Eine Reise ins Herz Midgards

  • Lando gab nur ein Murren als Antwort von sich. Verkrüppelt und vernarbt, das war gut. Er sah ja schon ja jetzt aus wie ein Flickenteppich; Brüche, Schnitte, Stiche, Narben, und davon die wenigsten aus Fremdeinwirkung, denn aus den alltäglichen Unfällen entstanden, zeichneten seinen Körper seitdem er laufen konnte. Das Leben hier war kein Zuckerschlecken, andererseits kannte man es auch nicht anders... über die Seherin wollte, und würde er nicht sprechen, bis sie letztendlich da waren. Es wäre ohnehin mehr als unzulänglich, Worte über diese Frau zu verlieren.


    "Ich hau mich hin", murmelte Lando noch, bevor er sich einen heißen Stein packte, diesen in Lumpen wickelte und mit diesem unter das tiefe Dach aus Ästen und Zweigen kroch... es dauerte nicht lange, und er war tief und fest eingeschlafen, um am nächsten Morgen Stunden vor Sonnenaufgang von Silko geweckt zu werden, damit er den Rest der Wache übernahm.

  • Mit Lokis nicht vorhandener Antwort nicht sonderlich zufrieden, aber viel zu müde um weiter nachzubohren, legte auch Witjon sich bald hin. Phelan war ja bereits am Feuer eingedöst, diesen scheuchte er auch zum provisorischen Lager, wo sie sich zu ihrem herutischen Vetter legten. Gerissenerweise erhaschte Witjon den Platz zwischen den beiden Vettern, sodass letztendlich nur seine Füße kalt wurden, was er sehr begrüßte.


    Nach einer Nacht unruhigen Schlafs auf ungemütlichen Grund wurden sie früh geweckt. Es gab ein karges Frühstück und bald schon ging es weiter den Pfad entlang. Zum Glück gab es in der Nacht keine Zwischenfälle, was Witjon schon fast nicht glauben wollte, aber das kümmerte ihn in diesem Moment weniger, als seine Verschlafenheit zu vertreiben. So folgten sie Lando, der vorausritt. Irgendwo in der Nähe malträtierte ein Specht einen unbescholtenen Baumstamm und ein Kuckuck machte auf sich aufmerksam. Es war immer noch nasskalt und ein feiner Nebenl hing zwischen den Bäumen, während die Sonne versuchte sich durch die graue Wolkendecke zu kämpfen. Vielleicht würde es ja in den nächsten Tagen etwas angenehmer werden. Wie weit wohl dieses Menschenhändlerlager noch entfernt war?

  • Silko war von Witjon geweckt worden und hatte dann seinerseits wieder Lando geweckt. Dann war er aber wach geblieben. Sich noch einmal für zwei Stunden hinzulegen hatte wenig Sinn und so lehnte er sich, nachdem er seine Blase in ein paar Metern Entfernung erleichtert hatte, mit dem Rücken an den Baum und schaute zu wie der Wald um sie herum erwachte.


    Seine Kleidung war klamm und wie Umgebung war nebelig. Dieses Land war einfach unheimlich, egal ob es hier gefährliche Tiere gab oder nicht. Die Geister der Verstorbenen schienen hier umzugehen.


    Wenig später waren sie wieder unterwegs und auf dem Rücken eines Pferdes fühlte sich der Nubier gleich um einiges wohler. Trotzdem hasste er diesen Ort und er war jetzt schon froh, wenn sie wieder in Mogontiacum waren. Vor allem die Aussicht diese Hexe zu treffen, lag ihm schwer im Magen.


  • Nachdem die Jagd getan war, die erbeuteten Kaninchen und anderes Kleingetier gehäutet und für den Tag durch Rauch und Asche halbwegs haltbar gemacht, waren sie wieder aufgebrochen, und Lando führte die Gruppe, voran in eine Gegend, die ihm immer bekannter vorkam. Schmerzhaft bekannt.
    Ein Hügel sollte ein ernstes Problem für sie werden, der Pfad war steil, und durch den tauenden Bodenfrost unberechenbar geworden. Es waren die Pferde, die Mühe hatten, und auch die Menschen, die in dem kalten Morast immer wieder abglitten, und mehrere Meter den Pfad hinab zu stürzen drohten. Witjon war es, der Leif davor bewahrte sich den Hals zu brechen, und Silko war es, der dafür sorgte, dass das Packtier nicht verlorenging. Hier wurde jede Hand gebraucht.


    Als sie oben auf der Spitze waren, schwand der Nebel, und warme Sonnenstrahlen kitzelten die bärtigen Gesichter. Lando hatte sich wohlweislich schon Tage vor der Reise nichtmehr rasiert, und hatte dafür in der Curia einige seltsame Blicke kassiert. Hier half es ihm, es fühlte sich richtig an, und es hielt seine starren Gesichtszüge einigermaßen warm. Selbst Witjon und Verus zeigten den ersten Anflug von Bart, nur Silko schien frei von Bartwuchs zu sein, warum auch immer. Vielleicht riss er sich die Haare aus, wie es einige Menschen aus dem Süden taten, so wie einige Römer?


    "Dort... da ist es.", deutete Lando nach einem kurzen Überblick über das sich vor ihnen ausbreitende Tal. Inmitten der grünen reifbedeckten Baumkronen, die sich nahtlos durch die ganze Landschaft erstreckten, war ein kleines Loch im dicken Blätterdickicht auszumachen, aus dem Nebel höher zu steigen schien, als im Rest des Waldes.


    Er nahm den Speer vom Sattel, und lockerte das Schild an dessen Seite, um es im Fall der Fälle schnell zur Hand zu haben. Dann nickte er den anderen zu, sich auch zu rüsten, Menschenhändler waren ein unberechenbarer Schlag Mensch, dem man seiner Meinung nach nie unbewaffnet entgegentreten sollte.


    Wahrscheinlich hätte man das Lager mit einem Bogenschuss Phelans erreichen können, der Abstieg vom Hügel dauerte dennoch zwei Stunden. Das Gelände hier war mehr als unwegsam, und einen kurzen Moment lang bedauerte Lando es, die einigermaßen befestigten Pfade verlassen zu haben, um den Fallen der Menschenhändler zu entgehen, um nicht doch noch als Beute, statt als Suchende, zu enden.


    Als sie es schließlich erreichten, gab Lando Leif und Silko zu verstehen, sich einige Schritte links und rechts von ihm und den anderen dem Lager zu nähern, was sie auch schließlich taten. Als sie fünf Meter von dem Lager entfernt waren, in dem sich noch überhaupt nichts tat, brüllte Lando mit weithin vernehmbarer Stimme: "WACHT AUF, MENSCHEN DIESER STATT! REISENDE DIESER WEGE RUFEN EUCH AN UM RAST UND HALT."


    Beinahe augenblicklich machte sich emsiges Treiben in den Zelten breit, und erste Gestalten, allesamt bewaffnet und mit verschlafen-zornigem Blick, stürmten aus den alten Stoffbahnen und unter provisorischen Unterständen heraus, um sich umzublicken, und erst nach einer Weile die Quelle des Lärms auszumachen.


    "Also, mit Besuch hat man hier wohl nicht gerechnet."


    Da der taktische Vorteil noch bei Lando und seinen Männern lag, wagte man es noch nicht, weiter auf sie zuzurücken, und beließ es erst dabei irgendwie die Wege zwischen den Zelten zu versperren, während man auf etwas zu warten schien. Auf was ließ sich schnell ausmachen, als der Eingang zum größten Zelt zurückklappte, und sich Ruhe unter den nervösen Männer breitmachte, die sich mit Speeren und hölzernen Spießen bewaffnet auf die Reisegesellschaft konzentrierten...

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    Ein Schrei weckte Gerald, aber es war nicht einer der üblichen Schreie. Immer wieder gab es einen Schmerzensschrei, der von irgendwo kam, ein gewimmertes „Bitte nicht“ oder „lass mich sterben“ oder gleichwertig nutzloses, wenn auch amüsantes Gebaren von frisch Gefangenen. Alle versuchten sie anfangs zu handeln, vor allem die Weiber. Aber was konnten die einem schon geben, was die Bande ihnen nicht ohnehin schon abgenommen hätte? Nur äußerst selten fingen sie wirklich mal jemanden, bei dem das Lösegeld mehr wert war, als ihn einfach gänzlich irgendwohin zu verkaufen.
    Aber dieser Schrei war anders. Während das übliche kaum einen Mann hier geweckt hätte, war der hier eine Überraschung: Sie hatten Besuch. Gerald hatte direkt im Hochschrecken schon die Hand an dem Messer, das er stets bei sich trug. Aber die Eindringlinge waren nicht bis hierher vorgedrungen. Er hörte das Rappeln und Klappern, als die anderen Männer erwachten und aus ihren Zelten liefen, um sich den Neuankömmlingen zu stellen. Das Mädchen neben ihm rührte sich, und Gerald blickte es kurz funkelnd an, woraufhin es sich leicht zusammenkrümmte und wieder ganz hinlegte. Die Prügel letzte Nacht hatten wohl geholfen, auch wenn er ihr die Nase brechen musste. Aber die würde schon wieder ordentlich zusammenwachsen, und selbst wenn nicht, würde sie einen guten Preis einbringen. Auf jeden Fall einen besseren, wenn sie jetzt gelernt hatte, sich nicht dauernd zu wehren und dabei rumzuheulen wie ein Lamm mit gebrochenem Bein.
    “Mach dir keine Hoffnungen, es lebt niemand mehr, der dich vermissen könnte.“ Er sah den hoffnungsvollen Blick brechen und ihr blutverkrustetes Gesicht ausdruckslos werden und war damit zufrieden. Schnell schlüpfte er in Hose und Stiefel und warf sich noch den Mantel über das Hemd. Zur Hand nahm er die Axt, mit der er sich zum Anführer der Gruppe aufgeschwungen hatte. Vor ein paar Wintern noch waren sie ein unorganisierter Haufen gewesen, in dem jeder Mann seine Stimme erhob, wenn ihm was nicht passte. Allerdings hatte das römische System, dass einer Entscheidungen traf und alle anderen gefälligst zu machen hatten, was der sagte, gewisse, nicht abstreitbare Vorzüge. Und nachdem Gerald die schwerer zu überzeugenden damit überzeugt hatte, dass er seinen stärksten Gegner kurzerhand mit seiner Axt bekannt gemacht hatte, ging es auch tatsächlich aufwärts mit ihnen. Und nun folgten die anderen ihm, als wäre es nie anders gewesen. Wenn er sie heute nochmal fragen würde, würden sie ihn wahrscheinlich sogar richtig zum Anführer wählen.


    Er klappte den Eingang zu seinem Zelt auf und trat hinaus in die Kälte. Die Axt hatte er mitgenommen. Zwar gab es durchaus bessere Waffen als diese hier, aber sie hatte einen gewissen Symbolwert. Außerdem war er nun mal in einem anderen Leben gut im Bäume fällen, und warum eine Axt nur für eine Sache gebrauchen?
    Er sah auch schon die Männer, die sich ihnen so genähert hatten und von seinen Männern gestellt worden waren. Verdammt, wie konnten die so nahe an sie herankommen? Aber er sah schon, welchen Weg die genommen hatten. So, wie sie sich durch die Hügel gequält haben mussten, mussten sie nach ihnen gesucht haben.
    Gerald sah einen Moment über die Gestalten hinweg. Er zählte fünf Männer, alle mit Pferden und ein Packtier. Aber er konnte nicht ausschließen, dass weiter zurück noch mehr lauerten.
    Es gab also zwei Möglichkeiten. Entweder er befahl, anzugreifen, was im Verlust mehrerer seiner Männer enden konnte, die er noch brauchte, um das zu verkaufen, was sie jetzt hatten. Oder aber er hörte sich an, was diese fünf Menschen da dazu veranlasst hatte, sich durch die Hügel zu quälen um hierher zu kommen. Umbringen wollten sie sie offenbar nicht, sonst hätten sie sich nicht so lautstark angekündigt. So fest wie alle geschlafen hatten hätten sie die Hälfte von ihnen niedermachen können, ehe einer hätte schreien können.
    Gerne hätte Gerald noch eine Weile darüber nachgedacht, allerdings konnte er nicht dastehen und nichts sagen. Seine Männer erwarteten, dass er sie führte. Sonst würde sich wohl auch schnell wieder ein anderer finden, der sie effizienter anführen würde, ohne soviel nachdenken zu müssen. Also entschied sich Gerald schnell für die Variante, die ihm den geringeren Verlust verhieß.
    “Dann seid willkommen, Reisende! Wärmt euch an unserem Feuer.“
    Und sagt dann gefälligst, was ihr hier verloren habt, dachte er düster. Lieber wär er bei dem blonden Mädchen noch in seinem warmen Zelt ein wenig geblieben, hier draußen war er verdammt kalt.

  • "Man dankt.", war Landos Erwiderung auf die formlose wie falsche Einladung, und er ließ sich schwunglos wie gekonnt vom Pferd gleiten, ohne den Speer auch nur ein einziges Mal wehrlos weglegen zu müssen. Während er auf den Mann, der reichlich verschlafen wirkte, zuging, zählte er die Männer, die sich mittlerweile um ihren Anführer geschart hatten, und doch keinen Deut Unachtsamkeit verdächtigen ließen. Es waren dreizehn, aber wahrscheinlich steckten draußen an den befestigteren Pfaden noch mehr von dieser Rotte, immer auf der Hut vor konkurrierenden Menschenfängerbanden und potentiell lohnenden Opfern. Silko wurde angewiesen, sich um die Pferde zu kümmern, während er und die anderen sich in die Mitte der Lagerstatt begaben, wo schnell einige Holzsscheite auf die sicher unter feuchtem Astwerk begrabene Glut geworfen wurden. Wenige Momente später schlugen wieder kleine Flammen auf, und Lando blickte zu seinem nubischen Freund, der weiß wie eine Kalkwand und nicht zu weit entfernt war, um schnell reagieren zu können. Leif und die anderen ließen sich neben ihm nieder, und Lando registrierte mit stummer Anerkennung, dass sich Witjon und Phelan mit dem Rückem zum Feuer, und somit mit dem Blick auf die Männer, niedergelassen hatten.


    "Mein Name ist Lars, Sohn des Sigurd, vom Volk der Heruten.", fälschte Lando seinen Namen, nicht weil er fürchtete, dass er hier bekannt wäre, sondern weil er nicht wollte, dass sie sich nach ihm erkundigten, sobald sie dieses Lager wieder verlassen hätten, "Wir haben euch gesucht. Man sagt, ihr wüsstet, wo gewisse Menschen zu finden wären. Eine Frau unseres Stammes, man nannte sie Siv, wurde von einem Chatten geraubt, wir sind gekommen, um sie zurück zu holen. Von diesem Chatten waren, als wir ihn endlich gefunden haben, nur Knochen übrig, den Rest haben sich anscheinend Wölfe geholt... oder schlimmeres... aber man sagte uns, die Frau würde leben."


    Er beschrieb ihm die Frau, während er die Hände zum Feuer ausstreckte, und so arglos wie möglich tat, während er auf die Wachsamkeit seiner Mitreisenden hoffte... vielleicht konnte ihm dieser Mensch ja etwas dazu sagen.

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    Wie sich die Männer aufteilten, gefiel Gerald gar nicht. Vor allem der Riese, der bei den Pferden zurückblieb, gefiel ihm nicht. Er hätte die Ankömmlinge lieber alle auf einem Haufen gehabt, schön überschaubar und bewachbar. Während zwei seiner Männer das Feuer wieder anfachten, hielt er kurz Birger am Arm fest und zog den Mann kurz näher zu sich. “Keiner isst was oder trinkt was, bis die weg sind. Und schick ein oder zwei, nein, zwei Mann aus, um nach Bogenschützen oder ähnlichem zu schauen. Ich will keine weiteren Überraschungen“, raunte er ihm leise zu.
    Birger nickte ihm stumm zu und mischte sich dann unter die Männer. Die Weisungen waren nicht schwer zu verstehen. Gerald machte deutlich, dass diese Männer da nicht seine Gäste waren. Sie durften zwar am Feuer sitzen, aber er würde ihnen nicht die Freundlichkeit echten Gastrechtes geben. Um sie als lohnende Beute zu fangen waren sie jetzt vielleicht zu stark gerüstet, aber was später war, musste man schauen. Doch im Moment musste er wohl erst einmal mitspielen, bis er den Überblick über die Situation wieder zurückhatte. Er hasste Überraschungen.
    Er ließ Lando sich als Lars vorstellen und erwiderte dann knapp und wenig förmlich: “Ich bin Gerald von der Axt.“ Seine Männer lachten über den kleinen Scherz, auch wenn man hören konnte, dass es kein befreites Lachen war. Die Situation war etwas angespannt, aber der Scherz lockerte die erfahreneren in ihrer Bande etwas auf. Hier gab es keine wirkliche Stammeszugehörigkeit. Da waren drei aus der einen Sippe, und zwei aus der nächsten, mehr eine Zweckgemeinschaft als eine wirkliche Familie. Daher hielt Gerald, der das zweifelhafte Glück hatte, Kegel - also uneheliches Kind - zu sein, es auch insgesamt eher locker und betonte lieber nicht zu sehr seine Abstammung. Seine Anführerposition stand auf etwas wackeligen Füßen und wurde eigentlich nur davon getragen, dass er der autoritärste des ganzen Haufens war und die anderen zum Erfolg bislang geführt hatte.
    Zusammen mit Lando setzte er sich leicht ans Feuer und hörte sich an, was er wollte. Kurz überlegte er, ob er sich die Informationen abkaufen lassen sollte. Immerhin war nicht einmal der Tod umsonst, der kostete einen bekanntlich das Leben. Aber wenn diese Männer dann hier verschwinden würden, wäre das auch schon ein guter Preis für diese kleine Auskunft. Also beschloss er, heute einmal gönnerhaft großzügig zu sein.
    “Nun, Lars, wir haben sie nicht. Hatten sie auch nicht. Aber das klingt nach einem Mädel, das Ansger verkauft hat. Ist aber schon ne ganze Weile her, und hab ihn auch schon lange nicht mehr gesehen. Ich hoffe natürlich für dich, dass ihr von ihm noch Informationen bekommen könnt, wenn ich auch zugeben muss, dass ich nicht unglücklich wäre, ihn in Hels Reich zu wissen.“
    Zumindest den letzten Teil meinte er ehrlich aufrichtig. Dieser Schweinehund hatte ihm schon viel gute Ware weggeschnappt, war aber mit seiner Gruppe zu mächtig, als dass Gerald ernsthaft gegen ihn etwas unternehmen könnte. Allerdings war er auch nicht so mächtig, dass dieser wiederum gegen Gerald vorgehen konnte. So gingen sich die beiden Gruppen so viel als möglich einfach aus dem Weg.
    “Falls er noch lebt, ist er grade jenseits der Grenze. Er verkauft seine Ware immer an die Römer, meistens nach Süden. Wenn ihr sie zurückhaben wollt, müsst ihr wohl ihn fragen, wohin genau er sie verkauft hat. Aber allzuviel Hoffnung würd ich mir nicht machen.“
    Selbst wenn diese Heruten so wagemutig - Gerald bezeichnete solches Vorgehen auch gerne auch als außerordentlich dämlich - sein sollten, zu den Römern zu gehen, hatten sie wohl kaum genug handelbare Ware dabei, um diese Siv wieder freizutauschen. Er wußte, wieviel hübsche, blonde Mädchen bei den Römern wert waren.


    Und auch just in diesem Moment kam sein hübsches, blondes Mädchen aus seinem Zelt geschlichen. Jetzt im Licht der Morgensonne konnte er eingehend sein Werk betrachten. Weil er ihr die Nase gebrochen hatte, war ihr Gesicht geschwollen und hatte einen blauen Fleck vom einen Ohr zum anderen. Um den Mund herum war noch verkrustetes Blut. Die Fetzen, die sie anhatte, waren kaum genug, um sie richtig zu bedecken, geschweige denn, um sie gegen die Kälte zu schützen. Aber das sollten sie auch gar nicht, das brachte die Sklaven nur auf die irrwitzige Idee, wegzulaufen. So aber war ihnen klar, dass sie erfrieren würden, ehe sie irgendwo ankamen. Der germanische Winter hatte auch Vorteile.
    “Hey, geh wieder ins Zelt!“ Das Mädel, das vielleicht vierzehn Sommer alt war, zuckte zusammen und schaute kurz hilfesuchend um sich. Dämliches Gör, glaubte wohl noch immer an Rettung. “Wird’s bald?“ Das Mädchen zuckte noch einmal und verschwand wieder so lautlos, wie es gekommen war.
    Gerald sah ihr noch einen Augenblick mit funkelndem Blick nach, und wandte sich dann wieder Lando zu. “Weiber“, meinte er kurz lapidar, als wäre nichts weiter. War es ja auch nicht, es hatte die Heruten nicht zu interessieren, wie er mit seinem Eigentum umsprang.
    “Ich hoffe, ich konnte euch weiterhelfen“, was soviel heißen sollte wie „Ich hoffe, ihr verschwindet jetzt wieder“, fügte er noch hinzu, wieder etwas ruhiger.

  • Silko kümmerte sich vordergründig um die Pferde, doch eigentlich war seine Hauptaufgabe der Gruppe Rückendeckung zu geben. Wenn es wirklich nur um die Pferde gegangen wäre, dann hätte Leif diese aufgabe übernommen, war dieser doch eigentlich im Stall angestellt und verstand sicher mehr davon, als der Nubier. Immer wieder schauten einige der Germanen argwöhnisch zu ihm herüber und Silko war sich nicht sicher, ob es an seiner Position bei den Pferden, seiner Größe oder dieser unseeligen Kalkmaske lag. Ein Blinder hätte erkennen müssen, dass das etwas nicht stimmte, aber ob das auch für einen Dummen galt? War das Auge in diesem Fall nicht zu sehr vom Geiste abhängig? Auf jeden Fall wusste der Nubier was er von diesem Abschaum hier hielt: Nichts! Wie gerne hätte er diesen elenden Menschenhändler Eisen in ihre Körper getrieben und sie mit seinen Stiefeln zertreten, oder ihre dümmlichen Gesichter mit seinen Fäusten bearbeitet.


    Natürlich sahen die Kerle alle sehr verwegen aus, aber waren sie auch richtige Kämpfer? Er wagte es zu bezweifeln. Wie gerne hätte er jetzt Arbjon an seiner Seite gehabt und hier ein wenig aufgeräumt! Wahrscheinlich wären sie gegen die Überzahl so oder so chanchenlos, aber wenn Silko vor einem keine Angst meh hatte, dann war es der Tod. Wenn er als Sklave an der Seite seines Herrn in einem Kampf starb, wäre es ein guter Tod, da war er sich vollkommen sicher.


    Silko fütterte gerde Witjons Pferd und beobachtete dabei das Geschehen am Feuer und wie das blond Mädchen aus dem Zelt gestürmt war. Sie würde auch bald eine Sklavin sein, nur war sie noch ganz am Anfang ihres Weges. Der Nubier wendete seine Aufmerksamkeit scheinbar wieder den Pferden zu, behielt aber alles ganz genau in seinem Blickfeld. Diesem Pack konnte man schließlich nicht vertrauen.

  • Das Ganze behagte Witjon gar nicht. Absolut nicht. Nicht im Geringsten. Erst der beschwerliche Abstieg in dieses vermaledeite Tal und jetzt saßen sie hier inmitten einer Überzahl bewaffneter Menschenhändler. Vor lauter Aufregung begann er zu zittern, was er mit Mühe unterdrücken konnte. Gleichzeitig beäugte er argwöhnisch das Pack, das sie umzingelt hatte und deren vermeintliche Gastfreundschaft sie genießen durften. Immer wieder warf er einen Blick zu Silko und lauschte gleichzeitig aufmerksam dem Gespräch zwischen Loki und Gerald "von der Axt". Ha. Ha. Innerlich rollte Witjon mit den Augen und wünschte sich weit fort von hier, doch das ließ sich wohl schlecht einrichten.
    Das blonde Mädchen, das zwischendurch aus dem Zelt getapst kam, konnte Witjon nur bedauern. Doch trotz allen Mitgefühls ließ er sich nicht sonderlich von dieser Unterbrechung ablenken, sondern behielt weiterhin die bewaffneten Männer um sie herum im Auge. Besonders entspannt konnte er dabei nicht sitzen, hatte er sein Sax doch im Schneidersitz über seine Beine gelegt und hielt seinen Knauf bereits mit einer Hand fest umklammert. Ein Seitenblick zu Phelan zeigte ihm, dass dieser nicht minder angespannt war. Schnell weg hier...

  • "Zu den Römern? Verdammt...", log Lando, dem diese Nachricht um Welten besser gefiel, als wenn sie herausfänden, dass die Frau doch an einen verfeindeten Stamm verkauft worden war.
    "Das verkompliziert die Sache natürlich. Du hast nicht rein zufällig eine Ahnung, wo wir diesen Ansger finden? Diese Frau ist unserem Rich sehr wichtig, und wir stecken in ziemlich tiefer scheisse, wenn wir sie nicht wieder auftreiben.", Lando blickte den Mann hilflos an, folgte aber sogleich dessen Blick, und erschrak als er das junge Mädchen sah. Geschunden war wohl noch untertrieben, um den Zustand des Menschen zu beschreiben, dessen Antlitz unter eine Kruste aus Blut und Beulen versteckt zu sein schien. Eine Reaktion darauf konnte er sich nicht leisten, das war klar, und so blieb ihm nichts anderes übrig, auf die trockene Aufforderung, dieses Lager wieder zu verschwinden, so belanglos wie möglich ihr zweites Anliegen einzustreuen: "Wenn du darauf wert legst, alleine unter den deinen zu bleiben, werden wir euch nicht weiter behelligen."


    Lando stand auf, und ging ein paar Schritte auf ihre Pferde zu, Witjon und Phelan in seinem Nacken, Leif schon auf halber Strecke, als er so tat, als würde ihm noch etwas einfallen, was er zuvor vergessen hatte: "Auf unserem Weg in diese Gegend haben wir vor einigen Tagen eine Römerin gestreift... auf der anderen Seite eines Flusses, leider unerreichbar. Römerin, man erkennt sie sofort, wie du sicherlich weißt. Sie braune Haare, etwa diese Größe, und relativ herrschaftlich angezogen. Zumindest vollkommen unzureichend für einen Ritt alleine durch diese Gegend... sie dürfte in diese Gegend gekommen sein, ihr habt sie nicht rein zufällig gesehen? Wir könnten unserem Rich den Verlust dieser Siv zumindest etwas... weniger schmerzlich gestalten, wenn wir ihm dafür eine Römerin liefern."

  • Ein Glück! Sie standen endlich wieder auf und gingen zu den Pferden. Doch was war mit Aquilia? Wollten sie nicht auch etwas über ihren Verbleib herausfinden? Noch bevor Witjon den Gedankengang weiter verfolgen konnte, hatte Lando bereits davon angefangen. Die Geschichte die sein Vetter da erzählte wollte Witjon zwar nicht gefallen, doch ihren Zweck erfüllte sie allemal und dieses Händlerpack würden sie hoffentlich ohnehin nie wieder sehen. Witjon stand neben Lando und hielt die Zügel seines Pferdes bereits in der Hand, doch hielt er gespannt inne, um die Reaktion des Anführers abzuwarten. Wusste er etwas über Aquilias Verbleib? Hoffnung keimte in Witjon auf und seine rechte Hand ballte sich zur Faust, um jegliche Gefühlsregungen irgendwie unter Kontrolle zu halten.

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    “Wenn der Hund noch lebt, wird er wohl grade irgendwo im Süden Ware absetzen. Borbetomagnus oder Castra Regina, je nachdem, wo er diesmal lang gegangen ist. Meist nimmt er den Durchgang bei Iciniacum, aber manchmal geht er auch direkt nach Castra.“
    Welch ein Glück, sie standen auf. Auch Gerald erhob sich und schloss sich ihnen an, während sie zu den Pferden gingen. Der Riese dort machte ihm ein wenig sorgen, noch dazu, wo er irgendwie krank aussah. Seine Augen waren auch schonmal besser gewesen, aber der war ihm unheimlich, also blieb er nicht ganz so nahe dabei stehen. Seine Männer waren auch aufgestanden, hielten aber noch einen größeren Abstand zu allen. Doch überall merkte man, dass alle Beteiligten froh waren, dass diese seltsame Situation wohl gleich vorüber wäre.


    Als Lando noch auf die Römerin zu sprechen kam, war der größte Teil der Anspannung schon wieder von Gerald gefallen. Immerhin würden die Eindringlinge gleich verschwinden, er konnte sich seinem blonden Mädchen wieder widmen, und keiner seiner Männer war getötet worden. Das waren Gründe, um gut gelaunt zu sein, noch dazu, wo die Geschichte, die er zu erzählen hatte, für ihn ungemein lustig war.
    “Ohja, die haben wir auch gesehen. Wollten sie für uns selber fangen und hatten uns auch schon bereitgelegt. So ne feine römische Dame, die wär sicher was wert gewesen, vor allem das Zeug, was die alles dabei hatte. Aber die musste ja unbedingt durch den Wald reiten, da gleich im Norden.
    Der Winter hier war ziemlich hart, und die Wölfe hier hatten Mordshunger. Die haben das Pferd gewittert und sind ihr nach. Die blöde Kuh hätt sich einfach nur vom Gaul fallen lassen müssen, ihr wär nichts passiert. Naja, außer unserer erlauchten Gesellschaft, versteht sich. Aber die hat sich an ihrem Pferd festgekrallt, als ob die Wölfe sie fressen wollten. Mal ehrlich, so kalt war der Winter nun auch wieder nicht.
    Auf jeden Fall ist da hinten ne Schlucht, und der blöde Gaul ist lieber in die hineingesprungen als sich von den Wölfen fressen zu lassen, mitsamt der Römerin oben drauf. Scheiße, ich sag’s dir, die hätt gut was eingebracht. Ein Jammer auch.“

    Gerald drehte sich leicht zur Seite und wies zu einem seiner Männer
    “Naja, unser guter Hauke hier hat sich dann noch runterbegeben und geschaut, ob noch was zu holen ist. Wär ja ein Jammer, das ganze Zeug da unten liegenzulassen für die Raben. Ein bisschen Schmuck hatte sie dabei, und ihre Haare geben wohl auch ne schöne Perücke, wenn wir sie verkauft kriegen. Die Römer stehen ja mehr auf blond. Aber die Kleidung war hin, leider.“
    Leicht zuckte Gerald mit den Schultern. Das Leben des Mädchens war ihm vollkommen gleichgültig. Er hätte es nur insofern gut gefunden, wenn sie nicht in die Schlucht gestürzt wäre, dass er sie dann hätte verkaufen können.
    "Ich wär ja gern mit euch ins Geschäft gekommen, aber mit einer anderen Römerin kann ich nicht dienen."

  • Das war zu viel für Witjon. Aquilia war tot und dieser Abschaum redete von der prudentischen Schönheit wie von einer unbedeutenden Ware - die sie für ihn ja immerhin war. Es machte *klick* in Witjons Kopf und ungewollterweise schaltete sich sein Verstand ab und wich blinder Wut.
    "Sohn einer Hündin!" geiferte er und schnellte nach vorn auf Gerald zu. Er zog sein Sax, dessen Knauf er mit voller Wucht gegen den Kopf des Menschenhändlers rammte. Der Angriff kam so überraschend, dass dieser nur erschrocken schauen und Sekundenbruchteile später vom Schlag getroffen zu Boden stürzen konnte.
    Sofort ging ein Aufschrei durchs Lager und die Bande stürmte brüllend auf die kleine Gruppe ein.
    Witjon indessen wollte sich auf den am Boden liegenden stürzen, wurde jedoch von Phelan zurückgehalten. In diesem Moment realisierte Witjon auch, was er da getan hatte und wich erschrocken zurück.

  • Kaum hatte der Menschenhändler seine Worte gesprochen hatte Silko auch schon seinen Speer in der Hand gehabt. Er hatte Prudentia Aquilla gut leiden können, aber vor allem war er sich ganz sicher, dass Witjon sich da nicht würde beherrschen können-ihm wäre es nicht anders ergangen.
    Silko erkannte den Duumvir kaum wieder, wie er sich auf den Kerl von der Axt- so wirklich hatte der Nubier den Witz nicht verstanden, aber er schien sowieso nicht gut gewesen zu sein- stürtze und ihm den Knauf seines Saxes ins Gesicht schmetterte. Da sah man, dass er kein Krieger war, denn dann würde der Sklavenjäger nun an seinem eigenen Blut ersticken.


    Noch warf der Hüne seinen Speer aber nicht, denn im Moment war noch niemand zu Tode gekommen und vielleicht würde man das noch regeln können, zumal es noch einige Augenblicke dauern würde, bis die heranstürmende Gruppe die Duccier erreichen würde. Wenn sie nicht langsamer werden würde, würde gleich der erste von ihnen mit einem Speer in der Brust zu Boden gehen.

  • "Dank...e...", war alles, was Lando noch hervorbrachte, bevor er fassungslos mit ansehen musste, wie Witjon in einem Sekundenbruchteil auf den Kerl losging. Er hatte da wohl etwas zu sehr auf die Beherrschung seines jungen Vetters gesetzt, denn dieser brach berserkergleich auf den Mann los, und rammte diesen nieder, nur um nachher wie ein bedröppelter Hund sein Werk zu betrachten.


    "Scheisse.", entfuhr es Lando, als die anderen Männer nicht lange fackelten, und auf seine kleine Gruppe losgingen, und Lando war es, der dummerweise taktisch relativ ungünstig stand. Während Leif und Phelan das einzig richtige taten, nämlich langem einen Kreis aus sich und den Pferde zu bilden, um von der Überzahl nicht sofort umrundet zu werden, stand er selbst ziemlich außen vor, und bekam auch als erster die Wut der Leute zu spüren.


    "Ganz ruhig... wir gehen jetzt...", versuchte Lando noch mit fest umklammerten Speer die Situation verzweifelt zu beruhigen, sah sich aber auch mit dem kompromisslosen "aus die Maus" im Blick der Menschenhändler konfrontiert.
    Ein jüngerer ging sofort auf ihn los, stieß mit seinem Speer unkontrolliert nach ihm, etwas, was nicht schwer zu parieren war. Als ein älterer jedoch die Chance beim Schopf ergriff, und Lando mit einem gezielten Schlag in die Kniekehlen auf den Boden der Tatsachen zu schicken, war es dann auch vorbei: der nächste Schlag gegen mit einem hörbaren Knall gegen die Schläfe des Duccius, und die Welt ward gefährlich dunkel.
    Der Mann, der Lando auf die Bretter geschickt hatte, beließ es dabei, und wandte sich der Gruppe um die anderen zu, die sich mittlerweile fest zwischen den Pferden verschanzt hatten, und so eine einigermaßen lockere Verteidigungsposition hatten. Weiter ging er aber nicht, es schien ihm zu reichen Lando niedergestreckt zu haben, so wie Witjon seinen Anführer niedergeschlagen hatte.
    Der jüngere, der zuvor Lando schon direkt mit der Spitze des Speers angegangen war, sah das anders: er wollte töten.


    Lando, der am Boden lag, und gerade eben wieder klar sehen konnte, sah noch wie der junge unbeholfen, aber kraftvoll, mit dem Speer ausholte um ihm den Rest zu geben, und griff in blinder Verzweiflung in den niedersausenden Speer. Es reichte nicht, um ihn vollends abzuhalten, aber es reichte, um den Stoß nicht tödlich sein zu lassen, die Spitze bohrte sich durch Fell, Leder und Stoff, und ein gutes Stück weit in Landos linke Seite, und er spürte den Schmerz warm und grell durch seinen Körper flammen... ein Tritt mit wackeligen Beinen gegen das Knie des Jungspunds ließ diesen vor Schmerz aufheulen, und ein paar Schritte zurücktaumeln, wobei er den Speer losließ. Der alte Kerl drehte sich nur um, spuckte mürrisch den Mund verziehend aus, und trat Lando noch einmal kräftig gegen den Kopf, was diesen schlussendlich ins Land der Träume schickte...

  • Ruppig riss sein blonder Vetter Witjon rückwärts zu den Pferden hin. Hastig und immer noch total geschockt grapschte der Ubier nach seinem Ger und dachte hastig nach, was er nun tun sollte. In eben jenem Moment ging Lando in die Knie und wurde nur Augenblicke später von dem jungen Speerträger getroffen. Von Entsetzen gepackt keuchte Witjon und brach aus dem Verteidigunskreis aus - die zweite unüberlegte und vermutlich hirnrissige Tat, die er heute vollbrachte - und eilte seinem herutischen Vetter zuhilfe. Phelan und Leif rückten nach und versuchten irgendwie die Lücke zu schließen, die Witjon hinterließ und wehrten zwei der etwas jüngeren und verwegeneren Menschenhändler ab. Auch wenn sie in der Überzahl waren, so waren viele der älteren Banditen nicht sofort so vorschnell, die kleine Gruppe anzugreifen. Vorsichtig näherten sie sich den Gegnern.


    Witjon jedoch handelte aus purer Verzweiflung. Er hatte sie alle in diese beschissene Situation gebracht und hatte es zugelassen, dass Lando verwundet wurde. Jetzt stürmte er auf die beiden Typen zu, die bei seinem Vetter standen und wedelte wild mit dem Speer nach ihnen. Der ältere wich geschickt zurück und parierte Witjons Angriffe gekonnt, während der jüngere - ohnenhin schon von Lando zurückgedrängt - sich zu seinen Kameraden in die hinteren Reihen flüchtete.
    "Lando! Schnell weg hier!" japste der junge Ubier, während Phelan versuchte ihm Deckung zu geben. Er packte den Heruten mehr oder weniger geschickt und zog ihn ungeachtet aller Schmerzen, die dieser erleiden musste, auf Halbmast hoch, sodass er ihn mehr oder weniger aufrecht zu den Pferden schleppen konnte...

  • Silko sah wie Lando getroffen wurde, konnte ihm aber nicht helfen, waren Witjon und Phelan doch genau in die Wurfbahn seines Speeres hineingewichen. Mit einem nubischen Fluch auf den Lippen stürmte er nach vorne um seinem Herrn zu helfen. Witjon hatte diesem schon auf die Beine geholfen und so galt es deren Rückzug zu sichern. Silko warf Leif schnell noch seinen Speer zu, dieser fing ihn geschickt, und zog anschließend seine beiden Säbel. Der säbelschwingende und schneeweiße Riese beeindruckte die Germanen sichtlich. Sie schienen nicht so ganz zu wissen, was sie jetzt tun sollten. Einerseits waren die Duccier in der Unterzahl und es galt die Schmach ihres Anführer zu rächen. Auf der anderen Seite aber, war ihr Anführer eigentlich schon ausreichend gerächt und sie wussten die Kampfkraft des Hünen nicht einzuschätzen. Silko sagte nichts, seiner Kehle entsprang nur ein tiefes, beinahe tierisches, Knurren, während er auf die Angriffe der Germanen wartete.


    Doch diese blieben erstaunlicherweise erstmal aus, und als er hörte, dass die anderen offenbar die Pferde erreicht hatten, begann Silko sich langsam und rückwärtslaufend zurück zu ziehen...

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    Autsch. Den Schlag hatte Gerald nicht kommen sehen. Der Schwertknauf traf ihn so an der Nase, dass er umfiel wie ein nasser Sack. Blut lief ihm aus der Nase, und seine Augen tränten Instinktiv und schwemmten damit das Blut weg, das von der Stelle auf seinem Nasenrücken herrührte, wo das Nasenbein gebrochen und durch die Weiche Oberhaut ein wenig gedrungen war. Das Irrwitzige, was er daran bemerkte, war, dass es im Moment noch nicht einmal weh tat. Aber das würde noch kommen.
    Im ersten Moment hatte er gar keine Gelegenheit, näher über dieses Phänomen nachzudenken. Reflexartig hatte er seine Axt gegriffen und so hochgehalten, dass er einen Schlag damit abfangen könnte, in der Hoffnung, der nächste Angriff wäre ebenso hitzig und unüberlegt und würde nicht genau auf seine Hand am Axtschaft zielen. Aber der Schlag blieb aus und er war noch am Leben, und dann waren auch schon seine Männer heran. Langsam rutschte Gerald auf dem frostharten Boden ein Stück nach hinten und bekam nur halb mit, wie Lando verwundet wurde.
    Seine Männer aber waren gut trainiert und stürmten abgesehen von dem jungen Hitzkopf Alan nicht gleich drauf los, sondern kreisten die Gruppe ein und bezogen um sie herum Stellung. Das wichtigste beim Kämpfen war, die eigene Position in Vorteil zu der zum Gegner zu bekommen, und die Gruppe hatte sich für einen direkten Angriff zu gut zwischen den Pferden verschanzt. Sie waren in der Überzahl, es gab keinen Grund, unüberlegt drauf loszustürmen. Sie konnten sie, wenn sie wollten, Stück für Stück auseinandernehmen. Das war schließlich nicht die erste wehrhafte Gruppe, der sie gegenüber standen. Die frage war nur, wie hoch der Preis dafür sein würde, und ob Gerald es als lohnenswert ansehen würde.
    Gerald rappelte sich hoch und fühlte nach seiner Nase. Jetzt nach dem ersten Schock tat das Mistding doch weh, und er hatte den metallenen Geschmack von Blut im Mund. Schleimig klebte es auch an der Hand, und er wischte sie sich kurzerhand an seinem Mantel in Brusthöhe ab. Zum Kämpfen brauchte er einen trockenen Griff, da half Blut an den Pfoten wenig. Er nahm die Axt wieder richtig zur Hand und ging wieder vor zu seinen Männern. Alan stand hinter den Erfahreneren und hielt sich sein Knie. Sein Gesicht sah ungesund weiß aus. Gerald nickte kurz fragend in seine Richtung, ohne was zu sagen. Der blauäugige Bursche, selber grade mal sechzehn, auch wenn er größer war als so manch Zwanzigjähriger und auch älter aussah, sah auf und versuchte, sein Gesicht zur Gleichgültigkeit zu zwingen. Er schüttelte kurz den Kopf. Offenbar hatte Lando gut getroffen und sein Knie erstmal unbrauchbar gemacht für die nächste Zeit. Das hatte Gerald noch gefehlt, wenn er jetzt einen Heiler bräuchte, weil ihm ein Mann ausfallen würde.
    Sie hatten acht Weiber grade beisammen, eigentlich genug, dass sich die Reise lohnen würde, sie zu verkaufen. Auf dem Weg konnten sie noch die ein oder andere Gelegenheit wahrnehmen, da gab es viel Ware zu holen. Aber dafür durfte er keine größeren Ausfälle haben.


    Trotzdem verlangte es ihn nach Rache, und er trat zwischen seinen Männern hindurch nach vorne. Die Ankömmlinge hatten die Waffen gezogen, ihr Anführer blutete und war wohl bewusstlos. Der, der ihm den Schlag verpasst hatte, war direkt bei ihm. Jetzt hatte Gerald auch Gelegenheit, den Riesen, den sie bei den Pferden gelassen hatten, sich näher anzuschauen. Der sah seltsam aus, und jetzt, so aus der Nähe und im Vergleich, war er sich nicht sicher, ob das wirklich ein Mensch war oder nicht doch ein Wesen aus Utgard. Die Haut sah eher kalkig aus als wirklich, fast schon schuppig. Und es knurrte. Vielleicht konnte es ja nicht reden? Egal, sicher konnte es bluten.
    “Das war ein guter Schlag, Junge. Blöde, aber gut.“
    Er fasste noch einmal den Griff seiner Axt nach und schätzte die Lage ab. Er hatte Zeit, es bestand für sie kein Grund zu übermäßiger Eile. Die Gruppe zu überwältigen und zu töten war wohl eher das kleinere Problem. Die Frage war nur, wie viele Männer die mitnehmen würden. Auf ein oder zwei könnte er noch verzichten, aber der Blutzoll hier wäre vermutlich geringfügig höher.
    “Und jetzt? Ist er tot?“
    Mit einem Kopfnicken deutete Gerald auf Lando. Er sah nur das Blut, das durch das Loch in der Kleidung sickerte, aber ob Lando noch atmete konnte er nicht ausmachen.
    Er versuchte ein wenig Zeit mit dieser Frage zu schinden. Wirklich interessieren, ob der Mann tot war oder nicht, tat es ihn nicht. Aber er versuchte noch immer, die Chancen abzuwägen, ob es sich lohnen würde, die Gruppe anzugreifen, oder ob sie damit vielleicht lieber warten sollten, bis die aus dem Lager raus waren und auf der Straße. Im Moment schienen sie gut gewappnet zu sein.

  • Als Lando wieder erwachte, dachte er an einen bösen Traum. Seine linke Seite brannte wie Hölle, und vor seinen Augen tanzten bunte Sterne. Vor ihm stand Silko, die beiden Säbel in der Hand und mit kalkweißer Birne so ehrfurchtsgebietend wie ein Thurse (Riese) im Kriegsgewand. Den Kopf nur ein wenig zu neigen, um zu sehen wer ihn da im Griff hatte, und ihn zurückgeschleppt hatte, war ein Kraftakt, aber er konnte Witjon erkennen.


    Und dann die Stimme des Menschenhändlers... sie hatten es hier nicht mit Anfängern zu tun, sonst wären sie schon tot, und einige der Menschenhändler auch.


    "... bin ich nicht... verdammte scheisse...", fluchte Lando röchelnd, dessen Kehle langsam ein nur allzu bekannter bleierner Geschmack hochwanderte. Er betete zu Wurdiz, dass ihn dies nicht nach Valhal schicken würde, er wurde hier noch gebraucht. Bildete er sich zumindest ein.


    Wie aus dieser Situation herauskommen? Witjon hatte den Fehler begangen, aber genauso der junge, der ihn vielleicht umgebracht hatte, und Lando kam ein letzter verzweifelter Gedanke, der sie vielleicht doch noch lebend aus dieser Sache rausbringen würde: das Twabadwa (Zweikampf um Ehre und Recht).


    "...wir... lösen dies durch Twabadwa.", keuchte Lando, der Witjon anstieß ihn ein wenig höher zu ziehen, damit er dem Menschenhändler in die Augen sehen konnte, "Dein Jung...spund... gegen meinen. Als Dei...wa... Beinaz stelle ich Thrymr auf. Wenn in deinem Leib noch... ein letzter Rest... Ehre steckt, nimmst du an."
    Das, was Lando hier vorbrachte, war nichts anderes als reines Pokerspiel. Er griff dem Anführer dabei so fest an die Eier, dass dieser eigentlich nicht anders konnte, WENN ihm Ehre was bedeutete. Dass man als Menschenhändler sowieso einen Dreck auf Ehre gab, war ihm irgendwie dabei klar, aber er hoffte auf die Reaktion des jungen Wilden, der ihn so unsanft angegangen war. Zudem kam, dass er Silko als Beihelfer, also dem, der übernehmen würde, wenn der Kampf unentschieden ausging (was so nicht möglich war), den Namen des Eisriesen des Nordens gab, noch ein Bluff hinzu. Silko sah sowieso schon furchteinflößend genug aus, hoffentlich reichte dies.


    Die Anstrengung dieser paar Worte war mehr als zuviel für Lando, und er spürte, wie ihn die Schmerzen wieder in die Schwärze rissen. Er griff hinter sich, erspürte Witjons Gesicht und gab diesem eine schwache, aber hoffentlich dennoch wirkungsvolle Ohrfeige, bevor er sich mit einem "Stelle dich. Bin gleich... wieder... da..." in eine erneute Ohnmacht verabschiedete...

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    Ganz offenbar lebte er noch. Schlecht. Wäre ihr Anführer gefallen, hätten sie wohl leichteres Spiel gehabt. Andererseits war er wohl verletzt genug, um nicht mehr mitkämpfen zu können. Allerdings hatte Gerald schon schwerer verletzte Kämpfer plötzlich noch mal aufstehen und um sich schlagen gesehen. Ganz tot wäre er ihm so betrachtet lieber gewesen.
    Vor allem, als er den Vorschlag hörte. Am liebsten wollte er lachen. Es war dämlich, die Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen. Sie hatten sie schon! Warum das alles riskieren in einem bescheuerten Zweikampf, dann auch noch gegen den seltsamen Kerl, der auch noch den Namen eines Thursen trug? Für einen von diesen war er zwar vermutlich noch immer zu klein, auch wenn er wirklich sehr groß war. Doch so ganz geheuer war Gerald die Sache nicht.
    Während Lando sich wieder ins Land der Träume verabschiedete, fing er also an, nach einer Möglichkeit der Ablehnung zu suchen. Es war wirklich zu ehrenhaft für seinen Geschmack. Zwar hatte Gerald durchaus noch Ehrgefühl, aber die Grenze zur Dummheit wollte er deswegen nicht überschreiten.
    “Alan ist verletzt, das wäre wohl kaum ein ausgeglichener Kampf“, fing er also an. Da kam ihm auch gleich eine viel bessere Idee, die auch gleichzeitig seine gebrochene Nase vergelten würde. Den Burschen da würde er höchstselbst auseinandernehmen, mit der Axt schön scheibchenweise filetieren. Damit hätte er Genugtuung, hätte vor diesem jämmerlichen Haufen und seinen Männern die Ehre hochgehalten und es würde den Verschanzten noch ein Mann fehlen, wenn sie weiterreisten.
    “Ich schlage also vor, dass statt Alan…“, doch weiter kam er nicht. Der Junge nämlich war im Gegensatz zu den älteren Haudegen noch sehr vom geist von Ehre beseelt und fühlte sich dadurch gekränkt, dass Gerald einfach behauptet hatte, er könne jetzt nicht kämpfen.
    “Ich kann kämpfen!“ schallte die kräftige Stimme des Blonden aus dem Hintergrund und er baute sich regelrecht neben Gerald auf, die Arme stur vor der Brust verschränkt. Zwar humpelte er nichtmal beim Gehen, aber ein geübter Blick auf seinen jetzigen Stand verriet, dass er das Gewicht auf das unverletzte Knie hauptsächlich stützte.
    Gerald drehte sich zu Alan um und sah ihn kurz ungehalten an. Warum mussten die Jungen nur immer in den unpassendsten Momenten etwas unglaublich Blödes anstellen? Da war ihm jeder schafvögelnde Halsabschneider noch lieber als diese von Ehre und Selbstüberschätzung getriebene Jugend! “Und dein Knie?“ knurrte er schon mehr, als dass er es wirklich sprach.
    Aber entweder überhörte Alan ihn, oder er wollte es nicht hören. Der Junge fixierte Witjon einfach mit seinen blauen Augen, die Pose ein Sinnbild jugendlicher Unsterblichkeit, und Gerald ahnte schon, was kommen würde, ehe der Junge es aussprach. “Das ist nichts, nichtmal ein Kratzer. Ich kann mich dem Twabadwa stellen.“


    Jetzt hätte Gerald gerne eine Wand gehabt, gegen die er seinen Kopf hätte schlagen können. Soviel Dummheit war ja schon beinahe schmerzhaft beim bloßen Zuhören! Gut, Alan war trotz allem ein erfahrener Kämpfer, wenn er auch jung und hitzköpfig war. Aber das war der andere Bursche auch. Und Gerald hatte schon halb zugestimmt, jetzt konnte er keinen Rückzieher machen.
    Er baute darauf, dass die beiden Jungen sich prügeln würden, bis sie nicht mehr konnten, und der Kampf dann zwischen diesem Thrymr und seinem Kämpfer laufen würde. Kurz dachte er nach, ob er sich selber diesem komischen Kerl stellen sollte, immerhin war er der Anführer und seine Macht baute eigentlich nur auf seinem Geschick auf. Aber der Hüne war größer als er und hatte eine höhere Reichweite wohl, und Gerald war trotz allem nicht der beste Kämpfer aller anwesenden. Er wollte nicht noch ein Risiko eingehen, abgesehen davon, dass er an seinem kleinen Leben doch ein wenig hing. Und Birger war bei weitem besser, vor allem im Zweikampf. Da war der 35-jährige schon beinahe erschreckend effektiv und beherrscht und damit die bessere Wahl.
    “Nungut“, wandte er sich also wieder dem Klüngel bei den Pferden zu. “Dann wird Alan gegen dich kämpfen, und zum Beinaz bestimme ich Birger hier. Sax und Schild.“
    Birger war sehr gut in dieser Kombination, und Alan nicht unfähig. Der Bursche würde schon lange genug durchhalten.


    Gerald gab seinen Männern ein Zeichen, dass sie Abstand nehmen sollten, damit so ein Kampfplatz entstehen konnte. Dabei nahm er Alan noch einmal kurz am Arm und raunte ihm noch letzte Tipps zu. Vielleicht gelang es dem Heißsporn ja, den vermeintlichen Heruten Witjon zu besiegen. “Er mochte die Römerin, die in die Schlucht gestürzt ist. Nutze das. Mach ihn wütend, warte auf Fehler, und schlag dann zu. Überstürze es nicht, halt die Deckung oben und bleib ruhig. Effektiv kämpfen, wie immer, und heil heimkommen.“
    So war ihr Grundsatz, wenn sie auf Beutefang gingen, so sollte es Alan am besten für sich einverleiben und danach handeln. Warum nur musste die Jugend immer so vorschnell sein?

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