In den letzten Tagen war viel los gewesen. Die Hochzeiten seiner Vettern, dann die Sitzung im Ordo Decuriorum und die Verhandlung mit den Römern wegen der Lieferungen an das Kastell der Legio II. Außerdem war nun in der Casa ständig etwas los und nun brauchte Ragin einfach einmal etwas Ruhe. Deswegen hatte er Marga Bescheid gesagt und hatte sich zu Fuß auf in den Wald gemacht. Er wollte die Tiere beobachten, wie er es so gerne tat, deswegen hatte er auch Amala daheim gelassen und war auch nicht geritten. Sicher würde die Hündin den ganzen Tag faul in seinem Bett liegen, wenn nicht gerade jemand mit ihr nach draußen ging. Marga würde das sicher regeln. Einzig sein Sax hatte er mitgenommen, denn man wusste ja nie, wem man im Wald alles begegnete. Er hatte schon oft Gerüchte von Räubern gehört, und auch wenn er nicht so wirklich daran glaubte, war er doch lieber gerüstet. So sah er zumindest wehrhaft aus.
Nachdem er einige Zeit gegangen war, kam er endlich in den Wald. Wie hatte er nur diesen Wald vermisst. Die Bäume un die Schatten die sie warfen, die Tiere darin und die Pflanzen, das war seine Heimat. Allerdings musste er etwas vorsichtig sein, denn die Wildschweine mussten gerade Frischlinge haben und auch die Wölfe gingen meist um diese jahreszeit mit den Welpen nach draußen. Als Kinder hatten sie einmal eine wölfische Geburtshöhle gefunden. Auch wenn sie Glück gehabt hatten und die Wölfe schon weggewesen waren, hatte ihnen ihre Mutter anständig den Hintern versohlt, als sie erfahren hatte, dass er und sein Bruder dort hineingekrabbelt waren. Natürlich hatten sie das nicht einfach si verraten, aber die Massen an Wolfshaaren, die sich in ihrer Kleidung verfangen gehabt hatte, war einfach zu verräterisch gewesen. Seine Muttrer hatte ihm dann erzählt wie gefährlich Wolfe doch waren, und auch vom Fenriswolf hatte sie ihm erzählt und seitdem hatte Ragin schon ziemliche angst vor den hundeartigen Geschöpfen. Merkwürdigerweise hatte sich das nicht auf normale Hunde übertragen, denn vor denen hatte er ganz und gar keine Angst. Im Gegenteil, demnächst würde er den Zuchtrüden für Amala abholen und mit der zucht beginnen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde sie wieder heiß werden. Das war das einzige was er an seiner Hündin hasste: Das wegwischen des Menstruationsblutes. Es war ihm immer furchtbar peinlich, deswege machte er das immer schnell selbst weg, bevor er noch Ärger bekam, zumal er das auch nicht Sveija zumuten wollte. Wenn sie erstmal belegt war, würde das aufhören, also zumindest glaubte er das.
Er ging durch einen kleinen Wald aus Farnen, die sich eine kleine Lichtung zueigen gemacht hatten. In deren Mitte lag ein umgestürzter Baum. Offenbar hatte Donar ihn gefällt, denn er war teilweise verkohlt und geborsten. Nun lag er also da und schuf eine natürliche Brücke und einen guten Aussichtspunkt. Flink erkletterte Ragin seinen Aussichtspunkt und blickte in den Wald. Viel mehr sah er nicht, denn um ihn herum war ein Farnmeer und so sah er eigentlich nur die Bäume dahinter besser. Doch er sah auch, dass sich etwas weiter hinten die Farne bewegten und offenbar etwas auf ihn zukam. Als er dann auch noch ein Grunzen hörte, wusste er was los war und nahm die Beine in die Hände. Keine Sekunde zu früh, denn ein kapitaler Keiler brach aus seiner pflanzlichen Tarnung und heftete sich an Ragins Fersen. Wäre der baum nicht dagewesen, durch den sich der junge Duccier einen Vorsprung erarbeiten konnte, hätte das Borstenvieh ihn wahrscheinlich schon erwischt. So aber schaffte Ragin es zumindest aus dem farnwald heraus und sprintete anschließend auf die Bäume zu. Dort ergroff er einen Ast, der etwa fünf Fuß über dem Boden war und konnte sich gerade noch hochziehen, bevor der Keiler unter ihm durchraste. Flink kletterte er einige Äste höher, so dass er sich sicher sein konnte, dass er nicht weiter belangt werden konnte. Vielleicht hatte er ja Glück und das Schwein würde gleich wieder abziehen.
Aber diese Hoffnung erfüllte sich ganz und gar nicht. Im Gegenteil zu dem keiler, der sich am Fuße der der Eiche niedergelassen hatte, gesellte sich noch eine ganze Rotte von Wildschweinen, mitsamt Frischlingen. Nafänglich fand es ragin auf dem Ast noch toll den kleinen Schweinchen zuzuschauen, doch nach ungefähr einer Stunde hatte sein Interesse stark nachgelassen und eigentlich wollte er nur noch runter von diesem Baum.
"Haut ab ihr Schinken! Habt ihr kein Zuhause!? Weg mit euch! Gsch! Gsch!" rief er hinunter, aber irgendwie schienen ihn die Schweine mehr oder weniger zu ignorieren. Auch als er mit einigen kleinen abgebrochenen Stöcken nach ihnen war, erhoben sie sich bestenfalls etwas unwillig schnaubend und legten sich kurz darauf wieder hin. Aber auf die Frischlinge wars er nicht, schließlich waren das ja noch Babys. Also schien das leider etwas längeres zu werden, so dass er sich eine halbwegs gemütliche stelle suchte und sich darauf vorbereitete noch einige Stunden hier zu verbringen. Zum Glück hatte er sich etwas Brot mitgenommen, welches er jetzt anfing zu verspeisen.
Wer mich retten mag, kann das gerne tun. Wenn nicht rette ich mich selbst;)