…genau danach war ich auf der Suche. Aber was war denn ein gutes Buch? Was gut oder schlecht war, war relativ und lag stehts im Ermessen des Lesers. Ich hatte schon vieles gelesen: Die geistigen Ergüsse griechischer und römischer Dichter, allerlei Wissenswertes über Heil- und Giftpflanzen., von Dramatik strotzender Lyrik. Alles was ich nun suchte, war etwas für´s Herz. Etwas Triviales. Nichts Hochgeistiges. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich in der flavischen Bibliothek fündig werden würde, obschon man hier ab und an gewisse Abenteuer des Sklaven Gaius gesichtet hatte. Vielleicht aber hatte lange vor mir ein weibliches flavisches Wesen eine Anschaffung in diese Richtung gemacht.
Selbstverständlich war ich alleine hier her gekommen. Mitwisser konnte ich nicht gebrauchen. Auch hatte ich einen Zeitpunkt abgewartet, an dem der altehrwürdige Bibliothekar nicht anwesend war. Es wäre mir einfach zu peinlich gewesen, ihn nach der von mir gewünschten Literatur zu fragen oder gar mit einer solchen unter dem Arm gesehen zu werden .
So stöberte ich Regal für Regal durch, zog einzelne Textrollen heraus und schob sie enttäuscht wieder zurück. Das ging eine ganze Weile so. Fast hätte mich der Mut verlassen, doch dann, in einem der hintersten Regale, ganz unten in der Ecke links, dort wo sich bereits Patina gebildet hatte, weil dort niemals jemand schaute, fand ich es. Ein Text, der vor Schmalz nur so triefte! Flammen der Leidenschaft, so war der Titel. Den Verfasser des Werkes konnte ich nicht mehr entziffern, was nicht das Schlechteste war. Genau das, was ich brauchte, Flammen der Leidenschaft. Nun durfte ich mich nur nicht erwischen lassen. Das wäre einem gesellschaftlichen Selbstmord gleich gekommen. Auf Zehenspitzen huschte ich zur Tür und wollte mich wieder in mein cubiculum verdrücken, da geschah es! Die Tür öffnete sich, wie von Geisterhand. Ich wurde kreidebleich. Einzig alleine meiner guten Körperbeherrschung war es zu verdanken, daß das corpus delicti hinter meinem Rücken verschwand.
Reserviert!