nach oben nimmst. Fragen?"

  • Der optio hatte die Übung mit gladius und scutum sehr gut und begreiflich erklärt; zumindest in der Theorie.


    "Keine Fragen, optio."


    Nun wartete Celsus ab, daß er optio die Übung so demonstrierte, wie sie in der Praxis auszusehen hatte.

  • Der Optio hatte allerdings nicht vor, es diesmal wieder vorzumachen.


    "Dann stell' dich mal so hin, wie ich es gerade erklärt habe", ordnete er stattdessen an und zog sich wieder auf den Platz seitlich des Pfahl zurück. "Und zeig' mal ein paar Stiche."

  • So blieb Celsus nichts anderes übrig, als mit einem nur für ihn sichtbaren Gegner zu kämpfen.


    >Also, der Kampf beginnt!< brummte er vor sich hin.


    Er fixierte seinen "Gegner", sah eine Blöße und zielte über den oberen Schildrand auf dessen Gesicht und Hals.


    >Im Ernstfall hättest du keine Chance! Und weiter!<


    Den nächsten Anlauf seines "Gegners" parierte Celsus am unteren Schildrand vorbei und zielte auf dessen Oberschenkel.


    >Wäre bestimmt nicht tödlich, aber du wärst kampfunfähig.<


    Die beiden gingen wieder aufeinander los. Celsus konnte sich nur mit Mühe der nun wütenden Attacken seines "Gegners" erwehren, indem er am rechten Schildrand vorbei auf dessen ungeschützte Flanke zielte.


    >Könnte wieder tödlich sein,<


    resümierte Celsus,


    >mal sehen, wie der optio den Kampf mit dem unsichtbaren Gegner bewertet.<

  • Fast ein bisschen gelangweilt beobachtete der Optio die ersten Versuche des Rekruten und schaute zwischendurch auch einmal zu den anderen Soldaten an den Pfählen nebenan, ob sie ihre Sache gut machten. Die ersten Stiche waren nie besonders interessant. Jeder Rekrut gab sein bestes, solange die Kraft und Konzentration noch reichte.


    Doch plötzlich schnellte der Stab des Optio vor und die Kugel am oberen Ende traf am Schild vorbei auf eine ungepanzerte Stelle am Körper von Celsus. "Tot!" kommentierte der Optio dazu. "Immer auf den Schild achten. Lieber zweimal stechen müssen, um den Gegner zu treffen als einmal selber getroffen werden. Weitermachen."


    Dann ließ er ihn alleine weiter üben und wandte sich für einen Moment den Rekruten an den anderen Pfählen zu, denen es bei einer Unachtsamkeit ähnlich erging.

  • ... und Celsus machte weiter ...


    Er ging auf seinen unsichtbaren Gegner los und stach zu was das Zeug hielt.


    Aber mit der Zeit kam er an den Punkt, da seine Aufmerksamkeit zu schwinden begann. Instinktiv stach er drillmäßig weiter zu.

  • Die Zeit auf dem Exerzierplatz verging wie von selbst und schließlich beendete der Optio die Übungseinheit für diesen Vormittag. Er ließ die Männer die Übungsschilde und Schwerter wegräumen und führte sie dann zurück in die Barracken. Am Nachmittag würden sie mit dem Centurio wieder auf dem Platz stehen.


    Am nächsten Morgen stand dann Priscus wieder mit der kleinen Gruppe von Rekruten auf dem Platz. "Probati, state!", kommandierte er und schaute, ob diesmal alle von Anfang an wach waren.

  • Celsus hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Nach langem Hin- und Herwälzen auf seinem Lager war er in eine Art Halbschlaf gefallen. So war das Nichtausgeschlafensein am nächsten Morgen bereits vorprogrammiert.


    Dessen ungeachtet wachte er sehr früh auf. Mit ein paar Runden um die Barracken versuchte er den versäumten Schlaf wieder wettzumachen.


    Nach dem allmorgendlichen Procedere stand er, wie schon gehabt, in Reihe mit den anderen probati.

  • Mit kritischem Blick schritt der Optio die Linie der Rekruten ab, konnte aber keine nennenswerten Mängel feststellen. Dann stellte er sich wieder vor der Linie auf und setzten ein breites Grinsen auf. "Jungs, einer von euch hatte heute morgen eine gute Idee und ist ein paar Runden um die Baracke gelaufen", begann er. Einem Optio entging sowas eben nicht. "Ich finde, wir sollten seinem Beispiel folgen und den Tag mit einer kleinen Laufübung beginnen."


    Priscus ignorierte das Augenrollen einer Rekruten und grinste unbeirrt weiter. "Probati, scuta et pila sursum! Ad dextram! Cursim, pergite! * Und haltet ruhig etwas Abstand zum Vordermann, damit ihr euch nicht gegenseitig mit dem Pilum aufspießt!" Selber ein Scutum in der linken Hand und den Optiostab in der rechten, setzte sich Priscus in leichtem Laufschritt neben der Kolonne in Bewegung.


    * lat.: Im Laufschritt, Marsch!

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