Von Bauklötzen und Fliegen

  • Sim-Off:

    Wer mag... :)


    Nachdem Vala ganze zwei Tage gebraucht hatte, um sein neues Zuhause zu erfassen, und zu erfahren, machte er sich auf die Stadt zu erkunden, die den Büchern in der Casa zufolge um ein Legionslager herum entstanden war. Das Legionslager war wohl das Gebilde, das von weitem zu erkennen war, auch wenn die Höhe der anderen Gebäude in der Stadt für Valas Verhältnisse irrwitzig war, überragten die Wachtürme des Lagers die Dächer der Häuser und waren somit eindeutiges Zeichen, wer hier das Sagen hatte.
    Das imponierte Vala, und so entschloss er sich von der Casa der Straße westwärts zu folgen, an der Wiese der Hros vorbei, einen langen Blick auf die mächtige Stadtmauer werfend, die noch geräumig genug angelegt worden war, um ausladende Grünflächen in der Stadt zu ermöglichen. Schließlich stand Vala nahe des nördlichsten Wachturms, machte einem vorbeiziehenden Karren Platz, der wohl auf dem Weg zum Haupttor war, und beobachtete.
    Das, was ihm als erstes auffiel, und was ihn in größeres Erstaunen versetzte, war die steinerne Bauweise. Das ganze, ungeheuer große Ding war aus Stein erbaut. Die Türme, die Mauer, alles aus Stein!


    Vala hatte rechts des Rhenus im Laufe der Jahre, die ihn an so ziemlich jeden Ort Midgards geführt hatten, und das selten in friedlicher Mission, einige ehemalige Römerkastelle gesehen, die meisten davon unbefestigt und schon mit der Flora der Gegend verwachsen, stille Einkerbungen im Boden die an die ehemalige Präsenz des Reichs rechts des Rhenus erinnerten. Und wenige ehemals befestigte, nurnoch Holzgerippe, von den umwohnenden Sippen für Baumaterial geplündert und abgerissen, und nurnoch in seinen Grundzügen als ehemaliges Bollwerk der römischen Militärmacht erkennbar. Und jetzt stand er der, seiner unwissenden Meinung nach, Perfektion der Baukunst gegenüber.
    Am Tor war reges Treiben, größtenteils Zivilisten, wohl viele Sklaven, waren dabei Dinge rein und rauszutransportieren, der Grund dafür erschloss sich ihm allerdings nicht. Auch Soldaten, davon allerdings die wenigsten gerüstet...


    Vala ging lockeren Schrittes an der Castra vorbei, blieb hier und dort stehen weil ihm etwas aufgefallen war, und ließ seinen Blick immer wieder von der Castra zur Stadt schweifen, und zurück... so viel gab es für ihn zu entdecken. Seine Eltern hatten nicht übertrieben. Eigentlich kannte er dies alles schon, allerdings nur aus den Erzählungen seiner Eltern her, und nun bekamen diese Erzählungen reelle Grundlagen. Die sein persönliches Bild von den Erzählungen weit übertrafen... er kam aus dem Staunen nichtmehr heraus.

  • Nachdem er sich an der Castra satt gesehen hatte, was durchaus eine komplette Stunde in Anspruch genommen hatte, wanderte Vala langsam an dieser vorbei, und bog schließlich links in die breite Straße einbog, die direkt vom Haupttor des Castellums durch die ganze Stadt bis zum Rhenus zu führen schien. Die Gebäude hier schienen um Welten größer zu sein, für Valas Verständnis schon fast perfekt groß. Natürlich nicht so breit wie die Mauern des Castellums, dafür aber mit atemberaubender Behäbigkeit in Höhe und Bauart. Was ihm erst jetzt auffiel, war, dass die Häuser und Paläste der Römer kaum Holzeinbauten aufwiesen, ganz im Gegenteil zur Casa Duccia, die mit in nicht unwesentlichen Teilen mit dem Holz der hiesigen Wälder verstärkt war. In diesem Moment begriff er, dass das wohl eine Anlehnung an die Bauweise der Ahnen sein musste, die die Erbauer der Casa, bzw. ihre Umbauer, in die Heimstatt des größten Teils der Familie hatten einfließen lassen. Was Vala in diesem Moment noch nicht wusste, weil es ihm bisher einfach als zu natürlich vorgekommen war, war, dass die Familie sich in mehr als nur der Bauart der Casa von den römischen Mitbürgern unterschied.


    Während er so die Straße entlangwanderte, und jede Neuigkeit in sich aufsog, fiel ihm irgendwann auf, dass die Menschen, die in dieser Stadt lebten, längst nicht alle als Römer zu erkennen waren. Viele sprachen Latein, eigentlich alle, aber kaum jemand war so prägnant als Italiker zu erkennen, dass man sofort sagen konnte dass dies eine Stadt römischen Ursprungs war. Viele erkannte man sofort als Germanen, wenn sie sich untereinander grüßten, andere als Kelten, und wiederrum andere als Menschen, die Vala nicht sofort zuzuordnen wusste. Diese Stadt war voll mit ihnen, und alle sprachen Latein. Zumindest, wenn sie es mit Römern zu tun bekamen, so schien es Vala. Denn die germanischen Dialekte hatten sich hier wohl zu einer Sprache verwoben, die mehrere Menschen mit verschiedenem Hintergrund sprachen... Vala hatte zuerst Probleme, dem zu folgen, was ihn sehr verwirrte, war es drüben doch anders gewesen, in den Landen Midgards sprach er oft mit seinem Vater Latein, damit man sicher gehen konnte, dass gewisse Personen es nicht verstanden, und so Geheimnisse verraten wurden, und hier sprach man germanisch, und Alrik verstand es nicht. Nicht sofort, zumindest. Die Sprachen der verschiedenen Stämme jenseits des Rhenus ähnelten sich genug, um nach einer Weile kommunizieren zu können... aber dies hier? Das war ein Mischmasch aus Latein, verschiedenen germanischen Dialekten, und wahrscheinlich auch keltischen.
    Vala gab sich größte Mühe, zu lernen... und irgendwann gelang es ihm auch, sich in die Gespräche reinzuhören, um zu lernen was diese Menschen bewegte, die in dieser Stadt lebten.


    Die Erkenntnisse wichen weit von dem ab, was er zu erwarten hatte. Die Aussaat der zu kommenden Ernte war kaum ein Thema, vielmehr ging es um Handel und Arbeit. Wie sein Vater gesagt hatte, in den Städten gab es Menschen, die keine eigene Landwirtschaft betrieben, sondern nur von dem lebten, was sie an Leistung für andere erbrachten. Das gefiel Vala... und es ging um Politik. Hier und da schnappte er Namen auf, die ihm bekannt vorkamen, weil es die römisczhen seiner Verwandten waren. Dort ging es um ein Gerichtsurteil, dass Witjon in seiner Funktion als Duumvir gefällt hatte, dort um seinen Vetter Phelan, der im Tempelbezirk für Ordnung zu sorgen, und hier um seine Cousine Eila, die den Staub aus der Schola zu fegen schien. Aber auch unbekannte Namen, die er nicht sofort zuordnen konnte. Petronius Crispus war einer dieser Namen, und man wunderte sich, warum er sich aus dem politischen Amt der Stadt entfernt hatte, hier wedelte man mit einer Ausgabe der Acta, was auch immer das war, und zitierte Texte, die wohl vom politischen Geschehen in der Stadt handelten. Sein Vetter war also zum Ritter ernannt worden... Vala wusste, was das bedeutete, sein Vater, selbst Ritter, hatte es ihm erzählt. Stolz war er schon ein wenig... und dann gewisse Beförderungen in der Legion, Ränge, die er kannte, aber die Namen dazu nicht. Terentius Lupus wurde Vexilarius. Ein Hadrianus Legionär, und irgendein Aurelius Tribun. Aurelius, da klingelte etwas in Vala. Hatte sein Vater nicht von den Ordines der Römer gesprochen? Oder war das doch etwas anderes... diese Patricii, wie er sie genannt hatte. Doch, die Aurelier gehörten dazu. Sein Vater hatte sie damals mit dem höheren Adel verglichen, der sich langsam in den Stämmen etablierte, wohl genau nach römischem Vorbild. Und ihm wurde beigebracht, dass seine eigene Sippe garnicht mal so entfernt von einem solchen Stand gewesen war... kurz bevor der Stamm vernichtend angegriffen und aufgerieben wurde. Vala hielt inne, als ein kleines Kind über die Straße tollte, und beinahe von einem Pferd totgetreten wurde... aber eben nur beinahe. Wie vergänglich alles doch war. Die Nornen hatten für dieses Kind vorgesehen, den Schreck seines Lebens just in diesem Moment zu bekommen, wie sie es für seine Sippe vorgesehen hatten, als eine der wenigen den Untergang des alten Stammes zu überleben, um jetzt, so absurd es klang, in Gesellschaft der alten Feinde wieder nach dem zu streben, was ihr einst inne war.


    Gedankenverloren schlendete Alrik die Straße weiter entlang, bemerkte die große Taberna, die wohl auch seiner Familie gehörte, und blieb kurz darauf mit schreckgeweiteten Augen stehen: die Regia des Legaten!


    "Meine Fresse..", ächzte Vala hilflos, als er sich mit dem oppulenten Palast des Statthalters konfrontiert sah. Diese Größe! Diese Bauart! Diese Ausstattung! Diese ALLES!
    Der Anblick hielt Alrik so gefangen, dass er es gerade schaffte darauf zu achten, dass ihm nicht ähnliches widerfuhr wie dem Kind, als er die Regia langsam umrundete, und in schierer Bewunderung für soviel in Stein gehauene Macht den Mund nichtmehr zu bekam.
    Dass der Bau im Vergleich zum Prätorium in der Colonia nur ein schwacher Abglanz war, oder gegen die Bauten die später in Augusta Treverorum entstehen sollten, oder gar gegen die in Rom oder den anderen Zentren des mediteranen Lebens, das wusste Vala nicht. Und er hätte es sich auch garnicht vorstellen können, so atemberaubend war dieser Moment für ihn...


    "Das ist Rom..", stelle er irgendwann fest, und die Erkenntnis, die vorher nur Ausgeburt theoretischem Denkens im Diskurs mit seinem Vater und den Stämmen war, bekam im Palast des Statthalters eine physische Existenz. Er stellte keine Fragen mehr... sein Vater hatte ihm von der Übermacht der Römer erzählt, von der Brillanz ihres baulichen wie politischen wie militärischem wie kulturellen Wirkens, aber fassen, oder auch nur glauben, konnte Vala dies nie. Zu abstrakt erschienen ihm die Gedanken und Erzählungen seines Vaters bisher... bis jetzt.

  • Von der Porta der Domus Legati Augusti und so weiter, sozusagen der Porta Domus Legati Augusti pro Praetore strebte Phaeneas auf den Ausgang der Regia, in der gleiche obengenannte Person residierte, zu. Dieser Weg war ihm inzwischen nach all den Jahren absolut vertraut, blind könnte er ihn gehen und dabei blind sagen, wo Wachen zu finden waren und auf welchen Gängen sich die meisten Menschen tummelten. Aber die Vertrautheit mit diesem Gebäude hatte für ihn nichts mit dem mit Vertrauen einhergehenden Gefühl gemeinsam. Ohne irgendeine architektonische Besonderheit oder einen außergewöhnliches Detail der Innenausstattung gesondert zu beachten schritt der Sklave fast jeden Tag wieder daran vorbei. Geld, Macht, Prunk, führende Positionen, das waren alles Dinge, die er als vergänglich erlebt hatte. Wie oft im Leben hatte er eine „vertraute“ Umgebung, die paar großzügig überlassenen Groschen im Beutel, besondere Freiheiten wie Feierabend oder Ausgang und seine Stellung in einem Haushalt – auch wenn sie nie eine nennens- oder beneidenswerte gewesen war – aufgeben müssen. Es war nichts, was beständig war, nichts worauf man bauen konnte, eine Zukunft oder allein nur eine Gegenwart damit planen konnte. Und Phaeneas sehnte sich nach Verlässlichem. Er wünschte sich nichts mehr als zu wissen, woran er war, was ihn erwartete, im Idealfall jeden Morgen wieder aufzuwachen und sich vollkommen darüber im Klaren sein, was dieser Tag brachte und die darauffolgenden und alle Zeit die noch kam ... weil im Idealfall jeder Tag gleich oder ähnlich ablaufen würde, mit all den gewohnten, verlässlichen Dingen, die sich mit jedem Sonnenaufgang erneut wiederholten, ein weiteres Mal einstellten, ohne irgendwann sang- und klanglos unterzugehen, die Regelmäßigkeit abzubrechen, indem es aufgegeben werden musste. Deshalb gab er nichts auf all diese Dinge, die sich in der Regia selbst darstellten und ausdrückten, weil man sie derart leicht verleicht. Phaeneas kümmerte sich darum lieber um die Bestandteile seines Lebens, die ihm nicht so leicht abhanden kommen konnten. Seine Vergangenheit zum Beispiel, seine Erinnerungen waren es deshalb wert gepflegt zu werden, Gedanken und Theorien über diese Welt, die Hinweise darauf gaben, was man von ihr zu halten hatte, und ihm halfen sein Leben zu verstehen, ja auch sein gesellschaftlicher Stand als Sklave gehörte zu diesen ewigen Dingen, bei denen er darauf vertrauen konnte, dass sie nicht im nächsten Moment für null und nichtig erklärt werden würden. Und der kleine Hauch von ihm selbst, der merken ließ, dass es mehr gab als den Sklaven, den Phaeneas, der sich so bereitwillig von äußeren Faktoren abhängig machte, bestimmen ließ. Nicht dass er seine Lebenshaltung, sich bei Bedarf so gut wie nur irgend möglich der Umwelt anzupassen, als schlecht empfand, kein bisschen! Aber dieses kleine Etwas, das etwas von der eigenen, ewigen Person Phaeneas‘ erahnen ließ, das trotz aller äußeren Umstände eigene Prioritäten setzte, selbst entschied wie es mit dem Leben und allen Ereignissen darin umgehen wollte – und das beschloss, genau diesen Eigenheiten treu zu blieben. Auch das gehörte zu diesen beständigen Dingen, die der Bithynier mehr pflegte als Ansehen und Einfluss. Es gab nur einen einzigen Bereich des Lebens, dem er viel Bedeutung zumaß und damit Macht über ihn gab, auch wenn es eine sehr unsichere Angelegenheit war – Menschen. Personen, an denen einem lag, denen man vertraute, auf die man zählte. Oft schon hatte Phaeneas so jemandem auf ewig Lebewohl sagen müssen ... aber wer hielt es bei aller Sicherheit schon aus sein Leben lang allein zu sein? Entsprechend genau prüfte er, wen er an sich heranließ, wem er die Möglichkeit gab ihn zu enttäuschen ...
    Aus diesem imposanten Gebäude, das ihm so wenig Bewunderung abrang, trat der Sklave jetzt, gefasst und zielstrebig der Gesichtsausdruck, die Augen, die sich jetzt einmal musternd umsahen, die Umgebung erfassten. Dabei entdeckte er einen jungen Germanen, der mit staunend geöffnetem Mund den Statthalterpalast anstarrte. Nichts anderes beachtete der Junge mehr, es war für ihn wohl eine ähnliche Faszination wie für Phaeneas, wenn er eine Größere Menge an Wasser erblickte – den Rhenus beispielsweise. Der Bithynier blieb stehen und besah sich ebenfalls die Regia, nur wenige Schritte von dem ihm fremden Germanen entfernt, in unmittelbarer Sichtnähe zu ihm. Es war ihm unfassbar, was an so einem Gebäude so wundervoll war. Und auch jetzt blieb es ihm wieder einmal unergründlich.
    Er blickte zu dem anderen Spaziergänger hin und meinte: „Na, beeindruckt?“


    Sim-Off:

    Na ja, das war der Einstieg, die nächsten Antworten werd ich wohl nicht ganz so ausführlich schreiben können, ich fürchte dafür reicht meine Zeit nicht. Wenn du willst, kannst du weiterhin so lang schreiben (oder auch nicht), aber meine Beiträge werden in Zukunft etwas kürzer sein ...

  • Sim-Off:

    Pas de probleme... flüssige Konversation kommt auch ohne lange Gedankenmonologe aus. :)


    "Kann man wohl sagen...", antwortete Vala, bevor er überhaupt registrierte, dass sich jemand zu ihm gesellt hatte. Er wandte sich um und erblickte einen Mann, der wohl Südländer sein musste, Haar- und Augenfarbe kamen durchaus auch bei Germanen vor, doch der Mann hatte in allem eine Erscheinung, die nicht in diese unwirtliche Gegend passen wollte.
    Er musterte den Mann mit unverhohlener Neugier, und streckte ihm schließlich die Hand hin, um die aufkommende Stille mit der für ihn angebrachten Vorstellung zu verhindern: "Salve, ich bin Titus Duccius Vala. Ist mir eine Freude..."


    Das war natürlich gelogen, immerhin kannte er den Menschen noch garnicht, aber Vala wusste, dass auch falsche Höflichkeit zu gewünschten Situationen führen konnte. Oder einfach nur unerwünschte verhinderte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er Latein sprach. Es wunderte ihn schon, wie sehr ihm das in Mark und Bein übergegangen war, was man wohl seiner Mutter zuschreiben konnte, die sich zu Lebzeiten nur in der Sprache der Römer mit ihm unterhalten hatte, in weiser Vorraussicht, oder einfach nur weil sie die Bildung ihres Sohnes in römischer Kultur sehr ernst genommen hatte.


    "Das ist wirklich ein beeindruckendes Bauwerk, dass ihr hier stehen habt.", begann Vala schließlich von neuem, "Wie lange braucht es, um so etwas zu bauen? Ich kann mir vorstellen, dass dafür ganze Gebirge abgetragen werden. Soviel Stein... ich kannte eure Gebäude bisher nur aus Erzählungen, die aber wohl nie dem gerecht wurden, was ich jetzt hier vor mir sehe. Unglaublich. Wieviele Menschen passen da rein? Und vor allem: wer wohnt da? Entschuldige meine Neugier..."


    Sicherlich ein hoher römischer Beamter. Vielleicht sogar mehrere. Vala versuchte die Amtsstruktur zu rekapitulieren, von der sein Vater ihm oft erzählt hatte. Der Kaiser wohnte in Rom, das war sicher. Aber vielleicht hatte sich ein Patrizier einen Palast mitten auf das Forum setzen lassen? Oder vielleicht war dies eins der vielen Regierungsgebäude? Die Curia vielleicht.. oder die Regia. Oder etwas, was er überhaupt nicht kannte. Es war eine Zeit lang her.. allerdings ließ der Algenbewuchs in den Fugen darauf schließen, dass das Gebäude schon länger hier stand.

  • Sim-Off:

    Okay, das mit der Länge hat nicht ganz so geklappt. *g*


    Über die Art, wie der junge Germane ihn musterte, machte er sich von vornherein lieber keine Gedanken, denn wenn er es täte, würde es ihn am Ende noch irritieren – deswegen ließ er’s. Aber was ihn dann schließlich doch irritierte, war die Hand, die der Junge ihm hinhielt.
    Zu fast allen Personen hielt der Bithynier mindestens ein, zwei Schritte Abstand, diese Distanz wahrte er gegenüber allen, die nicht das Recht hatten diese Entfernung zu verringern und denen Phaeneas zu viel Misstrauen entgegenbrachte - und das traf auf so gut wie alle Menschen zu. Als Kind – als Sklavenkind – fing es an, dass einem jeder – aber auch wirklich jeder – wann immer er wollte eine Ohrfeige verpassen oder durchs Haar streichen konnte und es setzte sich fort durchs ganze Leben, immer und immer wieder wurde dieser Abstand so schnell durchbrochen. Weshalb Phaeneas jeden unnötigen und unerwünschten Körperkontakt mied – und sei es nur so etwas harmloses wie ein Händeschütteln oder ein Schulterklopfen, auch so etwas zerstörte die kleine Distanzzone ... das letzte bisschen Stolz.
    Vor dem Bithynier, zwischen den beiden Männern, die Hand. Es wäre unhöflich, diese Geste auszuschlagen. Und er war ein Sklave. Und die Unhöflichkeit eines Unfreien war noch wesentlich schlimmer als die beispielsweise eines römischen Bürgers. Ihm fiel auch keine plausible Erklärung ein, um darum herumzukommen.
    Deshalb erhob er seine Hand und reichte sie dem jungen Germanen. Es war nicht der Händedruck eines selbstbewussten Mannes. Viel zu unsicher.
    Mit dem, was der Junge dazu sagte, kam Phaeneas wesentlich besser zurecht. Es war eine Floskel, das mit der ausgedrückten Freude, nichts weiter als eine Floskel, so klärte er die Sache mit sich selbst.
    „Mein Name ist Phaeneas ...“, erwiderte er – was auf den dreiteiligen Namen hin etwas seltsam klang.


    Langsam fing er sich von dem Schock über das Händeschütteln wieder. Dazu klang Valas Kommentar zur Regia schlicht zu amüsant.
    „Wie lange es braucht? Hm, keine Ahnung. Auf so etwas habe ich nie geachtet. Na ja, ganze Gebirge sind es wohl weniger, aber es gibt ja im Imperium genug Bergwerke, um den Bedarf des ganzen Reiches zu decken.“ Phaeneas musste lachen über den Enthusiasmus, mit dem der Junge über den Statthalterpalast sprach. „Du müsstest einmal die reichen Stadthäuser in Rom sehen oder erst den Palast des Kaisers! Und die vielen anderen repräsentativen Gebäude und Monumente in anderen wohlhabenden italischen Städten – dagegen ist das hier noch schlicht zu nennen. Na ja, hierbei handelt es sich um die Regia Legati Augusti pro Praetore und wie der Name schon sagt lebt hier der Statthalter von Germania. Dazu kommen noch seine Frau und seine Sklaven, im Wohnbereich, und in den Arbeitszimmern arbeiten die städtischen oder provinzialen Beamten, samt den zugehörigen Schreibern und Sklaven. Für all diese Leute ist dieses Gebäude vorgesehen.“

  • Während Vala gewohnt fest und entschlossen zudrückte, lag die Hand des Fremden in Valas wie ein toter Fisch, was den jungen Germanen sehr befremdete. Hatte er nicht das Bild der entschlossenen Römer im Kopf, jener furchtlosen Menschen, die die halbe Welt erobert haben? Der Gedanke verließ seinen Geist so schnell wie er ihn betreten hatte, denn der Fremde, der sich als Phaeneas vorstellte, fuhr sofort fort ihm das Gebäude zu erklären.


    "Wie, noch größer?", Vala runzelte die Stirn und sah den Fremden an, mit dem offenen Vorwurf der Hochstapelei im Blick, "Das kann doch garnicht sein, wie soll sowas halten?"


    Dann wurde ihm erklärt, dass dies die Regia des Legaten sei, also der Palast des mächtigsten Mannes in der Provinz. Vala ging ein Licht auf, und Erinnerungen sammelten sich in seinem Geiste: "Mein Vater hat mir davon erzählt.. er hat unter Traianus Sedulus gedient, glaube ich. Wer ist denn zur Zeit Legat?"
    Nicht, dass Vala sich Hoffnung machte den Namen zu kennen, immerhin waren Jahrzehnte vergangen seit sein Vater dem Reich den Rücken gekehrt hatte, aber Nomines sunt Omines, das wusste er. Und was konnte es schaden, den Mann ein wenig auszufragen?

  • Mit den Zweifeln des jungen Germanen an seinen Worten kam Phaeneas erstaunlicherweise wesentlich besser zurecht. Schließlich hatte er ja selbst gesehen, wovon er sprach. Es waren Tatsachen und um Tatsachen hatte er sich schon immer wesentlich weniger Gedanken gemacht.
    Über die jugendliche Unwissenheit des Jungen nachsichtig lächelnd nickte Phaeneas: „Ich fürcht’s fast. Was das Halten anbelangt“, fuhr er dann fort, „redest du mit dem Falschen, da müsstest du eher jemanden fragen, der sich genauer damit auskennt, wie man Häuser baut.“


    Zum momentanen Legaten führte er aus: „Zur Zeit ist es Marcus Vinicius Lucianus. Aber er wurde inzwischen abberufen und der neue Statthalter ist schon in Mogontiacum angekommen. Demnächst wird sich also Marcus Vinicius Hungaricus, der Bruder des alten Legaten, um die Geschicke der Provinz kümmern.“
    Ganz unpersönlich redete der Sklave davon, ganz so als hätte es gar nichts mit ihm zu tun. Als wäre er irgendein unbeteiligter Bewohner der Provinz, der all das eben nur so vom Hörensagen wusste. Er fand es insgesamt auch gar nicht unangenehm, dass ... Vala nicht mitbekommen hatte, dass er aus der Regia herausspaziert gekommen war.


    „Und du, wo warst du vorher, bevor du jetzt nach Mogontiacum gekommen bist?“, erkundigte sich Phaeneas. Wenn der junge Germane schon kaum ein römisches Gebäude kannte ... dann stellte sich diese Frage. Und der Bithynier fragte sich allgemein schon seit längerem, wo all diese Leute herkamen, die nach Mogontiacum strömten.

  • "Hat dieser Vinicier sich etwas zu Schulden kommen lassen, dass er abberufen wird? Marcus Vinicius Hungaricus, sagst du?", fragte Vala mit konzentriertem Blick, und prägte sich gleichsam den Namen ein. Der konnte noch wichtig werden, und daher konnte es sich als wertvoll herausstellen, diesen Namen zu kennen. Nomines sunt Omines.


    Sein Blick ruhte noch auf dem Palast, ohne diesen wirklich anzusehen, als die Frage des Mannes zu ihm drang. Er sah den Mann schräg an, lächelte dann aber matt: "Wo ich herkomme, fragst du? Da, wo alle Menschen herkommen, die ihr Germanoi nennt. Oder Germani. Germanoi waren die Hellenen, richtig? Das Land jenseits des Limes und des Rhenus hat mich ausgespuckt, wie so viele andere vor mir... ich bin im Niemandsland zwischen den Stämmen der Hermunduren, der Cherusker und den Chatten aufgewachsen. Nicht unbedingt die wohnlichste Gegend, und die Nachbarn sind auch eher darauf aus, dich im Moor verrotten zu sehen, als mit dir auf Freundschaft zu trinken, wenn du verstehst was ich meine."


    Vala sah das ganze ziemlich trocken, den Luxus an Frieden, den er hier erlebt hatte, konnte man drüben nicht erwarten, und er selbst gewöhnte sich langsam an den Gedanken, hier nicht dauernd einem vorschnellen Ende ausgesetzt zu sein. Was nichts an seiner kaltschnäuzigen Einstellung zum Leben an sich änderte... sie waren alle schon tot, wussten es nur nicht. Und jeder schaffte für sich selbst eine gewisse Anzahl an Schritten, bis einem der Faden gekappt wurde...

  • „Aber nein, aber nein, schließlich war er so lange Statthalter wie noch keiner vor ihm! Wenn er sein Amt nicht vernünftig geführt und der Kaiser ihm deswegen misstraut hätte, hätte man ihn nie so lange in Germania belassen. Nach einer gewissen Anzahl an Jahren wird jeder Statthalter wieder abberufen, der eine früher, der andere später, und ein neuer übernimmt diese Aufgabe. Ein ganz natürlicher Vorgang. Das Amt des Legatus Augusti pro Praetore ist ja schließlich nicht auf Lebenszeit gedacht“, erklärte der Bithynier und bestätigte anschließend die Nachfrage des jungen Germanen: „Ja, Vinicius Hungaricus.“


    Germani – Germanoi? Ein Germane – der Griechisch konnte? Das irritierte – oder imponierte - Phaeneas doch gewaltig. Der Sklave konnte sich zwar nicht vorstellen, wo diese Sprache im Alltagsleben hier in der Provincia Germania zum Einsatz kommen sollte, auch nur irgendwie seinen Platz haben konnte, aber nun gut ... Das Leben war immer wieder – und leider viel zu oft! – für Überraschungen bereit und es würde schon einen triftigen Grund haben, warum es wichtig war, dass der Junge hier – in der tiefsten Provinz (auch für Phaeneas, der nicht viel auf sich als Städter hielt, behielt Mogontiacum doch immer etwas von einer kleinen Provinzstadt) – von Griechisch Ahnung hatte.
    Auf die Ausführungen seines Gegenübers hin folgte von der Seite des Sklaven erst einmal bedrücktes Schweigen. Innerlich addierte er für sich das, was er aus anderen Quellen ungefähr über das Leben im freien Germania gehört hatte. Dann begann er einfach:
    „Ich könnte mir das nie vorstellen. Ständig an Leib und Leben bedroht zu sein. Dass von einem Moment auf den anderen meine „Nachbarn“ über mich herfallen.“ Phaeneas schüttelte den Kopf. Solche wilden und ungeordneten Verhältnisse passten kein bisschen in seine wohlgeordnete Welt, in der alles seinen Platz hatte und dementsprechend irgendwie doch meistens vorauszusehen war.


    „Na ja, aber diese Gegend hier ist ja auch Germania. Du könntest genauso gut ein Germane sein, wenn du beispielsweise aus einem der Dörfer um Mogontiacum herum oder einer der kleineren Ortschaften oder Städte stammen würdest“, fügte er an, als er die vorherigen Gedanken mehr oder weniger zur Seite zu schieben geschafft hatte.


    Sim-Off:

    Man beachte dabei, dass Phaeneas als Sklave die meiste Zeit seines Lebens alles andere als am Leben „unbedroht“ und sicher war. Er neigt oft dazu, an das eine zu denken und das andere zu vergessen. Vielleicht weil es einfacher ist ...
    Nur als Info am Rande

  • "Dann wird das Amt in der Familie weitergereicht?", versuchte Vala sich in einer falschen Schlussfolgerung. Er wusste, dass dem nicht so war, hatte aber früh gelernt, dass es manchmal nützlich sein könnte sich dumm zu stellen wenn man auf Informationen aus war, "Ach, quatsch. Obwohl... wird die Kaiserwürde nicht auch innert einer Blutlinie weitergegeben?"


    Vala zog die Augenbraue leicht hoch, als der Mann davon erzählte, sich solch Unsicherheit nicht vorstellen zu können. Vala wusste, dass das Leben im Reich alles andere als so wild und unberechenbar war, wie im freien Germanien, allerdings war es auch alles andere als sicher. Selbst in der Stadt war man sich seines Lebens nicht sicher, wenn jemand es darauf anlegte, einen loszuwerden.
    "Kannst du nicht?", murmelte er daher betont unwissend, "Ist das Leben hier denn so sicher? Ich habe davon gehört, dass Menschen dafür bezahlt werden die Stadt zu schützen. Söldner, wahrscheinlich, oder? Was ist denn mit den Wegen, den vielgerühmten römischen Straßen, werden die auch rund um die Horae überwacht? Das muss ein enormer Aufwand sein... "


    Achja, die linksrheinischen Germanen. Jene, die sich den Römern unterworfen, oder einigermaßen faire Bündnisse mit ihnen geschlossen hatten, wobei letztes definitiv die Ausnahme war. Vala hatte keine allzu gute Meinung von ihnen, weil diese sehr militärisch geprägt war. Es hatte in den Kämpfen gegen Modorok einige Freiwillige aus römischen Civitates gesehen, die kaum kämpfen konnten, und in der ersten beinharten Auseinandersetzung fielen wie Fliegen, oder direkt die Flucht ergriffen. Das einzige, was er ihnen zugute halten konnte war ihre pragmatische Sicht auf das Leben im römischen Reich. Romanisierung hin oder her, Vala hielt es nicht für unvereinbar sich an die Kultur aus dem Süden anzupassen, und gleichzeitig den alten Traditionen treu zu bleiben. Einige seiner Vetter sahen das anders, und besonders der alte Kauz Albin hatte kaum ein gutes Wort für die römische Gesellschaft übrig, aber Vala sah darüber hinweg, solange seine Sippe dem Kaiser und dem Reich treu diente, würde er es ihr nicht verübeln sich an die alten Traditionen und Sitten zu krallen.


    "Achja.. die. Nein, zu denen gehöre ich nicht.", war daher das einzige, was Vala abfällig als Antwort zu bieten hatte.

  • „Das stimmt, die Kaiserwürde wird vererbt“, stimmte Phaeneas zu und fuhr fort: „Aber eine Statthalterschaft nicht. Dafür wird nach ein paar Jahren immer wieder ein neuer Senator ausgewählt. Dass in diesem aktuellen Fall zwei Brüder nacheinander diese Aufgabe übernehmen, ist mehr oder minder reiner Zufall. Es gibt schließlich viele Männer, die es verdienen eine solche Aufgabe übertragen zu bekommen. Sich auf eine Familie zu beschränken, wäre da etwas - unangebracht.“


    Die Zeichen, die von dem fremden Germanen ausgingen, die Mimik, der Tonfall, ignorierte Phaeneas absichtlich, wieder aus Rücksicht auf sich selbst ...
    „Na ja, wenn man die falschen Viertel meidet und abends nicht allein und ungeschützt auf die Straße geht, dann ist so eine Stadt relativ sicher ... Natürlich kann immer etwas passieren und es kommt auch zu gewaltsamen Übergriffen, aber letztendlich gibt es doch ein Gesetz, für dessen Einhaltung gesorgt wird – und man muss nicht selbst seine Stadt gegen Eindringlinge verteidigen.“


    „Ja, die Vigiles machen das“, nickte er weiter, „im Allgemein durchgängig Söldner.“
    Der Sklave stellte sich all die großen Straßen vor, die Städte und Ortschaften miteinander verbanden, auf denen er jemals – natürlich nie allein - unterwegs gewesen war, und dann noch die, die er auf seiner Reise nach Mongontiacum passiert hatte, und dazu all die restlichen im riesigen römischen Reich, die unermesslich viele und jede wieder gewaltig lang sein musste – und dabei überlegte er sich folgendes, wie jeweils ein Soldat einer städtischen Truppe einen Abschnitt abmarschierte. Etwas weiter weg wieder einer.
    „Also die Straßen außerhalb der Städte üblicherweise nicht. Da kommen höchstens regelmäßig Soldaten von verschiedenen Legiones hier in der Gegend vorbei, aber es existiert kein konkretes Sicherheitssystem. Wer auf Reisen für seine Sicherheit sorgen will, muss sich selber darum kümmern, dass er wohlbehalten wieder ankommt. Denn Straßenräuber und Banditen gibt es natürlich genug ...“

  • "Unangebracht, meinst du?", stellte Vala eine rhetorische Frage. Für ihn war das alles andere als unangebracht, allerdings sah er das auch aus einer etwas anderen Perspektive. Die germanischen Stämme, vor dem Kontakt mit den Römern noch quasi-theodemokratisch organisiert, fühlten sich durch den Kontakt mit den Gewalttätigen Nachbarn immer mehr zu ähnlichem ermutigt. Einflussreiche Sippen drängten an die Spitze der Stämme, und hatte eine es einmal geschafft, gab sie den Posten des Richs nicht so schnell wieder her. Söhne wurden schon von Kindesbeinen an darauf getrimmt, den Status ihres Vaters zu erben, und verrotteten daraufhin irgendwann im Wald, wenn eine weniger zimperliche Konkurrenzsippe eben diese Erbschaftskette von unten aufrollte. Vala selbst sah sich auch in dieser Kette, wenngleich sein ganzer Stamm definitiv zu den Verlierern dieser Hierarchiebildung in den ehemals unorganisierten Stämmen zählte. Seine Sippe tat es nicht, und darauf konnte man aufbauen.


    "Bewundernswert. Aber gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Bewohner verweichlichen, oder? Ich meine... es soll Menschen geben, die ihr ganzes Leben kein Schwert in der Hand gehalten haben, noch überhaupt jemanden in der engeren Familie, der Schutz bieten könnte. Ich frage mich, wie sowas funktioniert... ist das nicht ein wenig.. wie soll ich sagen, blauäugig? Sich darauf verlassen, dass die Legionen einen schützen, wenn es mal hart auf hart kommt?", Vala dachte dabei weniger an diese Stadt, als an das System überhaupt. Bei seinen Leuten machte er sich keine Sorgen, die meisten waren noch stark im System der Selbstwehr verankert, als dass man sie nicht hätte in eine Schlachtreihe stellen können. Und selbst Schreiber wie Witjon wussten anscheinend sich die Tücken des Kampfes beizubringen.


    "Naja, ich mache mir da keine großen Sorgen. Was aber daran liegen mag, dass mir so etwas wie beständige Sicherheit bisher gänzlich unbekannt war. Irgendwann gewöhnt man sich dran, nicht?"

  • „Na ja, die Möglichkeit, ein einflussreiches Amt erlangen zu können, ist ja ein Anreiz sich mit ganzer Kraft für das Imperium einzusetzen. Wenn nur die Mitglieder einer Familie für eine Statthalterschaft in Frage kämen, würden die der restlichen ihren Ehrgeiz spürbar drosseln.
    Und der Kaiser muss sich darüber hinaus schließlich auf etwas stützen können. Solange er solche Aufgaben gerecht verteilt und alle mächtigen Männer entsprechend würdigt, identifizieren sie sich mit seinen Plänen und tragen zu deren Umsetzung bei. Wenn er das nicht täte, welchen Nutzen hätten sie davon ihm Gefolgschaft zu leisten?“
    , theoretisierte der Bithynier. Vielleicht hatte Lucianus in diesem Punkt recht, dass Phaeneas diese Dinge aus einer recht einfachen Perspektive sah, der von jemandem, der schlicht nur im römischen Reich lebte.


    „Verweichlichen?“ Phaeneas‘ Stimme klang, als müsste er sich erst einmal an dieses Wort gewöhnen. „Sicherlich. Die Leute konzentrieren sich auf ihr tägliches Leben und ihren Beruf und wären im Ernstfall nie im Stande, sich oder ihre Familie zu verteidigen. Ich bin in dieser Sache ein Paradebeispiel – ich habe tatsächlich noch nie ein Schwert in der Hand gehalten.“
    Ob militärisch genug Schutz herrschte, daran zweifelte der Bithynier kein bisschen. Auf die Bedenken des jungen Germanen meinte er: „Im Allgemeinen ist ja nicht so, dass regelmäßig Aufständler in römisches Kerngebiet einfallen. Um Grenzgegenden des Reiches würde ich mir da eher Sorgen machen. Nur ... bisher haben die Legionen hier immer alles gut abgehalten – warum sollten sie in Zukunft einmal das Imperium nicht schützen? Das Schützen-können ist wieder eine andere Sache, aber das ist wohl die Frage, um die sich germanisches Freiheitsbestreben und römischer Eroberungswille seit jeher drehen. Darüber zu diskutieren wäre für uns beide wirklich müßig.“


    Wie Phaeneas fand, bewies der Junge kluge Vorausschauung. „Ich denke schon. An Sicherheit gewöhnt man sich schneller als man glaubt.“

  • "Da magst du absolut Recht haben. Sehr, sogar.", stimmte Vala dem Mann zu, der ihm die Motivationsprinzipien des Dienstes für das Reich erklärte. Genau diese Prinzipien wollte Vala meistern, aber bis ihm das gelingen würde, hatte er noch viel zu tun.


    "Das germanische Freiheitsbestreben?", brummte Vala, dem diese Phrase überhaupt nicht passte. Das Freiheitsbestreben hatte sich in den letzten Jahrzehnten, und vor allem seit Modorok vor allem in Richtung Alleinherrschaftsgerangel östlich des Rhenus entwickelt, eine Erfahrung die so bitter schmeckte, dass es selbst einen gestandenen Idealisten wie Flavius Duccius Germanicus frustriert und gescheitert sterben ließ. Wollte Vala das Fass wirklich aufmachen? Der Mann schien selbst schon auszuweichen, immerhin bezeichnete er die Diskussion als 'müßig'. Was Vala ganz anders sah, aber mit wem sprach er hier eigentlich?


    "Du kennst dich ziemlich gut aus, möchte ich sagen.", meinte Vala schließlich, als der Mann mit seinen Erklärungen fortfuhr, "Aber mit Verlaub, du siehst nicht wie wie ein Legionär."

  • Es war schon verrückt.
    Er sprach mit einem Germanen und der protestierte gegen die Formulierung des germanischen Freiheitsbestrebens. Würde er mit einem Römer ohne germanische Wurzeln reden, würde der sich wahrscheinlich gegen den römischen Eroberungswillen wehren und es etwas „schöner“ ausdrücken.
    Und er, Phaeneas, stand zwischen den Welten.


    ‚Du kennst dich ziemlich gut aus, möchte ich sagen.‘ Na ja. Was Phaeneas nicht überzeugte.
    Er reagierte auch nicht, weil er es einem Fremden grundsätzlich erst einmal nicht glaubte, wenn der etwas positives über ihn sagte.


    „Ein Legionär? Per deos!“ Der Bithynier lachte. „Nein wahrlich nicht.“
    Spontan war die Erheiterung über das Beispiel des Jungen, ja durchaus war sie das. Natürlich lag es in Phaeneas‘ Selbstverständnis, dass er, seine Person, von allem Militärischen weit entfernt war.
    Aber irgendwo hatte es doch etwas künstliches, denn üblicherweise pflegte der Sklave nicht vor Fremden – die ja fast alle waren – ehrlich fröhlich und ausgelassen zu reagieren. Es gab der Situation nur etwas „natürliches“, ließ sie leichter, lockerer erscheinen, passte mehr in diese mogontinische Alltagssituation – fiel deshalb weniger auf. Und daran lag dem Bithynier, möglichst unauffällig zu sein, dass nie ein (ihm fremder) Mensch auf die Idee kommen mochte, dass an Phaeneas etwas interessantes, erkundungswertes wäre.


    „Wenn ich dir nur einen einzigen Namen genannt habe, dann habe ich dir nicht zwei weitere vorenthalten, ich trage nur den einen. Ich bin Sklave“, schloss er.

  • "Ein Sklave?", zog Vala nicht allzu sehr überrascht die Augenbraue hoch, schließlich war ein nicht unerheblicher Teil der Menschheit unfrei, auch in den Gegenden rechts des Rhenus gab es Unfreie.


    "Nun gut... dann mutmaße ich mal weiter, dass du nicht in einem der Steinbrüche vor der Stadt arbeitest... bist du Schreiber eines Gelehrten in der Schola?", riet Vala fröhlich weiter, "Aber nun kann ich verstehen, wenn du von der Sicherheit im Reich als etwas fremdgeleistetes sprichst, mit Verlaub."

  • „Nein, dann würde ich wahrscheinlich nicht hier mit dir plaudern können beziehungsweise allein schon etwas abgerissener aussehen“, meinte Phaeneas, mit der schier unvermeidlichen Ironie in den Worten.
    Es schmeichelte Phaeneas, wie er zugeben musste, dass der Duccier ihn für einen gelehrten Sklaven hielt. Weisheit, das hatte ihn seit jeher fasziniert. Aber meistens war er, was Erkenntnis anbelangte, allein nur auf das angewiesen gewesen, was sein Geist hervorzubringen im Stande war – was sich nun ja ändern würde, jetzt, wo er lesen und schreiben konnte. Auch wenn es ihm nie wichtig gewesen war, es zu beherrschen, es hatte etwas für sich zumindest die lateinischsprachigen oder die in dieser Sprache aufgearbeiteten Philosophen lesen zu können.
    Aber auch auf die nächste Vermutung des Germanen hin schüttelte Phaeneas nur den Kopf: „Auch das bin ich nicht.“


    „Sicherlich, aber in einem germanischen Dorf müssten auch Unfreie fähig sein“, ergänzte der Bithynier, „mit zur Verteidung beizutragen – einfach weil die wesentlich akutere Gefahr es erforderlich macht.“
    Weiter aufmerksam achtete Phaeneas auf die Worte seines Gegenübers. Nachdem dieser erfahren hatte, dass er sich mit einem Sklaven unterhielt, blieb er weiterhin sehr höflich. Mit etwas Fantasie konnte man fast vermuten betont höflich.
    „Hast du deinen Platz im Imperium schon gefunden?“, fragte der Bithynier dann, vielleicht ein wenig, um von sich selbst abzulenken, vielleicht auch nur einfach so.

  • "Na, ich sehe, meine Menschenkenntnis scheint diesseits des Rhenus auf neue Prüfungen zu stoßen... dann muss ich passen, mehr als Haussklave im Haus eines reichen Mannes fällt mir auch nicht ein. Ianitor vielleicht im Hause eines reichen Mannes?", gab Vala auf.


    "Bist du dir so sicher, dass die Gefahr bei... drüben akuter ist?", fragte Vala den Mann, der über die Zustände in Germanien dozierte, als sei er selbst dort gewesen, "Ich kenne Stämme, die wohnen seit mehreren Jahrzehnten in Frieden, weil sie es perfekt verstanden haben, sich aus den Querelen der anderen heraus zu halten. Und sowieso darfst du einen Unfreien in der Munt eines germanischen Mannes nicht mit dem Servus eines römischen Dominus vergleichen."

  • „Damit liegst du richtig. Wenn auch die Aufgabe des Ianitor üblicherweise jemand anderem zufällt. Zum Haussklaven addier noch den Schreiber eines Gelehrten, das Mädchen für alles und den Cubicularius, dann kommst du meinen Zuständigkeitsbereichen sehr nahe.“ Phaeneas wollte zwei Dinge nicht – dass jemand mitbekam, dass er innerhalb des Haushaltes mehr zu sagen hatte und dass er Lucianus näher stand als andere Sklaven. Zweiteres zu verbergen hatte er in diesem Fall etwas vernachlässigt – schließlich war er eh nur noch für kurze Zeit in Mogontiacum, da war das auch kein Weltuntergang mehr. Trotzdem hatte er etwas Spott in seine Worte gemischt, um zumindest ersteres zu übergehen.


    „Nein, natürlich nicht. Ich weiß schließlich auch nur das, was mir Leute von dort darüber erzählt haben“, gab Phaeneas freimütig zu. „Und die meisten, mit denen ich gesprochen habe, haben ganz offensichtlich ihre Gründe dafür, hier zu sein.
    Was den freien Teil von Germania anbelangt, scheinst mir du der Experte zu sein – du wirst also schon wissen, was du in Bezug auf die Umstände dort und die germanische Variante der Unfreiheit sagst. Andererseits habe ich nicht den Eindruck, dass du in Hinblick auf die römische Sklaverei übermäßig viel Erfahrung hast. Wir scheitern also beide am gleichen Problem, am mangelnden Einblick in die Gewohnheiten der jeweils anderen Seite des Rhenus“
    , schloss der Bithynier.


    „Aber ich fürchte, du musst mich nun entschuldigen“ – immer schön höflich sein – „ich muss weiter. Du wirst auch noch viel zu tun haben, denn Mogontiacum ist eine große Stadt“, merkte er an.

  • "Ah, ist das so?", fragte Vala rhetorisch, und gänzlich unwissend. Der Ianitor war geraten, und die anderen Bezeichnungen sagte Vala einfach nur wörtlich etwas, der Sinn dahinter erschloss sich ihm nicht. In einer germanischen Kyn gab es einen Haufen von Aufgaben, die von denen erledigt wurden, die Zeit dazu hatten, aber es gab keine Spezialisierungen. Jeder machte alles, das bewahrte Männer vor Frauenarbeit nicht, und Frauen nicht vor Männerarbeit.


    Vala lächelte matt, ohne es zu meinen, als Phanaeas auf das Dilemma des gegenseitigen Unwissens zu sprechen kam: "Allerdings hoffe ich, dass ich meine Wissenslücken dembetreffend füllen werde. Dir wünsche ich, dass dein Herr nicht verrückt genug sein wird, sich jenseits des Rhenus herumzutreiben. Zumindest nicht ohne eine gesunde Anzahl Söldner im Nacken."


    "Also dann... vale bene, Phanaeas.", schloss er schließlich das Gespräch, verabschiedete sich von dem Fremden mit einem knappen Wink, und machte sich dann auf, weiter die Stadt zu erkunden...

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