Bibliotheca | Ein gutes Buch

  • …genau danach war ich auf der Suche. Aber was war denn ein gutes Buch? Was gut oder schlecht war, war relativ und lag stehts im Ermessen des Lesers. Ich hatte schon vieles gelesen: Die geistigen Ergüsse griechischer und römischer Dichter, allerlei Wissenswertes über Heil- und Giftpflanzen., von Dramatik strotzender Lyrik. Alles was ich nun suchte, war etwas für´s Herz. Etwas Triviales. Nichts Hochgeistiges. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich in der flavischen Bibliothek fündig werden würde, obschon man hier ab und an gewisse Abenteuer des Sklaven Gaius gesichtet hatte. Vielleicht aber hatte lange vor mir ein weibliches flavisches Wesen eine Anschaffung in diese Richtung gemacht.
    Selbstverständlich war ich alleine hier her gekommen. Mitwisser konnte ich nicht gebrauchen. Auch hatte ich einen Zeitpunkt abgewartet, an dem der altehrwürdige Bibliothekar nicht anwesend war. Es wäre mir einfach zu peinlich gewesen, ihn nach der von mir gewünschten Literatur zu fragen oder gar mit einer solchen unter dem Arm gesehen zu werden .
    So stöberte ich Regal für Regal durch, zog einzelne Textrollen heraus und schob sie enttäuscht wieder zurück. Das ging eine ganze Weile so. Fast hätte mich der Mut verlassen, doch dann, in einem der hintersten Regale, ganz unten in der Ecke links, dort wo sich bereits Patina gebildet hatte, weil dort niemals jemand schaute, fand ich es. Ein Text, der vor Schmalz nur so triefte! Flammen der Leidenschaft, so war der Titel. Den Verfasser des Werkes konnte ich nicht mehr entziffern, was nicht das Schlechteste war. Genau das, was ich brauchte, Flammen der Leidenschaft. Nun durfte ich mich nur nicht erwischen lassen. Das wäre einem gesellschaftlichen Selbstmord gleich gekommen. Auf Zehenspitzen huschte ich zur Tür und wollte mich wieder in mein cubiculum verdrücken, da geschah es! Die Tür öffnete sich, wie von Geisterhand. Ich wurde kreidebleich. Einzig alleine meiner guten Körperbeherrschung war es zu verdanken, daß das corpus delicti hinter meinem Rücken verschwand.


    Sim-Off:

    Reserviert! :D

  • Er hatte schon seine ganze Privatsammlung durchstoebert. Es waren schon einige Schriftrollen, die er in seinem Raum gehortet hatte, doch nichts nuetzliches war dabei gewesen. Das, was am Ehestem dem entsprach, was er suchte, trug den schwungvollen Titel "Eine Abhandlung ueber die wirtschaftlichen Moeglichkeiten der Provinz Noricum" und war verzweifelt von ihm an die Wand geschleudert worden.
    Nun gab es aber noch eine Alternative, die Bibliothek. Achtlos liess er seine Schriftrollen in seinem Cubiculum liegen und hastete zur Bibliothek, vermutlich etwas schneller, als es seinem Stande angemessen war. Er hatte, den Goettern sei Lob und Dank, nicht mehr die selben Schwierigkeiten, sich in der Villa zurecht zu finden, wie noch vor einigen Tagen, als er angekommen war. Zielsicher schlug er den richtigen Weg zur Buecherei ein. Fast haette er den alten, griesgraemigen Mago, den flavischen Bibliothekar, welcher in den Fluren herumlatschte, auf der Suche nach von desinteressierten Lesern irgendwo liegen gelassenen Buechern, ueber den Haufen gerannt, was ihm mit einem erzuernten Blick und einem protestierenden Murmeln gedankt wurde - mehr traute sich kein Sklave, nicht einmal Mago. Piso scherte sich nicht um den Unmut des Sklaven, sondern ging zielstrebig weiter, bis die Tuere zur Buecherei in Sicht kam. Hier muesste es etwas geben. Es musste so sein.
    Er blieb vor der Tuere stehen, drueckte die Klinke herunter und warf die Tuere mit ganzer Kraft auf, nicht die Gefahr bedenkend, dass hinter der Tuere jemand stehen koennte.
    Jenes Risiko, welches Piso fahrlaessigerweise ausser Acht gelassen hatte, realisierte sich.
    Er wurde einer Frau von umwerfender Schoenheit gewahr, wiewohl man in ihrem Gesicht ohne Zweifel einen gewaltigen Schrecken feststellen konnte. Dass sie etwas zu verstecken versuchte, fiel Piso gar nicht auf, er war selber relativ erschrocken.
    "Oh! Ist dir etwas passiert! Habe ich dir weh getan?", rief er aus. Nicht anders konnte man sich erklaeren, warum sie so bleich war.
    In diesem Moment fiel ihm etwas auf. Er kannte die Frau nicht. Wer war das? War das vielleicht diese, wie hiess sie, Sellerie, oder Celeritis, die er noch nie kennen gelernt hatte?

  • Meine Finger umschlossen ganz fest die Pergamentrolle mit dem zugegebenermaßen wenig geistreichen Text, damit ich sie nur nicht fallen ließ. Nur nicht fallen lassen, sonst bist du verloren, Celi, sagte ich zu mir um mich gleichsam zu beruhigen. War ich jetzt schon so tief gesunken, daß ich wegen dieser Schundliteratur mein Ansehen auf´s Spiel setzte? Aber nein, ich trachtete doch nur nach etwas seichter Unterhaltung, mehr nicht. Andere suchten ihr Heil im Alkohol, ich las Flammen der Leidenschaft. Na und?!


    Unter anderen Umständen hätte es mich ja brennend interessiert, wer dieser junge Schnösel war, der es gewagt hatte, ohne dem Beisein des Bibliothekars, jene heilige Stätte des Wissens zu betreten. Der alte Mago konnte sehr unangenehm werden, wenn man nicht, wie ich, die uneingeschränkte Erlaubnis hatte, sich hier aufzuhalten. Nun ja, um ehrlich zu sein hatte ich diese nur auf Zeit, nämlich solange, wie ich dem alten Zausel gelegentlich einige Sesterzen zusteckte, damit er mich nicht mehr mit seinen spitzen Bemerkungen belästigte. Gegen dieses Urgestein des flavischen Sklaveninventars war nicht anders anzukommen. Ihm zu drohen, war reine Zeitverschwendung.
    "Oh, nein, nein, nein, nein, nein, nein! Wo denkst du hin. Nichts! Mir ist nichts passiert! Ich wollte gerade gehen, ja das wollte ich.", brachte ich völlig überstürzt hervor und erst danach fiel es mir auf, dass ich vielleicht einige Male zuviel das Wörtchen nein benutzt hatte. Nicht wirklich die Vorgehensweise, um keinen Verdacht zu erregen.

  • Piso versuchte krampfhaft, die Anzahl ihrer Neins zu zaehlen. Er scheiterte. Es mussten sicher fuenf oder sechs gewesen sein. Hmm. Einem Menschen, der nichts zu verbergen hatte, genuegte normalerweise nur eine einziges Nein, um seine Absicht deutlich zu machen. Oder zwei. Hoechstens drei.
    "Wieso denn gehen? Du stoerst ueberhaupt nicht!", meinte er und machte mit dem Armen eine grosszuegige Geste, welche eine alte Schriftrolle vom Regal riss. Instinktiv bueckte er sich, um sie aufzuheben, blickte zufaelligerweise nach links und erhaschte einen kurzen Blick auf die Schriftrolle, die die Frau in ihren Haenden einigermassen stuemperhaft hinter ihren Ruecken versteckt hielt. Dann fiel sein Blick auf die nach unten geflogene Schriftrolle. Ovid. Die Metamorphosen. Er laechelte und hob es auf. "Jetzt haette ich fast Ovid Schande angetan! Dabei war er ein guter Dichter. Auch wenn er sehr ungehoerige Sachen geschrieben hat, wie ars amatoria, die sicher nicht in die Finger von anstaendigen Leuten geraten sollten." Nun war ars amatoria ein keusches, von Anstaendigkeit nur so triefendes Werk, verglich man es mit jenem Schund, welchen Celerina in der Hand trug - von welchem Piso nicht wusste, aber er vermutete seine Existenz doch stark, und Grund dazu hatte er auch. Und so schenkte er ihr ein altkluges Laecheln. "Ich bin uebrigens Aulus Flavius Piso. Lass mich raten, du bist Flavia Celer... Celerina.", brachte er ihren Namen hervor, ohne jedoch weiter auf die Literatur in ihren Haenden einzugehen. "Ich wollte dich schon immer kennen lernen. Man hat mir gesagt, du waerst eine anstaendige, nette Frau, bisher hat sich der Eindruck bestaetigt.", meinte er freundlich. "Ich kenne mich in der Bibliothek aber leider nicht so gut aus...", er blickte sich um. "So riesig... weisst du, ich suche eine ethnologische Abwandlung. Ueber Syrien." Er wollte unbedingt wissen, wie die Syrer so waren. Von Nachteil wuerde es nicht sein.

  • Prinzipiell war ich gar nicht davon abgeneigt, einen Verwandten, den ich noch nicht richtig kannte, besser kennen zu lernen und gerade dann, wenn es sich um einen so scheinbar netten handelte. Doch der gute Piso hatte mich nun doch in einer sehr eklatanten und heiklen Situation erwischt, in der ich mich nicht besonders wohl fühlte. Die schmalztriefende Schrift hinter meinem Rücken, brannte wie Feuer. Doch nur ein kleines Missgeschick, seitens meines Verwandten ließ mich das, wenigstens für eine kurze Zeit, vergessen machen. In der Großzügigkeit seines Bewegungsradius hatte er doch tatsächlich eine der wertvollen Schriftrollen zu Fall gebracht. Ich hatte gar kein Verständnis dafür, wenn man auf diese Weise mit Büchern umging. Wenn ich eines Tages, so die Götter es wollten, Kinder haben würde, dann war dies eine der ersten Lektionen, die sie erlernen würden- den korrekten Umgang mit Büchern!
    Ein wenig von oben herab, mit einem leicht schockierten Ausdruck und der leicht nach oben gehenden Augenbraue sah ich ihn an und schwieg vorerst. Aus irgendeinem Grund war der musculus frontalis in unserer Familie besonders stark ausgeprägt. Wahrscheinlich lag das daran, da wir immer wieder mit Verblüffungen konfrontiert wurden, auch wenn wir das gar nicht wollten und oftmals auch gut darauf verzichtet hätten, wenn das möglich gewesen wäre. So wie auch jetzt, als der Gute sein Wissen um Ovids Schriften zum Besten geben wollte. Ich liebte Ovid und hatte schon sehr viel, um nicht zu sagen, fast alles gelesen! Natürlich hatte ich auch die ars amatoria nicht außer Acht gelassen. Der Grund, weshalb ich nun diesen seichten Schund hinter meinem Rücken versteckte, hatte ganz andere Gründe!
    "Ach ja? Was ist denn mit Ovids ars amatoria?", fragte ich abschätzig, während mein Augenhebermuskel noch immer seinen Dienst versah und er das edle Stück aufhob.
    Die Art wie er lächelte, gefiel mir nicht. Sie war so arrogant. Nun, zweifelsohne war er ein Patrizier, ein flavischer auch noch dazu und dann konnte man gelegentlich ein wenig zur Arroganz neigen, davon schloß auch ich mich nicht aus. Doch die Tatsache, dass dieser arrogante Blick mir nun galt, machte ihn keineswegs sympathisch!
    "So ist es!", bestätigte ich seine Annahme und ließ keinen Zweifel aufkommen, wie sehr mir seine Art missfiel.
    "Tatsächlich? So, hat man das?", meinte ich einsilbig weiter. Im Augenblick hatte ich nicht das Bedürfnis, mich auf eine größere Unterhaltung mit diesem Subjekt einzulassen. Alleine schon, um kein falsches Bild von mir und meinem literarischen Anspruch aufkommen zu lassen, wollte ich nur noch diese Lokalität sofort verlassen.
    "Syrien?" fragte ich und zwar so, als würde alleine schon dieses Wort einen Ekel bei mir hervorrufen. "Nun ja, es gibt eine besondere Abteilung für geographische Abhandlungen, bezüglich einiger Provinzen. Am besten lässt du dich da von unserem hochgeschätzten Bibliothekar beraten." Ich deutete leicht mit meiner freien Hand auf einen schmalen Gang der fast am Ende des Raumes lag. In dieser Kante lagen auch einige ganz interessante Werke, unter anderem über Ägypten.

  • Man sah der Frau, welche vor Piso stand, eines sofort an – es war eine waschechte Flavierin. Aus einer riesigen Menschenmenge konnte man ohne zu zögern sofort jeden Flavier herauskennen. An der Augenbraue. Jene war nun bei Celerina schwer in Betrieb, was Piso bemerkte, als er sich wieder aufrichtete. Nicht ohne Grund, dachte er bei sich, als er versuchte, ein paar Worte auf dem alten Pergament zu entziffern. Dem strafenden Blick wich er nicht aus, sondern er entgegenete ihm nur einen friedlichen und selbstzufriedenen Ausdruck in seinen Augen. Dann drehte er sich demonstrativ zur Seite.
    „Ich werde einmal sehen, wo ich das Pergament hineinlegen kann.“, meinte er und tat so, als würde er krampfhaft nach einer passenden Stelle suchen. Er wollte Celerina die Chance geben, das, was sie zu verstecken trachtete, zu beseitigen, und zwar, während er nicht hinschaute. Piso interessierte es, um ehrlich zu sein, nicht die Bohne, was Celerina las oder nicht. Er las hie und da auch die Geschichten vom Sklaven Gaius, genauso, wie das vermutlich jedes Mitglied der Familie tat. Natürlich verstohlen. Unter der Sklavenschaft munkelte man, dass Manius Gracchus ein großer Fan jener Serie von Schundheftchen gewesen war, und wohl noch immer ist.
    Piso ließ sich übertrieben viel Zeit damit, einen Platz zu finden und das Pergament quälend langsam dort hineinzustecken. Ebenso langsam wandte er sich wieder an Celerina. „Ovid ist dafür ziemlich kritisiert worden, und man muss wirklich sagen, dass einige Textstellen in jenem Buch ziemlich explizit sind. Wen wundert es, dass er schlussendlich nach Thrakien ins Exil geschickt worden ist?“, meinte er und zuckte mit den Achseln. „Wiewohl die Metamorphosen ganz wunderbar sind. Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo...“ Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Wundervolles Latein, das er benutzte.“, stellte er fest und blickte kurz nach oben, bevor er wieder auf seine... Nichte? Konnte man sagen, sie wäre seine Nichte. Womöglich. Auf jeden Fall, bevor er wieder auf sie blickte.
    „Freut mich. Und ja, das sagt man.“, gab er zurück, ohne sich mit langwierigen Erläuterungen zu befassen, da sie das ja auch nicht tat. Doch er war nicht blöd, und hatte das Signal erkannt. Er strengte sich krampfhaft an, nicht mehr arrogant daherzublicken, und rollte seine Augäpfel für einen Moment skurril in seinen Augenhöhlen umher, bevor sie sich wieder an ihrer angestammten Position einfanden.
    „Syrien.“, entgegnete er freundlich. „Ich habe eine neue Sklavin. Sie ist dorther. Ich verzweifle an ihr. Und möchte etwas über die Provinz herausfinden, aus der sie stammt, um zu erfahren, wie die Leute dort ticken.“, erklärte er. „Und so brauche ich einen guten Text... in Ordnung, wo war das nochmal? Dort?“, fragte er und zeigte auf ein Regal, und zwar prompt auf das falsche. „Danke für den Ratschalg, aber ich möchte doch zuerst einmal alleine klar kommen.“ Ich würde zahlen, um dem Griesgram nicht in die Quere zu kommen, dachte er sich dabei.

  • Er hielt immer noch die Schriftrolle in Händen ,die schändlicherweise durch sein Verschulden zu Boden gegangen war. Offenbar wußte er nicht, wohin damit. Etwas ungeschickt sah er sich nach ihrem Platz um. Dabei war es doch offensichtlich, wohin sie gehörte. Dass dies alleine nur eine Taktik war, um mir Gelegenheit zu geben, mich der Flammen der Leidenschaft zu entledigen. Allerdings kam ich nicht darauf, da es mich viel zu sehr beschäftigte, mich über das schwerfällige Verhalten dieses Flegels aufzuregen. Oh ihr Götter! Mußte man ihm etwa auch noch helfen? War er wirklich so unfähig? Un dies wollte ein Flavier sein?
    "Da gehört es hin!", rief ich schließlich, um all dem ein Ende zu bereiten und deutete auf die richtige Stelle im Regal. Dabei hatte ich gedankenlos die kompromittierende Schriftrolle zum Vorschein gebracht. Ehe ich sie wieder hinter meinem Rücken verschwinden lassen konnte, hatte er sie mit größter Wahrscheinlichkeit auch schon erblickt. Natürlich wollte ich mir jetzt nicht die Blöße geben und sie wieder verschwinden lassen. Ich trat die Flucht nach vorne an und schenkte der Schriftrolle keinerlei Interesse mehr. Vielmehr ließ ich mich auf ein Gespräch mit ihm ein.
    "Nun sagen wir eher, er war dem sittenstrengen Augustus ein Dorn im Auge, wobei man ja auch anderes munkelt!", antwortete ich und lächelte unterschwellig dabei. Glücklicherweise hatten sich die Zeiten ein wenig geändert, wenngleich sich der erste Kaiser in vielerlei Hinsicht sich ins Gedächtnis der Leute geschrieben hatte.


    Einen Moment lang überlegte ich, ob ich den Namen Flavius Piso schon einmal gehört hatte. Aber da mußte ich passen. Aus den gleichen Gründen wußte ich auch nicht, in welcher Beziehung wir standen. Womöglich war er auch noch einer meiner Onkel, wie so viele andere. Vielleicht sollte ich ihm gerade deshalb doch ein wenig Ehrerbietung erweisen, auch wenn ich ihn nicht besonders schätzte.
    "Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!" gab ich von mir und lächelte süßlich dabei.


    Seine Erklärung, weshalb er sich ausgerechnet über Syrien informieren wollte, fand ich wiederum rührend. Wegen einer Sklavin sich auch noch Arbeit aufhalsen! Das ging doch auch anders!
    "Ach herrje, eine Sklavin! Dafür mußt du doch kein Buch lesen! Sie kommt doch aus diesem Land. Also hast du doch die Information aus erster Hand. Frage sie einfach, was du wissen willst! Ich gestehe übrigens meinen Sklaven eine winzig kleine Freiheit ein, indem ich sie in ihrer heimischen Gewändern einkleiden lasse."

  • Die Genervtheit in der Anweisung von celerina entging Piso durchaus nicht. Er blickte kurz zu ihr hin, ohne den Kopf zu wenden, nur die Augäpfel benutzend, und grummelte kaum hörbar. Da machte er sich Mühe und führte sich auf wie ein Idiot, um seiner Verwandten eine brillante Chance zu geben, ihre Rolle, was auch immer sie enthielt, zu entfernen, um somit das Gesprächsklima zwischen ihnen zu lösen. Aber neinen, Madame belieben es, besserwisserisch zu sein. Jetzt zeigte sie auch noch demonstrativ mit der Schriftrolle auf die Stelle, wo der Text hingehörte. Nicht sehr überraschend, kamen die Metamorphoses zwischen die Medicamina Faciei Femineae und der Nux, welche ebenfalls von Ovid waren. Die Bibliothek war einwandfrei alphabetisch geordnet.
    Nun, da die Schriftrolle ihren Platz gefunden hatte, wandte sich Piso wieder an Celerina und ergatterte einen Blick auf ihre Schriftrolle. Der Titel war irgendetwas von Feuer der Lebenslust oder sonst irgendein Frauenkram. War ja egal. Piso bestand nicht darauf, dass alle Welt nur Homer und Cicero las.
    Er zuckte auf ihre Ansage hin die Achseln. „Augustus war durchaus ein strenger Mann. Fair und gerecht, doch streng. Ovidius Nasos Strafe mag etwas harsch gewesen sein, ein solch großer Wortschmied hätte eine bessere Grabesstätte verdient als Tomis.“ Er war sich ziemlich sicher, seine Meinung über jenen Sachverhalt deckte sich mit der Meinung der meisten Römer.
    Ihre Worte, als sie sagte, es wäre ihr ein Vergnügen, ihn zu treffen, klangen nicht ganz ehrlich. Piso hielt sich davor zurück, scheel zu blicken. Was nicht war, konnte ja noch werden. Wiewohl sie ihre erste Bekanntschaft mit ihrer Geheimtuerei um die Schriftrolle etwas verpatzt hatte. „Nun weiß ich dich nicht recht im Stammbaum der Flavier einzuordnen.“, gab Piso zu bedenken. „Mein Vater ist der ehrenwerte Gnaeus Flavius Aetius.“, machte er, versuchend, Respekt vor seinem Vater zu implizieren, wenngleich er froh war, nicht mehr unter dessen Fuchtel zu stehen. Er hoffte also, Celerina würde ihm sagen, wer ihr Vater war. Eine allzu nahe Verwandte konnte sie nicht sein, man würde sehen.
    Doch da! Ein Ausdruck von Amusement und vielleicht einer kleinen Spur von Sympathie, als Piso über seine Sklavin zu sprechen anfing. „Das Problem ist, sie ist ein wenig... unzugänglich.“ Er zuckte die Achseln. „Um ehrlich zu sein, etwas widerspenstig. Mit ihr zu reden hat keinen Sinn, da wird sie immer furios. Keine Ahnung, muss wohl an mir liegen. Ich hoffe, mit etwas Kenntnis über Syrien, die Sitten und die Sprache der Einwohner, kann ich mir eine Art von Zugang zu ihr verschaffen.“ Er überlegte. „Aber das mit den einheimischen Gewändern ist eine gute Idee. Ich habe da schon so einen unglückseligen Parther mit einem lächerlichen... Kleid herumhampeln gesehen. Das war dann wohl deiner?“, lächelte er.

  • "Da hast du wohl nicht unrecht, Flavius Piso! Tomis liegt in Thrakien, wenn mich mein geographisches Wissen nicht ganz im Stich läßt. Oh, diese Thraker! Ein wahrhaft barbarisches Volk!" Mittlerweile durfte es sich wohl sogar im letzten Winkel dieses Hauses herumgesprochen haben, wie groß mein Groll gegen einen ganz speziellen Thraker war. Ich hatte Mühe, mich von meiner Wut nicht schon wieder beschleichen zu lassen. Schließlich wollte ich nicht in den Ruf kommen, jähzornig zu sein. Außerdem interessierte es mich ja noch nach wie vor, wer dieser Piso eigentlich genau war. Die Antwort darauf kam prompt, wobei sie nicht besonders einleuchtend für mich war. Genauso wenig wie Aulus Flavius Piso war mir sein Vater, der ehrenwerte Gnaeus Flavius Aetius bisher untergekommen. Was allerdings auch nicht sehr verwunderlich war. Von den italischen Flaviern kannte ich nur diejenigen, die sich bei meiner Ankunft in Rom in der Villa aufgehalten hatten.


    "Mein Vater ist Gaius Flavius Maximus," antwortete ich belanglos. Meinem Vater gegenüber empfand ich keinerlei Notwendigkeit, ihm Respekt und Dankbarkeit zu zollen. "Ich entstamme der hispanischen Linie. Daher dürfte unsere Unwissenheit herrühren."Die blamable Schriftrolle war längst vergessen. Zwar hielt ich sie noch in Händen, doch war sie erfreulicherweise nicht zum Sujet unserer Unterhaltung geworden und ich war nicht in die Verlegenheit geraten, mich zu erklären. Dennoch hielt ich es von Nöten, dem jungenFreund hier einige Ratschläge in Sachen Sklavenbehandlung zu geben. Denn darin gebärdete er sich noch recht unerfahren.
    "Sie ist… unzugänglich? Aha! Widerspenstig! Und du meinst, indem du sie mit deinem Fachwissen über ihre jämmerliche Heimat beeindruckst, wirst du sie zähmen können? Mein lieber Junge, Sklaven verstehen nur eine Sprache, um ihnen Gehorsam beizubringen! Die Peitsche. Zeige ihr, wer der Herr ist und lasse sie genau wissen, dass sie es auf keinen Fall ist!"
    Seine letzte Bemerkung irritierte mich ein wenig und nun war ich es, die unsicher wurde. "Äh wie meinst du das, der unglückselige Parther, der mit einem lächerlichen Kleid herum hampelt? Findest du das zu.. äh unästhetisch oder sogar lächerlich?" Wenn er darauf mit ja antworten sollte, konnte mich dies in eine tiefe Krise stürzen un dich hätte so einiges zu überdenken.

  • Ah, da hatte er ja ein tolles Thema angerissen. Man musste echt taub sein, oder die letzten paar Wochen in seiner Kammer gesessen sein, die Ohren sich zugehalten haben und dabei laut am Summen gewesen sein, um nicht die Sache mit dem thrakischen Sklaven mitgekommen zu haben. Nun, Piso war ein Mann, der schon viel früher einen Rat hätte geben können. Spartacus war ein Thraker gewesen, um nur ein Beispiel zu nehmen. Es handelte sich hierbei um ein sehr gefährliches Volk. Ihm war unklar, wieso man sich so einen thrakischen Sklaven freiwillig antat.
    Er nickte also nur beipflichtend. Doch, kein Fettnäpfchen auslassend, musste er unbedingt noch hinzufügen: „Nun, aber Thrakisch als Sprache soll sehr poetisch sein. Im Exil verfasste Ovid mehrere Gedicht auf Thrakisch.“, belehrte er Celerina. Ob dies eine gute Idee war? Piso war sich dessen sicher.
    Sie erwähnte nun ihren Vater, den Piso nicht kannte, aber zumindest wusste er nun, wo er sie einordenen konnte. „So, du bist also aus Hispania!“, machte er, die Augenbrauen beide hinaufziehend. Hispania, hmmm. Vielleicht waren die hispanischen Flavier nicht so weit unten wie der plebejische Zweig der Familie... aber, tja... wie dem auch sei, Piso quetschte ein freundliches Lächeln aus seinen Gesichtszügen hervor. „Oh, ich respektiere die hispanischen Flavier voll und ganz! Voll und ganz, sie sind doch schließlich auch patrizische Flavier, wie wir alle!“, beteuerte er. Schon die Tatsache, dass er dies tat, musste leises Misstrauen erwecken.
    Sie kamen nun auf die Sklavenhaltung zu sprechen. Celerina missfiel es offenbar, dass Piso kein gewalttätiger Mensch war. „Ja, die Peitsche, ich meine... so eine Peitsche schwingen, dann... dann fließt Blut und... Die Haut wird zerfetzt und... pfui, wie unästhetisch!“, rief er aus. „Nein, da muss es doch andere Wege geben!“ Er war jetzt nicht der Gewalt per se abgeneigt, nur den unästhetischen Nebenwirkungen, die sie mit sich brachte. „Wenn schon Strafe, dann sollte sie ästhetischen Ansprüchen genügen!“, demandierte er, während er darüber grübelte, warum sie ihn „mein lieber Junge“ nannte. Er musste einfach jünger ausschauen, als er es wirklich war. Genau, das war es. Nicht etwa, weil er so ein Kindskopf war.
    Dass sie ihn nun fragte, ob die Robe des Parthers unästhetisch sei, entlockte Piso ein Lächeln. Er befand sich nun in seinem Metier. „Ästhetik! Welch ein Begriff! Wie weit und eng doch zugleich! Mein Lieblingswort, musst du wissen. Wie oft schon, ach, haben Philosophen und Künstler versucht, den Urpsrung jenes Wortes, eine Definition davon, zu ergründen. Was ist ästhetisch und was nicht? Eine uralte Frage, Celerina, uralt! Sie zu beantworten obliegt uns nicht an dieser Stelle, doch soll ich dir eine Antwort geben? Die Gewänder des Parthers sind, obwohl schon arg an der Grenze, nicht gar so lächerlich und unästhetisch wie die deines seltsamen Negersklaven. Immerhin ist er immer eine Quelle der Heiterkeit, wenn er an mir vorbeistolziert mit seinen bunten Fetzen.“ Er grinste breit. „Ich würde vorschlagen, du lässt die beiden so, so ist für Humor gesorgt.“

  • Ich hatte mich noch nicht ganz abgeregt, was den Groll gegen meinen geflohenen Thraker betraf, da begann dieser Crétin auch noch Salz in meine Wunden zu streuen. Ich mochte es nicht, wenn man mir widersprach! Piso war wieder auf dem besten Wege, sich unbeliebt zu machen. Jedoch zog ich es vor, Ruhe zu bewahren und mich nicht vor seinen Augen wie eine Cholerikerin zu gebärden.
    "Ach wirklich? In der Not frißt der Teufel Fliegen!", gab ich trocken zu bedenken und schloß für mich dieses unliebsame Thema ab.
    Doch damit war es nicht genug. Gleich darauf brüskierte er mich mit einer weiteren Unverschämtheit, als sich unser Gespräch auf meine Herkunft lenkte. Auch wenn ich nicht bei meinen leiblichen Eltern aufgewachsen war, so war ich doch eine echte Flavia! Der hispanische Zweig war in keinster Weise schlechter gestellt, als der italische. Gut, wir hatten eine gewisse Altlast zu tragen, aus den Ereignissen, die vor einigen Jahren von Mitgliedern unseres Zweiges begangen worden waren, an die wir uns nur ungern erinnerten. Doch das Attentat auf den Kaiser lag nun schon lange zurück. Zu dieser Zeit lebte ich noch unglücklich verheiratet in Lutetia und hoffte auf bessere Tage.
    Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund begann er nun darauf herumzureiten. Wahrscheinlich wollte er mich damit nur reizen. Genügte es ihm nicht, daß ich ein Relikt einer untergehenden Linie war? Ich entgegnete nichts darauf, sondern dachte mir meinen Teil.
    Wie wenig Rückgrat er doch besaß, zeigte sich auch in der Frage der optimalen Sklavenhaltung. Seine Bedenken, die er gegen die Peitsche erhob, waren völlig haltlos. Ich schüttelte nur den Kopf dabei. Dieser Junge mußte noch sehr viel lernen! Wie alt war er denn überhaupt? Schätzte ich ihn zu jung ein oder kam ich mir zu alt vor, wie auch immer. Ich widersprach ihm. "Ach papperlappapp! Eine ordentliche Tracht Prügel hat noch keinem Sklaven geschadet. Wir Flavier verfügen über ein äußert versiertes Fachpersonal, welches sich widerspenstigen Sklaven wie deiner kleinen dummen Syrerin annehmen kann. Rede doch einfach einmal mit Gracchus Vilicus! Der kennt Mittel und Wege... Und wenn du so viel Wert darauf legst, daß ihre Haut nicht beschädigt wird, dann verpasse ihr einfach einige Stockhiebe. Das hat den gleichen Effekt, ist aber weniger blutig. Die blauen Flecke verschwinden von alleine wieder."
    Mit einer einzigen Frage, die die Kleidung meines Parthers betraf, hatte ich unwissentlich in ein Wespennest gestochen. Ein nicht enden wollender Monolog über die Bedeutung von Ästhetik brach über mich herein. Er schaffte es mit so vielen Worten rein gar nichts zu sagen. Doch dann zum Schluß traf er mich tief in meiner Brust. Mein Herz drohte, seinen Dienst zu versagen, als er meine neueste Errungenschaft ins Spiel brachte. Meinen Schwarzen, dem ich es gestattet hatte, ebenfalls in seiner Landestracht gekleidet, seinen Dienst zu verrichten.
    "Das ist ja…! Ich bin… Du bist also tatsächlich der Meinung, meine Sklaven sorgen mit ihrem Auftreten nur für Gelächter? Ist es das,was du damit sagen willst?" Ich war gänzlich fassungslos und wurde ganz weiß um meine Nase.

  • Nehmen wir einmal die einsichtige, besonnene Person, die im edlen Handwerk der Juristerei so viel Beachtung auf sich lenkt, und ihren Standpunkt. Solch ein objektiver Beobachter hätte Piso sicherlich gewarnt, nichts mehr daraufzusetzen, es sein zu lassen, klein beizugeben.
    Doch Piso war weder einsichtig noch besonnen. Nein, in diesem Moment ließ er ohne Hemmungen den Besserwisser raushängen, und setzte dem leidigen Thema noch eines auf. „Der Teufel, soso! Ist das nicht der Dämon der Juden und der Christen? Ich hoffe doch nicht, dass du Sympathien in diese Richtung hegst.“ Wäre ja wieder mal typisch für diese Hispanier, den ganzen Tag nichts im Kopf als Kaiser zu ermorden, Sklaven aus Fahrlässigkeit laufen zu lassen, christlichen Sekten sich anzuschließen, blablabla (wobei er komplett aus seinen gedanken ausschloss, dass Animus, der Italiener, und Bruder des gracchus, sogar römsicher Bischof gewesen war). Piso wusste schon, wieso er stolz darauf war, Italiener zu sein. Wenn auch Norditaliener. Aber das war ja nichts Verwerfliches. Dachte er.
    Und somit ließ er den Gedanken leichtfertig fallen, er wollte ja nicht annehmen, dass seine Verwandte Christen oder sonstiges Gesocks waren. Vielmehr interessierte ihn nun die Frage, wie er eine ästhetisch anspruchsvolle Bestrafung an Sklaven vollziehen sollte. Doch die Hinweise, die sie ihm gab, waren nicht hilfreich. Piso aber lächelte höflich. „Bei meiner Ehre, du bist eine resolute Frau, Celerina. Das meine ich in der bestmöglichen Art und Weise. Mit Gracchus‘ Vilicus rede ich gern, doch er ist leider in Griechenland. Da hilft er mir wenig. Vielleicht sollte ich einfach einmal seinen Ersatzmann kontaktieren? Der spukt doch irgendwo rum. Aber Stockhiebe? Diese sind barbarisch!“ Er verdrehte seine Augen metrosexuell. „Ich denke, ich muss sie ins Loch sperren, wenn sie mir nicht entgegen kommt, das scheint das Einzige zu sein, was hilft.“ Er seufzte.
    Und seufzte gleich abermals, als eine ungläubige Frage an ihn gerichtet wurde. Die Gute wurde ja kalkweiß! Man sollte schon eine bessere Verfassung annehmen von einer Frau, welche von Piraten schon brutalisiert worden war, und die Sklaven ohne mit der Wimper zu zucken eins mit der Peitsche überbraten würde.
    „Neinneinnein!“, lachte er heiter. „Oder aber doch, sagen wir... sie sorgen für die nötige Auflockerung, die dieses Haus braucht. Sie verbreiten einen ganz eigentümlichen Charme, der jeden ein Lächeln aufs Gesicht zaubert!“ Er breitete seine Hände in einer dramatischen Geste aus und grinste sie an. Sein Grinsen musste von seinem einem zum anderen Ohr reichen. „Du weißt eh, was ich meine, nicht wahr?“

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