Brüder unter sich

  • Am Abend nach der Ankunft des neuen Legatus Augsti ließ Hungi eines der vielen Zimmer im Domus für ihn und seinen Bruder herrichten. Er wollte ein Zimmer und kein Triclinium, damit sie ungestört waren. Sklaven räumten das Zimmer um, so daß die zwei Klinen, auf denen er und sein Bruder dann zu liegen pflegen sollten, sich gegenüber standen, dazwischen ein großer Tisch, um die Speisen geräumig aufstellen zu können. Auf einem Beistelltisch standen zwei Krüge, eines mit Wasser gefüllt, das andere mit Wein. Pannonischen natürlich, denn über die Güte germanischer Weine mußte man Hungi erst überzeugen.


    Als die Sklaven fertig waren und Hungi mit seinem Bruder das Zimmer betrat, nickte er anerkennend den Kopf. Kein Wunder, daß du es so lange hier ausgehalten hast. Zumindest an Komfort mangelt es hier wahrlich nicht. Dann ließ er sich und seinem Bruder einen Spritzer einschenken und legte sich auf eine der Klinen.

  • Auch ich hatte mich eingefunden, in diese Umgebung, in der uns niemand belauschen oder bespitzeln konnte, soviel war sicher gestellt.


    "Ja, mein Bruder, ein schlechtes Leben hast du hier sicher nicht und deine Ruhe vor Rom, sofern sich nichts geändert hat dort....."

  • Der Sklave, der gerade die gewünschten Spritzer eingeschenkt hatte, wurde von Hungi mit einer Handbewegung weggescheucht. Lasst uns allein! befahl er den anderen Sklaven und Sklavinnen, die das Essen auftrugen. Es waren nur ein paar Kleinigkeiten: Brot, Oliven, Käse, die obligatorischen hartgekochten Eier mit einer grünen Sauce, aufgeschnittener Lammrücken mit einer Honigkruste. Wie gesagt, ein paar Kleinigkeiten.


    Hungi nahm seinen Becher und trank erstmal einen Schluck. Du wirst dich wundern. begann er, nahm ein Ei und aß es auf. Seit deiner Abreise hat sich einiges in Rom verändert. sprach er, als er runtergeschluckt hatte. Valerian ist ein ganz anderer Typ Kaiser als Iulianus.

  • Ich griff ebenso zu und lauschte den ersten paar Worten....


    "Wie meinst du das? Man hört sehr wenig aus Rom.... bzw. nicht das, was man wirklich hören möchte..... wie sieht es aus um unsere Führung?"

  • Nach dem Ei, eigentlich waren es sogar zwei gewesen, war das Brot an der Reihe. Hungi riss sich einen Brocken herunter und störte sich nicht an den Bröseln, die dabei unweigerlich entstanden. Wieso auch, für die Entfernung der Essensreste waren ohnehin die Sklaven zuständig.


    Ich weiß nicht, wie aufmerksam du die Acta liest... Ein Stückerl vom Brot zermalmte zwischen seinen Zähnen. Aber die Abwesenheit von Valerian ist ja schon fast reichsweit bekannt. Nicht, daß er schlecht regieren würde, das wäre ja noch verzeihlich. Und noch ein Stückerl wanderte in seinen Mund. Es ist aber schlimmer, er regiert gar nicht. Da Brot die Angewohnheit hatte, den Feuchtigkeitsgehalt im Mund nicht zu steigern, trank er einen Schluck Wein. Seit seiner Ankunft in Rom hat sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert. Ich bin kein medicus, ich weiß nicht, was er hat, aber dieses Siechtum... keine Ahnung. Den Auftrag zu deiner Ablöse habe ich nicht mal von ihm persönlich bekommen, Prudentius Balbus, du kennst ihn sicher, er ist jetzt einer der Procuratoren im Kaiserhaus, der kam zu mir und übergab mir das formelle Schreiben. Keine zusätzlichen Anweisungen, keine persönlichen Worten, nichts. Jetzt entschied er sich für den Lammrücken. Milchlamm war Anfang Maius durch so gut wie nichts zu übertreffen.

  • Gespannt lauschte ich den Ausführungen und labte mich nebenbei ebenso an den kleinen Köstlichkeiten, liess dabei immer wieder leise Bekundungen meiner Aufmerksamkeit vernehmen, bis Hungi geendet hatte.


    "Aber, wenn Valerian nicht da ist und auch nichts von sich hören lässt, wer führt dann das Zepter in Rom? wer trifft die Entscheidungen? Der Senat?"

  • Das Fleisch war weich, butterweich und die Süße des Honigs unterstrich den feinen Geschmack des Lamms. Es war so saftig, daß ein kleiner Tropfen über seine Hand lief und bald den Boden erreicht hätte, wenn Hungi diesen Tropfen nicht mit einem Stück Brot aufgetunkt hätte.


    Der Senat? Geh komm. Hungi lachte leise auf. Ich weiß gar nicht, ob Valerian überhaupt seit seiner Inthronisierung eine Rede im Senat gehalten hat. Zumindest war er dann nicht dabei gewesen und das konnte nur dann gewesen sein, während er in Hispania war. Nein, die Entscheidungen trifft nicht der Senat. Und wieder ein Schluck Wein. Aber der glatzköpfige Freund von Valerian, der wird wohl die Fäden ziehen. Potitus Vescularius Salinator, ist ein einger Vertrauter von Valerian und war vorher Legatus Legionis von irgendeiner Einheit in Illyrien, ich glaube Moesia, aber frag mich nicht. Der ist jetzt Praefectus Urbi. Naja, mehr brauche ich ja nicht erklären. An dem geht halt nix vorbei.

  • "Und, kennst du den näher? Was ist das für einer? Wie ist die Stimmung in Rom? Was sagt der Senat dazu, dass eigentlich der Praefectus Urbi alles entscheidet? Das dürfte doch ordentlich Zündstoff geben, oder irre ich? Was macht der Prätorianerpraefect? Niemand da, dem das aufstößt?"

  • Hungi schaute seinen Bruder so erstaunt an, daß ihm fast der Lammrücken im Hals stecken geblieben wäre. Einen solchen Frageschwall war er einfach nicht von seinem Bruder gewohnt. :D


    Nein, ich kenne ihn nicht näher und nein, ich habe keine Ahnung, wie die Stimmung in Rom ist. Wie auch? Kaum war ich aus Hispania zurückgekommen, habe ich schon den Abmarschbefehl gekriegt. Ich war ja schon froh, daß ich wenigstens die dringendsten Geschäfte noch erledigen hab dürfen. Er brummte den letzten Satz mehr als daß er ihn sagte. Was wird schon der Senat machen? Nix. Trauen sich ja alle nix. Seinerzeit, als Curio noch im Senat war, mei, da war noch was los, aber die jetzigen sind ja samt und sonders alle Schnarchnasen. Jetzt war der passende Zeitpunkt für einen Schluck Wein, sonst buddelte er sich nur noch mehr auf. Die Prätorianer... keine Ahnung. Einer der Präfekten soll verschollen sein.

  • "Das ist ja eine cahotische Situation.... was meinst du, wo das hin führen wird?"


    Erst jetzt griff ich wieder zu und steckte ein Stück Brot in den Mund.....
    Angesichts der Situation in Rom würde ich mir jetzt doch fast lieber wünschen hier in Germania zu bleiben, mit den vielen Legionen im Rücken!

  • Wirklich nur einen kleinen Moment überlegte Hungi, ob er sich noch ein Stück vom Lammrücken geben sollte. Hunger hatte er zwar nicht mehr wirklich, aber Gusto und deswegen entschied er sich dafür.


    Du, wenn ich das wüsste, dann würd ich sofort die nächste Sibylle werden. Schulterzuckend führte er einen Happen vom Lamm in seinen Mund. Er hatte sicher gut reden, denn er war jetzt weg von Rom. Die ganze Geschichte dort zu beobachten wird sicher lustig.

  • "Naja, ich weiss nicht, ob lustig es wirklich trifft..... mal sehen, wie sich Rom präsentiert, wenn ich zurück bin..... apropos.... die Casa gibt es doch noch? Dürfte ziemlich verwaist sein, nicht wahr!?"

  • Jetzt wusste er, was er auf dem Tisch fehlte. Eine Nachspeise! Daß Ursus nicht daran gedacht hatte... Hmpf, und alle Sklaven waren außerhalb dieses Zimmers.


    Ähm nein. Ich habe einige Sklaven dort gelassen und ihnen Anweisungen gegeben, das Haus sauber zu halten und ordentlich zu führen, bis du ankommst. Ich nahm an, du würdest sicher dort wohnen wollen. Oder möchtest du eine eigene Bleibe für dich und deine Frau?

  • "Nein, ich denke das Familiendomizil ist höchst angemessen. Und vor allem möchte die schöne Casa nicht verkommen lassen. Ausserdem soll wieder ein Vinicier in Rom und in eben dieser Casa verweilen. "

  • Im Laufe der Zeit konnte der Körper auf vieles hin trainiert werden. Auf Sport oder sonstige körperliche Belastungen, auf das Aufstehen zu einer bestimmten Uhrzeit, ohne daß man durch Sonne oder Sklaven geweckt werden musste oder auf gewisse Bedürfnisse hin, die befriedigt werden wollten. So wie der Gusto auf etwas Süßes zum Abschluß eines Mahles. Genau dieses Bedürfnis wollte jetzt akkurat befriedigt werden und Hungi, der vor ein paar Momenten bereits das Fehlen eines Desserts bemerkte, grummelte in sich hinein und überblickte den Tisch, ob nicht vielleicht doch etwas da wäre, das seinen spezifischen Appetit stillen würde. Nein, da war nichts. Dann musste der Wein als "Ersatz" dienen.


    Gut, dann ging ich von der richtigen Annahme aus. Du wirst sie übrigens kaum verändert vorfinden. Den Göttern sei Dank wurde ich nach Germania abberufen, bevor meine Frau ihre Hand an die Einrichtung legen konnte. Hungi schmunzelte. Du weißt doch wie Frauen sind. Ständig am Überlegen, wie sie das Interieur ändern können und das vornehmlich um uns das Geld aus der Toga zu ziehen.

  • Ich lachte "Allerdings weiß ich das....... wem sagst du das....." und rollte die Augen "... aber was tut man nicht alles, des lieben Frieden Willen!"


    Kurz machte ich eine Pause.....


    "Und noch etwas...... als ich meiner Frau sagte, dass wir nach Rom zurückkehren würden, überraschte sie mich..... denn sie eröffnete mir, dass sie mir bald einen Erben gebähren würde...."

  • Am besten lässt man sie gewähren und ist ein braver Ehemann... und verbringt seine Zeit außer Haus. warf Hungi noch eine kleine Lebensweisheit hinein, bevor er mit der nächsten Neuigkeit konfrontiert wurde.


    Sie ist schwanger? Das sagst du mir erst jetzt? Na gratuliere! Wurde eh schon Zeit. Wann ist es denn soweit?

  • Ich winkte ab.... "Najo.....is irgendwia untagangn in da Hektik..... jo, sie is schwonga...... pff.... frog mi..... woher soll i des wissn? I glaub in a poa Monat!"


    Man hörte es, der Wein tat seine Wirkung..... irgendwie erinnerte das an längst vergange Zeiten..... vor Jahren, als ich nach Rom zurückkehrte, zu meiner Familie, meinem Bruder, als wir in der Casa im Atrium sassen und so eiinge Becher Wein vertilgten.....

  • Hungi schmunzelte. Sein Bruder begann noch nicht zu lallen, wie es beschwipste Personen schon taten, aber er verfiel in den norisch-pannonischen Dialekt, den sie als Kinder benutzten.


    Ahso. antwortete er. Ofta is eh erscht fria. Warum sollte auch er weiterhin Hochlatein reden? Epa wiads in Rom owekemman. So besoffen war er noch nicht, daß er "weafn" gesagt hätte. Es wäre auch reichlich unpassend gewesen bei seinem eigenen Bruder. Waun werdsn daun foahn?

  • Ich war sichtlich eingerostet, was den alten Dialekt betraf, oder war ich einfach schon zu betrunken, dass ich meinen Bruder nur noch halb verstand....


    "Wos is? Waun ma foan? ka aunung..... moi schauen!"

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